Mit der so genannten "Heuschrecken-Debatte" Mitte 2005 hat die Finanzierungsform "Private Equity", die bis dahin nur Experten aus der Geldbranche ein Begriff war, auch in den Nicht-Banken-Branchen an Bekanntheit gewonnen. Private Equity ist der englische Begriff für "privates Beteiligungskapital". Hierunter versteht man Kapital, das von privaten oder institutionellen Anlegern zur Beteiligung an nicht an der Börse gehandelten Unternehmen bereitgestellt wird.
Bei Großunternehmen aus der IT-Branche ist Private Equity eine häufig anzutreffende Finanzierungsform. Jüngstes Beispiel ist der Verkauf der ehemaligen Com-Sparte Siemens Home and Office Communications Devices (SHC) an den Private-Equity-Investor Arques Industries zum 1. Oktober 2008. Doch auch für den Mittelstand sind Beteiligungsfinanzierungen interessant.
Serie: Finanzierungsmodelle für den Mittelstand
Teil 1: "Günstige Online-Kredite statt Hausbank"
Teil 2: "Mikrokredite fördern das Gewerbe"
Teil 3: "Factoring macht offene Forderungen zu Bargeld"
Teil 4: "Heuschrecken" beteiligen sich mit Fremdkapital"
Teil 5: "Mezzanine-Finanzierung spült Eigenkapital in die Kasse"
Teil 6: "Leasing boomt sich an die Kredit-Spitze"
Anschubfinanzierung für junge Unternehmen
Es lassen sich zwei Grundformen der Beteiligung unterscheiden: Private-Equity-Gesellschaften und Venture-Capital-Gesellschaften. Private-Equity-Gesellschaften (PEG) - früher "Kapitalbeteiligungsgesellschaften" genannt - investieren überwiegend in bereits bestehende kleine und mittelgroße Unternehmen ohne Börsennotierung. Venture-Capital-Gesellschaften (VCG) - vormals als "Wagnisfinanzierungsgesellschaften" bezeichnet - finanzieren junge, innovative Geschäftsideen beziehungsweise Gründer, helfen ihnen in der Startphase und begleiten sie in der Wachstumsphase. Für Firmen, die gerade im Aufbau sind oder neue Projekte durchführen, sind beide Beteiligungsformen interessant.
Private-Equity-Firmen gehen höheres Risiko ein
Kleine und mittelständische Firmen leben riskant. Das gilt vor allem für die IT-Branche mit ihren schnelllebigen Produkten und dem ungeheuren Preis- und Wettbewerbsdruck - Mittelständler, die mit IT-Projekten ihr Geld verdienen, und kleine Firmen, die neu am Markt sind und sich in der Branche mit neuen Produkten oder Dienstleistungen etablieren wollen, wissen davon ein Lied zu singen. Nur wenige Banken sind bereit, an solche Unternehmen Kredite zu vergeben - zumal es meistens auch noch an Sicherheiten mangelt. Diese Kreditlücke kann durch Beteiligungskapital geschlossen werden - theoretisch, denn auch Private-Equity-Firmen übernehmen die Risiken ihrer Kundschaft nicht umsonst, sondern wollen mit ihren Investitionen Geld verdienen. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch in Ordnung, zumal es gerade im Mittelstand vorkommt, dass Banken Kredite an PE-Anbieter verkaufen, weil ihnen das Risiko zu hoch ist, wie Dirk Söhnholz, Vorstand "Bundesverband Alternative Investments", erklärt. Allerdings gebe es immer wieder einzelne schwarze Schafe, die das Bild einer ganzen Branche in der Öffentlichkeit dominieren.
