Seit 2008 ist der Internet-Konzern Google der beliebteste Arbeitgeber für IT-Absolventen deutscher Hochschulen - daran hat sich auch 2012 nichts geändert. Zwar gab der aktuelle Wert für Google etwas nach, doch gleichzeitig stürzte IBM, der Zweitplazierte des Vorjahres im "Trendence Graduate Barometer German IT Edition", mit einem Minus von 3,7 Prozentpunkten deutlich tiefer ab. Erst 2007 war Google von Null auf Platz 2 der Charts gestürmt, ein Jahr später hatte das Unternehmen die Spitze des Feldes von SAP übernommen. Seitdem liegt die Suchmaschine mit leichten Schwankungen unangefochten in Front.
Mehr Gehalt und weniger Arbeitsstunden
Im Fokus der jährlichen Untersuchung von Trendence steht die Frage, welche Unternehmen als potenzielle Arbeitgeber als besonders attraktiv gelten beziehungsweise bei welchem Arbeitgeber sich ein IT-Absolvent am ehesten bewerben würde. "Die Studierenden sind sehr selbstbewusst und optimistisch", berichtet Jörn Klick, Senior Account Manager bei Trendence, über die Mitarbeiter von Morgen. Absolventen im Bereich IT seien sich durchaus darüber im Klaren, dass sie in Zeiten des aufziehenden Fachkräftemangels eine gesuchte Spezies sind: "Häufig haben sie sich sehr gut über den Arbeitsmarkt informiert und wissen, dass Unternehmen bisweilen unter Druck stehen, den richtigen Nachwuchs zu finden." Da erscheint es folgerichtig, dass der IT-Nachwuchs im Durchschnitt mit einem Jahresgehalt von 45.000 Euro kalkuliert - der höchste Stand aller Zeiten. Gleichzeitig schrumpfte die erwartete Arbeitszeit erstmals seit Beginn der Studie im Jahr 2002 auf unter 43 Wochenstunden. Zudem gehen die Befragten davon aus, im Durchschnitt deutlich weniger Bewerbungen schreiben zu müssen als in den vergangenen Jahren, die vom Nachhall der Finanzkrise geprägt waren.
Optimistische Studenten
Die hohe Nachfrage nach Experten zeigt sich auch im so genannten "Trendence’o’meter", das angibt, wie zuversichtlich die Studierenden in ihre berufliche Zukunft blicken. 2012 stieg dieser Optimismusindikator auf den zweithöchsten Stand seit 2003. Nur im Boomjahr 2008 war die Zuversicht höher. "Der Optimismus ist genauso schnell wieder gestiegen, wie er im Zuge der Krise in den Keller gerauscht war", sagt Trendence-Manager Klick. So würden die Bewerber heute sehr schnell auf Veränderungen reagieren und ihre Erwartungen entsprechend anpassen. Dies betreffe nicht nur ihren Optimismus, sondern auch ihre grundsätzliche Einstellung zum Arbeitgeber: "Die Absolventen haben durchaus mitbekommen, wie schnell mancher Arbeitsplatz in der Krise wieder verloren war. Niemand rechnet heute mehr damit, über Jahrzehnte bei dem Unternehmen beschäftigt zu sein, bei dem er einst seinen Einstiegsjob gefunden hat."
Auf- und Absteiger 2012
Aufsteiger des Jahres 2012 ist einer der ärgsten Rivalen von Google und zugleich ein klassischer IT-Anbieter, nämlich Microsoft. Das Unternehmen hat gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozentpunkte zulegen können und sich somit von Rang vier auf Position zwei geschoben. Für Georg Bachmaier, Leiter Recruiting & Personalmarketing bei Microsoft Deutschland, ist die gute Platzierung vor allem ein Resultat der langfristigen Produktpolitik des Unternehmens: "Jeder Mitarbeiter bringt sich ein, gibt Feedback und setzt Impulse, wie wir unsere Produkte verbessern können." Hinzu kommen hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung, in Chancengleichheit und Diversity, in die Work-Life-Balance sowie in ein etabliertes Traineeprogramm. In Deutschland werden dieses Jahr mehr als 40 Hochschulabsolventen eingestellt, weltweit sucht Microsoft an die 2000 Absolventen, sagt Bachmaier: "Damit senden wir ein klares Signal an den Hochschulmarkt, dass auch unsere Personalstrategie langfristig ausgelegt ist."
