Gartner und WWF testen

Welche Hersteller wirklich grün sind - und welche nur über Green IT reden

10.11.2008 von Jan-Bernd Meyer
Die Unternehmensberatung Gartner und der World Wide Fund for Nature (WWF) haben ITK-Hersteller auf ihre Umwelttauglichkeit getestet. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Die Unternehmensberatung und der WWF haben auf dem von Gartner abgehaltenen "Symposium/ITxpo 2008" im französischen Cannes die Resultate einer von Gartner abgehaltenen und vom WWF beratend begleitenden Untersuchung in Sachen Umweltengagement von ITK-Herstellern vorgestellt.

Gartner bat 24 bekannte Hersteller in einem 84 Fragen langen Fragebogen, darzulegen, wie sie das Thema Umweltschutz in ihrer eigenen Firma bewältigen. Zudem sollten die Unternehmen nachweisen, ob sie Lösungen entwickeln, die ihnen und ihren Kunden helfen, die Kohlendioxidbelastung der Umwelt zu verringern.

Nicht alle antworteten. Von 24 Herstellern blieben neun eine Antwort schuldig.

Vernichtendes Urteil: Kaum Umweltbewußtsein

Insgesamt, so das vernichtende Urteil von Gartner und dem WWF, bewege sich die ITK-Branche nur langsam, wenn es um die Umsetzung von Green IT geht. Das sei umso kritikwürdiger, als es genügend Möglichkeiten gibt, wie Firmen umweltbewusst agieren können. Hierzu zählt Gartner zum einen "intelligente" Gebäudetechniken. Auch Grid-Applikationen, Cloud-Computing-Anwendungen, also im Internet abrufbare Lösungen, seien geeignet, die Energiebilanz positiver zu gestalten. Auch öko-relevantes Reiseverhalten wie etwa Videokonferenzsysteme anstelle von Dienstreisen, wäre eine gute Möglichkeit, die Umweltbelastung durch Kohlendioxid zu verringern.

Simon Mingay, Research Vice President von Gartner und "Erfinder" des Begriffs Green-IT, von dem er sich mittlerweile eher distanziert, stellte die Ergebnisse der Untersuchung vor.

Wenig ermutigende Ergebnisse

Die Resultate waren insgesamt nicht sehr ermutigend und oft widersprachen dem selbstbewusst zur Schau getragenen Umweltbewusstsein vieler Hersteller. Einige wenige ITK-Firmen konnten sich als umweltbewusst agierende Hersteller profilieren. Sie sind in Sachen Umwelt- und Klimaschutz innovativ tätig. Andere Anbieter hingegen, schreibt Gartner, haben diesbezüglich so gut wie nichts zu bieten.

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Die Untersuchung zeigte, dass so mancher selbst erklärter Umwelt-Champion nicht einmal grundsätzliche Anforderungen an solch einen Anspruch erfüllt. Mingay zählt zu den Minimalerwartungen, dass ein Unternehmen sich selbst ein Ziel gesetzt hat, bis wann es wie viel zur Abnahme der Kohlendioxidbelastung beitragen will. "Solch eine Vorgabe ist eine der ganz grundsätzlichen Anforderungen an ein taugliches Umweltprogramm. Wenn ein Hersteller nicht einmal dieses Ziel vorweisen kann, dann sollten seine Kunden sehr skeptisch sein, ob solch ein Anbieter überhaupt eine Umweltstrategie besitzt."

Gartner nennt die Firmen, die zum Zeitpunkt der Studienerhebung solch ein Ziel zur Verringerung der Kohlendioxidbelastung nicht vorweisen konnten: Nokia, Ericsson, Google, Nortel, Cisco, SAP und Wipro. Lenovo und Cisco haben allerdings nach Abschluss der Untersuchung solch eine Selbstverpflichtung formuliert.

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Klassenbeste: Fujitsu, BT, HP, IBM

Von denen, die sich der Prüfung stellten, haben laut Gartner lediglich Fujitsu, British Telecom (BT), Hewlett-Packard (HP) und IBM bei allen zugrunde gelegten Kriterien (siehe Kasten "Die Kriterien der Befragung") gut abgeschnitten. Fujitsu, HP und IBM konnten eine ausgewogene, nachvollziehbare und langzeitorientierte Umweltstrategie vorweisen, die ihr komplettes Geschäftsmodell einschließt. Nokia punktete bei den Auguren, weil es seine Supply-Chain stark in Umweltbetrachtungen einbezieht. Diesbezüglich fallen auch IBM und BT positiv auf. Sie fokussieren sich in Sachen Supply-Chain auf ihre direkten Komponentenlieferanten (so genannte Tier-one-Provider), haben das Thema Umweltschutz aber auch schon auf die Lieferanten der zweiten Reihe (Tier-two-Provider) und darüber hinaus ausgedehnt.

Dennis Pamlin, beim WWF der weltweit verantwortliche Berater in Umweltfragen, erklärte, welche Grundforderung an ein umweltbewusst agierendes Unternehmen zu stellen ist: Solch ein Unternehmen reagiert nicht bloß auf das Thema Umweltbelastung. Vielmehr leitet es aktiv Veränderungen ein. Der Treiber für umweltpolitisches Handeln eines Unternehmens müsse sein, die Kohlendioxidbelastung zu verringern. In diesem Punkt zeigen sich HP, BT, IBM und Fujitsu als die Klassenbesten. Sie haben alle "ziemlich ausgeklügelte Programme zur Kohlendioxidvermeidung".