Wie Firmen Zielobjekt für Private Equity werden
Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaften sammeln bei Banken, Versicherungen und vermögenden Privatpersonen finanzielle Mittel ein und wählen geeignete Zielunternehmen - in der Szene Targets genannt - aus, denen sie dieses Kapital zur Verfügung stellen. Eine Firma, die in den Genuss einer solchen Beteiligung kommen will, muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
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Die Firma muss eigenkapitaldominiert sein. Dies hängt damit zusammen, dass die PEG oder VCG ihre Beteiligung durch einen hohen Anteil an Fremdkapital realisiert und am so genannten Leverage-Effekt verdient - exakt ausgedrückt: Private-Equity-Transaktionen werden grundsätzlich in Form eines "Leveraged Buy-out (LBO)" vollzogen. Der Leverage-Effekt besagt, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Eigenkapitalrendite aus einem Investitionsprojekt steigt, wenn der Fremdkapitalanteil daran erhöht wird. Voraussetzung hierfür ist, dass die Gesamtkapitalrentabilität des Zielunternehmens über den Kosten des Fremdkapitals, also über den Fremdkapitalzinsen, liegt.
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Diesen Effekt machen sich Private-Equity-Gesellschaften zu Nutze: Sie setzen ebenfalls auf einen hohen Fremdkapitalanteil, übertragen jedoch das im Rahmen des Beteiligungserwerbs aufgenommene Fremdkapital auf das erworbene Unternehmen. Mit anderen Worten: Ihr werden die "Schulden" aufgebürdet, die gemacht wurden, um sich überhaupt daran beteiligen zu können.
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Das bedeutet: Die Firma muss einen geringen Verschuldungsgrad aufweisen, denn nur hier kann die Private-Equity-Gesellschaft ansetzen: Sie wird den - bis dato hohen - Eigenkapitalanteil abbauen und durch Fremdkapital ersetzen. Geht dem Kapitalnehmer ein derartiger Eingriff zu weit, wird es keine finanziellen Mittel von einer PEG oder VCG erhalten.
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Das kapital nachfragende Unternehmen muss zudem ein günstiges Rendite-Risiko-Verhältnis aufweisen. Das ist der Fall, wenn eine bereits bestehende Firma, die Finanzmittel zur Finanzierung eines Projekts sucht, hohe und stabile Cashflows aufweist und über einen etablierten Markennamen verfügt. Ferner sehen es Private-Equity-Geber gern, wenn das Zielunternehmen hinsichtlich des Kapitalbedarfs für das laufende Geschäft keine größeren Ansprüche hat, beispielsweise für Neuinvestitionen oder für Forschung und Entwicklung. Dies erhöht die Chancen, Risikokapital zu erhalten.
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Zuweilen wird das Vorhandensein einer öffentlichen Bürgschaft vorausgesetzt. Der PE-Anbieter "New Life Quality (NLQ)" beispielsweise investiert nur in Unternehmen, für die die jeweilige Landesbürgschaftsbank eine Bürgschaft übernommen hat.
Der Kunde als potenzielle Geldquelle
Auf der Suche nach Finanzmitteln kann ein Betrieb auch auf Personen zurückgreifen, die ohnehin im geschäftlichen Kontakt mit dem Unternehmen stehen - also Kunden und Geschäftspartner -, und unter denen sich nicht wenige befinden, die eine lukrative und sichere Geldanlage in Form von Beteiligungskapital suchen. Gegen eine zeitlich befristete oder dauerhafte Kapitalgabe nimmt der Kunde oder Geschäftspartner an dem unternehmerischen Erfolg teil, der unter anderem mit ebendiesem Kapital erwirtschaftet wird. Handelt es sich bei dem nach Kapital suchenden Unternehmen um eine kleine oder mittelständische Firma, dann weiß zumindest der Stammkunde, welche Produkte dort gefertigt oder gehandelt beziehungsweise welche Dienstleistungen erbracht werden und welche Personen dahinter stehen. Hat er als Kunde Vertrauen und erlebt er tagtäglich, wie "sein Geschäft" floriert, dann wird er vielleicht Interesse daran haben, sich finanziell an "seinem Unternehmen" und an dessen Erfolg zu beteilige, der so zu seinem eigenen wird.
