Tipps für die Cloud-Migration

Wann und wie sich der Weg in die Cloud lohnt

06.04.2018 von Tobias Regenfuß
Der Weg in die Cloud ist für viele Unternehmen herausfordernd. Doch er muss gegangen werden, denn Wettbewerbs- und Digitalisierungsdruck in allen Branchen lassen keine andere Wahl. Ein strukturierter Cloud-Plan verhindert den Blindflug.

Ist Cloud-Computing wirklich immer die bessere Alternative zum eigenen Rechenzentrum? Wann lohnt es sich, auf Cloud-Computing zu setzen? Und: Was ist beim Umzug in die Cloud zu beachten? Das sind Fragen, die IT-Entscheidern im Unternehmen schlaflose Nächte bereiten. Für Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, gibt es keine Alternative zur Nutzung von Public-Cloud-Services. Dies betrifft alle drei wesentlichen Ebenen, die sich an dieser Stelle typischerweise unterscheiden lassen: "Infrastructure as a Service" (IaaS), "Platform as a Service" (PaaS) und "Software as a Service" (SaaS).

Wer den digitalen Wandel vorantreiben möchte, muss sich auf die Cloud-Reise machen.
Foto: Slavoljub Pantelic - shutterstock.com

Schaut man genauer auf die Einsatzfelder IaaS und PaaS - auf die wir im Folgenden eingehen wollen - finden sich vor allem drei Treiber, die Unternehmen zum Umdenken in Richtung Cloud-Einsatz bewegen:

  1. Digitalisierung - sprich Innovationsdruck,

  2. Infrastruktur-Erneuerung, beispielsweise durch auslaufende Sourcing-Verträge mit Providern für On-Premise-Lösungen und

  3. Veränderungsdruck für die SAP-Landschaft, getrieben durch hohe laufende Kosten bei geringer Agilität gepaart mit dem Druck, SAP-HANA im Unternehmen möglichst effizient einzuführen.

Die Treiber unter der Lupe

1. Digitalisierung

Die fortschreitende Digitalisierung aller Industrien macht die Leistungsfähigkeit der IT sowie deren Reaktions- und Innovationsfähigkeit zum K.o.-Kriterium für den Geschäftserfolg eines Unternehmens. Smart Products und Smart Services, basierend auf neuen Arten von Daten und realisiert in Software stehen im Fokus und entscheiden über Differenzierung und Markterfolg. Kunden erwarten digitale Services und stimmen mit den Füßen ab. Startups und globale digitale Player wie Google, Amazon, Facebook und Apple (die GAFAs), die mit neuen Methoden Cloud-basierte Services und Produkte entwickeln, treiben die digitale Disruption in alle Branchen an.

Viele Unternehmen liebäugeln zunächst mit dem internen Aufbau einer Private Cloud - mit dem Ziel, alle Vorteile der Public Cloud unter eigener Kontrolle zu realisieren. Das führt jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis, wenn die Unternehmen hohe Erwartungen an Skalierbarkeit und Produktvielfalt haben. In diesen Punkten kann die Private Cloud nicht mit den Möglichkeiten einer Public Cloud mithalten.

Lesen Sie mehr über die unterschiedlichen Spielarten von Cloud Computing:

Was ist Cloud Computing?

Was ist Infrastructure as a Service?

Was ist Platform as a Service?

Was ist Software as a Service?

Ein Grund: Die "Hyperscaler" - die großen Cloud Player wie Amazon Web Services, Microsoft mit Azure und Google - investieren rund eine Milliarde Dollar pro Monat, um ihre Cloud-Services weiter zu entwickeln. Sie bieten jeweils den kompletten Stack: von der Infrastruktur - also Server-, Storage- und Network-Services - bis zu Plattform Services, einem umfassenden Werkzeugkasten für die Entwicklung digitaler Dienste. Die Bandbreite reicht hier von Datenbanken, Application Servern und Messaging-Diensten bis hin zu Analytics und maschinellem Lernen sowie kognitiven Services mit Bild/Spracherkennung und Übersetzungsdiensten, die sich einfach aus der Cloud beziehen lassen.

