Sicherheit statt Innovation

Wie kommt die Innovationskraft zurück in deutsche Unternehmen?

Kommentar  von Matthias Schorer
Risikobereitschaft zu zeigen und der Digitalisierung offen gegenüberzustehen sind Voraussetzungen für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Die meisten deutschen Unternehmen setzen allerdings auf Sicherheit, anstatt auf Innovation.

Auf der von Boston Consulting erstellten Rangliste der fünfzig weltweit innovativsten Unternehmen 2018 sind nur acht deutsche Firmen zu finden - allerdings jenseits der führenden Plätze. Siemens ist demnach das innovativste Unternehmen Deutschlands, konnte einige Plätze gutmachen und auf Rang 21 vorrücken. Weitere Vertreter aus Deutschland in den Top 50 sind die Allianz, sowie die Neueinsteiger Adidas und SAP. Besonders auffällig ist die Innovationskraft von Digitalkonzernen, die die Top 10 des Rankings dominieren. Apple, Google, Microsoft, Amazon und Samsung belegen die oberen fünf Ränge. Tesla, Facebook, IBM, Uber und der chinesische Internetriese Alibaba sind ebenfalls unter den ersten zehn zu finden. Was machen diese Firmen anders und wie hängt die Digitalisierung mit der Innovationsfähigkeit zusammen?

Besteht der Wille innovativer zu werden, scheitern Unternehmen oftmals an der Umsetzung der Idee.
Foto: Sergey Nivens - shutterstock.com

Die Angst vor der Digitalisierung

Die Digitalisierung wird oft als die dritte industrielle Revolution bezeichnet - und dies nicht ohne Grund. Die Entwicklung bahnbrechender Technologien wie Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz stehen repräsentativ für die Ära der Digitalisierung und die Innovationskraft, die diese Technologien mit sich bringen. Auch Data Analytics spielen hierbei eine immer größere Rolle. Innovative Unternehmen wissen um die Relevanz und Unverzichtbarkeit der umfangreichen Datenanalyse und die Möglichkeiten, die Technologien wie Blockchain oder Data Mining bieten.

Investitionen in die digitale Transformation sind für Unternehmen, die ihre Innovationskraft steigern wollen, unverzichtbar. Doch in diesem Bereich sind deutsche Unternehmen eher zurückhaltend, bodenständig und zeigen wenig Risikobereitschaft. So investierten deutsche Unternehmen 2017 nur ganze 4,6 Prozent des Umsatzes in die digitale Transformation. Sie setzen lieber auf das Thema Sicherheit und verfolgen Bewährtes: Best Practices statt Next Practices.

Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend

Besteht der Wille innovativer zu werden, scheitern Unternehmen oftmals an der Umsetzung der Idee. Meist sind verkrustete Organisationsstrukturen und die "das haben wir schon immer so gemacht" Mentalität Schuld daran. Die Schnelligkeit und Unvorhersehbarkeit der heutigen Marktsituation erfordert aber eine schnelle Umsetzung der innovativen Idee in ein neues Produkt, eine Dienstleistung oder eine Strategie. Genau an diese Schnelligkeit passt sich beispielsweise der US-amerikanische Technologie-Pionier Apple stetig an - nein, er gibt sie sogar maßgeblich vor - und verteidigt so seine Spitzenposition als innovativstes Unternehmen weltweit. Das regelmäßig neu erscheinende iPhone mit innovativen Features wie Gesichtserkennung oder neuartige Produkte wie die kabellosen AirPods orientieren sich bestmöglich am Markt und dessen Nachfrage. Auch Siemens trifft mit innovativen Elektrobussen in Hamburg den Nerv der Zeit und setzt so ein Zeichen für die Mobilität der Zukunft.

Erst handeln, dann denken?

Doch nicht jede Idee entwickelt sich zu einem Erfolg. Der Großteil der Konzepte landet in der Schublade. Um eine innovative Idee möglichst schnell umzusetzen, gilt: Anstatt die Idee vollständig strategisch zu entwickeln und alle Unwägbarkeiten einzubeziehen, sollte man lieber schnell mit der Umsetzung beginnen. Die aktuelle Marktsituation sollte man allerdings jederzeit im Blick behalten, um potenzielle Chancen zu nutzen und die Idee durch Experimentieren und Improvisieren stetig weiterzuentwickeln. Dies empfiehlt Professor Feng Li, Head of Technology and Innovation Management an der Cass Business School in seinem Report "Innovating in the Exponential Economy", der gemeinsam mit VMware erstellt wurde. Die beste Strategie ist ein dynamischer Lernprozess. Sie sollte weitgehend flexibel sein, um auf Entwicklungen und Veränderungen am Markt reagieren zu können. Bei der Umsetzung der Idee ist auf eine exakte Zeitplanung zu achten, die individuell auf das Projekt angepasst werden muss - weder zu früh, noch zu spät.

