Der Markt für Systemhäuser

Die Stimmung wird frostiger

24.09.2008 von Ronald Wiltscheck
Im Vorjahr zeigten sich Systemhäuser äußerst optimistisch, was ihr künftiges Geschäft anging. Mittlerweile weist diese Zuversicht einige kleine Einschränkungen auf.

In diesem Jahr hat "ChannelPartner" - eine Schwesterpublikation der COMPUTERWOCHE - die 75 größten Systemhäuser Deutschlands zu den Megatrends im Markt befragt. Weit vorn lag dabei das Thema Virtualisierung, mit dem einzigen Unterschied, dass diese Technologie nun gefragt ist wie noch nie. Stand diese Technik 2007 noch auf der Agenda von 56,3 Prozent der großen Systemhäuser, sind in diesem Jahr sage und schreibe 87 Prozent der von ChannelPartner befragten Corporate Reseller von ihr begeistert.

Megatrends 2008

Ein weiteres wichtiges Thema für die Systemhäuser hierzulande sind die Managed Services, 61,1 Prozent der Auskunftgeber wollen sich damit in nächster Zukunft beschäftigen. Im Vorjahr stand dieser Aspekt noch gar nicht im Fokus der Systemhäuser, sie umschrieben das Ganze nur mit dem etwas ungenauen Begriff "Hosting" (37,5 Prozent).

Top 10 Systemhäuser im indirekten Vertrieb in Deutschland 2007

Unternehmen

Umsatz 2007 (In Millionen Euro)

Computacenter

1.090,0

Bechtle (*)

902,0

TDMi Gruppe, Köln (*)

527,0

PC-Ware Information Technologies (*)

335,6

Cancom IT Systeme

264,3

Fritz & Macziol Software und Computervertrieb

170,0

Profi Engineering Systems

146,0

Dimension Data

120,0

Comline Computer und Softwarelösungen

100,0

Sysdat

97,0

(*) Die Zahlen sind nach dem International Financial Reporting Standard (IFRS) bilanziert alle anderen nach dem deutschen HGB-Recht. Das Geschäftsjahr weicht zum Teil vom Kalenderjahr ab. Quelle: Eigenangaben.

Der drittwichtigste Megatrend blieb Storage. Mit diesem Thema haben sich im Vorjahr 31,3 Prozent der größten deutschen Systemhäuser beschäftigt, 2008 tut dies bereits die Hälfte der Corporate Reseller. Angesichts der immens steigenden Datenmenge in den Unternehmen ist das nicht weiter überraschend. 37 Prozent der Systemhäuser hierzulande beschäftigen sich mit dem Thema Security, voriges Jahr tat dies nur jedes achte. Auch dies ist nicht weiter verwunderlich, nehmen doch die Gefahren und Bedrohungen stetig zu. Gleichzeitig steigen die Anforderungen des Gesetzgebers an die Datenintegrität in den Unternehmen.

Green IT

Computacenter (hier die Zentrale in Kerpen) ist auch in diesem Jahr das umsatzstärkste Systemhaus in Deutschland.

Zum ersten Mal überhaupt gerät Green IT in den Fokus der Corporate Reseller. Fast ein Drittel von ihnen benennt explizit diesen Trend. Langsam wandelt sich dieser Aspekt auch zum Verkaufsargument, man kann mit geringerem Stromverbrauch bei Kunden schon punkten. Angesichts der steigenden Energiekosten erfreuen sich derzeit Server- und Storage-Konsolidierungsprojekte höchsten Zuspruchs. Wenn man dem Kunden glaubhaft versichern kann, dass er mit weniger Hardware seine IT-Infrastruktur weiter am Laufen halten kann, dabei weniger Strom benötigt, eventuell sogar sein Rechenzentrum verkleinern kann und dafür weniger Abwärme erzeugt, wer könnte da widerstehen? Rentabilitätszeiten von deutlich unter einem Jahr sind bei derartigen Green-IT-Projekten Usus.

