Mitarbeiterwünsche nach Corona

Mobiles Arbeiten ja, Großraum nein

07.04.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Fast 90 Prozent der Erwerbstätigen möchten mobil arbeiten, und genauso viele erwarten von ihrem Arbeitgeber, mehr gesellschaftliches Engagement und Themen wie Gleichstellung und Diversität zu forcieren.
Wenn Arbeitgeber von New Work sprechen, meinen sie auch das Großraumbüro. Beschäftigte dagegen meinen das Einzelbüro und sinnstiftende Arbeit.
Wenn Arbeitgeber von New Work sprechen, meinen sie auch das Großraumbüro. Beschäftigte dagegen meinen das Einzelbüro und sinnstiftende Arbeit.
Foto: Monkey Business Images - shutterstock.com

Aktuell arbeitet die Hälfte aller Erwerbstätigen (50 Prozent) in Deutschland vollständig oder teilweise im Home-Office beziehungsweise mobil. Der Zuspruch für flexiblere Arbeitsformen ist groß. Die übergroße Mehrheit der Erwerbstätigen hat ganz klare Vorstellungen, was ihr künftig wichtig ist:

  • Arbeitszeit frei einteilen (95 Prozent),

  • individuelle Leistungs- und Lernziele selbst bestimmen (95 Prozent) und

  • allgemein einer sinnstiftenden Tätigkeit (91 Prozent) nachgehen zu können,

sind breit geteilte Wünsche an den Job.

Vom Arbeitgeber wird erwartet, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen (91 Prozent) und Gleichstellung und Diversität zu fördern (92 Prozent). Vor die Wahl gestellt, möchten neun von zehn Erwerbstätigen (88 Prozent) nach der Pandemie zumindest teilweise im Home-Office arbeiten, acht von zehn (80 Prozent) an einem festen Arbeitsplatz in einem Einzelbüro. Allgemein sollte mobiles Arbeiten in Deutschland nach Ansicht der großen Mehrheit (71 Prozent) viel stärker genutzt werden.

Das sind zentrale Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von mehr als 1.500 Erwerbstätigen in Deutschland ab 16 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. "Der Wunsch nach mehr Flexibilität, Selbstbestimmung und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist groß und die Politik und Unternehmen sind gefordert, hierfür den richtigen Rahmen zu setzen", sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.

Digitalisierung der Arbeit wird als Chance gesehen

Die gute Nachricht vom Bitkom: In der Pandemie hat sich die Sichtweise auf die Digitalisierung der Arbeitswelt weiter stark zum Positiven entwickelt. Mehr als acht von zehn Erwerbstätigen (84 Prozent) sehen die Digitalisierung als Chance für ihre berufliche Situation. 2019 waren es erst 66 Prozent. Nur noch jede und jeder Siebte (14 Prozent) sieht dagegen in der Digitalisierung eine Gefahr für die eigene berufliche Situation, sehr viel weniger als vor der Pandemie (2019: 32 Prozent).

Corona-bedingt hat die Mehrheit der Erwerbstätigen Erfahrungen im Home-Office gesammelt. Ein gutes Viertel (27 Prozent) geht einer Tätigkeit nach, die vollständig für Home-Office geeignet ist. Ein gutes Drittel (35 Prozent) der Jobs eignet sich nach Einschätzung der Befragten zumindest teilweise dafür. 36 Prozent der Tätigkeiten sind dagegen nicht für Home-Office geeignet.

Neun von zehn sehen ihre Zukunft im Home-Office

Geht es nach den Erwerbstätigen, wird es in der Zeit nach der Pandemie eine Mischung aus mobiler und Präsenzarbeit geben. In Zukunft möchten neun von zehn (88 Prozent) mindestens teilweise im Home-Office arbeiten. Acht von zehn wollen einen festen Arbeitsplatz (80 Prozent) in einem Einzelbüro, sieben von zehn (69 Prozent) einen festen Arbeitsplatz in einem Mehrpersonenbüro. Ins Großraumbüro will dagegen nur ein Drittel (32 Prozent), und das nur gelegentlich.

Populärere Arbeitsorte sind dagegen die Ferienwohnung (59 Prozent), ein Shared Desk im Büro (58 Prozent), ein fester Wohnort im Ausland (58 Prozent) und ein Co-Working-Space (58 Prozent). Berg: "Die neue Normalität entscheidet sich nicht zwischen klassischer Präsenzarbeit und Home-Office, sondern ist ein klares Sowohl-als-auch."

Die meisten werden einige Tage pro Woche ins Büro gehen und einige Tage zu Hause arbeiten. Einige werden nur noch im Home-Office sein, andere nur im Büro. Und der eine und die andere werde 'Workation' bevorzugen und am Urlaubsort arbeiten, sei es im Hotel oder Camper - immer vorausgesetzt, der Job lasse das zu.

Corona treibt den Kulturwandel hin zu New Work

"Mit der Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt verändert sich auch die Kultur am Arbeitsplatz", beobachtet der Bitkom-Chef. Die Corona-Pandemie habe ein breites Umdenken ausgelöst, was Führung, Kollaboration und Prozesse angeht. Acht von zehn abhängig Beschäftigten (79 Prozent) haben den Eindruck, dass ihr Arbeitgeber seinen Beschäftigten seit der Pandemie mehr vertraut und verstärkt auf Eigenverantwortung setzt. Drei Viertel (74 Prozent) stellen eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber digitalen Technologien fest. Die Hälfte (51 Prozent) sagt, dass mehr auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten geachtet wird.