Es gibt innovative Produkte, die ihrer Zeit voraus waren und aus diesem Grund erst später den Erfolg feiern konnten, den sie verdient hatten. Darunter zum Beispiel 1993 der Apple Newton oder im Bereich Virtual Reality die VR-Gaming-Systeme der Virtuality Group. VR wurde zwar bereits Anfang der 90er-Jahre gehypt, konnte allerdings noch nicht die breite Masse erreichen und feierte den Durchbruch erst im 21. Jahrhundert. Genauso scheiterten Tablets, bei denen die Idee von Microsoft aufgrund technischer Hürden noch nicht erfolgreich umgesetzt werden konnte. An diesen Beispielen kann man gut erkennen, dass das Timing absolut entscheidend ist und auch Glück und Zufall ihren Beitrag leisten.

Die Kultur des Scheiterns

Die Umsetzung einer Innovation ist sehr stark von einer sicheren, zuverlässigen und flexiblen digitalen Infrastruktur abhängig. Die Digitalisierung annehmen, Technologien dementsprechend einsetzen und in die Unternehmensumgebung und -kultur integrieren, erfordert viel Engagement seitens der Führung und der Mitarbeiter. Verantwortlich für digitale Entwicklungen und Fortschritte innerhalb eines Unternehmens, sowie für die Bereitstellung von Ressourcen sind die Führungskräfte.

Unternehmen müssen die eigene Unternehmens- und Innovationskultur, sowie ihre Prozesse zur Ideenumsetzung und -bewertung überdenken. Unumgänglich ist es dabei, Risiken einzugehen und gegebenenfalls zu scheitern. Dies sollte nicht mehr als Tabu oder Fehler verstanden werden, sondern als ein Lernprozess: aus seinen Fehlern lernen und dabei die Ursachen für das Scheitern untersuchen. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland allerdings schlecht ab. Die Angst vor dem geschäftlichen Misserfolg ist in Deutschland extrem hoch, ganz im Gegensatz etwa zu Nordamerika - "Fail fast, fail often", sagt man in den USA.

Eines der wenigen positiven Beispiele für den Umgang mit Scheitern aus Deutschland sind die Gründer des Unternehmens Zalando. Die beiden Studienfreunde David Schneider und Robert Gentz haben sich an dem sozialen Netzwerk Unibicate versucht - und sind letztendlich gescheitert. Die Gründer empfanden den Misserfolg zuerst als großen Rückschlag, vor allem auf finanzieller Ebene. Doch auf diese Weise wurde ihnen bewusst, auf was es bei der Gründung eines Unternehmens ankommt. Mit ihrer zweiten Idee - dem Online-Versandhändler Zalando - feiern die Gründer schließlich bis dato enormen Erfolg: Im Jahr 2017 stieg der Umsatz des Unternehmens auf bis zu 4,5 Milliarden Euro.

Weiteres Beispiel einer innovativen Führungsfigur ist Tesla-Gründer Elon Musk: Er ist Vorreiter, Querdenker und Visionär. Seine zahlreichen Unternehmen und Projekte sind geradezu der Inbegriff der Innovation. In einem Interview verrät er, worauf es ankommt. Führungskräfte sollten es sich zum Ziel machen, Personal einzustellen, das möglichst intelligenter ist als sie selbst. Dadurch wächst das Unternehmen mit jedem neuen Mitarbeiter. Zusätzlich ist zu beachten, nicht jedem Trend zu folgen, Dinge zu hinterfragen und auch mal gegen den Strom zu schwimmen, so Musk.

Ich bin der Meinung, deutsche Unternehmen sollten mehr Bereitschaft und Mut zur Innovation zeigen. Dabei spreche ich vor allem Führungskräfte an, die in der Verantwortung stehen, eine offene Innovationskultur zu schaffen, um so auch bei den Mitarbeitern den Innovationsgedanken und -willen zu wecken und zu fördern. Die Anpassung an nordamerikanische Unternehmen, in denen Scheitern weniger tabuisiert wird, ist in diesem Zusammenhang unbedingt notwendig. Die Digitalisierung bietet unglaublich viele Möglichkeiten an neuen Technologien, die die Innovationskraft von Unternehmen steigern können. Demnach gilt: Digital werden, eine offene Innovationskultur schaffen und Risikobereitschaft zeigen!