Von der Garage zum "Googleplex"

Google hat das Internet verändert

07.09.2008
Vor zehn Jahren, am 7. September 1998, legten Larry Page und Sergey Brin mit der Gründung von Google Inc. den Grundstein für den heutigen Erfolg.

Internet und Google, diese Begriffe sind heute nicht mehr zu trennen. Im Akkord stellt der Konzern aus Kalifornien neue Produkte vor, zuletzt seinen eigenen Web-Browser Chrome. Doch trotz aller nützlichen und zumeist kostenlosen Anwendungen für E-Mail und Textverarbeitung, trotz der Portale für Videos, Fotos und Blogs - Geld verdient Google fast ausschließlich mit der Werbung in seiner Suchmaschine.

Große Zuneigung war es nicht, die Page und Brin, beide Jahrgang 1973, anfangs verband. Als sich die Informatik-Doktoranden 1995 an der Elite-Universität Stanford kennenlernten, stritten sie über fast jedes Thema. Eins schweißte sie aber zusammen - die Frage, wie man in einem Datenberg wie dem Internet relevante Informationen findet. In einem Projekt entwarfen sie eine Suchmaschine, deren Konzept Google zugrundeliegt. Die Kern-Idee: Je öfter per Hyperlink auf eine Website verwiesen wird, desto wichtiger muss sie sein. Das zu messen, war eine komplexe Aufgabe - Page und Brin meisterten sie als erste.

Nach einer Testphase an der Uni wagten die beiden den Sprung in die weite Internet-Welt. Mit 1,1 Millionen Dollar Risikokapital - darunter einem Scheck über 100.000 Dollar vom deutschen Informatiker Andy Bechtolsheim - im Rücken gründeten sie eine Firma und zogen in eine Garage in Menlo Park, Kalifornien. Wie gut ihre Arbeit war, zeigte sich bald: Zwei Jahre später war Google die führende Suchmaschine im rasant wachsenden Internet, nicht zuletzt dank einer Kooperation mit AOL.

Die Relevanz der Suchergebnisse sei der Grundstein für Googles Erfolg, sagt Dirk Lewandowski, Professor für Informationswissenschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg: "Man konnte den Unterschied sehen." Heute sei Google im Vergleich zu Konkurrenten wie Yahoo! kaum noch besser - aber die Marke profitiere vom guten Image. Ein weiterer Erfolgsfaktor: Der Internet-Konzern verfügte von Anfang an über ein stabiles Netz von Rechnern, das die Ergebnisse schnell und zuverlässig ausspuckte. Nicht zuletzt überzeugte die übersichtliche Startseite. Bis heute steht dort keine Werbung.

Page und Brin standen jedoch vor einem Problem, an dem schon viele Internet-Gründer gescheitert sind: Wie macht man aus den zahlreichen Nutzern Geld? Die simple wie clevere Antwort: Indem man Kleinanzeigen verkauft, die genau in den Kontext der Suchbegriffe passen. Über das System AdWords können Werbende festlegen, bei welchen Begriffen ihre Werbung erscheinen soll. Der Preis wird über ein Auktionsverfahren ermittelt. Zahlen müssen sie nur, wenn der Nutzer auch klickt.

Die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin

Beim ersten Treffen im Jahr 1995 sollen sich die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin nicht gemocht haben.Der 24-jährige Page und der ein Jahr jüngere Brin stritten über jedes Thema, auf das die Sprache kam, besagt die offizielle Google-Geschichte. Es war erst die Arbeit an ihrer Internet- Suchmaschine, die die beiden zusammenschweißte.

Beide Google-Gründer kommen aus Wissenschaftler-Familien. Der Vater von Larry Page war Professor für Computer-Wissenschaften und künstliche Intelligenz, seine Mutter unterrichtete Programmiersprachen. Da wundert es nicht, dass Larry sich im zarten Alter von sechs Jahren für Computer begeisterte. Brin kam mit sechs gerade erst in den USA an: Seine Eltern, Moskauer Mathematiker, verließen die Sowjetunion 1979. Brin soll die Schlüsselrolle bei der Einhaltung des Google-Prinzips zukommen, nichts Böses zu tun ("Don't Be Evil"). "Böse ist, was Sergey als Böse bezeichnet", sagte Google-Chef Eric Schmidt einmal dem Magazin "Wired".

