Thomas Tribius

Was der Springer-CIO zu Apple sagt

22.07.2008 von Jan-Bernd Meyer
Die Axel Springer AG wird alle 12.000 Arbeitsplätze auf Apple-Rechner umstellen. Außerdem sollen mindestens 70 Prozent aller eingesetzten Anwendungen des Medienkonzerns zukünftig auf Mac OS X laufen. Vom Blackberry wird Axel Springer auf das iPhone migrieren.

Diese Entscheidung erregt Aufsehen. Umso interessanter, dass Apple den prestigeträchtigen Deal nicht an die große Glocke hängen will. Auf Anfrage in der Deutschlandzentrale teilte Apples Sprecher Georg Albrecht mit: "Die Kommunikation zum Einsatz unserer Rechner bei Springer überlassen wir ganz Axel Springer selbst."

Bei so viel Understatement hatte sich bereits das US-Wirtschaftsmagazin "Business Week" erstaunt gefragt, wieso Apple trotz der wachsenden Beliebtheit seiner Erzeugnisse bei kommerziellen Benutzern nicht stärker in Geschäftsbeziehungen mit Konzernen eintritt. Apple begegne Firmenkunden "mit äußerster Indifferenz". Diese Einschätzung dürfte noch vorsichtig formuliert sein.

Im Interview mit dem obersten IT-Verantwortlichen des Medienhauses, CIO Thomas Tribius, wird deutlich, dass es bei dem Projekt um viel mehr geht als um eine bloße Hardwareumstellung. Das Vorhaben, das schrittweise innerhalb von fünf Jahren umgesetzt werden soll, berührt elementare Fragen der Unternehmenskultur. Und das ist gewollt, sagt Tribius im Gespräch mit CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer.

CW: Wieso macht Axel Springer ohne Not etwas, was die wenigsten Unternehmen der Welt tun würden? Sind Sie so risikofreudig?

TRIBIUS: Sicher haben wir eine gewisse Vorreiterrolle und beschreiten, was die Dimension des Projekts und strategische Ausrichtung betrifft, einen neuen Weg. Aber mittelfristig werden wir sicher nicht die Einzigen sein, die ein solches Projekt verwirklichen. Die Überlegungen, die uns zu dieser Entscheidung führten, haben Hand und Fuß.

CW: Davon sind wir ausgegangen…

TRIBIUS: Grundlage der Entscheidung ist die Konzernstrategie. Ein Schwerpunkt ist die Digitalisierungsoffensive und damit verbunden eine Online-Strategie. Stichworte in diesem Zusammenhang sind unter anderem Medienkonvergenz und integriertes Publishing. Diese Strategie stellt an die IT-Plattform und insbesondere an die Arbeitsplätze etwa in Hinblick auf multimediales Arbeiten Anforderungen, die unserer Meinung nach von klassischen PCs nur zum Teil erfüllt werden. Die Digitalisierungsoffensive verlangt eine anspruchsvolle Arbeitsplatzausstattung.

Apple-Rechner sollen Kreativität fördern

Es kommt noch ein weiteres wesentliches Argument für den Umstieg auf Apple hinzu: Wir beschäftigen uns im gesamten Haus schon seit längerem mit der Frage, wie wir das kreative Potenzial und die Freude an der Arbeit bei den Mitarbeitern informationstechnisch unterstützen. Wir glauben, dass wir mit dem Übergang in die Apple-Welt diese Anforderungen besser erfüllen werden. Die IT wird damit einen entscheidenden Beitrag in der Entwicklung der Unternehmenskultur leisten.

CW: Was können Apple-Rechner, das PCs nicht mindestens genauso gut könnten?

TRIBIUS: Schauen Sie sich die Produktphilosophie von Apple an: Beispielsweise die Werkzeuge, angefangen von der Benutzeroberfläche bis hin zum haptischen Empfinden. Alles ist ausgerichtet auf medienübergreifendes Arbeiten, dazu gehören Bewegtbilder, Fotos oder Text. Sehen Sie sich auch an, wie die Schnittstelle des Systems ins Internet entwickelt ist und wie Apple Innovationsführerschaft bei Lösungen für medienkonvergentes und intuitives Arbeiten erreicht. Wenn man all dies betrachtet, dann sagen wir bei Axel Springer, das ist eine völlig andere Klasse und ein völlig anderes Verständnis, das sich dann auch in Technologie niederschlägt, als dies bei einem klassischen PC der Fall ist. Dieser ist eher auf Effizienz getrimmt und auf die Automatisierung von Arbeitsabläufen abgestellt. Ein Windows-PC ist stark darauf ausgerichtet, eine Rückwärtskompatibilität sicherzustellen und traditionelle Arbeitsweisen zu unterstützen.

