Schlüsselfertiges Container-Rechenzentrum

FAQ zum Rechenzentrum in der Box

09.02.2016 von Jürgen Mauerer
Der Platz im Rechenzentrum ist begrenzt oder lässt sich nur mit großem baulichen Aufwand erweitern. Abhilfe schaffen komplette Rechenzentren in Container-Bauweise. Dieser Artikel beantwortet die wichtigsten Fragen zum Container-Rechenzentrum.

Die Digitalisierung erfasst nahezu alle Wirtschafts- und Lebensbereiche, Veränderungen in bislang unbekannter Geschwindigkeit prägen die Wirtschaft. Unternehmen müssen daher ihre IT flexibel an die neuen Anforderungen und Gegebenheiten anpassen - das gilt auch für die physischen Rechenzentren. Niemand kann vorhersagen, wie stark ein Unternehmen wachsen wird, wie hoch die Anforderungen und die IT-Last in fünf Jahren sind.

Ein Großteil der neu gebauten Rechenzentren ist daher heute überdimensioniert - zu Lasten der Energieeffizienz. Abhilfe schafft eine modulare Infrastruktur, mit der Unternehmen passgenau für den konkreten Bedarf planen können. Daher gewinnen flexible und mobile Rechenzentren in Container-Bauweise an Bedeutung, die alle notwendigen Komponenten wie Server, Speicher, Kühlung und Stromversorgung enthalten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Container-Rechenzentrum.

RZ aus der Box
Mobiles Rechenzentrum:
Mobiles Rechenzentrum: Der genormte Container lässt sich problemlos mit gängigen LKW transportieren.
Kurze Lieferzeit:
Schlüsselfertige Container-Rechenzentren sind innerhalb weniger Wochen verfügbar.
Standardmodell:
Cancom verlangt für einen Standard ISO-Container mit 5 Server-Racks mit je 42 Höheneinheiten, 20 KW USV, 20 KW Kühlung (Kaltwasser – redundant), Löschgasanlage, Brandfrühsterkennung und Remote Monitoring-Lösung pauschal 139.000 Euro.
Direkte oder indirekte freie Kühlung:
Da Container-Rechenzentren meist im Freien stehen, nutzen sie die Außenluft zur energieeffizienten Kühlung.
Komplett ausgestattet:
Ein Container-Rechenzentrum enthält alle notwendigen Komponenten wie Server, Speicher, Kühlung, USV oder Brandschutz.

Was ist ein Container-Rechenzentrum?

Ein Container-Rechenzentrum vereint alle Funktionen und Komponenten eines kompakten Data Centers in einem Container. Je nach Anforderung handelt es sich dabei um Standard Industrie-Container mit meist sechs oder 12 Metern Länge, 2,43 Metern Breite und 2,50 / 2,90 Metern Höhe oder individuelle Formate (z.B. 6 x 3 m, 14 x 3,50 m). Der genormte Container lässt sich problemlos auf gängige Transportfahrzeuge laden. Neben den Racks mit Servern sowie Speicher- und Netzwerksystemen umfasst das Container-Rechenzentrum Kühlsysteme, USV (Unterbrechungsfreie Stromversorgung), Brandüberwachung mit Brandfrühsterkennung, Gaslöscheinrichtung, Zutrittskontrolle, Einbruchschutz, Blitzschutz und Erdung sowie auf Wunsch eine Lösung für Remote Monitoring.

Kurze Lieferzeit: Schlüsselfertige Container-Rechenzentren sind innerhalb weniger Wochen verfügbar.
Foto: Cancom

Der Hersteller konfiguriert den Container gemäß der Kundenanforderung und liefert ihn schlüsselfertig aus. Daher ist das mobile Rechenzentrum meist innerhalb von sechs bis acht Wochen einsatzbereit. Der Container lässt sich auf jeder geeigneten Fläche im Außen- und Innenbereich aufstellen und trotzt Hitze, Kälte, Regen oder Wind. Am Standort muss er noch an das Daten- und Energienetz sowie die Kaltwasserversorgung angeschlossen werden. Manche Anbieter liefern auch eine eigene Stromversorgung mit, um den Container autark zu betreiben.

Welche Einsatzszenarien gibt es?

Die Einsatzszenarien von Container-Rechenzentren sind vielfältig. Sie eignen sich als dauerhaftes Haupt- oder Backup-Rechenzentrum, sind aber auch für Unternehmen interessant, die ein temporäres Data Center zur Überbrückung einiger Wochen und Monate benötigen. Dies kann etwa bei Aus- oder Umbaumaßnahmen der Fall sein, zum Auffangen von Belastungsspitzen oder Kapazitätsengpässen, oder etwa nach einem Brand oder Erdbeben, das das alte Rechenzentrum zerstörte.