Wipro, Nortel, Verizon, Lenovo,China Mobile: Naja…

Wipro, Nortel, Verizon, China Mobile und Lenovo hingegen schnitten nicht sonderlich gut ab, schreibt das Marktforschungsinstitut. Google habe überhaupt keine Regeln in punkto Umweltschutz etabliert. So gebe es bei dem Suchmaschinenanbieter beispielsweise nicht einmal Minimalanforderungen an eine umweltfreundlichere Supply-Chain.

Nortel und Cisco besitzen zwar Umweltgrundsätze. Diese seien aber unverbindlich und nichts sagend. Ganz im Gegensatz hierzu unterhält die British Telecom ein sehr spezifisches und anspruchsvolles Umweltschutz-Regelwerk. Diese Vorgaben seien, schreibt Gartner, sogar an die Erfüllung von geschäftsrelevanten Leistungsindikatoren (KPIs = Key Performance Indicators) gebunden.

Cisco, China Mobile, Lenovo, Dell und Google schneiden auch deshalb in der Untersuchung von Gartner und dem WWF schlecht ab, weil "sie nicht nachweisen können, dass sie Umweltthemen ernsthaft umsetzen wollen", formuliert Mingay. Genau so etwas könne man aber heutzutage von ITK-Herstellern erwarten. In dieser Hinsicht fallen sie gegenüber den Musterschülern der ITK-Branche weit zurück, so der Gartner-Analyst weiter.

IT-Dienstleister haben umwelttechnisch keinen Plan

Die Untersuchungsergebnisse hätten auch gezeigt, dass die Angebote der IT-Dienstleister in punkto Umweltschutz und Kohlendioxidvermeidung kaum überzeugen können. Sie hätten fast alle noch nicht realisiert, dass sich die Marktanforderungen mittlerweile erheblich verändert haben. Ihnen seien auch die Risiken und die Chancen, die mit dem Thema Klimaveränderung verbunden sind, überhaupt nicht bewusst. Nur die wenigstens IT-Dienstleister hätten die Implikationen einer umweltverträglichen ITK-Bewirtschaftung durchdacht und sich Gedanken über deren Potenziale für das eigene Geschäftsmodell gemacht.

Vollmundige Versprechen und nichts dahinter

Gartner und der WWF fragten darüber hinaus nach, inwieweit die ITK-Hersteller sich auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene engagieren, um politische und regulatorische Aktivitäten zu beeinflussen, die zur Verminderung der Kohlendioxidbelastung beitragen. Zwei Unternehmen tun diesbezüglich "so gut wie gar nichts": China Mobile und Wipro. SAP engagiere sich zumindest nicht direkt.

Gartner-Analyst Mingay betont zwar, dass keinem der ITK-Hersteller Greenwashing unterstellt werden könne. Darunter versteht man, dass ein Unternehmen sich mit seinen Marketing- und PR-Aussagen einen grünen Anstrich verpasst, ohne auch nur im geringsten solch einem Anspruch gerecht werden zu können.

Cisco und Dell "tendieren allerdings dazu, mehr über Umweltthemen zu reden und weniger zu realisieren", heißt es im Gartner-Bericht. Im Vergleich zu ITK-Anbietern wie BT, IBM und HP reagieren Dell und Nokia " kurzsichtig auf die Anforderung, die Kohlendioxidbelastung in der Wirtschaft zu senken". Die umweltfreundlichen ITK-Unternehmen würden demgegenüber nach Wegen suchen, wie Aktivitäten in der Wirtschaft, die für eine hohe Umweltbelastung verantwortlich sind, gezielt verändert werden können. Mingay nennt hier Themen wie Geschäftsreisen, Transport von Gütern, Grid-, Cluster- oder Cloud-Lösungen und "intelligente" Gebäudetechniken.

Wettbewerbsvorteil Umweltbewusstsein

Mingay sagt, es gebe erste Belege dafür, dass solche ITK-Hersteller, die eine führende Rolle in Sachen Umweltthemen einnehmen, auch Wettbewerbsvorteile besitzen: "Zunehmend wollen Unternehmen mit solchen ITK-Anbietern zusammenarbeiten, die Innovationen in Sachen Umweltfreundlichkeit vorantreiben und mit denen zusammen sie die Chancen nutzen können, die ein umweltfreundliches Wirtschaften mit sich bringt."

Wer Auskunft gab und wer nicht

Die Fragen von Gartner beantworteten folgende 15 Anbieter:

Die folgenden neun Hersteller zogen es vor, nicht zu antworten:

Die Kriterien der Befragung

Gartner und der WWF beurteilten das Umweltbewusstsein von 24 ITK-Herstellern nach den folgenden fünf Kriterien:

Die ersten drei Kategorien zielen darauf, wie ITK-Unternehmen in ihren eigenen Firmen mit dem Thema Umweltschutz umgehen, wie sie ihre Lieferketten umweltgerecht realisieren und wie gut sie die Umweltbotschaft und das, was sie hierzu selbst tun, kommunizieren.

Die beiden letzten Kategorien befragen Unternehmen danach, in welchem Maß sie sich des Themas Klimaveränderung als einer Chance bewusst sind, die sie für ihr Geschäftsmodell wirtschaftlich nutzen können. Inwieweit sie sich zudem engagieren, um mit verschiedenen Aktivitäten das Bewusstsein für Umweltthemen zu schüren und das politische und wirtschaftliche Regelwerk beeinflussen, um auf die Klimathematik einzuwirken.