Das Magazin "Forbes" schätzte das Vermögen der beiden Enddreißiger im März auf jeweils knapp 19 Milliarden Dollar. Als erstes fällt an Page und Brin jedoch auf, wie sehr sie sich bemühen, bodenständig zu bleiben. Keine Luxus-Yachten, keine rauschenden Party oder andere Milliardärs-Exzesse. Stattdessen tragen die beiden eisern T-Shirt und Jeans, fahren einen umweltfreundlichen Toyota Prius und beziehen von Google Jahr für Jahr das symbolische Gehalt von einem Dollar. Immerhin mietete sich Page für seine Hochzeit im vergangenen Jahr gleich zwei Karibik-Inseln. Allzuviel gekostet haben dürfte ihn das jedoch nicht: Eine davon gehört dem befreundeten Milliardär Richard Branson, dem Virgin-Gründer.

"Google hat einen eigenen Markt entwickelt, den es vorher nicht gab", sagt Veit Siegenheim, Berater bei Accenture und Co-Autor des Buches "Die Google-Ökonomie". Werbung im Netz lohnte sich erstmals auch für kleinste Unternehmen. Die Erlöse pro Klick beginnen heute laut Siegenheim bei wenigen Cent, reichen aber bis hin zu 80 Dollar, die etwa einige US-Anwälte locker machen.

Hohe Reichweite plus geschickte Vermarktung von Werbung auf der eigenen Seite wie auch bei Partnern - das war die Erfolgsformel. Die sprudelnden Gewinne investierte Google zu einem guten Teil in Zukäufe und die eigenen Ingenieure. Erst so konnte das Unternehmen Produkt nach Produkt auf den Markt bringen und zum allumfassenden Internet-Konzern werden, der dem Windows-Riesen Microsoft den Rang streitig macht. Doch die Produktvielfalt schlägt sich bisher nicht in der Bilanz nieder: 2007 stammten rund 96 Prozent des Umsatzes von 16,6 Milliarden Dollar aus der Suchmaschinen-Werbung.

"Die größte Herausforderung besteht in der Diversifizierung", sagt Veit Siegenheim. Google müsse die Abhängigkeit von der zyklischen Werbung reduzieren. So ist der Aktionismus zu verstehen, den das Unternehmen an den Tag legt. Ob mit dem teuer gekauften Videoportal YouTube, der Handy-Plattform Android oder dem in den USA getesteten System für Fernseh- und Radiowerbung: Google will überall eine Rolle spielen, wo es um die Verarbeitung von Informationen geht - und möglichst bald auch daran mitverdienen.

Google fasziniert Millionen und löst abgrundtiefe Ängste aus

Als Larry Page und Sergey Brin im September 1998 Google gründeten, planten sie nicht nur den Aufbau einer Internet-Suchmaschine. Schon damals entwickelten die beiden Studenten der kalifornischen Elite-Universität Stanford die Vision von einem Service, mit dem man alle verfügbaren Informationen auf der Welt organisieren und universell zur Verfügung stellen kann. Die Leistungsfähigkeit der Google-Anwendungen verbreitete sich schnell durch Mund-zu-Mund-Propaganda im Netz und führte zum imposanten Aufstieg der Garagenfirma zum Internetgiganten.

Der "Googleplex" in Mountain View, Kalifornien
Foto: Google

Millionen von Anwendern schätzen heute die Qualität und Nützlichkeit der Google-Dienste und können sich ein Online-Leben ohne Google kaum vorstellen. Unter Informatikern gilt Google als Top-Arbeitgeber, und das nicht nur, weil Getränke und Essen kostenlos serviert werden. Doch was unzählige Internet-Nutzer fasziniert, löst bei manchen von ihnen auch abgrundtiefe Ängste aus. Kritiker warnen vor einem Wissensmonopol des Konzerns und dem Missbrauch der von Google gespeicherten Daten.

"Google beherrscht den Markt von Suchmaschinen, Geosoftware und sozialen Netzen immer stärker", sagt Max Mühlhäuser, Professor an der TU Darmstadt. "Nun kommt der Angriff auf die Browser, und der Angriff auf Betriebssysteme und Standardsoftware sowie Mobiltelefone ist schon quasi 'eingebaut'. Die Kartellbehörden sollten spätestens jetzt Googles Verhalten am Markt genauestens überwachen."