Ein schönes Beispiel ist hier der neuseeländische Stromversorger Orion, dessen Gebäude im Frühjahr 2011 bei einem starken Erdbeben schwer beschädigt wurde. Als Folge senkte sich der Rechnerraum mit Orions kompletten Schrankreihen für die Überwachungs- und Kontrolltechnik fast vollständig ab. Um die Stromversorgung der Stadt Christchurch und umliegender Region zu sichern, benötigte Orion kurzfristig eine Ersatzlösung.

Mobiles Rechenzentrum: Der genormte Container lässt sich problemlos mit gängigen LKW transportieren.
Foto: Rittal

Der deutsche Hersteller Rittal konfigurierte innerhalb von fünf Wochen einen Container mit IT-Infrastruktur nach den Anforderungen des Unternehmens inklusive redundanter Strom- und Notstromversorgung sowie Brandmelde- und Löschanlage. Anschließend wurde der Container nach Neuseeland geschickt und auf Erdbeben sichere Schwingungsdämpfer gesetzt. Orion nutzte ihn als Interims-Datacenter, bis der Neubau in Christchurch abgeschlossen war.

Da sich der genormte Container problemlos mit gängigen LKW, Güterzügen oder Containerschiffen transportieren lässt, ist das Rechenzentrum sehr mobil; es eignet sich daher sehr gut für den Einsatz in Roadshows oder auf Baustellen, die weiterziehen (z.B. Straßenbau, Minen im Tagebau). Ein weiteres Szenario sind Unternehmen mit mehreren Standorten, die an allen Niederlassungen weltweit eine einheitliche Plug & Play-Infrastruktur mit gleichen Standards installieren wollen.

Wer ist die Zielgruppe?

Zielgruppe für Container-Rechenzentren sind primär mittelständische Unternehmen mit einem oder mehreren Standorten. "Der gesamte Mittelstand interessiert sich mittlerweile für dieses Thema. Derzeit stellen wir geradezu einen Hype fest. Momentan erfolgt bei uns jede dritte Anfrage zu einem Rechenzentrum im Container", erklärt Christian Steininger, Geschäftsführer Cancom physical infrastructure GmbH. Dank reversibler Seitenwände ist es möglich, Container-Rechenzentren beliebig zu skalieren und Flächen von mehreren 100 Quadratmetern zu erreichen. Daher setzen auch größere Unternehmen auf Container-Bauweise. Das Rechenzentrum von Microsoft in Chicago beispielsweise besteht zum Teil aus Containern.

Wie ist die Kühlung geregelt?

Da Container-Rechenzentren im Außenbereich stehen, bieten sie ideale Voraussetzungen für den Einsatz energieeffizienter Klimatisierungsmethoden wie direkte freie Kühlung, welche die gefilterte Außenluft für die Klimatisierung nutzt. Damit reduziert sich der Energieaufwand für die Klimatisierung gegenüber herkömmlichen Klimageräten erheblich.

Direkte oder indirekte freie Kühlung: Da Container-Rechenzentren meist im Freien stehen, nutzen sie die Außenluft zur energieeffizienten Kühlung.
Foto: Rittal

Die meisten Modelle verfügen über ein auf dem Dach oder an der Seite des Containers aufgestelltes Kühlaggregat (Chiller, Kaltwassersatz), das den internen Wärmetauscher zur Kühlung mit Kaltwasser oder Kühlmittel versorgt. Bei niedrigen Umgebungstemperaturen lässt sich das Kühlmittel ohne Einsatz der Kältemaschine mit Außenluft herunterkühlen (indirekte freie Kühlung). Die klare Trennung von Kalt- und Warmluft über Warmgang-/Kaltgang-Einhausung vermeidet zudem unnötige Luftströme im Container und steigert die Energieeffizienz.

Welche Lösungen gibt es und was kosten sie?

Mittlerweile gibt es einige Anbieter von Container-Rechenzentren, darunter Rittal, Cancom, Huawei, HP, Infotech oder die DC Datacenter Group (Tochter proRZ). Sie alle bieten individuelle und Standard-Rechenzentren aus dem Container zum Kauf oder teilweise zur Miete an. Der Preis hängt von der Konfiguration und Leistung des Containers ab sowie von der Mietdauer.