"Auf diese Weise rückt der Kunde vom Ende der Umsatzkette als Endverbraucher an deren Anfang", meint Wirtschaftsanwalt Horst Werner von der Göttinger Kanzlei Dr. Werner, Dr. Gündel & Collegen. Erleben sich die Kunden sonst als diejenigen im Wirtschaftskreislauf, die Geld in einem fremden Geschäft ausgeben - an dem also ein Dritter verdient -, so sind sie es nunmehr, aus deren Kapital ein Mehrwert geschaffen wird, der über den Absatzmarkt realisiert wird und an dem sie über die Gewinnbeteiligung partizipieren.
Was ist besser: Private Equity oder Venture Capital?
Ein Vergleich zwischen den beiden Formen des Beteiligungskapitals - Private Equity (PE) und Venture Capital (VC) - sollte aus Sicht eines mittelständischen Unternehmens nach folgenden Kriterien stattfinden:
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Kriterium "Schwerpunkt der Beteiligung": PE-Geber adressieren überwiegend etablierte Mittelständler, VC-Gesellschaften interessieren sich für junge und innovative Wachstumsunternehmen. Die gut eingeführte Firma mit Projektvorhaben sollte also nach PE-Kapital Ausschau halten, das Start-up mit der neuen Software eher nach VC-Kapital.
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Kriterium "Haltedauer der Beteiligung": PE wird in der Regel mittelfristig zur Verfügung gestellt, VC kurz- bis mittelfristig. Hier ist der Zeithorizont der zu finanzierenden Maßnahme oder des durchzuführenden Projekts möglichst genau abzuschätzen, um auf eine zeitliche Deckungsgleichheit zu kommen.
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Kriterium "Grad der Einflussnahme": PE hat einen geringen Einfluss auf das operative Geschäft, VC einen hohen. Wer im Tagesgeschäft eigenständig bleiben will, sollte Private Equity bevorzugen; wer jedoch einen ständigen Begleiter sucht, der ihm in allen Belangen zur Seite steht, ist bei einem VC-Geber besser aufgehoben.
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Kriterium "Einsatz von Fremdkapital": Bei PE-Gesellschaften ist er hoch, bei VC-Gebern eher gering. Für IT-Firmen, die nach wie vor überwiegend mit eigenem Geld wirtschaften wollen, heißt das: Finger weg von Private Equity.
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Kriterium "Renditeerwartung": PE-Anbieter erwarten im Schnitt 30 bis 40 Prozent Rendite aus ihrer Beteiligung, VC-Geber noch mehr: Mehr als 40 Prozent sind die Regel. Für die Firma, die Risikokapital braucht, macht es, was dieses Kriterium betrifft, also keinen großen Unterschied, von welcher Seite sie das Geld bekommt: Verdienen will - und wird - der Investor an seinem Engagement allemal.
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Kriterium "Risikograd des Investments": PE-Investitionen sind für den Geldgeber so riskant wie andere Finanzierungen auch: durchschnittlich und abhängig vom Investitionsobjekt, also vom Zielunternehmen. Sehr hoch ist das Risiko allerdings bei Venture Capital - kein Wunder, dass VC-Geber mehr Rendite aus der Beteiligung erwarten, um das erhöhte Risiko auszugleichen.
KfW Mittelstandsbank steigt mit Lead-Investor ein
Im Rahmen ihres ERP-Startfonds beschafft die KfW Mittelstandsbank mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Beteiligungskapital für junge, innovative Technologieunternehmen. Die KfW geht hierbei Beteiligungen ein, ohne sich im Regelfall an der Geschäftsführung des Unternehmens zu beteiligen. Voraussetzung ist allerdings, dass sich ein weiterer Beteiligungsgeber - der so genannte Lead-Investor - in mindestens gleicher Höhe beteiligt; damit wird ein Anreiz für den Markteintritt privater Investoren geschaffen. Die KfW beteiligt sich zu den gleichen wirtschaftlichen Konditionen wie der Lead-Investor.
Gründer von Technologiefirmen können auch eine Finanzierung aus dem High-Tech Gründerfonds erhalten, der gemeinsam von Bund, KfW Bankengruppe und Industrie (BASF, Bosch, Deutsche Telekom, Daimler, Siemens, Zeiss) aufgelegt wird. Einzelheiten erfahren Interessierte unter www.high-tech-gruenderfonds.de.