Was ist mentale Gesundheit?

17.09.2022 von Maximiliane Piontek
Mentale Gesundheit bildet die Grundlage für Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Das sollten Sie zum Thema Mental Health wissen.
Die grüne Schleife ist das Symbol der Mental Health Awareness Bewegung.
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Mai war offizieller Mental Health Awareness Monat. Lesen Sie hier die neuesten Forschungsergebnisse zum Thema Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt.

Mentale Gesundheit: Definition

Die Begriffe Mentale Gesundheit oder Psychische Gesundheit haben den allgemeinen Gesundheitsbegriff über die physische Gesundheit hinaus ausgeweitet. Ein Faktenblatt der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt noch einmal klar:

Psychische Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann.

Mentale Gesundheit geht über die Abwesenheit psychischer Beeinträchtigungen oder Störungen hinaus. Arbeitszufriedenheit und -engagement zählen somit zu Indikatoren für eine stabile Psychische Gesundheit. Sie ist mit der physischen Gesundheit verknüpft und beide können sich gegenseitig beeinflussen. Nicht selten werden somatische Symptome auch auf psychische Ursachen zurückgeführt.

Was beeinflusst die psychische Gesundheit?

Die WHO nennt dazu drei grundlegende Einflüsse: Umweltfaktoren, soziale Verhältnisse und individuelle Merkmale. Zu den sozialen Verhältnissen gehören unter anderem Bildungs- und Arbeitsbedingungen.

Die Pandemie und psychische Gesundheit

Im Coronajahr 2020 hat die Psychische Gesundheit für stärkeres öffentliches Aufsehen gesorgt: Wie wirkt sich das Home-Office auf die psychische Gesundheit aus? Wie kann die Work-Life-Balance in der Heimarbeit gelingen? Wie weiter arbeiten, wenn die Kinder nicht in den Kindergarten oder die Schule dürfen?

Zahlreiche Studien wurden zu möglichen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die psychische Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger veröffentlicht. Forscherinnen für Klinische Psychologie und Psychotherapie betonen in einem Positionspapier (2020), die Pandemie sei ein potenziell toxischer Stressfaktor. Fünf Eigenschaften machten die Pandemie für sie zu einer besonderen Bedrohung für die psychische Gesundheit:

In der Bevölkerungsgruppe der Erwerbstätigen stellen die Forscherinnen positive und negative Auswirkungen der Arbeit im Home-Office fest. Sie fordern umfassende Präventionsprogramme, zugeschnitten auf die jeweilige Betroffenengruppe.