Mühlhäuser stört sich vor allem an einer mangelnden Offenheit des US-Konzerns. "Google ist einerseits eine hochinnovative Firma, die die IT-Branche nach vorne peitscht. Andererseits ist mir als Informatiker in 25 Jahren kein Unternehmen begegnet, das eine so konsequente Abschottungspolitik betrieben hätte", sagt der Wissenschaftler. Google beteilige sich bewusst nur minimalistisch am weltweiten Austausch von Forschungsergebnissen. "Von Google angeworbene Mitarbeiter - ehemalige Kollegen oder Absolventen - verschwinden förmlich in einem schwarzen Loch, was die fachliche Kommunikation angeht."

Die Kritik betrifft aber auch direkt die Google-Dienste: So klagt die Organisation Privacy International, dass Google massiv den Datenschutz unterlaufe. Besonders kritisch sei etwa, dass Google den Text von E-Mails in Google Mail auswerte, um kontextbezogene Werbung zu platzieren. "Google verstößt mit diesem Dienst gegen mehrere europäische Datenschutzbestimmungen", sagt Simon Davies, Director von Privacy International. Der Internetkonzern weist dies zurück.

Kritiker wie der österreichische Journalist Gerald Reischl, Autor des Buches "Die Google-Falle", sehen allein in der schieren Masse der Daten, die der Internetgigant auf seinen Servern speichert, ein Problem. "Google ist dabei, der weltweit größte Herausgeber, Händler und Archivar von Informationen zu werden. Doch nur die wenigsten Nutzer wissen, wo die Suchmaschinenfirma aus den USA überall ihre Finger im Spiel hat", sagt Reischl. Außerdem erlaube Google Regierungen und Militärs, Ergebnisse der Suchmaschine zu zensieren.

In der Zensurdebatte wurde Google (wie auch dem Konkurrenten Yahoo!) vorgeworfen, sich dem Unterdrückungsapparat in China unterworfen zu haben, um auf dem gigantischen Markt Fuß fassen zu können. Mit dem chinesischen Dienst google.cn biete Google eine regierungsfreundliche Suchmaschine an, in der beispielsweise neutrale Informationen zum Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking unterdrückt würden.

Google betont in diesem Zusammenhang, dass das Sperren von Inhalten zwar der Firmen-Richtlinie "Tue nichts Böses" widerspreche, dass aber ein Rückzug aus China für die Bevölkerung noch negativere Folgen habe. "Überhaupt keine Informationen zur Verfügung zu stellen, widerspricht noch mehr unserem Unternehmensziel", erklärte ein Google-Sprecher im Januar 2006.

Besonders kritisch bewerten Datenschützer die jüngsten Vorstöße von Google in den milliardenschweren Gesundheitsmarkt. "Google ist kein Doktor, aber viele Menschen kommen zu uns, um nach Gesundheitsthemen zu suchen", begründete vor einem Jahr Google-Managerin Marissa Mayer den Einstieg. Unter "Google Health" organisiert der US-Konzern inzwischen nicht nur die Suche nach Themen wie Allergien oder Nebenwirkungen von Medikamenten. Auf der Site kann man in den USA nach Ärzten in der Umgebung suchen und sogar seine eigenen Krankenakten, Verschreibungen und Testergebnisse auf die Google-Server laden. Datenschützer schlagen bei diesem Gedanken die Hände über dem Kopf zusammen. "Das ist der Wilde Westen im Online-Format", sagte die Psychiaterin Deborah Peel, die den Patienten-Schutzverband PatientPrivacyRights.org gegründet hat.

Noch weiter als "Google Health" geht das kalifornische Startup-Unternehmen 23andMe, das im Firmennamen auf die 23 Chromosomenpaare des Menschen anspielt und DNA-Analysen anbietet. Für knapp 1000 Dollar (700 Euro) kann man dort sein Erbgut beispielsweise auf Krankheitsveranlagungen untersuchen lassen. "Private Genanalysen werden bald ganz alltäglich sein", sagt Anne Wojcicki, die zusammen mit einer Freundin 23andMe leitet. Den Großteil des Startkapitals für 23andMe hat Wojcicki von ihrem Ehemann, dem Google-Mitbegründer Sergey Brin, als Hochzeitsgeschenk erhalten. (dpa/tc)

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