Technische Agilität

Europa setzt auf Kubernetes

30.05.2017 von Björn Böttcher
Die Open Source-basierte Container-Orchestration-Plattform Kubernetes etabliert sich langsam zu einem Standard im IT-Portfolio - und zwar über Branchen und Unternehmensgrößen hinweg. Das zeigte die CloudNativeCon + KubeCon Europe 2017 deutlich, die Ende März in Berlin stattfand.

Die Cloud Native Computing Foundation (CNCF) ist eine Non-Profit-Organisation (NPO), welche zur Linux Foundation gehört. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung von Cloud-nativen Technologien und Diensten zu standardisieren, indem Sie eine Referenz für einen Technologie-Stack erstellt. Zu den größten Mitgliedern gehören Cisco, IBM, Google, Dell, CoreOS, Fujitsu, Huawei, Intel, Joyent, Mesosphere, Red Hat, Supernap und Samsung SDS. Ende März 2017 veranstaltete sie in Berlin die CloudNativeCon + KubeCon Europe 2017.

Die Cloud-native Landschaft der Cloud Native Computing Foundation (CNCF) listet Werkzeuge und Frameworks für Cloud-basiertes Computing auf.
Foto: Quelle: CNCF Cloud Native Landscape

Container-Orchestration-Engine Kubernetes - Erfolg bislang unterschätzt

So könnte man die Situation bei vielen der Breakout-Sessions, aber auch bei den Keynotes auf der CloudNativeCon + KubeCon Europe 2017 in Berlin beschreiben. Die Räumlichkeiten waren zu klein im Verhältnis zur Nachfrage.

Dies ist auf die enorme Popularität von Kubernetes zurückzuführen. Ebenso jedoch auf ein Interesse an offenen und modernen Cloud-Architekturen. Im Zuge der Digitalisierung sind viele Unternehmen im Zugzwang und müssen mit Agilität und Geschwindigkeit neue Produkte und IT-Lösungen kreieren. Der Druck aus den Chefetagen wird diesbezüglich immer größer.

Diese neuen Anforderungen können klassische IT-Systeme und Entwicklungsmethoden meist nicht mehr erfüllen, wodurch moderne Container-basierte Technologien wie Kubernetes Aufwind bekommen. Mit ihrer Hilfe können die Entwicklung und der Betrieb agiler, auf Microservices aufbauender Anwendungen umgesetzt werden. Die Teilnehmerzahl auf der CloudNativeCon + KubeCon Europe 2017 war im Vergleich zum Vorjahr auf das fünffache angestiegen. 1.500 Teilnehmer drängten sich im Berliner Convention Center durch die Hallen und in die Säle. Vom persönlichen Standpunkt aus betrachtet war es eine der besten Veranstaltungen, die ich in letzter Zeit besuchen durfte. Die Community ist sehr aktiv und kommunikativ.

1.500 Teilnehmer drängten sich auf der CloudNativeCon + KubeCon Europe 2017 im Berliner Convention Center durch die Hallen und in die Säle.
Foto: Crisp Research AG, 2017

Kubernetes hat in den Unternehmen die erste Hürde genommen

In vielen Unternehmen, die aus Deutschland und anderen Ländern Europas vor Ort waren, ist Kubernetes zumindest in den Digital Labs oder in den IT-Abteilungen angekommen, oftmals jedoch auch schon einen Schritt weiter. Dies ist vor allem der geringen Einstiegshürde zu verdanken, die im Vergleich zu einer OpenStack-Installation sehr niedrig ist.

Die Einstiegshürden für die Kubernetes-Nutzung sind niedrig.
Foto: Crisp Research AG, 2016

Im Vorbeigehen konnte man so Unternehmen wie SAP, ATOS, adidas, Metro, Porsche, Zalando, Allianz, Swisscom, T-Systems, Ericsson, Axa, Daimler und sogar den Bayerischen Rundfunk erspähen. Dies zeigt, dass über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg, das Thema Agilität und Geschwindigkeit an vorderster Front stehen. Die Frage, wie Unternehmen die Integration in die bestehende IT-Landschaft hinbekommen und ob Kubernetes im Unternehmenskontext überhaupt valide einsetzbar ist, konnte noch nicht abschließend beantwortet werden. Es gibt aktuell viele Lösungen und Entwicklungen aus der Community, die versuchen Kubernetes in einen klassische Enterprise IT zu integrieren. Dies umfasst Aspekte wie

Die positive Nachricht in diesem Zusammenhang ist, dass es immer einfacher wird, diese Anforderungen zu erfüllen. Die Komplexität des Kernproduktes steigt damit jedoch auch zunehmend an. Hinzu kommt, dass diese Technologie nicht ein Ersatz für alle bestehenden Applikationen ist und ein Lift und Shift, also eine schnelle Migration ohne große Anpassungen auch nicht möglich ist. Also muss die IT auch dieses Mal wieder enttäuschen. Kubernetes ist keine Wundersoftware, die alles wie von selbst erledigt, sondern ein weiterer Baustein im Portfolio. Und genau so sollten Entscheider diese Technologie und deren Einsatz auch bewerten.