Tipps fürs Arbeiten im Home-Office
So profitieren Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Die Arbeit im Home-Office ist aufgrund der COVID-19-Pandemie für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Arbeitsnorm geworden - gewollt und ungewollt. Die Bedingungen der Pandemie stellen Heimarbeiter vor besondere Herausforderungen, aber auch ohne die Corona-Einschränkungen gilt es, im Home-Office auf die mentale Stärke und Gesundheit zu achten. Folgende Tipps sollten Unternehmen und Angestellte beachten, um motiviert und produktiv arbeiten zu können.
Arbeitspensum im Blick behalten
Arbeitgeber sollten besonders die Wahrnehmung ihrer Mitarbeiter in Bezug auf ihr Arbeitspensum im Blick behalten. Nicht alle haben den Mut zu sagen, überfordert zu sein. Regelmäßige Einzelgespräche, in denen sich auf vertrauter Ebene nach dem Wohlbefinden und der Auslastung erkundigt werden kann, sind jetzt entscheidend. Das ist entweder im persönlichen Videogespräch oder über digitale Werkzeuge möglich. Hier können vor allem Feedback-Tools helfen, womit Angestellte idealerweise einmal in der Woche anonym Feedback geben können.
Zusätzliche Benefits für Angestellte anbieten
Gerade jetzt sollten Unternehmen darauf achten, dass die Benefits stimmen. Eine Möglichkeit wäre, die Urlaubstage zu erhöhen, sofern sich das einrichten lässt. So haben Angestellte als Ausgleich mehr Zeit für sich oder ihre Familie. Angefallene Überstunden eignen sich zudem, um nun für die Freizeit genutzt zu werden. Zusätzlich sollten Betriebe das Homeoffice ihrer Angestellten mit entsprechenden Büromöbeln und IT ausstatten, damit die Arbeit von zu Hause produktiv bleibt.
Home-Office vom Privatleben trennen
Beschäftigte sollten darauf achten, dass der Arbeitsbereich vom häuslichen Alltag abgegrenzt wird und der Arbeitsplatz nicht dort ist, wo auch der Feierabend verbracht wird. Der Computer sollte also, wenn möglich, in einen separaten Raum platziert werden, um zur Ruhe zu kommen. Dadurch gelingt es leichter in den Feierabendmodus zu wechseln. Und auch das Mittagessen sollte nicht vor dem Laptop eingenommen, sondern bewusst vom Arbeitsplatz abgegrenzt werden.
Bewusste Pausen einlegen
Die Mittagspause oder den Feierabend sollten Angestellte für einen Gang an die frischen Luft nutzen, um gedanklich von der Arbeit abzuschalten. Dafür können sie ihren Kollegen über die Statusanzeige in Chat-Programmen signalisieren, dass sie gerade zu Tisch oder in einer Pause sind. Es wäre auch möglich, mit Emojis kleine Codes vereinbaren: Ein Pizza-Emoji hinter dem eigenen Account-Namen steht für die Mittagspause, ein Computer-Emoji für die Arbeitsphase.
Feierabend ist Feierabend
Direkt nach Arbeitsende sollte der Computer ausgeschaltet werden, auch das Smartphone kann nach der Arbeit für eine gewisse Zeit auf Flugmodus gestellt werden, um einen bewussten Übergang von Arbeit und Feierabend sicherzustellen. Beschäftigte können auch hier ihren Kollegen über die Statusanzeige oder mit Emojis signalisieren, dass sie im wohlverdienten Feierabend sind. Manchmal kann es auch schon helfen, von den Arbeitsklamotten in eine Jogginghose zu wechseln, um geistig mit dem Arbeitstag abzuschließen.
Erwartungen anpassen
Sowohl als Chef als auch als Angestellter heißt es, Erwartungen an die neuen Umstände anzugleichen, Verständnis und Empathie zu zeigen, eigene Grenzen kennenzulernen und zu setzen - "business as usual" ist derzeit kaum möglich. Arbeitgeber, aber auch Angestellte sollten klare und faire Ziele vereinbaren. Hierfür hilft eine strukturierte Liste zu allen Arbeitsaufträgen, die priorisiert werden. Wenn es leichter ist, die Arbeit zu erledigen, nachdem die Kinder ins Bett gegangen sind, dann sollten Angestellte die Möglichkeit haben, die Arbeitszeiten an ihre Bedürfnisse und Lebensumstände anzupassen.
Kein schlechtes Gewissen, wenn nicht alles geschafft wurde
An manchen Tagen ist man produktiver als an anderen. Daher sollten sich Angestellte auf die wichtigen Projekte konzentrieren, wenn sie einen Tag mit wenigen Unterbrechungen haben. Kleinere Aufgaben sollten auf Tage mit weniger Konzentrationslast aufgeschoben werden, sofern möglich. Mitarbeiter sollten auch immer die Möglichkeit haben, ihre Kollegen anzusprechen und um Rat oder Unterstützung bitten zu können - denn jeder kennt solche Tage oder Aufgaben, in denen einfach der Wurm drin ist und nichts zu laufen scheint. Empathie und Verständnis ist also gerade jetzt das Gebot der Stunde - das sollte sich auch in der Unternehmenskultur niederschlagen, damit sich die gesamte Belegschaft gehört und inkludiert fühlt.

Eine Mental-Health-Studie (Bäuerle et al., 2020) aus Deutschland befragte über 15.000 Bürgerinnen und Bürger zu ihrer psychischen Gesundheit vor und während der Corona-Pandemie. Das Ergebnis: Die psychische Gesundheit sahen die Mehrheit der Befragten während Corona als besonders belastet an. Die Symptome reichten von Depression über Angst und Stress. Während von den Befragten vor Corona nur acht Prozent starke Depressionssymptome, neun Prozent starke Angstsymptome und 52 Prozent erhöhten Stress angaben, waren es während der Pandemie 14 Prozent mit starken Depressionssymptomen, 20 Prozent mit starker Angst und 65 Prozent mit erhöhtem Stress.

Der "Psychreport" der DAK stellt fest: 2020 gab es so viele krankheitsbedingte Fehltage wie noch nie zuvor, besonders betroffen waren Frauen. Als Ursachen wurden häufig Depression und Angststörung angegeben, die Daten beziehen sich auf über 2,4 Millionen gesetzlich Versicherte Arbeitnehmer.

In einer Literaturzusammenfassung von Hossain et al. (2020) stellen die Autoren und Autorinnen fest, dass zahlreiche Studien negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit durch die Covid-19-Pandemie nachweisen konnten, darunter fielen auffällige Entwicklungen für die Krankheiten Angststörungen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Depression sowie weitere Diagnosen.

Unterschiede in der Gefährdung der psychischen Gesundheit zeigten sich in den Merkmalen Alter, Geschlecht, Familienstand, Bildung und Arbeitsverhältnis uvm. So waren vor allem jüngere Menschen, Frauen und Menschen aus schlechteren Bildungs- und Arbeitsverhältnissen gefährdet, negative Auswirkungen der Corona-Pandemie zu erleben. Eine wichtige Schlussfolgerung: effektive Hilfsangebote und Interventionen müssen der Bevölkerung noch besser zugänglich gemacht werden. Was können Arbeitnehmer für ihre psychische Gesundheit tun und wo finden sich Hilfsangebote?