Weniger gut läuft es für andere Großlieferanten von ernsthafter IT, also für Schwergewichte wie IBM, Hewlett-Packard (HP) oder SAP. Während die Walldorfer in den vergangenen Jahren - 2011 sogar als größter Verlierer - allmählich den Kontakt zur Spitze abgegeben haben und HP traditionell im Mittelfeld feststeckt, hat Big Blue dieses Jahr um 3,7 Prozentpunkte nachgegeben und wurde von Position 2 auf den 5. Platz durchgereicht. "IBM wird zunehmend als ein Beratungsunternehmen wahrgenommen und immer weniger als Technologielieferant", analysiert Trendence-Manager Klick den herben Verlust des Konzerns. Ihm zufolge sei es in verschiedenen Studienfächern zu beobachten, dass Tätigkeiten in der Beratung häufig nicht die breite Masse von Absolventen ansprechen, sondern nur jene, die in diesem Bereich ihre Stärken sehen und sich hier einen Einstieg vorstellen können.
Berater haben es schwer
Auch andere Beratungsunternehmen haben Mühe, die Gunst der Absolventen zu erringen. Ein klarer Trend lässt sich dabei nicht erkennen, das Feld rückt lediglich enger zusammen. Accenture musste sieben Plätze abgeben, McKinsey verlor neun Ränge - andere Gesellschaften aus dem Mittelfeld konnten hingegen zulegen. "Trotz ihres traditionell starken Engagements auf dem Bewerbermarkt fällt es Unternehmen aus der Beratungsbranche immer schwerer, den Nachwuchs von sich zu überzeugen", so Klick. Dies gelte nicht nur für die High Potentials mit IT-Abschluss, sondern sei fächerübergreifend zu beobachten: "Selbst bei den angehenden Wirtschaftswissenschaftlern schafft es kein Wirtschaftsprüfer und kein Beraterhaus unter die ersten Zehn."
Innovation zieht High Potentials an
Vor allem die so genannten High Potentials haben dieses Jahr ihre Prioritäten neu gesetzt. Laut Trendence handelt es sich dabei um Absolventen, deren akademische Leistung zu den besten 25 Prozent des Jahrgangs gehört, die Auslandserfahrung mitbringen, ein Praktikum im Inland nachweisen können und sich durch außeruniversitäres Engagement auszeichnen - also ein seltenes Phänomen. Die vermeintlichen Überflieger straften 2012 vor allem SAP, IBM, Accenture und McKinsey ab - in Einklang mit der Gesamttendenz, wenn auch deutlich stärker. Umso verwunderlicher ist, dass SAP im Vorjahr bei den Überfliegern noch besonders punkten konnte.
Hingegen zieht es die High Potentials zu altbekannten Forschungseinrichtungen wie der Max-Planck-Gesellschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft oder dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. "Die Stärken von Arbeitgebern aus dem Forschungsbereich liegen vor allem in der Attraktivität der Arbeitsaufgaben - dies ist für die High Potentials unter den Befragten zugleich das wichtigste Kriterium bei der Arbeitgeberwahl", sagt Klick. Zudem würden die High Potentials insbesondere bei der Fraunhofer-Gesellschaft gute Möglichkeiten für ihre persönliche Entwicklung sehen. Dass auch Google und Apple als Arbeitgeber der Hochleister gefragt sind, überrascht weniger.
Traumarbeitsplatz Automobilbranche
Chancen zur persönlichen Entwicklung in Verbindung mit Premium-Produkten: Diese Kombination gelingt seit jeher deutschen Autobauern ausgesprochen gut. So verwundert es nicht, dass Audi, BMW, Porsche, Volkswagen und Daimler unter den Top 20 vertreten sind. Während die Firmen aus Baden-Württemberg 2012 leichte Schwächen zeigten, drehte vor allem Audi mächtig auf. Auch Mattias Andree Ulbrich hat im Februar bei Audi in der IT angefangen - wenn auch nicht als Absolvent, sondern als neuer CIO. "Die Integration von Diensten wie Facebook und Google Streetview in unsere Modelle begeistert nicht nur Kunden", kommentiert der Nachfolger von Top-CIO Klaus Straub den Erfolg beim diesjährigen Absolventenbarometer. Keine Frage, dass die IT in allen Bereichen des Automotive-Sektors eine wichtige Rolle spielt: "Mit Messeständen und Auftritten bei der Consumer Electronics Show in Las Vegas und der CeBIT in Hannover haben wir demonstriert, welche Möglichkeiten Audi Einsteigern mit IT-Qualifikation bietet."
Fachkräftemangel? "Wir spüren ihn derzeit noch nicht", sagt CIO Ulbrich, "aber wir bereiten uns auf morgen vor, um wettbewerbsfähig zu bleiben." Selbstverständlich sucht die Audi-IT neue Mitarbeiter, und das mit ähnlich hohen Ansprüchen wie die heutigen Absolventen: "Grundsätzlich sollten Bewerber einen sehr guten, einschlägigen Hochschulabschluss, Erfahrung im Projekt-Management sowie Kenntnisse der IT-Architektur, der IT-Sicherheit und der gängigen IT-Standards vorweisen können". Je nach Aufgabe sollte sich ein Bewerber zudem Kenntnisse der SAP-Standard-Systemsoftware, im Systemdesign oder technische beziehungsweise fachliche Prozesskenntnisse angeeignet haben. Dabei ist Fachkompetenz ist nur eins von mehreren Einstellungskriterien, berichtet Audis IT-Manager: "Die idealen Bewerber sind Teamplayer, die während ihres Studiums bereits erste Erfahrungen im Ausland gesammelt haben. Hinzu kommen Persönlichkeitsmerkmale wie soziale Kompetenz, Selbständigkeit, Praxiserfahrung sowie die Fähigkeit, vernetzt zu denken." Kommunikations- und Präsentationsstärke runden den idealen Bewerber ab.
Neueinsteiger und Marken
Auch Adidas hat sich in den vergangenen Jahren die Rangliste heraufgekämpft, 2012 immerhin um neun Positionen auf Rang 32. Für einen Konzern ohne IT in den klassischen Produkten ist das ein Benchmark. "In gleichem Maße, wie Kommunikation und Marketing in digitalen Medien an Bedeutung gewinnen, wird IT zum Schlüssel zu unseren Konsumenten und Kunden", sagt Nina Kleinlein, Human Ressource Manager Global IT von Adidas. Diese herausfordernde Rolle, gepaart mit den innovativen Produkten des Konzerns, sei besonders für die jungen Arbeitnehmer der Generation Y eine attraktive Mischung. Bei der Frage nach der Kernkompetenz eines IT-Absolventen kehrt die HR-Managerin zurück zu den Adidas-Wurzeln: "Als sportliches Unternehmen sind Teamgeist und Verantwortungsbereitschaft entscheidende Eigenschaften für den Erfolg." Wie auch im Fußball sei jede Position wichtig und erfordere starke Besetzungen: Verteidiger zur Sicherung der Infrastruktur, Mittelfeldspieler als vielseitige Netzwerker sowie Analysten "und natürlich Stürmer, die unsere Innovationen nach vorn bringen."
Für Adidas sei es essentiell, dass Mitarbeiter über den Tellerrand blicken, vielseitig interessiert sind und Verantwortung übernehmen. "Das Verständnis, wie die Adidas-Gruppe ‚tickt’ und was unsere Konsumenten wünschen, ist grundlegend für einen erfolgreichen Wissenstransfer in die IT - nur so können wir weiterhin schnell, innovativ und wettbewerbsfähig operieren", fordert Kleinlein. Momentan gibt es hierzulande rund 50 offene Stellen, hinzu kommen etwa 20 weitere Positionen durch die natürliche Fluktuation. Der Markt für erfahrene IT-Experten und junge Talente sei hart umkämpft, sagt die HR-Expertin: "Das merken wir besonders in Deutschland." Allerdings hat sie auch einen Ausweg aus dem Dilemma parat, bei dem Adidas seine Größe in die Waagschale werfen kann: "Als global aufgestellter Konzern sind wir in der glücklichen Lage, Talente aus der ganzen Welt für unser Unternehmen begeistern zu können." Damit schließt sich der Kreis: Wer Kunden begeistern kann und dieses Moment auch auf seine Mitarbeiter überträgt, steigt in der Beliebtheit der Absolventen. Wirklich neu ist diese Erkenntnis nicht. Und man sieht schnell, welche Organisation die Herausforderung tatsächlich annimmt.
Der Neueinsteiger des Jahres: Blizzard Entertainment
In diesem Jahr gab es nur einen Neueinsteiger in das Feld der insgesamt bewerteten 117 Firmen - die Spielefirma Blizzard Entertainment. Mit Serienhits wie "Diablo", "Warcraft", "StarCraft" oder "World of Warcraft" ist Blizzard eines der bekanntesten und erfolgreichsten Unternehmen der Branche. Dies zeigt sich auch daran, dass die Firma mit Rang sechs gleich in die Top Ten der beliebtesten Arbeitgeber einsteigen konnte. Games liegen generell voll im Trend: Im vergangenen Jahr hatte die deutsche Spielefirma Crytek ("Far Cry", "Crysis") den höchsten Zugewinn aller bewerteten Unternehmen verzeichnet. "Diese Arbeitgeber profitieren vor allem von der Attraktivität ihrer Produkte, die im Alltag vieler Befragten eine Rolle spielen", kommentiert Trendence-Manager Jörn Klick den Erfolg der Spielefirmen. Kleiner Wermutstropfen: Blizzard unterhält kein Büro in Deutschland, und Ende Februar kündigte das Unternehmen überdies an, rund 600 Mitarbeiter zu entlassen.