Microsoft

Windows Mobile 6.5 - nur ein Zwischenschritt

06.10.2009
Seinen Antrittsbesuch in der Microsoft-Zentrale in Redmond wird Achim Berg, der Geschäftsführer der Microsoft Deutschland GmbH, sein Leben lang nicht vergessen.

Konzernchef Steve Ballmer hatte im Februar 2007 seine Führungskräfte aus aller Welt zu sich gerufen, um dem Team über 21 Stunden am Stück die Leviten zu lesen. Microsoft stand damals wegen des Debakels um das missglückte PC-Betriebssystem Windows Vista mit dem Rücken zur Wand. Den Suchmaschinen-Markt mit gigantischen Werbeeinnahmen hatte sich Google unter den Nagel gerissen. Und der Einstieg des Konkurrenten Apple in das Mobilfunkgeschäft mit dem iPhone verschlechterte die Laune des bulligen Unternehmensführers noch mehr.

Knapp drei Jahre später hat Steve Ballmer deutlich seltener Anlass, gegenüber seiner Führungscrew aus der Haut zu fahren und laut zu werden. Mit Windows 7 stellt der weltgrößte Softwarekonzern in diesen Wochen ein runderneuertes PC-Betriebssystem vor, das die Anwender nicht mehr so mit Macken und Bevormundungen nervt wie noch der Vorgänger Windows Vista. Mit dem "Project Natal" hat Microsoft inzwischen eine Technologie im Portfolio, mit der sich nicht nur die Spielekonsole Xbox über Gesten und Sprache steuern lässt. Und mit der Suchmaschine Bing hat Microsoft seinen Wettbewerber Google seit Jahren erstmals dazu gezwungen, sich mit der Technologie eines Konkurrenten ernsthaft auseinanderzusetzen. Nur im Mobilfunksektor sieht es nach wie vor alles andere als rosig aus.

"Während die meisten Projekte in den vergangenen drei Jahren sensationell gut gelaufen sind, hat es das Windows-Mobile-Team in Redmond komplett vergeigt", sagt ein Microsoft-Insider. Microsoft habe nicht mit der Entwicklung von Apples iPhone und der BlackBerry-Handys von Research In Motion Schritt halten können, urteilten die Marktforscher von iSuppli. Auch Andreas Krieg, Geschäftsbereichsleiter Mobility bei Microsoft Deutschland, räumt ein, dass im Mobilfunkbereich nicht alles glatt gelaufen ist. "Da wurde extrem viel umgebaut in Redmond."