Der Cloud-Service-Baukasten wird immer größer. Das erweitert einerseits die Möglichkeiten, macht es den Anwenderunternehmen aber auch zunehmend schwer, den Überblick zu behalten.
Foto: Accenture

Dabei reduzieren massive Skaleneffekte den Preis für die Cloud-Services der Hyperscaler stetig, während kontinuierliche Innovation mit hunderten neuen Features pro Jahr laufend weitere Möglichkeiten der schnellen Umsetzung digitaler Initiativen erlaubt. Die Innovationskraft der Public Cloud Player stellt die hauseigenen Infrastrukturen und Plattformen - auch von Großunternehmen - immer mehr in den Schatten.

2. Infrastruktur-Erneuerung

Weitere Treiber für den Weg in die Cloud sind auslaufende Sourcing-Verträge mit bestehenden Providern für On-Premise-Lösungen, die Notwendigkeit für einen Hardware-Refresh oder Veränderungsdruck im Rechenzentrum, um Kapazitäten auszubauen. Aber auch neue Anforderungen bezüglich Disaster Recovery oder aktuellen Compliance-Richtlinien lösen ein Umdenken aus. Hier verspricht die Public Cloud die Umwandlung von Investitionsausgaben (Capex) in Betriebskosten (Opex), geringere laufende Kosten und die Möglichkeit, Kapazitäten jederzeit dem schwankenden Bedarf anzupassen - bei voll variablen Kosten.

3. Veränderungsdruck für die SAP-Landschaft

Die Notwendigkeit einer Veränderung der SAP-Landschaft ist das dritte wichtige Motiv für Unternehmen, sich auf den Weg in die Cloud zu machen. Anwender wollen so ihre hohen laufenden Kosten senken und agiler in der Entwicklung werden. Auch der Trend in Richtung SAP-HANA - mit potentiell hohen Investitionskosten - ist ein wichtiger Auslöser. Die Cloud verspricht hier einen HANA-Infrastruktur-Service "aus der Steckdose", eine agilere und kosteneffiziente Infrastruktur und innovative Datenanalyse-Möglichkeiten.

My first Cloud Provider: Ist die Cloud wirklich billiger?

Unternehmen, die ihre laufenden Infrastruktur-Kosten mit den Preisen der Public-Cloud-Provider vergleichen, sind oft zunächst enttäuscht, weil direkte Einsparungspotentiale auf den ersten Blick nicht immer deutlich werden. Hier ist eine genauere Betrachtung der "Total Cost of Ownership" erforderlich, in der sämtliche Auswirkungen des Cloud-Sourcings berücksichtigt werden. Dabei ist eine ganze Reihe von Kostensenkungshebeln zu betrachten:

Lohnt sich der Weg in die Cloud.
Foto: Sergey Nivens - shutterstock.com

Die Reise in die Cloud: Die ersten Schritte

Auch in Deutschland ist das Thema Public Cloud in den Unternehmen angekommen. Viele haben bereits eine "Cloud first"-Strategie formuliert und erste Piloten umgesetzt. In den zurückliegenden zwölf Monaten war zu beobachten, dass sich theoretisch formulierte Cloud-Ambitionen hin zu konkreten Projekten entwickelt haben, in deren Rahmen auch größere Teile der IT und kritische Anwendungen in die Cloud verschoben werden. Dies betrifft zum Beispiel die vielbeachtete Transformation der Deutschen Bahn in die Public Cloud ("all in" bis 2022), oder den MDAX-notierten Düsseldorfer Technologiekonzern GEA, der einen Großteil seiner IT inklusive SAP-Systeme in die Public-Cloud verlagert. Verstärkte Aktivitäten zum Thema Public Cloud sind aber auch bei den deutschen Automobilkonzernen, bei den Energieunternehmen und in der Handelsbranche zu verzeichnen. Folgende zwei Punkte sollten für einen guten Start beachtet werden.

1. Cloud-Strategie

Viele Unternehmen beginnen mit diversen parallelen Initiativen und Umsetzungsprojekten im Umfeld Public Cloud. Sie wollen damit konkrete Erfahrungen sammeln, erste Erfolge vorweisen und die Organisation auf den Wandel vorbereiten. Aber: Ohne Cloud-Strategie, die diese Aspekte beleuchtet, entsprechende Leitplanken definiert und einen Rahmen für die Umsetzung definiert, besteht die Gefahr, dass die Initiativen ins Stocken geraten, Potentiale nicht gehoben und die angestrebten Ziele nicht erreicht werden. Eine Cloud-Strategie sollte deshalb

2. Iteratives Vorgehen

Unternehmen müssen nicht bis ins letzte Detail planen, wie ihr Umzug in die Cloud umgesetzt werden soll. Wichtig ist vielmehr, die ersten Schritte möglichst früh zu machen, um ein besseres Verständnis der bevorstehenden Herausforderungen zu erhalten. Die Strategie kann sich hierbei iterativ weiterentwickeln, um einen möglichst schnellen und agilen Ansatz zu realisieren - aber trotzdem sicherzustellen, dass Weg und Ziel zueinander passen.