Eine andere, gleich bleibend wichtige Herausforderung für Systemhäuser stellt die gesamte Mobilitätsthematik dar (27,8 Prozent). Immer mehr Mitarbeiter bei Kunden arbeiten mit Notebooks und Smartphones, für sie sind sichere Systeme überlebensnotwendig. Aufgabe der Corporate Reseller ist es dabei, für ein konsistentes IT-Security-Konzept zu sorgen. Und natürlich ist es dabei unabdingbar, die auf den mobilen Datenträgern gespeicherten Informationen zentral zu sichern.

Auftritt SaaS

Outsourcing von IT-Aufgaben ist für knapp ein Drittel der hiesigen Systemhäuser von Belang, hier gibt es im Vergleich zum Vorjahr keine großen Änderungen zu verzeichnen. Dafür taucht der Begriff "Software as a Service" (SaaS) zum ersten Mal auf (13 Prozent). Ausschlaggebend dafür dürfte vor allem das Vorpreschen von Microsoft auf diesem Gebiet sein. Zwar bezeichnen die Redmonder dieses On-Demand-Konzept als "Software und Services" - mit explizitem Bezug auf Mehrwertdienste der Vertriebspartner -, aber woraus diese Dienste genau bestehen sollen, bleibt bisher unklar. So könnten zwar die Systemhäuser einerseits selbst die Software hosten, andererseits wollen alle großen Hersteller dies ebenfalls tun, da bliebe dann für die Systemhäuser nur noch eine magere Tipp-Provision übrig.

Ein anderer wichtiger Trend, der sich langsam abzeichnet, ist Unified Communications. Jedes fünfte große Systemhaus in Deutschland setzt sich bereits heute damit auseinander. An Lösungsvorschlägen, was man alles an der Schnittstelle zwischen der klassischen Telekommunikation und der IT-Infrastrukur tun könnte, mangelt es nicht. Soft- und Hardwarehersteller überschlagen sich mit futuristisch angehauchten Konzeptentwürfen. Doch was ist gerade jetzt realisierbar? In einer von ChannelPartner zu diesem Thema initiierten Diskussionsrunde von Herstellern und Systemhäusern ist die Erkenntnis gereift, dass Kunden die sanfte Migration von der herkömmlichen TK-Anlage hin zur rein IP-basierten Kommunikation bevorzugen. Auch hier sind Systemhäuser gefordert, machbare Szenarien zu entwickeln.

Sorgen und Nöte der Systemhäuser

Auch in diesem Jahr haben wir die führenden Systemhäuser in Deutschland nach ihren dringendsten Sorgen und Nöten befragt. In einem Punkt hat sich dabei die Lage im Vergleich zum Vorjahr dramatisch verschärft: Mehr als drei Viertel der Corporate Reseller im Bundesgebiet klagen über den Fachkräftemangel. 2007 war die angespannte Personallage nur für zwei Drittel von ihnen ein Thema. Damit teilen die Systemhäuser das Schicksal mit den Herstellern, die ebenfalls händeringend nach dem richtig qualifizierten Nachwuchs suchen. Übrigens ist dies kein rein deutsches Problem, auch unsere europäischen Nachbarn und die Nordamerikaner haben mit dem Fehlen von IT-Spezialisten zu kämpfen. Um dieser Misere zu entkommen gibt es nur einen Ausweg: selbst ausbilden - und dabei auch fachfremde Kräfte einbeziehen.

Zu geringe Margen und angespannte Ertragslage bekümmern nach wie vor fast zwei Drittel der Systemhäuser. Daran hat sich auch in den vergangenen drei Jahren kaum etwas verändert. Dafür hat der Wettbewerbsdruck abgenommen. Klagte im Vorjahr noch fast die Hälfte (45,4 Prozent) der Corporate Reseller hierzulande über zu viele Konkurrenten, tun dies 2008 nur noch 22,2 Prozent von ihnen. Dass die Systemhäuser eigener Einschätzung zufolge immer noch nicht genug verdienen, könnte am gestiegenen Kostenbewusstsein der Kunden liegen. Die wollen eben immer ganz genau wissen, wozu eine Neuinvestion in die ITK-Infrastruktur gut sein soll. Wenn man ihnen aber den Nutzen schwarz auf weiß zeigen kann, wie etwa bei Green-IT-Projekten, so sind sie durchaus bereit, Geld in die Hand zu nehmen.

