Apple, Microsoft, IBM

SAP geht auf Partnersuche

01.06.2016 von Martin Bayer
Apple, Microsoft, IBM - der deutsche Softwarekonzern SAP sucht Kooperationen mit anderen Großen der Branche, um in Zukunftsmärkten wie Cloud und Mobile nicht den Anschluss zu verpassen. Auf der Kundenkonferenz Sapphire wurde medienwirksam das neue Cloud-Bündnis mit Microsoft inszeniert. Wenige Wochen zuvor hatte der Mobile-Pakt mit Apple für Schlagzeilen gesorgt. Die daraus resultierende bessere Integration der Produkte ist aber nur die eine Seite der Medaille. Wie SAP sein Portfolio in Zukunft sortieren will, sorgt auf Seiten der Kunden teilweise für Verwirrung.

SAP und Microsoft möchten ihre Zusammenarbeit weiter vertiefen. Das war die Topmeldung zum Auftakt von SAPs Kundenkonferenz Sapphire Mitte Mai in Orlando, Florida. Beide Hersteller wollen künftig SAPs In-Memory-Plattform HANA auf Microsofts Cloud-Infrastruktur Azure unterstützen. Das vereinfache die Integrationen von Microsoft Office 365 und den Cloud-Lösungen von SAP.

SAP will die Zusammenarbeit mit Microsoft und anderen großen Playern vertiefen.
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Microsoft wolle Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation bestmöglich unterstützen, beteuerte Microsofts CEO Satya Nadella auf der Sapphire-Bühne. "Gemeinsam mit SAP schaffen wir ein neues Maß an Integration innerhalb unserer Produkte, die Unternehmen mit verbesserten Werkzeugen für die Zusammenarbeit ausstatten, um neue Erkenntnisse aus Daten zu gewinnen und eine hochskalierbare Cloud anzubieten, um zu wachsen und neue Geschäftschancen zu ergreifen", versprach der Microsoft-Chef den Kunden.

Auch SAP-CEO Bill-McDermott stellte den Anwendern mit der Cloud-Kooperation neue Möglichkeiten in Aussicht und verkaufte die mit Microsoft erzielte Kooperationsvereinbarung als Meilenstein: "Die IT-Branche wird durch bahnbrechende Partnerschaften geformt." Das gehe weit über die Grenzen traditioneller Plattformen und Anwendungen hinaus und setze eine neue Produktivität für Kunden frei. "SAP und Microsoft arbeiten zusammen, um Softwareanwendern ein Nutzungserlebnis zu ermöglichen, das durch einzigartigen Einblick, hohen Komfort und Agilität bestimmt ist", schwärmte der SAP-Vorstandssprecher. Die Zertifizierung der Microsoft-Azure-Infrastrukturdienste für SAP HANA zusammen mit der neuen Integration von Microsoft Office 365 und der Cloud-Lösung von SAP seien symbolisch für diesen Paradigmenwechsel für Unternehmen.

Im Zuge der Kooperation soll es eine zertifizierte SAP-HANA-Plattform für Entwicklung, Test und Produktivbetrieb, lauffähig auf Microsoft Azure, geben. Gleiches gelte für die neue Business-Software-Generation "SAP S/4 HANA". Die Azure-HANA-Plattformen könnten mit jedem beliebigen Public-Cloud-Anbieter betrieben werden, und das bei Instanzen von bis zu 3 Terabyte Arbeitsspeicher, hieß es. Im dritten Quartal 2016 soll es Kunden möglich sein, den Produktivbetrieb in SAP HANA mit den neuen Azure-Angeboten aufzusetzen. Eine begrenzte Vorschau für diese Produktivumgebung sei ab sofort erhältlich.

Darüber hinaus ist offensichtlich geplant, die Cloud-Lösungen beider Softwarekonzerne enger zu verzahnen. Demnach soll es eine engere Integration von Microsofts Office-365-Lösungen mit SAPs Cloud-Lösungen einschließlich Concur, SAP Fieldglass, SAP SuccessFactors und SAP Ariba geben. Diese Integration der Cloud-Welten von Microsoft und SAP werde ab Anfang des dritten Quartals 2016 zur Verfügung stehen.