Mental Health: Auch Aufgabe der Arbeitgeber

Arbeitgeber sind laut der Fürsorgepflicht gemäß BGB § 618 Abs. 1 dazu verpflichtet, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Dazu zählen:

Somit gehört auch die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer zur Fürsorgepflicht, im Zuge dessen gilt es in den Unternehmen vor allem die Arbeitsbelastung im Auge zu behalten.

Auch Gusy (2017) schlussfolgerte in seiner Habilitationsschrift zum Thema Arbeit und Gesundheit: Unternehmen müssen die betriebliche Gesundheitsförderspraxis ausbauen. Wichtig dabei wäre, diese Interventionen nicht nur Arbeitnehmern mit gesundheitlichen Risiken oder Beeinträchtigungen anzubieten, sondern Präventionsmaßnahmen breit zu streuen und allen Mitarbeitenden zugänglich zu machen.

Die Unternehmenskultur hat außerdem mit den Stellschrauben Autonomie, soziale Unterstützung, soziale Gerechtigkeit und Führungsverhalten einen direkten Einfluss auf die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden. Diese Ressourcen müssen gestärkt werden und Interventionen müssen an diesen Stellen ansetzen.

Auch bei der internen Gesprächskultur sollten sich Arbeitgeber die Relevanz psychischer Gesundheit bewusst machen. Führungskräfte sollten sensibel mit möglichen Stressoren umgehen und Konflikte müssen offen angesprochen werden können. Die Offensive Psychische Gesundheit, ein Kooperationsprojekt von Politik und Präventionspartnern, macht mit ihrer Kampagne auf wichtige Informationen zum Thema aufmerksam.

Wichtige Handlungshilfen und Informationen finden Führungskräfte und Beschäftigte auf der Seite des Projekts psyGA der Initiative Neue Qualität der Arbeit.

Mental Health für Arbeitnehmer

Und abgesehen von den Forderungen gegenüber Arbeitgebern, die mehr Maßnahmen initiieren und Verantwortung für die psychische Gesundheit ihrer Arbeitnehmer übernehmen sollten – was können Arbeitnehmer selbst tun?

  1. Als erstes gilt es eine "Bestandsaufnahme" zu machen: Wie geht es Ihnen eigentlich? Hierbei kann ein Online-Test helfen, zum Beispiel der Selbsttest zur allgemeinen Gesundheit.

  2. Empfinden Sie viel Stress? Gibt es Gefühlszustände die Sie nicht ganz einordnen können? Oder vermuten Sie vielleicht einen Burnout? In jedem dieser Fälle kann es sich lohnen, mögliche Hilfsangebote ausfindig zu machen. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

  3. Nun fragen Sie sich, was Sie in der Zwischenzeit (zum Beispiel bis zu einem anstehenden Arzttermin) tun können? Im nächsten Abschnitt finden Sie hilfreiche Tipps, um die mentale Gesundheit in Eigenregie zu unterstützen.

Mentale Gesundheit stärken: Tipps und Apps

Podcasts, Online Angebote, Apps: die digitalen Medien bringen auch für die psychische Gesundheit einige Vorteile und zugängliche Angebote. Hier eine Auswahl an hilfreichen Ressourcen.

Online-Trainingsprogramme

Im Zuge der Coronapandemie wurden einige Online-Trainings zur Unterstützung der mentalen Gesundheit und Resilienz entwickelt, an denen Sie von zuhause aus teilnehmen können. Hier eine Auswahl:

Meditationsapps

Meditation fördert bewusste Entspannungsmomente und somit auch das mentale Wohlbefinden. Auch für Menschen, die keine Erfahrung mit Meditation haben, gibt es einige Apps mit sachlicher Anleitung - bequem und zeitsparend. Beispiele hierfür sind:

Podcasts

Wichtig: Bei ernsthaften Angstzuständen oder starken Stimmungsschwankungen sowie verstärkter Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit bitte an einen Psychotherapeuten, Psychologen oder Hausarzt wenden.

Lesen Sie auch:

Bäuerle, A., Steinbach, J., Schweda, A., Beckord, J., Hetkamp, M., Weismüller, B., ... & Skoda, E. M. (2020). Mental health burden of the COVID-19 outbreak in Germany: predictors of mental health impairment. Journal of primary care & community health, 11, 2150132720953682.

Brakemeier, E. L., Wirkner, J., Knaevelsrud, C., Wurm, S., Christiansen, H., Lueken, U., & Schneider, S. (2020). Die COVID-19-Pandemie als Herausforderung für die psychische Gesundheit. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie.

Gusy, B. (2017). Arbeit und Gesundheit: Eine metaanalytische Befundintegration. https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/6165/Gusy_2017a.pdf?sequence=1

Hossain, M. M., Tasnim, S., Sultana, A., Faizah, F., Mazumder, H., Zou, L., ... & Ma, P. (2020). Epidemiology of mental health problems in COVID-19: a review. F1000Research, 9.