Standardmodell: Cancom verlangt für einen Standard ISO-Container mit 5 Server-Racks mit je 42 Höheneinheiten, 20 KW USV, 20 KW Kühlung (Kaltwasser - redundant), Löschgasanlage, Brandfrühsterkennung und Remote Monitoring-Lösung pauschal 139.000 Euro.
Foto: Cancom

Ein Beispiel: Cancom verlangt für einen Standard ISO-Container mit 5 Server-Racks mit je 42 Höheneinheiten, 20 KW USV, 20 KW Kühlung (Kaltwasser - redundant); Trennung von Warmluft und Kaltluft, Löschgasanlage, Brandfrühsterkennung und Remote Monitoring-Lösung pauschal 139.000 Euro.

Vorteile von Container-Rechenzentren?

Container-Rechenzentren bieten eine Reihe von Vorteilen:

• Schnelle Verfügbarkeit: Im Gegensatz zu traditionellen Rechenzentren, bei denen von der Planung über den Bau bis hin zur Inbetriebnahme bis zu zwei Jahre ins Land ziehen, sind Container-Rechenzentren innerhalb weniger Wochen verfügbar.

• Niedrigere Investitionskosten: Aufwändige Planung und Baumaßnahmen entfallen, benötigt werden genügend Platz sowie Anschlüsse für Strom, Wasser und Datenleitung. Damit sind auch die Investitionskosten niedriger als beim Bau eines klassischen Rechenzentrums.

• Skalierbarkeit: Dank reversibler Seitenwände ist es möglich, Container-Rechenzentren beliebig zu skalieren. Wer eine höhere Kapazität benötigt, kann weitere Container bestellen und damit sein Rechenzentrum erweitern.

• Hohe Flexibilität: Container-Rechenzentren eignen sich für fast jeden Ort und sind mobil, da sie sich einfach transportieren lassen. Hinzu kommen verschiedene Einsatzgebiete: Nutzung zur Miete als temporärer Ersatz, Backup- oder Haupt-Rechenzentrum, Standard-Lösung für verschiedene Standorte

• Kürzere Abschreibungszeiten bringen steuerliche Vorteile

• Garantierter Leistungsumfang zum Festpreis

• Kleine Grundflächen, meist keine Baugenehmigung erforderlich

Komplett ausgestattet: Ein Container-Rechenzentrum enthält alle notwendigen Komponenten wie Server, Speicher, Kühlung, USV oder Brandschutz.
Foto: Rittal

Nachteile von Container-Rechenzentren?

Container-Rechenzentren haben aber auch Nachteile:

• Beengte Verhältnisse: Da beim Standard ISO-Container der Platz wegen der Abmessungen beschränkt ist, kann sich das IT-Personal nur eingeschränkt bewegen. Größere Non ISO-Container bieten im Inneren zwar mehr Platz, sind aber aufwändiger im Transport, da oft Begleitfahrzeuge oder ein Schwertransport benötigt werden.

• Schutz vor Vandalismus und Einbruch: Unternehmen müssen die Außengeräte des Containers (z.B. Kaltwassersatz) vor Vandalismus sowie ihre Server und Daten vor Einbruch schützen. Da die Daten oft auch unternehmenskritisch sind, gelten hier die üblichen Compliance-Regeln. Daher können Unternehmen auch bei einem Container nicht auf Sicherheitspersonal verzichten.

• Enge Bindung an den Anbieter: Die Anbieter schreiben nicht selten die Ausstattung des Container-Rechenzentrums vor; daher ist die Wahl der Hardware manchmal eingeschränkt.

Worauf sollten Unternehmen bei der Wahl des Anbieters achten?

"Sehr wichtig ist eine umfassende Analyse. Das Unternehmen muss seine Wachstumsziele prüfen und wissen, wo es mit seiner IT hin will. Je größer die IT-Infrastruktur werden soll, umso eher ist der Bau eines eigenen Rechenzentrums anzuraten", sagt Bernd Hanstein, Hauptabteilungsleiter Produktmanagement IT bei Rittal. Letztendlich geben laut Hanstein auch die Analyse und Gegenüberstellung der Kosten den Ausschlag für die Entscheidung pro oder contra Container-Rechenzentrum.

Bei der Auswahl des Anbieters sollten Unternehmen neben den Kosten vor allem auf Referenzen achten - Sind die bisherigen Kunden zufrieden? Wie lange ist der Anbieter schon auf diesem Markt tätig? - und auf Datenblätter mit Effizienzwerten achten. Auch TÜV-Zertifikate oder garantierte PUE-Werte für Energieeffizienz sowie Informationen für eine transparente, nachvollziehbare Berechnung des Return on Investment (RoI) können zur Entscheidungsfindung beitragen. (hal)