Beide Firmenlenker von Microsoft und SAP betonten unisono, wie wichtig Partnerschaften zwischen den großen Technologieanbietern heute seien, um die Anforderungen der Kunden angehen und erfüllen zu können. Nadella sprach in diesem Zusammenhang davon, dass die Anbieter Plattformen bauen und Ökosysteme knüpfen müssten - beides seien Aspekte, die bei Microsoft seit jeher im Fokus der Firmenstrategie ständen. Der Wandel zum Plattform- und Ökosystem-Gedanken ist aus Nadellas Sicht insofern überlebenswichtig, als sich auch das Bild des Kunden in den zurückliegenden Jahren massiv verändert habe. "Unternehmen sind nicht mehr nur Konsumenten, sondern auch Produzenten von IT", stellte der Microsoft-CEO klar. "Das ist der große Unterschied." Vor diesem Hintergrund ändere sich auch der Umgang mit den Kunden. Nadella zufolge gehe es heute verstärkt darum, als IT-Anbieter eine klare Identität zu entwickeln. "Technologien kommen und gehen", sagte der CEO in Orlando. Wichtig dabei sei, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen und zu bewahren.

Microsoft und SAP denken über weitere gemeinsame Integrationsszenarien nach. Demnach will es SAP seinen Kunden ermöglichen, benutzerdefinierte, mobile und hybride SAP Fiori Apps für HTML5 auf der HANA-Cloud-Plattform mit einem offenen Standard-Plug-in-Framework zu erstellen und anzuwenden. Als Teil dieses Frameworks könnten Kunden Apps erstellen, aufsetzen und schützen, die mit "Microsoft Intune" verwaltet werden. Diese Integration werde den Anbietern zufolge voraussichtlich ebenfalls im dritten Quartal 2016 verfügbar sein.

Ob und wie die Portfolios von Microsoft und SAP in Zukunft noch weiter verzahnt werden sollen, ist derzeit nicht bekannt. Beide IT-Granden deuteten an, dass es durchaus weiteres Potenzial gebe, wollten jedoch noch keine Details preisgeben. Das sei erst der Anfang, waren sich Nadella und McDermott einig: "Wir stehen am Beginn einer gemeinsamen Reise."

Kooperation ja - aber nicht exklusiv

Wohin diese Reise genau führt, ist derzeit nicht abzusehen. Für SAP bedeutet die Kooperation eine weitere Öffnung seiner in der Vergangenheit eher restriktiv gehandhabten Cloud-Politik. Zu Beginn basierte SAPs Strategie vor allem darauf, die eigenen Cloud-Lösungen auch aus eigenen Rechenzentren anzubieten. Das hat sich mittlerweile geändert. Über die Kooperation mit Microsoft erschließen sich die Softwerker aus dem Badischen einen wichtigen IaaS-Kosmos. Gerade für Unternehmenskunden, die bereits Office-Anwendungen aus der Azure-Cloud nutzen, dürfte die engere SAP-Einbindung interessant sein. Die Einstiegshürde, nun auch SAP-Anwendungen aus der Cloud zu verwenden, könnte damit niedriger werden.

Allerdings ist SAPs Cloud-Partnerschaft mit Microsoft nicht exklusiv. Der deutsche Softwarekonzern arbeitet auch mit Amazon Web Services (AWS), dem größten IaaS-Anbieter weltweit, eng zusammen. Dabei wurde zuletzt auch deutlich, dass der Kampf der Cloud-Provider um die lukrativen Unternehmenskunden heftiger werden dürfte. Postwendend zur Ankündigung der SAP-Microsoft-Partnerschaft veröffentlichte AWS eine Mitteilung, in der es hieß, "dass immer mehr AWS-Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen SAP-Applikationen in die AWS Cloud verlagern". Kunden könnten ganze Software-Stacks von SAP in der AWS Cloud starten und ihre eigenen Geschäfte darauf nahtlos laufen lassen. SAP habe verschiedene Lösungen für die Produktionsbereitstellung auf AWS verifiziert und zertifiziert, einschließlich S/4 HANA, SAP Business Suite on HANA, Business Warehouse on HANA, SAP HANA, SAP Business All-in-One, SAP Business One, SAP BusinessObjects, SAP Database and Mobile Solutions. Auch auf Office-Anwendungen müssten die Nutzer in der AWS-Cloud nicht verzichten. Mit Amazon WorkSpaces ließen sich virtuelle Desktop-Infrastrukturen konfigurieren, die unterschiedliche Lösungspakete aus Hard- und Software - unter anderem auch Microsoft Office - beinhalten.

