Schatten-IT ist ein Schrei nach Freiheit

Warum es sich lohnt, gegen Windmühlen zu kämpfen

23.10.2014 von Daniel Eberhardt
Wenn die Fachbereiche IT-Leistungen am CIO-Bereich vorbei beschaffen, sind sie sich häufig gar nicht bewusst, was sie damit anrichten. Deshalb hat es wenig Zweck, ihnen das strikt zu verbieten. Zumal sie damit ja häufig ein berechtigtes Bedürfnis stillen. Was also kann der IT-Bereich tun?

"There's an App for that" - mit diesem Satz hat Apple 2009 die Vorzüge einer App-zentrierten Welt angepriesen. Dieser Slogan läutete ein Zeitalter ein, in dem innerhalb weniger Minuten neue Software nutzbar wird, die uns den Alltag erleichtert. Damit ist Apple nicht allein geblieben; mittlerweile übersteigen die Downloads des Google Play Store die des App Store um 45 Prozent.

Eifersüchteleien zwischen IT und Marketing schaden letztlich dem gesamten Unternehmen.
Foto: CenturyLink Technology

In der Keynote-Präsentation zum iPhone 3G vor fünf Jahren waren die Worte "Enterprise Support" zu lesen; als Beleg wurde die Unterstützung von Microsoft Exchange und einigen anderen Geschäftsfunktionen herangezogen. Heute wissen wir, dass das iPhone unsere Arbeitswelt nicht wegen des Enterprise Support verändert hat. Entscheidend war ein anderer Aspekt im damaligen Foliensatz: Was da unter dem Stichpunkt "Third Party Applications" zu lesen war, sollte eine ungleich größere Wirkung auf die Unternehmens-IT haben.

Die IT hat kaum eine Ahnung

In den vergangenen Jahren hat die IT-Branche den Konsumenten in den Fokus gerückt und eine Nutzungserfahrung geschaffen, vor der sich Unternehmen schon lange nicht mehr verschließen können. Auch am Arbeitsplatz wollen sich die Menschen nicht mehr von technischen Grenzen aufhalten lassen - geschweige denn von einer langwierigen Verhandlung mit der IT-Abteilung über Umsetzungszeiten und Deadlines.

Inspiriert durch die Selbstverständlichkeit des privaten Umgangs mit IT-Ressourcen kaufen Fachabteilungen heute IT-Leistungen per Kreditkarte und schleichen sich so an der eigenen IT vorbei. Um ihren Service zu verbessern, bringen Unternehmensbereiche wie Marketing, HR, Logistik oder Vertrieb Anwendungen, Geräte und Systeme in Unternehmen, von denen die IT Abteilungen höchstens eine vage Ahnung haben. Dieses Phänomen wird heute gern als "Schatten-IT" bezeichnet.

Die Intention hinter diesem Vorgehen ist nachvollziehbar: Die Fachabteilungen gehen meist davon aus, dass ihre Schatten-IT eine schnellere und effizientere Lösung ist, mit der sie die IT-Abteilung sogar entlasten. Doch das ist ein Trugschluss: Für das Unternehmen bedeutet eine IT, die sich der Kontrolle der eigenen IT-Abteilung entzieht, ein hohes Risiko. Das betrifft Datensicherheit, Datenschutz, Disaster Recovery und die Sicherheit der Systeme. Die Vielzahl der unterschiedlichen Bedrohungen und die Raffinesse der Angriffe machen es unabdingbar, dass IT-Systeme ausnahmslos von Profis betrieben werden.

Schatten-IT: Warum es sich lohnt, gegen Windmühlen zu kämpfen.
Foto: Sergey Niven, Fotolia.com

Ignorieren ist auch keine Lösung

Nun ist Schatten-IT aber letztlich nichts anderes als ein Ruf der Fachabteilungen nach Freiheit, Agilität und Flexibilität. Das kann die IT-Abteilung nicht ignorieren. Um die Kontrolle über die gesamten Systeme zurückzugewinnen muss sie umdenken - und hat damit auch bereits begonnen.

IT-Abteilungen konzentrieren sich heute stärker auf Anwendungen statt auf IT-Systeme. Sie versuchen, Vertrauen aufzubauen und die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen zu verbessern. Getreu dem Motto: "Was für das Marketing gut ist, kann für die IT-Abteilung nicht schlecht sein." So führt sie der Weg oft zu IaaS, PaaS oder gar SaaS, denn Cloud-Plattformen bieten der IT Vorteile, mit deren Hilfe sie die Systeme aus dem Schatten der Fachbereiche zurückholen kann. Allerdings gepaart mit der Anforderung, dass die Hoheit über den Service in den Händen der IT-Abteilung bleibt.

Do-IT-Yourself- Cloud?

CEOs, CFOs und CTOs denken oft beinahe reflexartig an Aufbau einer eigenen Shared-Service-Cloud. Doch fehlt es meist an Know-how, das dafür nötig wäre. Außerdem machen die ständig neuen Anforderungen der User eine kontinuierliche Weiterentwicklung nötig. Und daran scheitern diese Initiativen dann.