Dabei müssen Sie berücksichtigen, dass in Folge der Digitalisierungsoffensive die Arbeitsweise in der Contentproduktion sich radikal von traditionellen Arbeitsweisen verabschieden wird. Unsere Mitarbeiter sind Experten in der Bearbeitung von Content - das ist eine ihrer Kernkompetenzen. Und bei den sich in dem Zusammenhang ergebenden täglichen Nutzungsanforderungen machen kleine Unterschiede einen gewaltigen Effekt aus in der Frage, wie produktiv ein Mitarbeiter ist, wie viel Spaß er bei der Arbeit mit Technologie hat und wie kreativ er letztlich ist.

Boot Camp war wichtig für die Migrationsentscheidung

Das Thema hat uns schon seit einiger Zeit beschäftigt. Jetzt ist, dank verschiedener Voraussetzungen, die Zeit reif für Veränderungen. Beispielsweise aufgrund der Tatsache, dass mittels eines Softwarewerkzeugs wie Boot Camp auch Windows und Windows-Applikationen auf einem Apple-Rechner laufen. Auch deshalb konnten wir vor einem halben Jahr mit Apple in Verhandlungen treten und prüfen, ob wir eine strategische Partnerschaft etablieren können.

CW: Thema Unternehmenskultur: Was Sie sagen, hört sich ja sehr schön an: Mitarbeiter, die Spaß an der Arbeit haben sollen, die ihr kreatives Potenzial ausleben sollen. Die Realität in vielen Unternehmen ist aber heutzutage doch eher so, dass Mitarbeiter als lästiger Kostenfaktor angesehen werden. Meinen Sie das wirklich ernst, was Sie gerade bezüglich der Unternehmenskultur gesagt haben?

TRIBIUS: Das ist absolut ernst gemeint. Das ist von unserem Vorstandsvorsitzenden direkt initiiert worden. Wir sehen dies auch vor dem Hintergrund einer anderen konzernweiten Initiative: Wir wollen bis zum Jahr 2010 Europas kundenfreundlichstes Medienhaus werden. Das erreichen wir natürlich unter anderem besser, wenn unsere Mitarbeiter Spaß an der Arbeit haben. Die Forderung nach mehr Kundenorientierung geht vom Vorstand aus, und sie wird auch von meinem Bereich konsequent umgesetzt, denn hier kann die IT einen entscheidenden Beitrag leisten, denen wir glauben, Produktivität und Spaß an der Arbeit hängen eng miteinander zusammen. Technologie ist für ein Medienhaus ein absolutes Schlüsselfeld. Und da ist der Arbeitsplatz ein nicht unwesentliches Element.

CW: Was für eine Größenordnung hat das Projekt Migration auf Apple?

TRIBIUS: Insgesamt geht es um 12 000 Endgeräte. Heute sind 80 Prozent hiervon Wintel-PCs, in erster Linie Rechner von Hewlett-Packard/Compaq und auch einige Dell-Maschinen. Etwa 20 Prozent dieser 12 000 Rechner sind heute schon Macs. Wir haben also schon viel Erfahrung mit Apple-Systemen. Es gibt etliche Redaktionen, die mit Macintosh-Rechnern arbeiten. In den kommenden fünf Jahren werden wir schrittweise komplett umstellen.

CW: Also kein Big Bang?

TRIBIUS: Nein. Das hat zwei Gründe: Wir sind zum einen ein wirtschaftlich orientiertes Haus, und da gibt es Sinn, ohnehin anstehende Reinvestitionszyklen zu nutzen. Zum anderen sind natürlich noch Einzelfragen in puncto Plattformkompatibilität zu klären. Wir haben ja eine ganze Reihe von Produktions- und Branchenlösungen im Einsatz. Mit unseren Produktpartnern werden wir in den nächsten Jahren daran arbeiten, dass immer mehr dieser Branchenlösungen Betriebssystem-unabhängig sowohl auf Windows als auch auf dem Mac OS zur Verfügung stehen. Mit dieser Verfügbarkeit werden wir sukzessive auch in der Lage sein, Apples Betriebssystem Mac OS X einzusetzen. Schon allein deshalb wollen wir dieses Projekt auf mehrere Jahre veranschlagen. Würden wir etwa versuchen, im Big Bang binnen eines Jahres zu wechseln, dann gäbe es danach immer noch eine Menge Rechner, die aufgrund der Applikationsanforderungen zwar auf die Apple-Hardware umgestellt wären, aber nur unter Windows XP beziehungsweise Vista betrieben werden könnten.