Darüber hinaus hat Amazon neue Memory-optimierte X1-Instanzen aus seiner Elastic Compute Cloud (EC2) angekündigt, die speziell für den Betrieb von SAPs In-Memory-Datenbank HANA ausgelegt seien. Mit einem Volumen von bis zu 2 TB Arbeitsspeicher könnten diese Instanzen großvolumige Datenbestände und leistungshungrige Workloads abarbeiten, hieß es von Seiten des IaaS-Spezialisten. Damit biete AWS mehr Memory als jede andere derzeit im Markt verfügbare SAP-zertifizierte Cloud-Instanz, sagte Matt Garman, Vice President für EC2 bei AWS. "X1-Instanzen ändern die Spielregeln für SAP-Workloads in der Cloud."

Auch für Microsoft ist die Kooperation mit SAP nicht exklusiv. In Sachen Business-Software gibt es zudem auch Konkurrenz zwischen den Partnern. Beispielsweise hat Microsoft erst vor wenigen Wochen seine neueste Version der ERP-Lösung "Dynamics AX" zunächst für den Betrieb in der Azure-Cloud freigegeben. Auch das Mittelstands-ERP-Paket "Dynamics NAV" sowie die Kunden-Management-Lösung "Dynamics CRM" laufen in der Microsoft-Cloud. Neben Microsofts Business-Lösungen finden sich weitere SAP-Konkurrenten in der Azure-Cloud: Vor einem Jahr hat beispielsweise Cloud-ERP-Pionier Netsuite medienwirksam seinen Umzug von AWS nach Azure angekündigt. Vor gut zwei Jahren hatte branchenweit die Meldung für Aufsehen gesorgt, wonach Microsoft mit SAPs Erzrivalen Oracle in Sachen Cloud gemeinsame Sache machen wolle. Heute findet sich eine ganze Palette an Oracle-Softwarelösungen im Azure-Store - angefangen von der Datenbank über Linux-Systeme und den Web-Logic-Server bis hin zu Oracles Marketing-Tool Social Releationship Management (SRM) und dem Talent-Management-Werkzeug Taleo.

SAP baut an seinem Partner-Ökosystem

Diese Entwicklungen sind ein Beleg dafür, dass die Kriegsbeile zunehmend vergraben werden. Auch SAP sucht verstärkt Kooperationen mit anderen Branchen-Schwergewichten. Anfang Mai sorgte die Meldung für Schlagzeilen, dass Apple mit SAP kooperieren wolle, um mit seinen iPhone- und iPad-Devices sowie der iOS-Plattform stärker im Geschäft mit Business-Applikationen Fuß zu fassen. Die Vereinbarung sieht vor, dass beide Unternehmen native iOS-Apps entwickeln. Anwender sollen dadurch mit ihren iPhones beziehungsweise iPads auf Business-Anwendungen zugreifen können, die auf der HANA-Cloud-Plattform laufen. Dieser Zugriff auf Daten und Geschäftsprozesse im SAP-Backend soll in Verbindung mit den aktuellsten iPhone- und iPad-Features wie dem Fingerabdrucksensor Touch ID oder Ortungsdiensten funktionieren.

Im Rahmen der Kooperation wollen Apple und SAP noch im laufenden Jahr ein neues iOSSoftware-Development-Kit (SDK) vorstellen, mit dessen Hilfe Entwickler gezielt auf bestimmte Business-Anforderungen ausgerichtete Apps bauen können. Basis dafür soll Apples Programmiersprache Swift sein. Zudem erhielten die Entwickler mit SAP Fiori for iOS eine speziell angepasste App-Design-Vorlage für den Zugriff auf die SAP-Welt. Flankiert werden die Entwicklerwerkzeuge von speziellen Schulungs- und Trainingsangeboten, teilten beide Unternehmen mit.

Bis es so weit ist, wird allerdings noch einige Zeit verstreichen. Das Entwicklungs-Framework soll Ende 2016 verfügbar sein. Bis die ersten Apps in den Stores liegen, dürfte es also bis zum kommenden Jahr dauern. Diese Apps können sich Kunden via App Store von Apple ziehen, hieß es von Seiten SAPs. Darüber hinaus ist auch geplant, die entsprechenden Apps im SAP-eigenen Store anzubieten. Das sei dem Softwarehersteller zufolge mit keinen Kosten verbunden. Kostenpflichtig sei jedoch die Anbindung an das SAP-Backend - abhängig von den jeweiligen Lizenzbedingungen.