Jeweils vier von zehn (40 Prozent) berichten von einem kooperativeren Führungsstil, flexibleren Arbeitszeiten und einer gelockerten Kleiderordnung. Ein Drittel (34 Prozent) sieht mehr Weiterbildungsmöglichkeiten für die Beschäftigten. "Die Pandemie hat die Arbeitskultur tiefgreifend verändert, für viele Beschäftigte fühlt sich Arbeit nach Corona ganz anders an", stellt Berg fest.

Produktivität und Zufriedenheit im Büro am höchsten

Je nach Arbeitsort und Umfeld beurteilen die Erwerbstätigen ihre Produktivität und ihre Arbeitszufriedenheit unterschiedlich. Klassische Büroarbeit setzt dabei Maßstäbe: 98 Prozent der Erwerbstätigen schätzen ihre Produktivität im Büro als hoch ein, für die Arbeitszufriedenheit sagen das 90 Prozent. Das Home-Office erzielt bei Produktivität (90 Prozent) und Zufriedenheit (88 Prozent) ebenfalls sehr hohe Werte und folgt knapp dahinter.

Unterwegs, zum Beispiel in der Bahn, schätzt gut die Hälfte (56 Prozent) ihre Produktivität als hoch ein, bei der Arbeitszufriedenheit sind es 55 Prozent. Am schwächsten schneiden sonstige Orte ab wie Co-Working-Spaces, Cafés oder Ferienwohnungen. Dort empfinden nur 48 Prozent ihre Produktivität und 44 Prozent ihre Arbeitszufriedenheit als hoch.

Weniger Stress und bessere Work-Life-Balance

Unter dem Strich überwiegen für die Mehrheit die Vorteile von mobilem Arbeiten. 85 Prozent der Erwerbstätigen, die mobil arbeiten, empfinden weniger Stress, da der Arbeitsweg entfällt. 82 Prozent sehen den damit verbundenen Zeitgewinn positiv. Und drei Viertel (74 Prozent) bemerken eine generell bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Weitere meistgenannte Vorteile sind mehr zeitliche Flexibilität (62 Prozent), die Möglichkeit eines gesundheitsbewussteren Lebensstils etwa in Hinblick auf Sport und Ernährung (40 Prozent) und weniger Störungen durch Kolleginnen und Kollegen (32 Prozent).

Der fehlende persönliche Austausch mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist wiederum der am meisten genannte Nachteil von Home-Office. Vier von zehn (44 Prozent) beklagen weniger Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen. Für ein Fünftel (19 Prozent) ist es auch ein Problem, weniger Kontakt mit Vorgesetzten zu haben.

Weitere genannte Nachteile sind Schwierigkeiten, das Privatleben vom Job abzugrenzen (27 Prozent) und das Gefühl, von wichtigen Informationen abgeschnitten zu sein (25 Prozent). Jede und jeder Siebte (15 Prozent) hat mobil schlechtere Arbeitsbedingungen als im Büro. Während lediglich drei Prozent mit der Arbeit im Home-Office überhaupt keine positiven Erfahrungen gemacht haben, stehen dem 26 Prozent gegenüber, die nichts Negatives sagen können.

Arbeitgeber stellen Technik, aber kaum Mobiliar

Für das mobile Arbeiten werden die meisten Erwerbstätigen von ihrem Arbeitgeber mit Technik ausgestattet. Einrichtungsgegenstände werden dagegen eher selten gestellt. Zwei Drittel (67 Prozent) erhalten ein Notebook, ein Viertel (26 Prozent) ein Smartphone und ein Sechstel (17 Prozent) ein Tablet vom Arbeitgeber. Auch Maus (29 Prozent), Webcam (26 Prozent), Monitor (25 Prozent) und Headset (20 Prozent) werden in einigen Fällen gestellt.

Nur die Minderheit wird vom Arbeitgeber mit Mobiliar versorgt wie Schreibtischstuhl (sieben Prozent), Schreibtisch (vier Prozent) oder Green Screen (drei Prozent). Fast jede und jeder achte mobil Arbeitende erhält nichts von alldem: zwölf Prozent bekommen von ihrem Arbeitgeber weder Technik noch Mobiliar.

Auch bei der Arbeitsorganisation gibt es Unterstützung. Die Hälfte der mobil arbeitenden Erwerbstätigen (52 Prozent) sagt, es gebe klare Regeln für das Arbeiten im Home-Office, zum Beispiel zur Erreichbarkeit. Weitere Unterstützung gibt es etwa mit der Bereitstellung von Plattformen zum Austausch für Mitarbeitende (43 Prozent), mit Informationen, Leitfäden und Schulungen zu IT, Cyber-Sicherheit und Datenschutz (34 Prozent) und mit Angeboten zu Teambuilding (28 Prozent) und Weiterbildung, etwa zur Nutzung von Kollaborationstools (15 Prozent). Ausführliche Handlungsempfehlungen finden sich hier.