Grüne oder rote Pille? Wählen Sie weise

Der Einsatz von Kubernetes für zwei kleine Server ist sicherlich nicht sinnvoll. Auch bestehende Applikationen, wie große Installationen von ERP-Systemen sind nicht der primäre Fokus. Vielmehr sind Microservices das Einsatzgebiet von Kubernetes. Auf die Frage, warum Kubernetes von Google für die Community als Open-Source-Version freigegeben wurde, antwortete Aprana Sinha, Product Managerin bei Google für Kubernetes, damit die Adaption und das Momentum helfen, Unternehmen einen Zugang zu dieser Technologie zu geben. Die ursprüngliche Version (Borg) hätte sich in keine bestehende IT-Landschaft von Unternehmen integrieren lassen können, da diese zu sehr von der Google IT-Landschaft abweichen.

Ob dies der tatsächliche Grund war für die Transformation zu einem Open Source Google, mag jeder für sich beurteilen. Fakt ist, dass auch große Internetkonzerne wie Amazon, Facebook oder Google eine Transformation durchführen müssen, um die aktuellen Positionen im Markt zumindest halten zu können. Sicherlich war die Freigabe nicht die schlechteste Entscheidung und spiegelt auch das klare Bekenntnis hin zu einer Ausrichtung auf Unternehmenskunden wieder.

Ökosysteme und Partnerlandschaft

Die CNCF hat mittlerweile etliche Softwareprojekte in ihre Referenzarchitektur aufgenommen. Vergessen darf man hierbei nicht, dass die meisten noch einen Inkubatorstatus besitzen und noch nicht die Version 1.0 erreicht haben. Dies bedeutet, dass theoretisch auch sehr erfolgreiche Projekte, wie Prometheus, einst bei SoundCloud in Berlin geboren, wieder aus der Referenzarchitektur verschwinden könnten.

Aus Sicht der Projektleiter von CoreDNS, Opentracing, Linkerd, Fluentd, Prometheus und Co. ist die Aufnahme jedoch sehr positiv zu bewerten. Denn auch wenn die Projekte technisch immer interessant waren, so fehlte ihnen bisher zum Teil die Anerkennung und die Sichtbarkeit. Dies hat sich durch die CNCF deutlich geändert. Die Hoffnung bleibt auch, dass sich dadurch auch mehr Entwickler an der Weiterentwicklung beteiligen, da diese Projekte zum Teil auch immer noch in der Freizeit entwickelt und betreut werden.

Die CNCF selbst versucht die Bedeutung im Markt zu festigen und den Projekten entsprechend auf die Beine zu helfen. Rund um das Thema Partnerlandschaft und Ökosystem erblühen viele neue Start-ups und etablierte Unternehmen entwickeln sich weiter. Mit OpenShift und Cloud Foundry haben auch zwei PaaS-Angebote (Platform as a Service) die Migration zu einer Container-basierten Plattform vollzogen. Damit stehen den Entwicklern dann entsprechend mächtige Umgebungen zur Verfügung, die noch einmal mehr abstrahieren. Beide Projekte verfolgen dabei einen heterogenen Ansatz bei der Flexibilität und der Integration in die bestehende IT-Landschaft.

Eine andere Art von Abstraktion bieten Start-ups. Diese versuchen die Integration von Kubernetes selbst in die Unternehmenslandschaft zu vereinfachen. Auch deutsche Unternehmen sind hier an vorderster Front zu finden, wie etwa Giantswarm und Loodse. Auch an den nächsten Level der Abstraktion, dem Serverless Computing für Kubernetes wird bereits gearbeitet und mit dem ersten Release von Plattform 9 dürfte wohl noch dieses Jahr zu rechnen sein.

