Stärken und Schwächen des T-Mobile G1

Erste Praxiseindrücke vom Google-Handy

17.10.2008 von Manfred Bremmer
Nette Software, schwache Hardware - so lautet der Tenor verschiedener Journalisten, die das erste Smartphone auf Google-Android-Plattform schon vor dem Marktstart testeten.

Wie bei sämtlichen Smartphones, die frisch auf den Markt kommen, zogen Walter Mossberg ("Wall Street Journal") und seine Kollegen von "IDG", "Engadget" und anderen Publikationen bei den Tests des T-Mobile G1 das Apple iPhone als Benchmark heran. Damit lagen die Anforderungen relativ niedrig - zumindest im Vergleich zu State-of-the-Art-Geräten von Nokia & Co. Dennoch konnte das Google-Handy nicht in allen Bereichen punkten - wenig überraschend für ein Gerät, dessen Planung angeblich schon vor zwei Jahren begonnen hat.

Erste Minuspunkte sammelte das exklusiv von T-Mobile vermarktete Smartphone bereits beim Gesamteindruck. Was das Design anbelangt, urteilte Joshua Topolsky von "Engadet" etwa, das Gerät offenbare einen charmanten Retro-Future-Look und wirke wie ein Gadget in einem Science-Fiction-Film aus den 70ern, der im Jahr 2038 spielt. Walt Mossberg weist darauf hin, dass das G1 zwar schmaler als das iPhone sei. Gleichzeitig wäre es jedoch fast zwanzig Prozent schwerer und nahezu 30 Prozent dicker.

PC World hat das Google-Phone schon vor dem offiziellen Marktstart getestet.
Foto: Google

Wie das iPhone oder das neue Blackberry Storm ist auch das Android-Gerät mit einem kapazitiven Touchscreen ausgestattet. Dieser weist mit 320 x 480 Pixeln - bei geringerer Größe - die gleiche Auflösung wie das iPhone-Display auf. Was die Qualität anbelangt, scheiden sich die Geister: Während "Engadget" die Bildschärfe und die klaren Farben in höchsten Tönen lobt, beklagt Nancy Gohring vom "IDG News Service" die etwas pixelige Darstellung. Zur Navigation mit den Fingern gab es keine Beanstandung, lediglich "WSJ"-Cheftester Mossberg vermisste die vom iPhone gewohnte Multitouch-Steuerung. Als Neuerung hat Google den langen Fingerdruck zum Öffnen von Untermenüs eingeführt.

Höhen und Tiefen der Tastatur

Anders als das Apple iPhone befinden sich beim "Google-Fone" unter dem großen Display ein Trackball sowie fünf Tasten (Menü, Gespräch annehmen, Auflegen, Startbildschirm, Weiterblättern). Ein On-Screen-Keyboard wie beim iPhone fehlt komplett, dafür besitzt das Gerät als Slider eine aufschiebbare Tastatur. Deren Tasten liegen weit auseinander, sind jedoch laut Testurteil zu flach und bei grellem Licht schwer zu unterscheiden. Zudem bewirke die Ausbuchtung auf der rechten Seite, dass man die Finger beim Schreiben stark abwinkeln muss. Die Tester bei "Engadget" räumen jedoch ein, dass man nach ein wenig Übung darauf flüssig tippen könne. Mossberg befand immerhin, dass die physische Tastatur des G1 ein Lichtblick für Nutzer sei, die es hassten, auf einem Glasdisplay zu tippen.

Wenig Positives konnten die Tester der eingebauten 3,2-Megapixel-Kamera abgewinnen. Diese ist zwar formell der Zwei-Megapixel-Kamera des iPhone überlegen. Gohring vom "IDG News Service" berichtet jedoch, dass die Bilder selbst bei hellem Tageslicht unterbelichtet seien. Fotos in Gebäuden oder während der Dämmerung zu schießen, sei eine Illusion. Eine Möglichkeit, die Einstellungen zu verändern habe sie nicht gefunden.

Vermisst wurde auch eine Funktion zur Aufnahme von Videos. Diese fehlt auch dem iPhone, wäre aber dank der guten YouTube-Einbindung sicherlich eine Option für das Google-Handy gewesen.