Die Erwartungen an die vor Apple und SAP liegende Kooperation sind hoch. Die Partnerschaft werde die Art und Weise, wie Unternehmen mit iPhones und iPads arbeiten, grundlegend verändern, sagte Apple-Chef Tim Cook. Er verwies darauf, dass rund drei Viertel aller weltweit getätigten Geschäftstransaktionen SAP-Systeme tangierten. Daher sei der deutsche Softwarekonzern aus dem Badischen ein idealer Partner für Apple. Mit dem neuen Software-Development-Kit würden rund 2,5 Millionen SAP-Entwickler in die Lage versetzt, Apps für die iOS-Plattform zu bauen. Auch SAP-CEO McDermott stellte die Vorteile der Partnerschaft heraus: "Mit der Kombination der leistungsstarken Fähigkeiten der SAP HANA Cloud Platform und von SAP S/4 HANA mit denen von iOS, der führenden und sichersten mobilen Plattform für Unternehmen, werden wir helfen, den Menschen Daten in Echtzeit zur Verfügung zu stellen, wo immer und wann immer sie sich entscheiden zu arbeiten."

Darüber hinaus erhoffen sich die SAP-Verantwortlichen durch das Bündnis mit Apple neue Impulse für das Design von Apps sowie die dazugehörige User Experience. Zwar hat der deutsche Softwarekonzern an dieser Stelle in den vergangenen Jahren einige Anstrengungen unternommen, seine Benutzeroberflächen aufzupolieren, allerdings haben sich die Softwerker aus dem Badischen in Sachen UI-Design in der Vergangenheit nicht gerade profiliert. Das soll sich nun ändern. Die Partnerschaft mit Apple könnte den gesamten Bereich auf ein neues Niveau hieven, sagte Sam Yen, SAPs Chief Design Officer. "Die Apps, die Menschen heute im privaten Bereich nutzen, haben den Standard in Sachen User Experience gesetzt", so der SAP-Manager, "und die Benutzer erwarten die gleiche Usability und den gleichen Designkomfort in ihren Enterprise-Apps".

Das Konzept der Kooperation ähnelt dem Deal, den Apple Mitte Juli 2014 mit IBM abgeschlossen hatte. Beide Konzerne hatten vor knapp zwei Jahren eine weitreichende Allianz rund um mobile Technologien vereinbart. Gemeinsam wollten die Unternehmen einfach benutzbare Apps unter anderem für IBMs Big-Data- und Analytics-Services entwickeln. Im vergangenen Dezember meldeten Apple und IBM, ihr angepeiltes Ziel, bis Ende 2015 mehr als 100 Business-Apps herauszubringen, sei erreicht.

Insgesamt dürften die Verflechtungen im Triumvirat Apple - IBM - SAP intensiver werden. Erst Anfang April hatten SAP und IBM bekannt gegeben, ihre Partnerschaft in mehreren Schlüsselbereichen weiter vertiefen zu wollen. Im Kern gehe es darum, gemeinsam kognitive Geschäftsanwendungen zu entwickeln, branchenspezifische Lösungen zu erarbeiten und die Nutzererfahrung zu verbessern, erläuterte IBM in einer Pressemitteilung. So soll beispielsweise SAPs In-Memory-Datenbank HANA künftig auf Servern mit IBMs Power-CPUs laufen. Basierend auf einer bereits im Oktober 2014 geschlossenen Partnerschaft wollen IBM und SAP darüber hinaus weitere branchenspezifische Cloud-Lösungen entwickeln.

Anwender verstehen SAP-Strategie nicht

Wie die Zukunft von SAPs Mobile-Lösungen aussehen wird, ist derzeit jedoch noch etwas unscharf. Im Zentrum stand bis dato die eigene SAP Mobile Platform, inklusive einer offenen Mobile Application Development Platform (MADP). Damit sollten Entwickler plattformübergreifend mobile Apps entwickeln können, für iOS, Android und Windows-Geräte, heißt es auf der Website von SAP. Grundprinzip für die Gestaltung der Oberflächen und des User Interface (UI) bildet SAP Fiori. Der dahinter stehende Designansatz sieht vor, reine Web-Anwendungen zu bauen, die auf jedem Betriebssystem und in nahezu jedem Web- und Mobile-Browser lauffähig sind. Dieser Ansatz hat weiterhin Bestand, betonten die SAP-Verantwortlichen.