CW: Wie wird die Umstellung im Einzelnen ablaufen?

TRIBIUS: Unser Projekt hat zwei Facetten. Die eine ist die einfachere - die sukzessive Ablösung der PCs. Diesen Schritt haben wir jetzt eingeleitet, indem wir unseren internen Warenkorb umgestellt haben. Das macht als interner Dienstleister ASmediaSystems. In diesem Warenkorb definieren wir unterschiedliche Leistungsklassen je nach Anwender und dessen Bedürfnissen vom Standardbenutzer über den Redaktionsarbeitsplatz bis zum Power-User.

Migration: erst vom PC auf den Mac, dann von Windows auf Mac OS

Die zweite Facette ist die Migration vom Windows- auf das Apple-Betriebssystem. Wir werden unsere Ziele nur dann erreichen, wenn eine signifikante Zahl von Rechnern tatsächlich unter dem Mac-Betriebssystem betrieben wird. Das gemeinsam mit Apple festgelegte Ziel ist es, innerhalb von fünf Jahren auf rund 70 Prozent aller 12 000 Rechner Windows als Betriebssystem abzulösen.

CW: Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den Softwarelieferanten künftig vor?

TRIBIUS: Bei neu einzuführenden Applikationen werden wir natürlich mit hoher Priorität festlegen, dass diese nativ auf Apples OS X laufen. Dabei gibt es ja beispielsweise den SAP-Client schon auf der Apple-Plattform. Microsoft-Office gibt es ebenfalls auf Mac-Systemen. Sichergestellt werden muss allerdings, dass die Integration von SAP und Microsoft-Excel genauso reibungslos funktioniert wie auf PCs. Daran arbeitet SAP zurzeit.

Neben den kaufmännischen Applikationen haben wir aber auch große Produktionsanwendungen, mit denen unsere Zeitungen und Zeitschriften produziert werden. Einige davon laufen heute schon auf dem Mac.

CW: 70 Prozent nativ unter Mac OS X bedeutet auch 30 Prozent weiter unter Windows. Ist das so gewollt?

TRIBIUS: Das kann auch mehr oder weniger sein. Es gibt, wie Sie sich denken können, in den kommenden Jahren einiges, was sich dramatisch verändern wird. Zum Beispiel werden wir sehen, an welchen Stellen wir künftig Web-Services einsetzen werden und native Anwendungen überhaupt nicht mehr benötigen. Das können wir heute noch nicht beantworten. Außerdem haben wir natürlich eine gewisse Erwartungshaltung, was die Marktdurchdringung und damit die Attraktivität von Apple und dessen Mac OS X für die Softwareindustrie betrifft. Wie schnell stellen sie ihre Produkte für beide Plattformen um? 100 Prozent wird das nie sein. Es wird immer Produkte geben, die wir unter Windows und Boot Camp nutzen werden.

CW: Bei allem Respekt vor der Größe des Medienhauses Axel Springer: Meinen Sie nicht, dass Sie da den Einfluss Ihres Hauses etwas überschätzen? Sie wollen die Bedeutung von Apple in der Welt und für Unternehmen gravierend vergrößern? Oder verstehe ich Sie jetzt falsch?

TRIBIUS: Um das noch einmal klar zu sagen: Wir haben uns die Entwicklungen auf dem Markt seit Jahren angesehen. Und wir sind ebenfalls seit langem mit unseren Produktpartnern, also den Herstellern und Entwicklern der Softwareapplikationen, die wir nutzen, im Gespräch. Sie müssen auch wissen, dass wir bei Axel Springer die Applikationslandschaft stark harmonisiert haben. Wir nutzen deutlich weniger Anwendungen von weniger Anbietern, als dies noch vor fünf, sechs Jahren der Fall war. Mit den Herstellern, mit denen wir jetzt noch zusammenarbeiten, die wir als strategische Produktpartner bezeichnen, haben wir schon seit einiger Zeit einen intensiven Dialog und können deswegen mit einiger Wahrscheinlichkeit abschätzen, welche Interessen sie verfolgen.