In anderen Hardware-Disziplinen punktete das T-Mobile G1 im Vergleich zum iPhone: So war die gemessene Batterielaufzeit etwas länger, gleichzeitig besteht die Möglichkeit, den Akku auszutauschen. In Sachen Speicherplatz ist das Android-Handy mit 1 GB interner Speicher scheinbar unterlegen - ein Slot für zusätzliche Speicherkarten lässt den verfügbaren Platz jedoch auf das Vielfache des iPhones anwachsen. WSJ-Tester Mossberg berichtet interessanterweise, dass der interne Speicher für Drittanwendungen auf 128 MB begrenzt sein soll - sollte dies zutreffen, wäre die Usability deutlich einschränkt. Generell sind sich die Tester jedoch einig, dass das Besondere am T-Mobile G1 die Software sei. Wenn Windows Mobile darauf laufen würde, wäre das Gerät nur eine Fußnote in der Geschichte von HTC, so das vernichtende Urteil der Engadget-Redakteure Joshua Topolsky und Chris Ziegler.

Die besten Android-Anwendungen

... <b>Cab4me</b>, ein Location-based-Service unter Mitwirkung von Google Maps. Damit haben sich die deutschen Entwickler Konrad Hübner und Henning Böger (Skycoders) unter den zehn Hauptgewinnern platziert. Die Anwendung soll es ermöglichen, sich mobil von jedem beliebigen Ort aus ein Taxi zu bestellen - ohne die Nummer der Taxizentrale oder gar seine aktuelle Adresse zu kennen. Für Anwender, die lieber ...

... einkaufen gehen, ist eventuell <b>CompareEverywhere</b> von Jeffrey Sharkey interessant. Mit der Android-Anwendung lassen sich Preise vergleichen und Beurteilungen lesen. Dazu muss man lediglich den Barcode eines Produkts mit der Handy-Kamera aufnehmen. Die Anwendung zeigt anschließend nahe gelegene Läden an, die das gesuchte Produkt führen. Wer umweltbewusst ist ...

... installiert <b>Ecorio</b> auf seinem Android-Handy. Die von einer Gruppe Kanadiern ins Leben gerufene Applikation berechnet automatisch den durch Mobilität verursachten ökologischen Fußabdruck und schlägt umweltfreundliche Reisealternativen wie Bahnfahrten oder Mitfahrgelegenheiten vor. Sozial netzwerken ...

... lässt sich hingegen mit <b>Life360</b>. Bei der Anwendung des gleichnamigen Startups handelt es sich um ein Informationssystem, das alle nachbarschaftlichen Belange des täglichen Lebens abdecken will. Unter anderem lassen sich mit Life360 auf dem Android-Handy die Stati aller Familienmitglieder online verfolgen. Nicht auf dem iPhone, ...

... sondern auf Android-Handys läuft auch <b>PicSay</b>, obwohl Eric Wijngaard die Applikation ursprünglich für das iPhone entwickelte. Der mobile Bilder-Editor erlaubt es, mit der Handy-Kamera frisch geknipste Aufnahmen zu verfremden und sie via E-Mail, Blog oder Web-2.0-Seiten auch Freunden zugänglich zu machen. Für Zerstreuung sorgt auch ...

... <b>Softrace</b>. Mit Hilfe der Android-Anwendung können Menschen auf der ganzen Welt in verschiedenen Disziplinen gegeneinander antreten. Dank GPS-Positionierung und Internet-Anbindung, so die Idee der Softrace-Schöpfer Staffan und Thomas Kjellberg, wird der morgendliche Fahrrad-Tour zur Arbeit oder das nachmittägliche Joggen zum spannenden Wettrennen - mit internationaler Bestenliste, versteht sich. Unter den besten zehn Anwendungen ...

... befindet sich auch <b>Wertago</b>. Die Applikation liefert auf dem Android-Handy aktuelle Informationen, um mit Freunden und Bekannten mehr oder weniger spontan das Abendprogramm zu planen - wie erwartet mit freundlicher Unterstützung von Location based Services und Google Maps. Zu den weiteren Gewinnern der Android Developer Challenge zählen auch ...

<b>Cooking Capsules</b>, ein Web-2.0-Kochbuch für das Google-Smartphone, und ...

... die private mobile Mitfahrzentrale <b>Piggyback</b>.

Aus Sicht von Nancy Gohring vom "IDG News Service" ist die Hardware im Großen und Ganzen nicht schlechter als bei den meisten Smartphones. Das installierte Android wiederum sei herausragend genug, um bei vielen Nutzern Punkte gegenüber der Konkurrenz gutmachen zu können.