Windows Mobile 6.5
Windows Mobile 6-5: Hauptmenü
Über die Windows-Taste, die in Zukunft jedes Windows-Mobile-Smartphone zieren wird, kommt der Anwender direkt ins Hauptmenü. Die bisher schnöden Listen sind als Icons in Form eines Wabenmusters angeordnet. Damit sichert Microsoft genügend Platz rund um jedes Symbol, so dass auch große Hände die Menü-Icons gut treffen. Die dezente Wabenzeichnung, die bei den ersten Screenshots, die Microsoft auf dem Mobile World Congress im Februar 2009 in Barcelona veröffentlichte, noch deutlich zusehen war, ist verschwunden.
Windows Mobile 6-5: Startbildschirm
Die neue Startseite von Windows Mobile wird bunter und bietet eine Programm-Liste zum schnellen Durchscrollen. Derzeit besteht sie aus zehn Links, unter anderem zu E-Mail, Kalender oder Musik-Player. Die Links sind von Microsoft fest vorgegeben, einzig die Netzbetreiber haben Einfluss und können hier eigene Menüpunkte hinterlegen. Der Endkunde kann die vorgegebenen Programme derzeit nicht nach seinem Gusto individualisieren.
Windows Mobile 6-5: Startbildschirm mit E-Mail-Anzeige
Alle wichtigen Informationen wie neue E-Mails und SMS, verpasste Anrufe und Kalendereinträge sieht der Nutzer mit einem Blick. Die Anzeige der am häufigsten genutzten und der zuletzt aufgerufenen Programme bei Klick auf das Windows-Icons oben links im Display gibt es dagegen nicht mehr.
Windows Mobile 6-5: Startbildschirm in Pastell
Wer Knallfarben verabscheut, kann den Startbildschirm auch dezenter gestalten.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer in der Desktop-Version
Der Browser unterstützt jetzt dank Flash Lite auch Flash-Dateien und zeigt neben youtube-Videos somit auch Filme auf tagesschau.de an. Außerdem kann der Nutzer wählen, ob er eine Darstellung wie auf dem PC wünscht oder lieber die mobile Version einer Webseite laden möchte. Hervorragend funktioniert dies mit dem Online-Auftritt von spiegel.de. Hier ist die normale PC-Webseite zu sehen.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - mobile Version
Im Vergleich dazu die abgespeckte Version, die üblicherweise von einem Handybrowser angezeigt wird.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer -Tastatur
Webseiten lassen sich auf einer virtuellen QWERTZ-Tastatur eintippen. Dabei hat Microsoft darauf geachtet, dass die Tasten möglichst groß sind, so dass der Nutzer auch mit dem Finger tippen kann. Ob das bei kleineren Bildschirmen in der Praxis auch hinhaut, müssen Tests erst noch beweisen.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - Favoritenansicht
Alle auf dem PC gespeicherten Bookmarks aus dem Ordner Favoriten kann der Anwender via ActiveSync mit dem Mobiltelefon abgleichen. Beim Opera-Browser Mobile ist ein Import schon lange möglich, nun bietet also endlich auch der hoffnungslos veraltete Internet Explorer die Übernahme der Lesezeichen an.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - PC Welt -Desktop
So sieht die Desktop-Variante der PC Welt auf dem Handy aus. Am unteren Bildschirmrand erscheinen fünf halbtransparente Icons, über die sich der Browser komfortabel mit dem Finger bedienen lässt. Der Nutzer kann beispielsweise hineinzoomen, auf die letzte Seite zurückspringen oder über das Sternchen seine Bookmarks aufrufen.
Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - PC Welt - mobile Variante
Das Gegenstück: die mobile Webseite der PC Welt. Die Auswahl der Darstellung, die der Anwender bevorzugt, erfolgt über ein Popup-Menü. Der Nutzer sollte diese Darstellung wählen, wenn das Display weniger als 800 Pixel Auflösung in der Breite bietet. Schließlich sind die meisten Webseiten auf eine Breite von 800 Pixel optimiert. Schafft das Display weniger Auflösung, ist nur ein Teil der Seite zu sehen. Der Anwender muss die Seite eventuell per Hand verschieben, um alles lesen zu können.
Windows Mobile 6-5: Postfach
Die Mail-Applikation hat Microsoft nicht angefasst. Aber das Auswählen eines Befehls soll auch hier leichter werden, da die Menüpunkte luftiger angeordnet und damit auch ohne Stylus zu bedienen sind.
Windows Mobile 6-5: Aktien-Widget
Auf Windows Mobile 6.5 werden auch drei Widgets vorinstalliert sein. Das sind Programme, die in einem Browserfenster laufen, ohne dass der Browser erkennbar wird. Microsoft hat für Aktien, Wetter und Suche (Live Search) jeweils ein Widget geschaffen. Die Infos liefert MSN. Beim Aktien-Widget kann sich der Nutzer den Kurs und die Entwicklung der Aktie ansehen. Aus der Anwendung heraus kann er zudem auf weiterführende Links klicken. Dazu wird er ins Internet weitergeleitet.
Windows Mobile 6-5: Wetter-Widget
Das Wetter-Widget liefert eine Vorhersage für die nächsten Tage. Die Daten zieht sich das Widget ebenfalls aus dem Internet. Es fallen somit wie auch beim Aktien-Widget Kosten für den Datentraffic an.
Windows Mobile 6-5: My Phone
Der Backup-Dienst My Phone (derzeit noch in der Betaphase) ermöglicht die Sicherung von Fotos und Videos, Musikbibliothek, Kontakten und SMS-Nachrichten. Die Daten werden hierzu auf einem Microsoft-Server gespeichert.
Windows Mobile 6-5: Webseite My Phone
Der Zugriff auf die Webseite von My Phone ist mit einem Passwort geschützt Genderte persönliche Daten werden automatisch abgeglichen. Hat der Nutzer sein Smartphone verloren, bleiben ihm wenigstens seine Daten erhalten und er kann sie auf ein neues Gerät überspielen - sofern er sich wieder ein Windows-Mobile-Smartphone zulegt. Mit Symbian, Blackberry oder anderen Betriebssystemen kooperiert My Phone nicht.
Windows Mobile 6-5: Bildschirmsperre
Windows Mobile 6.5 bietet nun auch eine Display-Sperre. Diese kann entweder manuell ausgelöst werden oder automatisch nach einer einstellbaren Zeit gesetzt werden. Um zu entsperren, muss der Nutzer den Schieber nach rechts oder links zum Rand schieben. Falls neue Emails, Kurznachrichten oder Anrufe eingetroffe sind, kann der Anwender auch auf das Lock-Icon tippen. Dann bekommt er zusätzliche Schieber, die direkt in die jeweilige Anwendung führen und nicht zum Homescreen.
Windows Mobile 6-5: Organizer
Nicht Neues beim Organizer: Er zeigt wie gewohnt Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresansicht. Zusätzlich gibt es wie gehabt die Agenda.
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Windows Mobile 6-5: Internet Explorer - Popupmenü