Keine Kompatibilitätsprobleme mit SAP und Office

Die Kompatibilitätsfrage stellt sich übrigens nicht bei SAP- und Office-Anwendungen, auch nicht bei Exchange und Outlook. Das ist relativ überschaubar und in sich gekapselt. Die Kompatibilitätsfragen stellen sich vor allem auf Seiten unserer Produktionssysteme; also bei unseren Integrated-Newsroom-Nutzern, die Content-Management- und Produktionssysteme nutzen, um verschiedene Kanäle zu bedienen. Da arbeiten wir mit fünf bis sieben großen Produktanbietern zusammen wie etwa Digital Collection, CCI, EScenic, Interred, PPI etc. Für diese Hersteller sind wir ein strategischer Partner, ein sehr großer und relevanter Kunde und wir gehen davon aus, dass diese Anbieter in absehbarer Zeit MAC OS X unterstützen werden.

CW: Setzt Axel Springer im kaufmännischen Bereich neben ERP-Software von SAP auch noch andere branchenspezifische Lösungen ein?

TRIBIUS: In der Tat setzen wir SAP nicht nur im klassischen ERP-Umfeld ein, sondern auch für medienspezifische Aufgaben - also etwa im Anzeigen-Management und bei den Vertriebslösungen. Beispielsweise kommen die Module M/SD (Sales & Distribution) sowie BW (Business Warehouse) zum Einsatz. Der SAP-Client ist also ein wichtiger Part in unserer Organisation. Für die Basiskommunikation sind Office und Exchange gesetzt.

CW: Wer hat eigentlich den Anstoß für das Apple-Projekt gegeben? Kam die Initiative aus dem Vorstand?

TRIBIUS: Der Vorstand hat von Anfang an den Entscheidungsprozess unterstützt und mitgetrieben. Die IT bei Axel Springer ist in einem permanenten Dialog mit dem Vorstand und den Geschäftsführern. Gerade die Anforderungen der verschiedenen Geschäftsführer, die für die jeweiligen Marktobjekte verantwortlich sind, geben uns als IT wichtige Anstöße. Im Rahmen dieses Dialogs treffen wir die wesentlichen Plattformentscheidungen. Natürlich haben wir einen normierten Auswahl Prozess im Rahmen unserer IT-Governance. Diesen haben wir selbstverständlich angewendet, um zu der jetzt getroffenen Entscheidung zu gelangen. Das klare Commitment des Vorstandsvorsitzenden ist natürlich eine super Voraussetzung für ein solches Projekt.

CW: Einmal abgesehen von den Arbeitsplatzrechnern: Welche Server setzen Sie bei Axel Springer ein? Sind die auch von Apple?

TRIBIUS: Unsere Server laufen zu 70 Prozent mit Unix. Die Server-Landschaft bei uns ist stark geprägt durch die eingesetzten Applikationen und damit das Betriebssystem. Wir gehen nicht davon aus, dass sich hier Wesentliches ändern wird. Wo wir allerdings im Zug des Projektes den Einsatz von Apple-Servern planen, ist im Infrastrukturbereich. Für Basisinfrastrukturdienste wie Active Directory, File- und Print-Server und für die Softwareverteilung werden wir künftig auch Apple-Server einsetzen anstelle von Windows-Maschinen.

CW: Was für Apple-Systeme werden auf den Schreibtischen der Mitarbeiter stehen?

TRIBIUS: Unterschiedlich, je nach Benutzer. Wir teilen die Anwender in Mobilnutzer und stationäre Benutzer auf. Bei den Mobilnutzern gibt es zwei unterschiedliche Klassen, den Standard- und den Leistungsklasse-Nutzer. Entsprechend bekommen sie entweder ein Macbook oder ein Macbook Pro. Bei den Standardarbeitsplätzen haben wir drei Anforderungsprofile definiert: je nach Anforderung kommt der iMac zum Einsatz, als Standardarbeitsplatz der Mac Mini und für Power-User eine Mac Pro Lösung.