Herausforderungen auf dem Weg in die Cloud

1. Organisation für die Cloud

Cloud-Nutzung erfordert neue Organisationsformen, Rollen und Skills. Die IT wird mehr und mehr zum "Broker", der den geordneten Zugriff auf diverse Cloud-Ressourcen orchestriert. Dadurch werden Fähigkeiten in den Bereichen Architektur und "Assembly" wichtiger als das klassische "Build" und "Operate". Cloud-Provider-Steuerung und -Security sind zu etablieren. Ein systematisches Trainings- und Zertifizierungsprogram der Mitarbeiter muss diesen organisatorischen Wandel unterstützen.

Um unterschiedlichste Initiativen zum Thema Cloud zu koordinieren, hat sich gerade in größeren Unternehmen der Aufbau eines Cloud Competence Center als zentrale Anlaufstelle bewährt.
Foto: Accenture

Gerade in Großunternehmen gilt es oft, bereits laufende unterschiedlichste Initiativen zum Thema Cloud zu koordinieren. Hier hat sich der Aufbau eines Cloud Competence Centers als zentrale Anlaufstelle bewährt. Dieses bringt Cloud-Experten in einem Team zusammen. Hier werden starke Cloud-Skills mit tiefen Kenntnissen der Produkte und Cloud-Anbieter wie AWS, Azure oder Google Cloud Platform konzentriert sowie die Expertise zu Cloud-Transformation, Migration und Betrieb zusammengefasst. Auch Security und rechtliche Fragestellungen laufen hier zusammen. Das Cloud Competence Center ist zentraler Ansprechpartner zu allen Cloud-Themen im Unternehmen und unterstützt dabei sowohl die IT als auch die Fachbereiche.

2. Multicloud-Management

Private plus Public Clouds = Hybrid Cloud. Für die Nutzung verschiedener Provider ist eine Strategie erforderlich, die einen Vendor-lock-in verhindert und definiert, welche Services konsumiert werden und wie eine Migration von Cloud A nach Cloud B vollzogen werden kann. Für Kunden, die sich nicht auf eine Cloud beschränken, sind dafür nötige Cloud Management Plattformen von verschiedenen Anbietern erhältlich, darunter VMware, RedHat, ServiceNow und Accenture.

3. Kostenmanagement

Die variablen Kosten von Public Cloud Services und die Möglichkeit, einfach weitere Ressourcen dazu zu buchen, erfordert die Einführung neuer Kostenplanungs- und Kontrollfunktionen. Denn ein schnell hochgefahrener und dann vergessener Cloud BLOB-Storage erzeugt kontinuierlich weiter Kosten, bis er schließlich gefunden und abgeschaltet wird. Serverless-Funktionen wie AWS Lambda, Azure Cosmos DB oder Google Cloud Function generieren gar Kosten je nach Rechenintensität, die nur schwer vorhersehbar sind. Unternehmen müssen sich hierauf vorbereiten, indem sie entsprechende Prozesse, Tools und Rollen etablieren.

4. Migration von Legacy-Anwendungen in die Cloud

Die Migration der bestehenden Anwendungswelt in eine IaaS-Public Cloud per "Lift and Shift"-Verfahren liefert einen signifikanten Business Case, wenn an den Applikationen keine größeren Änderungen vorgenommen werden müssen. Voraussetzung: Am Anfang steht eine strukturierte Assessment- und Planungsphase, in der Business Case und Migration geplant und in einem ersten Piloten validiert werden. Die Migration selbst erfolgt typischerweise in Wellen, unter Verwendung entsprechender Methoden und Tools und in enger Einbeziehung der Anwendungsverantwortlichen. Der südeuropäische Energiegigant ENEL hat beispielsweise mehr als die Hälfte seiner IT-Landschaft in neun Monaten so in die Public Cloud verlagert und hierbei signifikante Kostensenkungen erzielt.

