Die IT in deutschen Unternehmen gewinnt im Zuge der Digitalisierung an Bedeutung. Zugleich aber steigen die Erwartungen an die interne IT-Organisation, Services schneller, flexibler und bedarfsgerechter auszuliefern. Das zeigen die Ergebnisse der Anwenderstudie IT-Kompass, die die COMPUTERWOCHE zum siebten Mal gemeinsam mit dem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IDC organisierte. Befragt wurden Business- und IT-Entscheider aus 364 deutschen Unternehmen (siehe Steckbrief).
(Lesen Sie auch IT-Kompass 2016 Teil 2: "Zwischen Kostendruck und Innovation -die wichtigsten IT-Themen")
Die wachsende Bedeutung der digitalen Transformation wird an mehreren Stellen der Befragung deutlich. So berichtet in 76 Prozent der Unternehmen der verantwortliche IT-Leiter direkt an die Geschäftsführung, ein Zuwachs von acht Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. 29 Prozent der Befragten geben an, die IT sei ein Kernbestandteil der Unternehmensstrategie, das sind 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Weitere 21 Prozent berichten, dass die IT-Abteilung in der Geschäftsführung vertreten sei und die Strategie aktiv mitgestalte.
Lynn Thorenz, Director Research & Consulting bei IDC, wertet dies positiv: "Die digitale Transformation der Unternehmen wird in den nächsten zwei Jahren auf der CEO-Agenda nach ganz oben rücken." Informationstechnologie nehme dabei eine Schlüsselrolle ein. "Dass die IT also eine höhere Bedeutung im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung erhält, ist ein zwingend notwendiger Schritt", so die Analystin. Abzuwarten bleibe allerdings, was die Unternehmen tatsächlich daraus machten.
Die digitale Transformation ist kein Technologietrend
Nach Lesart von IDC ist die digitale Transformation kein Technologietrend, sondern betrifft im Kern jede Unternehmensstrategie in allen Branchen und Märkten. Die Marktforscher wollen darunter eine Herangehensweise verstanden wissen, "mit der Unternehmen durch den Einsatz digitaler Technologien und Kompetenzen Veränderungen in ihren Geschäftsmodellen und ihren betrieblichen Ökosystemen vorantreiben."
Doch nicht jedes Unternehmen hat die Dringlichkeit dieser Aufgabe erkannt. 60 Prozent der befragten Entscheider messen dem Thema aktuell keine oder wenig Bedeutung zu. "Viele Unternehmen stehen noch am Anfang und müssen die Komplexität der digitalen Veränderung erst einmal begreifen, um die Chancen und Herausforderungen zu erkennen und zu meistern", urteilt Thorenz. Ein anderes Bild ergibt sich beim Ausblick auf die nächsten zwölf bis 24 Monate.
Drei Viertel der Befragten schätzen die Bedeutung der digitalen Transformation für diesen Zeitraum als sehr hoch oder hoch ein, nur sechs Prozent sehen darin auch in Zukunft keine Bedeutung. Nach IDC-Prognosen werden bis Ende 2016 zwei Drittel der CEOs der 500 größten europäischen Unternehmen die digitale Transformation ins Zentrum ihrer Unternehmensstrategie rücken.
Die wichtigsten Studienergebnisse im Überblick sehen Sie in unserer Bilderstrecke:
Erste Priorität: Geschäftsprozesse optimieren
Gegenwärtig sehen die Befragten aber noch andere Herausforderungen. Als erstes nennen sie die Geschäftsprozesse, die optimiert werden müssten, auf Platz zwei folgt die zu steigernde Kundenzufriedenheit. Der wachsenden Wettbewerbsdruck wird als dritte große Herausforderung genannt, erst danach folgt die digitale Transformation, gleichauf mit dem Dauerbrenner Fachkräftemangel. Je nach Branche ergibt sich ein unterschiedliches Bild: Für Banken und Versicherungen etwa, aber auch für die Immobilien- und die Medienbranche sowie die öffentliche Verwaltung zählt die digitale Transformation bereits zu den drei wichtigsten Herausforderungen.
Geschäftsprozessoptimierung steht auch bei der Frage nach den Anforderungen an die IT ganz oben auf der Liste. "Die Erwartungen an die IT-Abteilung, hier zu liefern, ist nach wie vor hoch", beobachtet IDC-Consultant Mark Alexander Schulte. Hinter der Verbesserung der Geschäftsprozesse mittels moderner IT-Lösungen stecke ein immenses Potenzial, dessen Ausschöpfung gerade erst beginne. Die IT müsse dafür allerdings noch näher an das Kerngeschäft rücken und einen größeren Beitrag zum Geschäftserfolg leisten.