Für die Kunden kam SAPs Volte in der MobileStrategie indes überraschend und sorgte für Verwirrung. "Über die Meldung zur Kooperation von Apple und SAP waren wir überrascht", sagte Marco Lenck, Vorstandsvorsitzender der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). Aus Sicht der Anwendervertretung ist nicht klar, wie die Kooperation mit Apple zur bislang verfolgten Roadmap passt. "Die Kooperation wirft bei uns und unseren Anwendern viele Fragen auf, da SAP aus unserer Sicht eine klare Fiori- und UI5-Strategie besitzt", beschrieb Lenck die Stimmungslage und fragte im gleichen Atemzug: "Welche Rolle spielen native iOS-Apps in diesem Zusammenhang?" SAP wird an dieser Stelle seinen Kunden noch einiges erklären müssen. Lencks Fazit zur Ankündigung: "Aktuell verstehen wir die Strategie nicht und werden daher mit SAP in Diskussionen treten."

In der Branche wurde die neue Mobility-Achse Apple-SAP unterschiedlich beurteilt. Jens Beier, Business Unit Manager SAP Solutions & Technology bei Fritz & Macziol, warnte Anwenderunternehmen, vorschnell weitreichende Investitionen in Apple-Geräte zu planen. "Mit dem iPhone 2007 und mit dem iPad 2010 war Apple einige Jahre lang der bewunderte Innovationsführer im Bereich Mobility", sagte Beier. "Seit 2014 aber neigt sich diese Ära dem Ende zu." Andere Hersteller hätten aufgeholt und Apple mittlerweile sogar übertroffen. Sich jetzt auf Apple allein festzulegen, heiße nichts anderes, als auf das weniger innovative Produkt zu setzen. "Das ist bitter, aber die Wahrheit. Lange Zeit hat sich Apple auf seinen Lorbeeren ausgeruht." Kunden müssten daher aufpassen, sich nicht auf die falsche proprietäre Plattform festzulegen. Ein Wechsel auf Android oder Windows sei in der Folge kaum noch möglich oder sehr teuer.

"Unternehmen wollen Offenheit und Flexibilität", so der Manager weiter. Da passe eine Festlegung auf nur ein einziges Betriebssystem nicht in die Zeit. Nur Lösungsanbieter, die auf Plattformunabhängigkeit setzen, könnten heute langfristig Erfolg haben. Denn nur Produkte, die mit allen Betriebssystemen kompatibel sind, also auch mit Android, iOS oder Windows, garantierten Anwendern Wahlfreiheit und Ausbaufähigkeit - ein Aspekt, den wachsende Unternehmen aus vielerlei Gründen sehr schätzen. Beiers Fazit: "Aus Sicht der Kunden ist die neue Partnerschaft zwischen Apple und SAP daher ein fragwürdiger Schritt."

Björn Bröhl, Head of Marketing Communications & Sales bei Trivadis, fragt nach der Innovation der Kooperationsankündigung. Apps aus dem Spiele- und Privatbereich hätten vorgemacht, wie benutzerfreundliche, intuitive Oberflächen und Anwendungen heute aussehen sollten. Daran müssten sich SAP und Apple orientieren. Der Trivadis-Manager fordert: "Sie sollten Schnittstellen und Programmierhilfen anbieten, die es einfach machen, Unternehmenssoftware für Mobilgeräte zu entwickeln und fit für den App-Store zu machen." Standards sollten sie als Basis begreifen und die eigene Entwicklungsumgebung dementsprechend zukunftstauglich und offen für alle gestalten, nicht mehr proprietär und rückwärtsgewandt.

Apple und SAP - "proprietäre Altsysteme"?

Kritisch sieht Bröhl vor allem, dass andere mobile Plattformen außen vor gelassen werden. "Wenn man bedenkt, dass Apples iOS bei Smartphones nur auf einen Marktanteil von 17,7 Prozent kommt, schneidet sich SAP quasi freiwillig von 80 Prozent des Marktes, der auf Android läuft, ab." Das einseitige Vorgehen der IT-Dinos lasse nicht wenige Kunden ohne Apple-Hardware im Regen stehen und werde bestenfalls zum Umstieg auf zukunftsorientiertere Systeme der Konkurrenz führen. Das Fazit des Trivadis-Managers fällt dementsprechend kritisch aus: "Wer zwei proprietäre Altsysteme vereint, versucht auf dem Rücken von Millionen von Anwendern (und Geschäftskunden), seine Produkte mit Gewalt im Markt zu halten. Diese Strategie mag, hübsch verpackt, kurzfristig Euphorie auslösen; Innovation, Nachhaltigkeit und Kundenorientierung lässt sich dabei aber wahrlich nicht erkennen."