5. Optimierung der Infrastruktur für die Cloud

Der "Lift and Shift"-Ansatz hat zwar den Vorteil, dass der Migrationsaufwand gering ist. Allerdings werden dadurch auch viele potenziell mögliche Cloud-Verbesserungen eingeschränkt. Denn manuelle Prozesse - ohne Automatisierung - verzögern die Bereitstellungen in der Cloud ebenso wie im eigenen Rechenzentrum. Durch zusätzliche Automation kann die Entwicklung weiter beschleunigt und der Betrieb kostenseitig optimiert werden. Gleichzeitig werden damit die Voraussetzungen für selbst-skalierende und selbst-heilende Systeme geschaffen.

6. Agile Entwicklungen

Um die Vorteile einer Cloud optimal zu nutzen, ist die cloud-native Transformation der Applikationen auf Basis einer Microservices-Architektur der Königsweg. Mit Containern und PaaS wird die Plattform-Agilität maximiert - und durch Ergänzung einer DevOps-Toolchain lassen sich neue innovative Funktionen kontinuierlich und ohne Downtime ausrollen. Auf Grund der hohen Kosten, bestehende Legacy-Anwendungen auf cloud-native anzupassen, sollten sich Unternehmen hierbei auf strategisch wichtige Bestands-Anwendungen mit hoher Veränderungsgeschwindigkeit beschränken. Eine Cloud-native Entwicklung sollte jedoch als ein De-Facto-Standard für sämtliche IT-Neuentwicklungen etabliert werden.

7. Security und Compliance

Public Cloud ist sicherer als das eigene Rechenzentrum. Denn die Hyperscale-Provider bieten ein Maximum an Compliance, Transparenz und Security Management. Allerdings sind die richtige Integration und Nutzung der bereitgestellten Public-Cloud-Bausteine wie Identity Management, Firewalling, DDoS-Deflection sowie Verschlüsselung zu beachten. Hier müssen Unternehmen die erforderlichen Skills aufbauen, eine entsprechende Cloud-Security-Architektur definieren und diese konsequent im Unternehmen einführen. Für spezifische Branchen und Nutzungsszenarien bestehen weitere gesetzliche oder regulatorische Vorgaben, zum Beispiel durch die Bankenaufsicht oder in der Kreditkarten- oder Pharmaindustrie. Entsprechende Lösungsansätze für den Einsatz von Cloud müssen aber für den konkreten Fall detailliert geprüft werden.

Das Dreamteam: Cloud und Künstliche Intelligenz

Über ihre Leistungsfähigkeit und kosteneffiziente Infrastruktur hinaus bietet die Public Cloud weitere Vorteile. Denn der "digitale Werkzeugkasten" der Hyperscaler eröffnet den Zugang zu fertigen Anwendungs-Bausteinen und APIs für agile Entwickler. Hierzu zählen beispielsweise vom Provider verwaltete Container, Serverless-Funktionen, Datenbanken und ganze Data Warehouses sowie Plattform-Dienste wie Kubernetes, MapReduce oder Spark-Cluster.

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Besondere Use Cases drehen sich dabei um Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Hier erhält die Public Cloud die Chance, ihre Stärke voll auszuspielen: spezifische Chipsets wie Google TPU, Azure FPGAs oder Amazon Volta GPU befeuern reich bestückte Machine-Learning-(ML)Architekturen. Dabei können Entwickler zwischen den gängigen ML-Frameworks auswählen und es stehen ihnen verschiedene Verarbeitungsoptionen, Plattform-Integrationen und Analyseverfahren zur Verfügung - ohne selbst irgendeine Software installieren zu müssen. Kapazität ist reichlich verfügbar, gezahlt wird nutzungsabhängig. Die getesteten Algorithmen lassen sich bei Bedarf in Container exportieren und sind auch On-Premise - beispielsweise in der Fertigungssteuerung - lauffähig, ganz ohne Cloud.

Fazit

IaaS und PaaS sind nicht nur preisgünstiger und flexibler als Inhouse-Lösungen. Die Public Cloud bietet darüber hinaus mit quasi unbegrenzter Kapazität, enormer Rechenleistung und einem Werkzeugkasten voller innovativer Tools zur Entwicklung digitaler Services Unternehmen die Möglichkeit, mit neuartigen Produkten und Geschäftsmodellen in der digitalen Ära erfolgreich zu sein.

Das Cloud-Starter-Paket sollte folgende Komponenten beinhalten: