Apple-Produkte sind die Stars der Unterhaltungselektronik. Nach dem weltweiten Siegeszug des Musikabspielers iPod und des vielseitigen Mobiltelefons iPhone erobert nun der Tablettcomputer iPad den Planeten. Nicht nur Apple-Fans feiern Firmengründer und -chef Steve Jobs als „iGod“ und fallen angesichts seiner Lifestyle-Produkte in Ekstase, sondern auch gestandene Verleger auf die Knie. So schwärmte Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner unlängst im US-TV: „Jeder Verleger der Welt sollte sich einmal am Tag hinsetzen, um zu beten und Steve Jobs dafür zu danken, dass er die Verlagsbranche rettet.“ Hintergrund: Zeitungen und Zeitschriften sollen zu kostenpflichtigen Apps für das iPad werden und so der Verlagsbranche zu neuen Erlösen im Online-Geschäft verhelfen. Und auch die Börsen klatschen begeistert Beifall.
Skandale, Pech und Pannen rund um Apple
Also alles Friede, Freude, Eierkuchen? Nein. Denn mit den letzten Siegeszügen von iPhone und iPad kamen auch Kritik und Zweifel an Apple hoch: Zuerst vergaß ein Apple-Mitarbeiter im Suff den Prototyp des neuen iPhone 4 in einer Kneipe. Der Perfektionist und Geheimniskrämer Steve Jobs schäumte vor Wut, als das neue Gerät von einem Internetdienst ausführlich beschrieben wurde.
Kurz nach dem Verkaufsstart im Juni 2010 kam es weit schlimmer: Linkshänder klagten über Empfangsprobleme beim iPhone 4. Apple vollführte einen öffentlichen Eiertanz um falsche Signalanzeigen der Empfangsstärke, wiegelte ab: Nur wenige Kunden seien betroffen. Trotzdem gibt es seitdem kostenlose Gummi-Hüllen, die das Abdecken der Antenne an der Außenseite des Mobiltelefons verhindern und den Empfang so verbessern sollen. Drei Wochen später wurde der Hardware-Manager gefeuert, der für das iPhone 4 zuständig war.
Kurz vor dem Verkaufsstart des iPad im Mai letzten Jahres sorgte eine Selbstmordwelle beim taiwanesischen Apple-Zulieferer Foxconn für weltweite Schlagzeilen. Abgründe der Ausbeutung taten sich auf: Die Mitarbeiter müssten zwölf Stunden täglich an sechs Tagen arbeiten – für 230 Euro inklusive Überstunden. Foxconn-Mitarbeiter, so Informanten, würden in kleinen Baracken kaserniert und dürften das Firmengelände nur mit Genehmigung verlassen. „Profit um jeden Preis“ wird Apple vorgeworfen. Wegen dieses Skandals riefen Verbraucherschützer zum Boykott der i-Produkte auf. Apple kündigte danach an, die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern zu überprüfen.
Apple entpuppte sich als Datenkrake
Auch von Datenschützern hagelte es herbe Kritik. Denn im Juni 2010 kam heraus, dass Apple über Jahre iPhone-Benutzer heimlich ausspioniert hat. Demnach erfasste der Konzern seit 2008 die Standortdaten von fast allen iPhones. Die lapidare Begründung: Werbung und Apps sollen „verbessert“ werden.
Genauso heimlich, still und fast unbemerkt hat Apple die Daten der Nutzer des Musikshops „iTunes-Store“ und des „App-Stores“ ausgeforscht. Mit Hilfe der Kreditkartennummern wurde so das Kaufverhalten von 150 Millionen Kunden ausgespäht. Vorlieben für Programminhalte, Musiktitel, Filme und Standortinformationen wurden genauso gespeichert wie Hinweise auf Kinderzahl und Beruf. Laut einem Apple-Marketing-Manager kann man so die Zielgruppe „chirurgisch präzise“ bestimmen.
Das sind jedoch nicht die einzigen Skandale in der Geschichten von Apple. Lesen Sie auf den nächsten Seiten, wie alles begann.
Die Erfolgsgeschichte des Steve Jobs
Ist Apple also eine üble Datenkrake, ein „Big Brother“ wie aus George Orwells Roman „1984“? Eine verrückte Entwicklung, wenn man sich die Geschichte von Steve Jobs anschaut. Denn in den Gründerjahren von Apple drückte er dem Konkurrenten IBM den bösen „1984“-Stempel auf und wollte die Welt von der „IBM-Herrschaft“ befreien.
Ein Blick in die Geschichte: Der erste Apple-Computer wurde 1976 in einer Garage in Kalifornien konstruiert – ein Stück Hardware mit einem Holzrahmen, den der Käufer selbst zusammensetzen musste. Gebaut von Steve Jobs und seinem Freund Steve Wozniak.
Im April 1977 kam mit dem Apple II der erste PC des Unternehmens auf den Markt und eroberte die Welt. Alles dran und drin, mit acht Steckplätzen und dem angebissenen Apfel als Emblem. Schnell gab es die erste Tabellenkalkulation für den Apple und auch das erste Office-Programm namens AppleWorks. Steve Jobs und sein Kompagnon Steve Wozniak brachten eine bezahlbare Farbgrafik und die „Floppy Disk“ als Datenträger auf den Markt, wurden so zu Stars des aufstrebenden kalifornischen Silicon Valleys.
Macintosh und Apple IIc – die Kult-Computer
Die tolle Kiste stand erst am Anfang des Erfolges. Die Revolution kam 1984: der Macintosh mit Mausbedienung und Software mit Fenstern. Macintosh-Mitentwickler Andy Hertzfeld: „In den siebziger Jahren waren Computer Instrument der Autorität gewesen. Wir wollten daraus ein Instrument der Befreiung machen.“
Ein Werbespot für den „Mac“ begründete den Apple-Kult: Star-Regisseur Ridley Scott („Alien“) ließ eine Sklavenarmee von Arbeitern in eine dunkle Halle marschieren, um dem großen Boss auf der Videoleinwand zu lauschen, dem düsteren Symbol für IBM. Die Befreiung: Eine blonde Frau lief in den Saal und warf einen Vorschlaghammer in den gigantischen Bildschirm. Dann der Werbespruch: „Am 24. Januar wird Apple den Macintosh einführen. Und Sie werden sehen, warum 1984 nicht wie ,1984‘ sein wird.“
Der Werbespot schlug vor allem bei Werbern, Kreativen und Technikern ein wie eine Bombe. Dr. Peter Fleissner, Gestaltungsforscher aus Wien, zu unserer Schwesterpublikation PC WELT: „Dieses Bild entsprach der Sehnsucht vieler Menschen, dass die Arbeit generell von Zwängen befreit und zur emanzipierten Arbeit wird. Wer einen Apple hatte, gehörte zu den Vorreitern. Die Apple-Kultur des Kreativ-Seins wurde damit zur Werbebotschaft.“
Doch es war nicht nur schick, einen Apple zu haben. Denn das Hardware-Konzept und das Betriebssystem waren in den 80ern der Windows-Welt weit voraus. Forscher Fleissner erklärt: „Apple hat die grafisch orientierte Oberfläche von Xerox übernommen. Dazu wurden in den intenen Speicher Routinen eingebaut, die von Anwendungsprogrammen in der Programmiersprache Pascal abgerufen werden konnten. Das machte die Software-Entwicklung einfacher und den Macintosh-Rechner schneller. “
Die Folge: Gerade für Werber und Kreative wichtige Anwendungen wie digitale Grafik- und Gestaltungsprogramme wurden ausschließlich für den „Mac“ entwickelt. Gestaltungsforscher Dr. Peter Fleissner erinnert sich zum Beispiel an eine Anwendung wie Hypercard, die es Apple-Benutzern damals erlaubte, Powerpoint-artige Präsentationen ohne Mühe zu programmieren.
Ein gefälliges Äußeres, die leichte Bedienung und Programme, mit denen man Anzeigen gestalten, Fotos bearbeiten oder Illustrationen erstellen kann: Dieses Erfolgsrezept begründet den Apple-Kult bis heute. Buchautor Dr. Joachim Gartz: „Das Look and Feel sowie die Qualität der Produkte sind besser als bei der grauen PC-Konkurrenz. Apple hat immer auf die mystische Einheit von Hardware und Software bestanden.“
Steve Jobs wurde mit dem Macintosh zum smarten Guru der Computer-Zukunft, des „Digital Lifestyle“. Eifrig befeuert von der Apple-Marketing-Abteilung, die auch die eigene Unternehmenskultur in den 80er Jahren als „Zukunft der Arbeit“ verkauft. Dr. Fleissner: „Nach außen hin wurden die Mitarbeiter von Apple als lockerer Haufen von Kreativen dargestellt. Die Unternehmenskultur sei liberal und schöpferisch, es gäbe keine Disziplinierungen, man könne nach Herzenslust schöpferisch tätig sein, ohne Urlaubsantrag frei machen. Oder 16 Stunden durcharbeiten. Einfach kreativ sein und nicht mehr abhängig arbeiten.“
Ein schöner Schein, mehr aber nicht: Steve Jobs ging laut Ex-Mitarbeitern mit harter Hand vor, gilt als herrsch- und rachsüchtig. Er kontrolliert angeblich alles, die Angestellten hatten demnach sogar Angst vor ihm.
Am 24. April 1984 der nächste Paukenschlag: der Apple IIc – ganz in Weiß, schmal und flach. Gestaltet vom deutschen Designer Hartmut Esslinger, der sich schon immer fragte, warum Computer so hässlich sein müssen. Esslinger hatte in den 70er Jahren Wega-Fernseher entworfen, das Fenster für Microsofts Windows, Sony-TV-Geräte. Bis eines Tages der Anruf von Steve Jobs kam. Esslinger hatte die Idee, die bis heute das Apple-Design prägt: „Baut doch die Computer in Weiß, kalifornisch Weiß.“
Jobs war zunächst skeptisch, aber die Nachfrage gab Designer Esslinger recht. Am ersten Tag wurden vom Apple IIc 50 000 Stück verkauft – der zweite Apple-Knaller. In diesen Tagen muss Jobs die „heilige Dreieinigkeit“ begriffen haben, die Apple bei den Anhängern zum Mythos und auch heute noch so erfolgreich macht: hochwertige Hardware mit einem leicht begreifbaren Betriebssystem, verpackt in eine ästhetische Hülle.
Zwischenspiel mit Next und Pixar
Apple hatte Erfolg. Und der sollte gesichert werden. Nach dem Börsengang holte Steve Jobs deshalb den Pepsi-Chef John Sculley in die Apple-Spitze. Zunächst wurden die beiden gefeiert. 1985 kam es jedoch zum Bruch der Beziehung. Der Apple-Verwaltungsrat traf danach eine Entscheidung: Manager Sculley bleibt, Jobs muss gehen und sein Lebenswerk zurücklassen.
Doch Jobs verfiel nicht in Selbstmitleid, sondern gründete die neue Computerfirma Next. Das Konzept ähnelte dem von Apple: Mit Unix wurde die modernste Technik als Grundlage für ein neues Betriebssystem genommen. Nur war der zugehörige Computer namens Next nicht weiß, sondern ein schwarzer Würfel.
Gleichzeitig stieg Jobs mit 10 Millionen Dollar bei Pixar ein. Das Unternehmen wurde von Star-Regisseur George Lucas („Star Wars“) aus der Spezialeffekte-Abteilung seiner Firma Industrial Light and Magic aus gegründet. Hauptprodukt war der Pixar Image Computer, ein Spezialcomputer für Animationen. Jobs stellte Kreative ein und ließ sie eine Software entwickeln, die bis heute als Standard für die digitale Animation gilt und die dem herkömmlichen Zeichentrickfilm letztendlich den Todesstoß versetzte.
1995 brachte Pixar zusammen mit Disney den Animationsfilm „Toy Story“ heraus. Nachdem der Streifen in der ersten Woche 360 Millionen Dollar einspielte, ging Pixar an die Börse. Das machte Steve Jobs zum Milliardär. Spätestens da wusste er, dass man mit digitalen Medien Geld machen kann. Bei Pixar traf er auch auf Tony Fadell. Der hat die Idee, einen tragbaren MP3-Spieler zu bauen und gleichzeitig eine Plattform zu schaffen, über die man Musik gegen Bezahlung auf das Gerät laden kann.
Steve Jobs wird zum „iGod“ erhoben
Unterdessen geriet Apple in schweres Fahrwasser. Vorstands-Chef Scully war glück- und ideenlos, verlor schnell Boden an den Konkurrenten aus Redmond. Folge: Bill Gates’ Microsoft zog an Apple vorbei. 1993 musste daher auch Scully Apple verlassen. Drei Jahre später kaufte Apple die Firma Next von Steve Jobs. Jobs wurde Berater bei „seinem Baby“, 1997 stand er wieder allein an der Konzernspitze von Apple.
Im Jahr danach warf Steve Jobs das nächste revolutionäre Konzept auf den Markt: den iMac – einen bunten, rundlichen Computer, der seine ganze Technik im durchsichtigen farbigen Monitorgehäuse beherbergt.
2001 führt Apple den MP3-Spieler iPod auf dem Markt ein. Das Neue war nicht nur das elegante Design, sondern die simple Bedienung mit einem Radregler. Zum Beladen des Geräts wurde die Musikverwaltungs-Software iTunes entwickelt, mit der sich auch Wiedergabelisten erstellen lassen. Nur ein Jahr später folgte schon die nächste iPod-Generation, bei der ein berührungsempfindlicher Sensor das Bedienrad ersetzte.