CW: Was viele bei dem Axel-Springer-Projekt aufhorchen ließ, war die Aussage, dass Ihr Haus beim Wechsel auf Apple auch gleich seine Blackberrys durch iPhones ersetzen würde. Stimmt das?

iPhone löst Blackberry ab

TRIBIUS: Ja, das stimmt im wesentlichen. Wir nutzen bislang Blackberrys und auch Windows-basierende mobile Endgeräte. Für diese Geräte werden ebenso wie für das iPhone künftig immer mehr Applikationen verfügbar sein, auch solche, mit denen man von diesen Endgeräten aus direkt auf Geschäftsanwendungen zugreifen kann. Das ist eine hochinteressante Entwicklung. Für uns ist es deshalb ein ausgesprochen glückliches Zusammenspiel, dass jetzt die nächste Generation des iPhone auf den Markt kommt. Hier ist ein großer Schritt getan, Unternehmenskunden zu unterstützen. Zum einen sind jetzt Sicherheitsfragen so gelöst, dass die iPhones für unser Haus interessant werden. Auch die Anbindung an unsere Exchange-Infrastruktur ist jetzt möglich. Zudem gibt es jetzt die Entwicklungsplattform um Geschäftsapplikationen zu entwickeln. Unter diesen Voraussetzungen ist die Entscheidung pro iPhone nur konsequent.

CW: Bekommen alle Mitarbeiter ein iPhone?

TRIBIUS: Auch hier wird für einige Mobilnutzer das iPhone zum Standard werden müssen. Schon deshalb, weil gewisse Applikationen und Informations-Tools darauf laufen. Es wird daneben eine Gruppe von Anwendern geben, der wir es freistellen werden, welches Gerät sie verwenden wollen.

CW: Von wie vielen Anwendern für mobile Endgeräte reden Sie?

TRIBIUS: Wir gehen von mittelfristig zirka tausend Nutzern aus.

CW: Wie viele davon werden iPhones nutzen?

TRIBIUS: Hierzu haben wir anders als bei den Arbeitsplatzsystemen keine genauen Berechnungen angestellt. Aber rein nach Gefühl würde ich sagen, dass etwa 300 bis 500 Mitarbeiter ein iPhone benutzen werden.

CW: Welche Features sind es eigentlich, die das neue UMTS-fähige iPhone für ein Unternehmen wie Axel Springer interessant machen?

iPhone: Integration mit Outlook

TRIBIUS: Es gibt ganz wesentliche Features, die für uns wichtig sind. Beispielsweise muss eine Integration mit Outlook sichergestellt sein, also zu Mail-, Kontaktverwaltungs- und Kalenderfunktionen. Der Leistungsumfang muss Ähnliches bieten wie ein Blackberry. Und das Gerät muss Push-Funktionen bieten. Diese Voraussetzungen sind jetzt gegeben.

Mit dem neuen 3G-iPhone ist man nicht nur im BILDe.

Zudem muss die Verschlüsselung und damit die Datensicherheit auf einem ähnlichen Standard sein wie beim Blackberry, so dass diese Geräte ohne Sicherheitsbedenken eingesetzt werden können.

Die dritte sehr interessante Komponente für uns ist das Software Developer Kit (SDK), das mit der neuen iPhone-Generation angeboten wird. Damit entsteht eine sehr offene und leistungsfähige Entwicklungsplattform. Man kann mit wenig Aufwand sehr schöne Frontend-Applikationen entwickeln, um mit diesen dann auf gewisse Geschäftsapplikationen bei uns zuzugreifen, also etwa auf Informations-Datenbanken oder Ähnliches.

Alle diese Features und Funktionsmerkmale erlauben jetzt den Einsatz von iPhones im kommerziellen Umfeld. Wir waren auch seit zirka drei Monaten Teil des Beta-Tester-Programms und haben die technischen Voraussetzungen ausgiebig geprüft. Von daher fühlen wir uns sicher, dass wir die iPhones für den kommerziellen Einsatz freigeben können.

CW: Prüfen Sie dabei auch, ob Sie iPhones etwa als Frontend für SAP einsetzbar machen können?

TRIBIUS: Ja. Wir haben hausintern Forschungs- und Innovationsprojekte laufen. In deren Rahmen prüfen wir gerade typische Anwendungs-Fallbeispiele und die Frage, was typische Einsatzgebiete für die iPhones in unserem Haus sind.

CW: Ihr Vorstandsvorsitzender Döpfner hat anlässlich der Erklärung zum Wechsel auf Apple vor allem auch die Wirtschaftlichkeit herausgestrichen, die für Apple-Rechner sprechen. Nun sind Macs nicht gerade bekannt dafür, dass sie sonderlich billig wären. Wo bleibt da die Wirtschaftlichkeit, wenn Sie solche Rechner auch noch gleich zu tausenden kaufen?

TRIBIUS: Zwei Dinge hierzu: Wir als Unternehmen achten sehr stark auf die Total Cost of Ownership, also die Kosten, die insgesamt bei der Nutzung einer bestimmten Technik anfallen. Die Hardwarekosten, also die Ausgaben beim Kauf der Geräte, machen davon nur zehn bis 15 Prozent aus. Die sehr viel größeren Kostenblöcke entfallen auf Lizenz-, Support- und Applikationskosten etc. Mit dem konsequenten Wechsel auf die Apple-Hardware kommen wir weg vom Zwang, die Systeme mehrerer Hersteller im Haus zu unterstützen. Wir sind heute schon ein guter Apple-Kunde - wie gesagt stammen 20 Prozent aller unserer Rechner von Apple. Denn wir müssen sowohl die PC- als auch die Apple-Rechner adäquat unterstützen. Hier lassen sich wirtschaftlich günstigere Lösungen entwickeln.

CW: Können Sie das etwas genauer belegen?

TRIBIUS: Die Anforderungen eines Nutzers in einem Verlagshaus wie dem unseren steigen permanent. Der benutzt den Rechner ja nicht nur als bessere Schreibmaschine, sondern als Content-Creation- und Content-Distribution-Tool. Die Anforderungen an solch einen Arbeitsplatz sind viel komplexer als an einen klassischen, den man sich vielleicht zu Hause vorstellt. Die Unterstützungsfunktionen, die Apple hierfür bietet, und die hiermit verbundenen Kosten sind eindeutig kostengünstiger als das, was in der PC-Landschaft anzutreffen ist. Wir gehen davon aus, dass wir durch den Umstieg auf Apple mit den Macs am Ende eine Plattform besitzen, die zum einen den Anforderungen der Benutzer entspricht und mit der zum anderen der Aufwand für Support und Betreuung fällt. Wenn es um klassische Prozessautomatisierung und -unterstützung geht, schätzen wir den Kostenaufwand bei Apple- und PC-Landschaften ähnlich ein.

Apple-Support von SIS

Wesentliche Supportleistungen werden übrigens von Siemens IT Solutions and Services (SIS) erbracht. Wir haben den Vertrag mit SIS vor drei Monaten um fünf weitere Jahre verlängert. Ein Argument für die Verlängerung des Vertrags war, dass die SIS-Leute gesagt haben, das Apple-Migrationsprojekt sei für sie so spannend und attraktiv, dass sie selbst mit einem strategischen Commitment an die Sache herangehen wollen. Außerdem arbeiten wir eng mit Apple zusammen. Wir werden im Zuge der Kooperation sogar Mitarbeiter von Apple übernehmen, die bei uns vor Ort arbeiten werden.

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, lobte die Apple-Produkte auf YouTube über den grünen Klee. Der flächendeckende Einsatz der Apple-Systeme werde hoffentlich auch einen Kulturwandel im Unternehmen nach sich ziehen.

Da wir ja auch jetzt schon ein großer Apple-Benutzer sind, können wir schon die Kosten der Apple- und der PC-Plattform vergleichen. Wir haben eine ganz präzise TCO-Betrachtung über mehrere Jahre hinweg. Wir haben Kennziffern zu Kostentreibern etc. Wir müssen also nicht in der Theorie rechnen, wie sich der Umstieg auch in puncto der Kosten darstellen wird.

CW: Das alles ist nachvollziehbar. Trotzdem fragt sich natürlich jeder, der die Ansprache von Döpfner an die Axel-Springer-Mitarbeiter auf YouTube verfolgt hat: Was für sensationelle Konditionen hat der Axel Springer Verlag da von Apple eingeräumt bekommen? Für solch eine geradezu hymnische Werbung für eine bestimmte Plattform würde wahrscheinlich jeder Hersteller auf Knien zum Springer-Verlag gerutscht kommen.

TRIBIUS: Man sollte sich nicht von Preisen täuschen lassen, die Privatkunden bei einem Händler um die Ecke bezahlen müssen. Wir haben sowohl von unseren bisherigen PC-Herstellern als jetzt auch von Apple über Rahmenverträge und strategische Zusammenarbeiten besondere Einkaufskonditionen bekommen, mit denen wir zufrieden sind.