Den heutigen Unternehmensanwendern reicht es einfach nicht, wenn die IT-Abteilung eine Shared-Service-Cloud entwickelt und mit einem Status quo bereitstellt. Es ist ja gerade die ständige Weiterentwicklung und Bereitstellung neuer Features - etwa alle vier bis sechs Wochen -, die einen Cloud-Serviceanbieter von einer internen IT-Abteilung unterscheidet.

Automatisierung

Als ein Grund, warum IT-Abteilungen den Fachbereichen bisher keine Cloud-Dienste zur Verfügung stellen, wird häufig der zeitliche Aufwand für die Verwaltung, Absicherung und Management einer zusätzlichen IT-Umgebung genannt. Doch diese Sorge ist unbegründet.

Neue Plattformtechnologien erlauben es, auf Blaupausen unterschiedlicher Einsatzszenarien zurückzugreifen oder eigene zu schaffen und die Lösung dann in das Unternehmensnetz zu integrieren. So können Fach- oder IT-Abteilungen mit geringem Aufwand komplette IT-Umgebungen vordefinieren, budgetieren und bei Bedarf samt der notwendigen Ressourcen bereitstellen und verursacherbezogen abrechnen.

Der agile DevOps-Ansatz

Cloud Computing ist dank seiner Skalierungsmöglichkeiten interessant für das Marketing und andere Unternehmensbereiche, die nutzungsabhängig reagieren und neue Produkte oder digitale Services schnell an den Start bringen müssen. Für die IT-Abteilung bedeutet diese Flexibilität aber die Gefahr, dass sich die Anwendungen und Systeme ihrer Kontrolle entziehen.

Seit etwa zwei Jahren ist nun der DevOps-Ansatz in aller Munde. Damit soll die Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Administratoren verbessert, quasi eine Brücke zwischen beiden Disziplinen geschlagen werden. Führende Cloud-Provider haben den Trend früh erkannt und bieten Lösungen für die wachsende DevOps-Community an.

Kontrolle ist unverzichtbar

Die IT-Abteilung muss bei jedem Roll-out ein gewisses Risiko in den Griff bekommen. Dazu gehört, zu gewährleisten, dass Kundendaten sicher nach den im jeweiligen Land geltenden Datenschutzgesetzen gespeichert und verarbeitet werden. Wenn Fachabteilungen Cloud-Instanzen einkaufen, ohne dass diese von der IT-Abteilung geprüft werden, fehlen der IT wesentliche Informationen für das Risiko-Management. Das erschwert die Kontrolle und erhöht die Gefahr, dass ein Unternehmen seine Kundendaten nicht ausreichend schützen kann.

Um die Kontrolle zu behalten, haben erfolgreiche IT-Abteilungen akzeptiert, dass die Fachbereiche heute ein stärkeres Bedürfnis nach Unabhängigkeit, Freiheit haben und mehr Flexibilität von ihrer Unternehmens-IT erwarten. Deshalb stellen diese IT-Bereiche die notwendigen Tools bereit und unterstützen die Fachabteilungen bestmöglich.

Zum Thema Kosten senken

Fachabteilungen, die eine neue Applikation oder eine Microsite umsetzen wollen, greifen ja häufig zur einer vermeintlich kostengünstigen Alternative. Oft wird auch das Komplettangebot einer Medienagentur in Anspruch genommen.

Ganz abgesehen davon, dass sich ein solches Angebot der Kontrolle durch die IT-Abteilung entzieht, ist dies auch keineswegs immer das kommerzielle Optimum. Bestehende Rahmenverträge, Rabatte, Automatisierung und Orchestrierung finden bei solchen Entscheidungen selten Berücksichtigung. Auch deshalb sollte die IT-Abteilung einbezogen werden. Dafür muss sie jedoch zunächst einmal als ein günstiger und flexibler interner Serviceprovider wahrgenommen werden.

Es liegt dabei im beiderseitigen Interesse, die Wahrnehmung der IT als eines qualifizierten Ansprechpartners zu stärken. Wenn die Fachabteilungen die Unternehmens-IT als ihren ersten Ansprechpartner für Projekte mit IT-Bezug sehen, kann diese auch früher auf Bedarfsanforderungen oder -Änderungen reagieren. Die Entscheidung, welche Lösung und welcher Anbieter die Bedürfnisse von Fachabteilungen und IT-Abteilung am besten verschmelzen können, sollte daher von beiden Parteien gemeinsam getragen werden.

Cloud und Schatten-IT sind Zweierlei

Wichtig ist zu verstehen, dass Cloud Computing nicht zwangsläufig zu Schatten-IT führen muss. Fachabteilung und IT können sehr wohl im selben Team spielen, um das Runde ins Eckige zu bringen. Wenn sich die IT-Abteilung als Enabler von Innovationen versteht, kann sie einerseits die Fachabteilungen dabei unterstützen, schnell und flexibel Neues zu schaffen, und andererseits sicherstellen, dass die IT alle Unternehmensrichtlinien erfüllt.

Ziel der IT-Abteilung sollte es sein, dass die Fachabteilungen mit ihren Wünschen wieder auf sie zukommen. Am besten erreicht sie es, wenn sie selbst die Cloud-Ressourcen bereitstellt, die dann bei Bedarf abgerufen werden können. (qua)