2003 gelang Steve Jobs der Durchbruch: Die Musikindustrie ging auf das Angebot von Apple ein, Songs im iTunes-Store im Internet anzubieten. Pro Song kassiert Apple 99 Cent, die Musikindustrie bekommt angeblich rund 66 Cent, der Künstler rund 10 Cent. Trotz aller Unkenrufe ging das Konzept auf. Bereits nach knapp einem Jahr meldete Apple 100 Millionen verkaufte Songs.
Dann wurde es zunächst ruhig um Jobs: Aufgrund einer Bauchspeicheldrüsenkrebs-Erkrankung verabschiedete er sich aus dem Rampenlicht. Ein Jahr später war er wieder auf der Apple-Kommandobrücke – mit dem iPod Photo inklusive Farbbildschirm im Gepäck. 2005 wurden die ersten Videos im iTunes-Store verkauft.
Doch in der Apple-Zentrale in Cupertino arbeitete man schon am nächsten Coup: einem Handy, das die Welt verändern soll. Während die bis dahin angebotenen Smartphones herkömmliche Mini-Monitore mit Tastaturen waren, hatte Jobs einen Flachbildschirm im Blick, der nur mit einem Finger zu bedienen sein sollte: das iPhone.
In den ersten beiden Tagen nach Verkaufsstart am 29. Juni 2007 wurden 270 000 Stück verkauft. Die Presse überschlug sich geradezu vor Begeisterung. Denn mit dem iPhone wird das Smartphone zur Multimedia-Maschine: internetfähig, mit Fingergesten zu bedienen und mit Bewegungssensor. Seitdem ist der Iphone-Boom ungebrochen: Bis Ende 2009 wurden weltweit 50 Millionen Geräte verkauft.
Auch die Software-Industrie bekam Aufwind: Entwickler von Anwendungen und Spielen programmieren „Apps“ fürs iPhone. Apple kassiert durch den Exklusiv-Vertrieb über seinen App-Store kräftig mit, greift 30 Prozent der Apps-Einnahmen als Provision ab. Spätestens mit dem flachen Tablett-PC iPad wurde Steve Jobs für die Fans der Apple-Produkte vom „Mr. Apple“ zum „iGod“: Analysten rechnen mit 6,2 Millionen verkauften Einheiten bis zum Jahresende 2010.
Apple totalitär: Alles muss genehmigt werden
Mit diesem gigantischen Erfolg im Hintergrund erlaubt sich Apple, unliebsame Anwendungen und Inhalte nach Lust und Laune vom Vertrieb über den iTunes- und App-Store auszuschließen. Schon seit Jahren weigert sich Steve Jobs beispielsweise, die Flash-Technologie zuzulassen. „Das ist eine sterbende Technologie“, lässt er sich zitieren. Die Folge: Viele Internetseiten funktionieren auf iPhone und iPad nicht, weil im weltweiten Datennetz vor allem Flash zur Darstellung von Videos und bewegter Seitenelemente verwendet wird.
Inhalte, die nicht zur bunten Apple-Philosophie passen, werden ebenfalls knallhart ausgeschlossen. Hier ein paar Beispiele:
-
Die App des Karikaturisten Mark Fiore für das iPhone wurde von Apple abgelehnt, weil sie öffentliche Persönlichkeiten lächerlich macht.
-
Im September 2009 verschwindet die Stern.de-App aus dem App-Store. Grund laut Apple: eine Fotogalerie mit erotischen Fotos. Auch das leicht bekleidete „BILD-Girl“ darf in der Bild-App nur in einer entschärften Version abgebildet werden.
-
Mit der Netshare-App sollen iPhone-Besitzer das Smartphone als Modem benutzen. Abgelehnt von Apple.
-
Auch ein Spass-Programm mit Geräuschen verschiedener Darmwinde bekam keine Apple-Zulassung.
-
Anfang letzten Jahres löschte Apple 5000 Apps mit angeblich anstößigen Inhalten aus dem App-Store.
-
Als die Empfangsprobleme beim iPhone 4 bekannt wurden und kritische Beiträge in den Apple-eigenen Internetforen auftauchten, wurden sie kurzerhand gelöscht.
-
Auch bei der neuen Werbeplattform iAd für Anzeigen und Spots in iPhone- und iPad-Apps herrschen strenge Regeln: Unternehmen, die Werbung schalten wollen, müssen mindestens eine Million Dollar auf den Tisch legen, um dabei zu sein. Sie dürfen die Anzeigenformate auch nicht selbst programmieren. Das macht Apple lieber selbst. Laut Wallstreet Journal stöhnen die ersten willigen Werbekunden bereits über die lange Bearbeitungszeit von acht bis zehn Wochen. Demnach soll der Modekonzern Chanel bereits entnervt aufgegeben haben.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation PC-Welt.