Über 30 Windows Phones

Mit dem neuen Handy-Betriebssystem Windows Mobile 6.5 sehen sich Krieg und seine Kollegen aber auf dem richtigen Weg. Zusammen mit verschiedenen Handyherstellern wird Microsoft bis zum Jahresende über 30 "Windows Phones" in mehr als 20 Ländern auf den Markt bringen. "Windows Phones verbinden Arbeit und Spiel. Das ist ein Segment des Marktes, das bislang nicht gefüllt ist und in das ein Windows Phone perfekt hineinpasst", sagte Microsoft-Chef Steve Ballmer am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa-AFX).

In großen Unternehmen und Organisationen ist Microsoft schon seit Jahren mit seinen Smartphones besser vertreten als bei privaten Anwendern. "Der Consumer-Markt wird aber immer wichtiger", sagt Krieg. "Mit einem Windows Phone bieten wir nun ein Smartphone für alle Lebensbereiche an - für die Arbeit und privat." In Deutschland treten die Microsoft-Partner Acer, HTC, LG, Samsung, Sony Ericsson und Toshiba mit neuen "Windows Phones" an.

Darunter hat insbesondere der HTC HD2 das Zeug, dem iPhone von Apple oder den Google-Handys mit dem "Android"-System Konkurrenz zu machen. Das Flaggschiff-Modell der Taiwaner beherrscht nämlich als einziges "Windows Phone" wie ein iPhone die Steuerung mit mehreren Fingern ("Multi-touch"), um beispielsweise in einem Dokument oder auf einer Webseite bequem und intuitiv herein- und herauszuzoomen.

Bis diese HTC-eigene Funktionserweiterung bei allen "Windows Phones" Standard wird, müssen Microsoft und seine Partner noch etliche Hausaufgaben erledigen. Daher gehen Branchenbeobachter davon aus, dass der Softwareriese bereits im Februar 2010 auf dem Mobile World Congress in Barcelona das Nachfolge-System Windows Mobile 7 vorstellen wird, das dann dem iPhone auf allen Ebenen ebenbürtig sein soll. Auch iSuppli glaubt, dass Microsoft erst mit der nächsten Auflage von Windows Mobile an Boden gewinnen könnte, weil die Neuerungen in der 6.5-Version zu gering seien. (dpa/tc)