Um die Erwartungen der Fachbereiche zu erfüllen, ist aus Sicht von Schulte ein neues Selbstverständnis des CIOs erforderlich. Die IT dürfe sich nicht länger als Kostenstelle sehen und sei aufgefordert, sich zum Partner und Enabler des Business zu entwickeln. Diese Erkenntnis sei zwar nicht neu. Doch je länger diese Anforderungen nicht umgesetzt würden, desto eher würden sich Unternehmensleitung und Fachbereiche IT-Unterstützung von externen Beratern und Service-Providern holen. Schulte: "Die interne IT muss sich an den Leistungen und Preisen externer Anbieter messen lassen und die eigene Rolle rechtfertigen."
Innovationen spielen im Rahmen der digitalen Transformation eine zentrale Rolle. Wie die Studie zeigt, ist das in den Unternehmen verstanden worden. So nennen acht von zehn IT-Verantwortlichen den CIO als Impulsgeber für technologische Veränderungen. Knapp 40 Prozent der IT-Entscheider sehen auch die Geschäftsführung als treibende Kraft. "In diesen Firmen werden IT-Innovationen als Chance für die Weiterentwicklung des Geschäfts angesehen", kommentiert Schulte. Einzelne Fachbereiche kristallisierten sich dabei nicht als Innovationstreiber heraus.
Digitalisierung: Viele Unternehmen stehen noch am Anfang
Dass der Weg zum digitalen Unternehmen lang und steinig ist, zeigt sich an anderen Ergebnissen der Studie. Gefragt nach dem aktuellen Status der digitalen Transformation, gab ein Fünftel der Unternehmen an, entweder abzuwarten oder das Thema als nicht relevant anzusehen. Knapp ein Viertel plant immerhin einzelne Maßnahmen, 44 Prozent haben sie bereits umgesetzt.
Wie weit sind deutsche Unternehmen ganz konkret in Sachen Digitalisierung? Der IT-Kompass 2016 unterscheidet hier zwischen internen und externen Maßnahmen. Intern haben die Interviewten bereits einiges in Angriff genommen, beispielsweise in den Bereichen Dokumentenmanagement, mobiler Zugriff auf Daten und Applikationen oder automatisierte Backend-Prozesse wie elektronische Rechnungsstellung oder Auftragsbearbeitung. Die Potenziale sind hier aber längst noch nicht ausgeschöpft. "Speziell im Kontext von Big Data sind viele Unternehmen noch weit entfernt von einer ganzheitlichen Anwendung", kommentiert Thorenz. Erheblichen Nachholbedarf gibt es auch bei vielen externen Maßnahmen. Dazu gehören etwa Social-Media-Marketing, Online-Kundenplattformen oder die Digitalisierung von kundenzentrischen Prozessen.
Digitalisierungshürden: keine Zeit, keine Mitarbeiter
Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalen Transformation sind vielschichtig. Besonders gravierend erscheinen aber zwei Aspekte: Fast 60 Prozent der Befragten nennen Zeitmangel als ein Kernproblem, für mehr als die Hälfte sind fehlende Mitarbeiter ein entscheidendes Hemmnis. Befragte aus der IT nennen diese Punkte besonders häufig. Analystin Thorenz vermutet dahinter die Unfähigkeit vieler IT-Bereiche, sich grundsätzlich neu aufzustellen: "Es stellt sich die Frage, ob die deutschen Unternehmen womöglich ihre Prioritäten falsch setzen und dadurch den Einstieg in eine zentrale, globale Entwicklung verpassen."
Fachabteilung versus IT - ein Dauerbrenner
Eine Erklärung für die Probleme mit der Digitalisierung könnte im nach wie vor schwierigen Verhältnis von IT- und Fachabteilungen liegen. Zwar stellen die Fachbereichsverantwortlichen ihren IT-Kollegen unterm Strich ein gutes Zeugnis für das vergangene Jahr aus. 86 Prozent der Anwender sind mit den Leistungen zufrieden - ein Plus von 5 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Der Anteil der Fachbereichsentscheider, die die IT-Leistungen mit "sehr zufrieden" bewerten, ist sogar um 13 Prozentpunkte gestiegen.