Ohne Googlemail-Account geht gar nichts

Positiv hebt Gohring bei der Plattform unter anderem hervor, dass sich der Startbildschirm fast beliebig anpassen lasse: Man kann ihn wie beim iPhone horizontal nach links oder rechts verschieben und Widgets nach eigenen Vorstellung platzieren. Wenig überraschend ist die enge Verbundenheit mit Google-Anwendungen wie Google Maps, Google Calendar etc. Deutlich überzogen ist jedoch, dass zur ersten Inbetriebnahme ein Googlemail-Account erforderlich ist - wer keinen hat, muss zum nächsten Rechner und sich registrieren!

Ist der Account einmal erstellt, werden automatisch die Kontakte in das Telefonbuch importiert. Dabei wird sogar angezeigt, wer auch bei GoogleTalk angemeldet ist. Auch eine Art "E-Mail-Push" wird unterstützt - wie die Tester von "Engadget" feststellten, kommen Mitteilungen mitunter sogar schneller an als auf dem Web-Client. Mit Anhängen in PDF- oder Office-Formaten kann Android indes selbst nichts anfangen - es überlässt die Umwandlung (in HTML-Format) dem Google-Server. Auch ein lokaler Download ist nicht möglich, die Dokumente bleiben in der Googlemail-Box. Hier böten sich enorme Verbesserungsmöglichkeiten, so der Befund der Tester von "Engadget" - genauso wie bei der Synchronisation: So ist kein direkter Datenabgleich mit einem PC oder Mac vorgesehen, Outlook, Exchange oder iCal scheinen nicht zu existieren und auch ein Backup-Feature zur Ablage von Musik, Anwendungen, Videos, Fotos auf einem Rechner oder online fehlt komplett.

Schlecht bestellt ist es auch um Anwender, die bevorzugt einen Mail-Account bei Microsoft oder einem anderen Webmail-Dienst nutzen. Für sie hält die Android-Plattform zwar ein von Googlemail unabhängiges, zweites E-Mail-System vor, das POP3 und IMAP unterstützt. Die Anwendung ist jedoch optisch komplett anders dargestellt und unterstützt bei weitem nicht alle Funktionen - wer etwa Anhänge einsehen will, muss Mails an seinen Googlemail-Account weiterleiten. Schwacher Trost: Offener gibt sich Android bei seiner Instant-Messaging-Anwendung. Diese unterstützt neben GoogleTalk auch AIM, Windows Live Messenger und Yahoo! Messenger.

Google Chrome glänzt im mobilen Einsatz

Was den Browser anbelangt, kann sich das GFone in punkto Rendering von Websites laut Testurteil durchaus mit dem iPhone messen - kein Wunder, beide Browser benutzen die gleiche Engine. Zwar fehlt Multitouch, Google hat laut "Engadget" jedoch eine adäquate Funktion für das Aufzoomen mit einem Finger gefunden. Daneben bewähre sich auf dem mobilen Gerät das von Chrome bekannte Feature, wahlweise URL oder Suchbegriff in die Befehlszeile einzugeben.

In der Disziplin Multimedia-Eigenschaften geht der Punkt dagegen klar an Apple. Der Musik-Player sei okay, aber dem von iPhone oder iPod klar unterlegen, urteilt Walt Mossberg. Ein Video-Player sei von vornherein nicht als Standard verfügbar, eine rudimentäre Version befände sich jedoch im - derzeit noch spärlich gefüllten - Android Market. Auch ein iTunes-ähnliches Konzept sucht man auf dem T-Mobile G1 vergeblich, das Gerät verfügt jedoch über ein Programm, um Songs im MP3 Store von Amazon zu kaufen.

Fazit: Guter, erster Versuch

Trotz aller bislang aufgedeckten Unzulänglichkeiten sehen die Tester in dem G1 einen guten ersten Versuch. Verglichen mit Plattformen wie dem iPhone oder Windows-Mobile-Geräten müsse das Android-Smartphone zwar noch eine Menge Boden gut machen, um die Konkurrenz zum Schwitzen zu bringen, so das Engadget-Fazit. Für begeisterte Anhänger des Konzepts sei das G1 jedoch ein durchaus nutzbares Alltagsgerät - mit der Option auf weitere großartige Entwicklungen.