Eine Sorge sind die Systemhäuser seit vorigem Jahr auf jeden Fall los: das Direktgeschäft von Dell. Wer möchte, kann sich nun als Partner bei Dell zertifizieren lassen und die Produkte des Ex-Direktvermarkters vertreiben. Natürlich wird Dell weiterhin viele seiner Kunden direkt beliefern, aber das tun andere ITK-Infrastruktur-Hersteller ebenfalls. Dennoch: Beklagten sich im Vorjahr noch 58,6 Prozent der Systemhäuser über das Direktgeschäft der Hersteller, so sank dieser Anteil 2008 auf 42,6 Prozent. Offenbar haben sich die deutschen Corporate Reseller mit dem Gebaren der Hersteller arrangiert. Im Vorjahr hat noch fast ein Viertel (24,1 Prozent) der Systemhäuser über schlechter gewordene Geschäftsbeziehungen zu den Soft- und Hardwareanbietern berichtet und fast zwölf Prozent von allen nahmen dabei explizit Dell ins Visier.

Das hat sich nun gravierend verändert. Zwar konkurrieren Systemhäuser weiterhin mit den Herstellern um Projekte, doch Dell wurde namentlich nur zweimal als Wettbewerber genannt, also genauso oft wie Fujitsu-Siemens Computers (FSC). Da tun sich andere Hersteller schon stärker hervor: Mehr als jedes zehnte Systemhaus konkurriert von Fall zu Fall etwa mit Hewlett-Packard (HP). Damit übernahmen die Böblinger die Führung als Direkt-anbieter vor IBM. Big Blue wird nur von 8,2 Prozent der hiesigen Corporate Reseller als unmittelbarer Mitbewerber wahrgenommen. Im Vorjahr war es noch genau umgekehrt, da führte IBM mit 11,9 Prozent die Liste der direkt vertreibenden Hersteller vor HP (9,5 Prozent) an. Ein Sonderfall ist dabei Siemens inklusive der Tochter "IT Solutions and Services", besser unter dem Namen Siemens Business Services bekannt. Zählt man auch noch FSC dazu, käme der Konzern auf über 16 Prozent an Nennungen als direkt vertreibender Hersteller, ansonsten wird Siemens von 12,2 Prozent der Systemhäuser als Wettbewerber angesehen.

Wie in den Jahren zuvor ist die Bechtle AG ganz klar die Nummer eins in der Wettbewerber-Hitliste. In diesem Jahr sagte jedes zweite von ChannelPartner befragte Systemhaus, dass es mit den Neckarsulmern konkurriert. Allerdings nahm in den vergangenen Jahren Bechtles Bedeutung am Markt ein wenig ab: 2006 haben noch 59,5 Prozent der Systemhäuser die Schwaben als wichtigsten Mitbewerber gesehen, im Vorjahr immerhin noch 57,1 Prozent. Ähnlich reduziert hat sich die Marktstellung von Computacenter. Deutschlands größtes herstellerunabhängiges Systemhaus wird von 40,8 Prozent der Wettbewerber als solcher wahrgenommen, im Vorjahr waren es noch 50 Prozent.

Überregionale Systemhäuser im Kommen

Am dritthäufigsten wird bereits T-Systems als Konkurrent im Systemhausumfeld genannt. 28,6 Prozent der großen Corporate Reseller hierzulande betrachten die Telekom-Tochter als ernst zu nehmenden Mitspieler am Markt, im Vorjahr waren es erst 23,8 Prozent. Offenbar tragen hier T-Systems' Bemühungen, auch bei mittelständischen Kunden zu punkten, erste Früchte. Allerdings ist die Zukunft der Telekom-Geschäftskundensparte mehr als ungewiss, die Mutter möchte diese ungeliebte Tochter loswerden. Bisher fand sich aber für sie kein Abnehmer. Im März 2008 schloss T-Systems eine strategische Partnerschaft mit dem amerikanisch-indischen IT-Dienstleister Cognizant. Doch die aktuellen Geschäftszahlen sind für die Telekom-Tochter nicht gerade erfreulich: In der ersten Jahreshälfte 2008 sanken deren Umsätze um zehn Prozent auf 5,3 Milliarden Euro. Und noch in diesem Jahr möchte T-Systems weitere 4000 Arbeitsplätze abbauen.