Skills, Skills, Skills

Bei den vielen Gesprächen stellte sich abermals heraus, dass die Ausbildung und der Kenntnisstand in Unternehmen nicht so ist, wie er sein sollte. In vielen Unternehmen ist zwar der Einstieg und das Verständnis für Technologien wie beispielsweise Kubernetes vorhanden, doch das Know-how für die Entwicklung von Microservice-Architekturen und generell verteilten Systemen könnte besser sein. Ebenso ist die Kontrolle von Applikationen und Deployments noch nicht geregelt.

Zehn Tipps für das perfekte Personalmanagement
Zehn Tipps für das perfekte Personalmanagement
Die Digitalisierung birgt viele Verbesserungspotenziale im Personalmanagement. Professor Dirk Lippold, dessen Lehrtätigkeit auch Personal & Organisation umfasst, nennt zehn Maßnahmen, wie Unternehmen ihr Personalwesen optimieren können.
Suche nach Universalgenies ist Zeitverschwendung
Die Personalsuche wird in sehr vielen Fällen mit einer falschen Voraussetzung begonnen, nämlich der Stellenbeschreibung. Der Grund: Angesichts der wirtschaftlichen Dynamik innovativer Märkte bleibt auf mittlere Sicht kaum eine Stelle unverändert. Viel wichtiger ist also das Anforderungsprofil, das als Sollprofil der gesuchten Qualifikation besonders auch zur bewerbergerechten Segmentierung des Arbeitsmarktes dient. Aber Vorsicht: Recruiter sollten sich trotz hoher Anforderung die Suche nach dem Universalgenie abschminken.
Kein Tunnelblick auf Noten
Noten sind natürlich von Bedeutung. Personaler neigen jedoch dazu, sie als Zulassungskriterium für Vorstellungsgespräche zu stark zu bewerten. Das ist kurzsichtig und wenig hilfreich, um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu finden.
Im Einstellungsgespräch zählt nur noch Persönlichkeit
Im Einstellungsgespräch sollte das Augenmerk vorranig auf die Persönlichkeit des Kandidaten gerichtet werden. Noch wichtiger als Sachkenntnisse sind nämlich jene Skills, die für das Unternehmen erst später sichtbar werden. Dazu zählen Einstellungen, Werte, Motivation, Verhaltensmuster, Sensibilitäten und Loyalität.
Mehr Budget für die Personalauswahl
Unternehmen sollten einen Teil der Budgetgelder von der Personalentwicklung auf die Personalauswahl umschichten.
Onboarding schafft Vertrauen und Bindung
Neuen Mitarbeitern sollten speziell in der Anfangszeit im Zuge des Onboardings ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zuteil werden. Eine wirksame Maßnahme ist, den Neuling am ersten Tag nicht nur an seinen neuen Arbeitsplatz „zu setzen“, sondern ihn im Rahmen eines Einführungsseminars zusammen mit anderen neuen Beschäftigten willkommen zu heißen und über den Betrieb nachhaltig zu informieren. Ein solches Onboarding kann durchaus mehrere Tage umfassen und sollte von der Geschäftsleitung und dem Personalmanagement begleitet werden.
In ein gerechtes Gehaltssystem investieren
Das Gehaltssystem ist der größte Hygienefaktor eines Unternehmens. Wird es von den Mitarbeitern als ungerecht empfunden, hat das Management ein Problem, das ihm mindestens einmal im Jahr auf die Füße fällt.
Das Management braucht digitales Know-how
Digitale Transformation wird ohne die richtige Unternehmensführung nicht funktionieren. Das heißt, dass auch Manager sich weiterbilden müsssen, denn ohne digitales Know-how sind out.
Talentmanagement ist out – Talentpool ist in
In vielen Unternehmen ist das Talentmanagement darauf ausgerichtet, standardisierte Führungsklone als künftige Vorgesetzte zu produzieren. Im Hinblick auf die digitale Transformation ist es aber ratsam, Führungskräfte hinsichtlich der Eignung für den virtuellen Kontext auszuwählen beziehungsweise entsprechende Personalentwicklungsangebote (Beziehungstraining) anzubieten.
Weibliche Führungsnachwuchskräfte aufbauen
Die High Potentials unter den weiblichen Arbeitnehmern werden immer wichtiger für alle Unternehmen. Um Frauen an den Betrieb zu binden und besser zu integrieren, ist neben einer familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitszeiten gezielt auf die Förderung der Karriere von weiblichen Arbeitnehmern zu achten.
Entlassungsgespräche nicht ans Personalmanagement delegieren
Viele Vorgesetzte sind der Meinung, Entlassungen seien Aufgabe der Personalabteilung. Doch das ist ein Irrtum! Die Führungskraft – und niemand sonst – muss hier Flagge zeigen und Verantwortung übernehmen.