Andererseits aber zeigt die wahrgenommene Rolle der IT-Abteilung, dass hier noch viel Luft nach oben besteht. Jeder dritte Manager aus den Fachabteilungen degradiert die IT-Abteilung noch immer zum Betreiber der IT-Infrastruktur und sieht sie damit als reine Kostenstelle. "Doch die Rolle der IT wird sich in den kommenden Jahren wandeln", erwartet IDC-Experte Schulte: "Keeping the lights on wird in den wenigsten Fällen noch das Motto der IT-Abteilung sein. Vielmehr wird sie in jedem vierten Unternehmen zum Business Enabler, sagen Fachbereiche und die IT unisono."
Bei der Frage nach den Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen Fach- und IT-Abteilung zeigt sich, wo die Probleme liegen. Die Fachbereiche beklagen vor allem ein mangelndes Verständnis ihrer Anforderungen durch die IT-Kollegen. Zudem bräuchten diese zu lange, um neue Anforderungen zu erfüllen. Die IT-Entscheider geben sich an diesem Punkt durchaus selbstkritisch. "Wenn es aber um die Gründe geht, verstricken sich IT- und Fachbereichsverantwortliche in gegenseitigen Schuldzuweisungen", interpretiert Schulte die Ergebnisse. Einigkeit besteht immerhin darüber, wie sich die Zusammenarbeit verbessern lässt. Die wichtigsten Maßnahmen sind aus Sicht der Befragten ein frühzeitiges Einbeziehen aller Beteiligten, eine offene Kommunikation sowie der Aufbau von fachabteilungsspezifischem Know-how.
Schatten-IT fordert den CIO heraus
Ein anderer wichtiger Aspekt in diesem Kontext sind die wachsenden dezentralen IT-Budgets, die zum Teil ohne Wissen der IT-Organisation entstehen. So berichtet jeder zweite Fachbereichsentscheider von einem eigenen IT-Budgetrahmen, ein Zuwachs von sechs Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. "Diese Entwicklung stellt den CIO vor Herausforderungen", kommentiert Schulte. "Denn wenn die IT den Anforderungen der Fachabteilungen nicht gerecht wird, werden diese selbst aktiv - mitunter ohne Einbindung der IT-Kollegen." Damit sei eine Zunahme der Schatten-IT zu befürchten, was beispielsweise zu Problemen hinsichtlich der IT-Sicherheit und Compliance führen werde.
Wenig überraschend nennen die Befragten als häufigsten Grund für die Schatten-IT, dass die Unternehmens-IT zu langsam und zu unflexibel arbeite. IT-Leistungen hinter dem Rücken der IT-Abteilung zu nutzen, bringe den Fachbereichen aber nur kurzfristig Verbesserungen, warnt Schulte. "Denn um Geschäftsprozesse zu automatisieren und zu optimieren, müssen Datenquellen und IT-Systeme verknüpft werden." Eine derartige Integration berücksichtigten die Fachbereichs-Manager bei der Entscheidung für entsprechende Tools jedoch nur selten. Es sei daher auch im Interesse der Fachabteilungen, eine Silostruktur zu vermeiden. Der Einfluss von Fachabteilungen auf IT-Projekte wird jedenfalls in den kommenden zwölf bis 24 Monaten noch zunehmen, darin sind sich IT- und Fachbereichsverantwortliche einig. Damit dürften auch die dezentralen IT-Budgets weiter zulegen.
Studiensteckbrief IT-Kompass 2016
Für den IT-Kompass 2016 befragten IDC und die Computerwoche im November und Dezember 2015 IT- und Business-Entscheider aus 364 deutschen Unternehmen. Der Anteil der Business-Entscheider lag bei 41 Prozent.
Um zu einem unverzerrten Bild zu kommen, wurde die IT-Branche aus der Auswertung genommen. Ansonsten deckt die Stichprobe im Wesentlichen alle Branchen der deutschen Wirtschaft ab.
Der Bereich Industrie / verarbeitendes Gewerbe ist mit 25 Prozent der befragten Unternehmen am stärksten vertreten. Mit 10 Prozent folgt die die öffentliche Verwaltung inklusive Sozialversicherung und Dienstleistungen für Unternehmen. Die Banken- und Versicherungsbranche ist mit 9 Prozent der drittgrößte Industriezweig. Alle übrigen Branchen bewegen sich zwischen 2 und 7 Prozent. 18 Prozent der befragten Unternehmen haben sich "sonstigen" Branchen zugeordnet.
Den kompletten Berichtsband zur Studie mit allen Daten, Grafiken und Analysen können Sie über den Online-Shop der Computerwoche beziehen. (wh)