Maximilian Hille von Crisp Research spricht zwar auch von proprietären Technologie-Stacks, kann der Kooperation aber durchaus positive Aspekte abgewinnen. Das iPhone und iOS seien im Unternehmenseinsatz die führenden Plattformen. Wenngleich Android im Consumer-Geschäft einen mehr als dreimal so großen Marktanteil besitze wie Apple, sehe es im Enterprise-Geschäft etwa umgekehrt aus: "SAP geht mitnichten die Partnerschaft mit einem Nischen-Player, sondern mit dem Marktführer ein, welcher in der entsprechenden Zielgruppe derzeit und zukünftig einen hohen Einfluss nimmt." Gerade auch mit Blick auf das Trio Apple, IBM und SAP zeichne sich ab, dass mit der neuen Partnerschaft ein umfangreicher Stack für die Enterprise-IT geboten werden könne. "Die Partnerschaft ist somit ein Indiz, dass führende Technologie-Anbieter sich zusammentun und die eigenen Technologien auch im Sinne der Anwender enger verzahnen." Nichtsdestotrotz bleibe festzuhalten, dass die Partnerschaft für SAP und Apple vor allem über negative Meldungen hinwegtäuschen soll, schränkt Hille ein. Gerade bei Apple sorgten Meldungen wie sinkende Absatzzahlen des iPhones schnell für Unsicherheit und schlechte PR. Auch SAP müsse trotz vieler neuer Technologie-Releases viel tun, um das Image eines Innovationsführers wieder zu erlangen und zu stärken. "Da hilft eine medienwirksame Partnerschaft sicher, um die Diskussionen in eine andere Bahn zu lenken."

Anwender sollten Hille zufolge die SAP-Apple-Allianz nicht als Innovationspartnerschaft sehen. Die Weiterentwicklung der Produkte für die Mobile Customer Experience trage lediglich den steigenden Anforderungen der Anwender Rechnung. Ob sich zukünftig echte Disruptionen durch neue Anwendungsfälle ergeben, sei offen.

Dass bei SAP noch längst nicht alles reibungslos funktioniert, räumte auch McDermott auf der Sapphire-Bühne überraschend selbstkritisch ein. Der SAP-Chef berichtete von einem Treffen mit CIOs der 30 größten Unternehmen der Welt. Das Feedback, das er dort bekommen habe, sei nicht nur gut gewesen. McDermott wertete dies zwar als Signal, dass die Kunden in der Partnerschaft mit SAP engagiert seien. SAP müsse sich jedoch stärker um das Geschäft der eigenen Kunden kümmern. Empathie sei deshalb das Motto für die kommenden Monate, gab McDermott die Marschrichtung vor.

SAP muss seine Vision besser erklären

Aus Sicht von McDermott habe SAP schon vor Jahren eine komplette Vision rund um HANA, die Cloud sowie sein Business Network entwickelt und konsequent ausgebaut. Dafür gebe es Lob von Seiten der Kunden. Allerdings gelinge es offenbar nicht immer, diese Vision auch zu erklären, berichtete der SAP-Chef von Kritik. Gerade im Zusammenhang mit S/4 HANA sei es sehr schnell gegangen - vielleicht zu schnell, wie McDermott einräumte. SAP habe an dieser Stelle teilweise keinen guten Job gemacht, das Produkt gut zu erklären beziehungsweise die richtigen Meilensteine zu setzen. Hier brauche es eine klarere Roadmap. Als ersten Schritt kündigte McDermott ein Wertversprechen an - eine "Value Assurance". Gemeinsam mit den Dienstleistern Accenture, Capgemini, Deloitte, EY, IBM, PwC und Wipro sollen Kunden von der ersten Planung über Implementierung und Migration bis hin zur Organisation an die Hand genommen werden. So sollen Innovationsvorteile und bessere Geschäfte für die Kunden garantiert werden.

Wie sich diese Strategie auf die interne Organisation von SAP auswirken wird, ist noch nicht ganz klar. Mitte Mai kündigte McDermott auf der Hauptversammlung des Konzerns an, die Abläufe im Cloud- und Kerngeschäft effektiver zu gestalten. In Orlando nahm der SAP-Chef den Faden wieder auf und sprach von einer kulturellen Revolution, die er innerhalb von SAP anstoßen wolle, um die eigenen Kunden besser bedienen zu können.