Dabei steigt bei mehreren Projekten zunehmend die Komplexität, was dann auch zu einem menschlichen Problem wird. Dies bestätigte auch Oliver Gould, CTO von Buoyant und Projektleiter von linkerd. Die Komplexität von Applikationen und Teams darf nicht unterschätzt werden. Er spricht hier aus Erfahrung, denn er war einst bei Twitter tätig.

Für den Skill-Gap wurde auf der Veranstaltung beispielsweise von Cloud Foundry ein neues Zertifizierungsprogramm angeboten, welches neben den plattformspezifischen Kenntnissen auch als einen Punkt die Entwicklung von Cloud-native Applikationen beinhaltet. Das Bild zeigt unter anderem das unterschiedlich starke Interesse an den Produkten, jedoch auch den klaren Bedarf an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Unterschiedlich starke Nachfrage bei den Aufklebern für die Namensschilder - Jobofferten und Prometheus sind weitgehend vergriffen.
Foto: Crisp Research AG, 2017

Das Schwert des Damokles schwebt über Kubernetes

Die Frage ist, ob Kubernetes das Momentum beibehalten kann, welches aktuell herrscht. Nüchtern betrachtet ist es nur ein weiterer Baustein in der Unternehmenslandschaft. Start-ups und neue Projekte können hier sicherlich profitieren, jedoch ist immer der Anwendungsfall zu bedenken.

Auch andere spannende Technologien, wie das Serverless Computing beispielsweise, sind für bestimmte Einsatzbereiche sinnvoll. Die Frage, ob nicht weitere Silos mit neuen Technolige-Stacks geschaffen werden, konnte auf einer Paneldiskussion mit Beteiligung von Allianz, BlaBla Car, Swisscom und T-Systems nicht verneint werden.

Selbst einem jungen Unternehmen wie BlaBla Car fällt es zunehmend schwer, alles auf einen aktuellen Stand und auf einem Architektur-Stack zu halten. In der Unternehmenswelt werden sich also mehrere Technologie-Stacks etablieren. Die Zusammenarbeit von unterschiedlichen Communities ist hierbei wichtig und bereits letztes Jahr zeigte sich die OpenStack-Gemeinde dafür nicht nur offen, sondern war bereits aktiv.

Eine weitere Hürde für Kubernetes ist die Kontrolle über das Produkt. Zwar gibt es etliche Special Interest Groups (SIG), die über unterschiedliche neue Feature diskutieren und entscheiden. Deren Möglichkeit, das Kernprodukt auch schlank und clean zu halten, hatte man jedoch noch nicht realisiert. Mit neuen Features im Kernprodukt sterben jedoch Start-ups und die Komplexität erhöht sich. Dies könnte in Zukunft bedeuten, dass Kubernetes von einem größeren Projekt assimiliert wird, beispielsweise OpenStack. Dieses Jahr wird sich also herausstellen müssen, wie es mit dem Zugpferd der Cloud Native Computing Foundation weitergeht.

Backstage with Kubernetes - Chen Goldberg, Director of Engineering, Container Engine & Kubernetes, Google
Foto: Crisp Research AG, 2017

Komplexität, Kontrolle, Entscheidungen

Die Cloud Native Computing Foundation bietet eine Reihe von Softwareprojekten, die dabei helfen können, einen modernen Stack für Applikationen im eigenen Rechenzentrum oder in der Cloud zu erzeugen. Neben Kubernetes gibt es auch andere Technologien, wie beispielsweise Mesosphere, die ähnliche Möglichkeiten bieten. Der Einsatz von Kubernetes sollte einem klaren Ziel folgen. Dies mag banal klingen wird jedoch in Zeiten, in denen technische Möglichkeiten immer verlockender werden, immer wieder gerne vergessen.

Fakt ist auch, dass Kubernetes nicht die komplette IT ablösen wird. Dies war und ist auch nicht das Ziel. Viele neue Microservice-basierte Applikationen werden auf diesem Technologie-Stack in vielen Unternehmen in Deutschland ein Zuhause finden. Einige bestehende Systeme, die mit den neuen interagieren müssen, werden neu geschrieben werden müssen und dann vermutlich auch auf den neuen Stacks lauffähig sein. Und einige Systeme werden nie die Welt von Kubernetes betreten. Entscheider sollten also eine Bestandsaufnahme der aktuellen IT-Landschaft machen und prüfen, in welchen Bereichen ein Einzug von CNCF-Technolgie-Stacks eine sinnvolle Ergänzung ist. (haf)