Nicht nur die drei erwähnten Unternehmen jenseits der Milliardenmarke, sondern auch kleinere Systemhäuser spielen eine wichtige Rolle, so etwa Cancom. 8,2 Prozent der Corporate Reseller betrachten den ehemaligen Nur-Apple-Händler als ernst zu nehmenden Wettbewerber. Es folgen Profi Engineering (6,1 Prozent) sowie PC-Ware, Fritz & Macziol und MR-Datentechnik mit jeweils 4,1 Prozent an Nennungen. Fasst man die übrigen überregionalen Systemhäuser zusammen, so stellen sie mit fast einem Viertel (22,4 Prozent) die viertwichtigste Wettbewerbergruppe. Die sonstigen, vorhin nicht erwähnten Hersteller, darunter auch FSC und Dell, bilden mit einem Fünftel an Nennungen (20,1 Prozent) die fünfte bedeutende Konkurrentengruppe. Lokal agierende Systemhäuser stehen für 18,4 Prozent der von ChannelPartner befragten Unternehmen als Konkurrenten fest. Im Vorjahr waren es noch 23,8 Prozent.

Daraus lässt sich folgern, dass der zunehmende Konsolidierungsdruck in der Systemhausszene auch das Wettbewerbsumfeld verändert. Und daran, dass es 2008 und 2009 mit den Fusionen und Akquisitionen weitergeht, hegen die von ChannelPartner befragten Systemhäuser kaum Zweifel. 92,5 Prozent von ihnen sind überzeugt, dass es zu weiteren Übernahmen oder Insolvenzen kommen wird. Gleichzeitig zeigen sich die größten Corporate Reseller hierzulande sehr optimistisch über die eigene Zukunft. Durch die Bank möchten sie in den nächsten zwölf Monaten ihr Geschäft ausbauen, zwei Drittel wollen dies aus eigener Kraft tun, der Rest schließt auch Übernahmen nicht aus. Elf Prozent der größten Systemhäuser im Bundesgebiet wollen sich dabei vornehmlich der Bestandskundenpflege widmen, der Rest möchte auch neue Abnehmer für seine Waren und Dienstleistungen gewinnen.

Mehr als drei Viertel (77,4 Prozent) der von ChannelPartner befragten Systemhäuser wollen dafür auch neues Personal einstellen, und das trotz der zurzeit fehlenden ITK-Fachkräfte. Fast der gesamte Rest (20,8) plant, seine Belegschaft weitgehend konstant zu halten, nur ein einziges Systemhaus rechnet damit, Mitarbeiter entlassen zu müssen. Ein Unternehmen glaubt ferner, dass sein Umsatz 2008 zurückgehen wird. Alle anderen wollen ihre Erlöse steigern. 38,9 Prozent sind bedingt optimistisch und erwarten, genauso stark wie der Markt zulegen zu können, der Rest nimmt an, überdurchschnittlich zu wachsen. 13 Prozent der von ChannelPartner befragten Systemhäuser erwarten sogar, ihre Umsätze deutlich stärker erhöhen zu können als ihre Mitbewerber.

Gegenüber dem Vorjahr sind die Wachstumserwartungen der Corporate Reseller dennoch gesunken. 2007 glaubte noch fast ein Drittel (32,6 Prozent) von ihnen, deutlich stärker als der Markt zulegen zu können. Diese Entwicklung geht mit den eingetrübten Konjunkturaussichten einher. Sahen im Vorjahr noch 80,4 Prozent der Systemhäuser das Investitionsklima im Vergleich zu 2006 als verbessert an, so tun dies im Vergleich 2008 zu 2007 lediglich 37,7 Prozent der befragten Unternehmen. Der überwiegende Rest (60,4 Prozent) rechnet mit gleich bleibender Investitionsneigung der Kunden.