Spätestens nach fünfzehn Jahren hat jedes Unternehmen mehr ehemalige als aktuelle Mitarbeiter. Selbst wachstumsstarke, attraktive Arbeitgeber mit Topwerten bei der Mitarbeiterbindung können sich diesem Mindestmaß an Fluktuation nicht entziehen. Auf welchem Schatz an Kenntnissen und Kontaktmöglichkeiten man damit sitzt, war der Mehrzahl der Unternehmen lange Zeit kaum bewusst. Einzig die großen Managementberatungen haben das Potenzial schon vor Jahren erkannt und genutzt. Lange vor dem Durchbruch der sozialen Medien haben sie wirksame Mittel ergriffen, um mit ausgeschiedenen Mitarbeitern intensiv im Kontakt zu bleiben.
"Wann genau wir das Thema Alumni Relations professionalisiert haben, lässt sich aus heutiger Sicht kaum noch abgrenzen. Denn was irgendwann einmal mit dem geordneten Zusammentragen von Adressdaten anfing, hat sich im Laufe der Zeit immer weiter ausdifferenziert und zu einem weltweiten Netzwerk entwickelt, das wir durch regionale Angebote wie das deutsche Alumni-Netz ergänzen", erläutert Kai Peter Rath die Entwicklung bei McKinsey. Rath ist dort Leiter der europäischen Unternehmenskommunikation. Das Management der Ehemaligenbeziehungen, in der Regel Alumni Relations genannt, fällt in seine Zuständigkeit. Weltweit arbeiten sieben Vollzeitarbeitskräfte von McKinsey an dieser Aufgabe. Ihr zentrales Werkzeug ist eine Web-gestützte Netzwerkplattform, deren deutsche Version seit 2001 online ist. Hierzulande haben sich rund 3800 ehemalige Berater registriert, was mehr als 90 Prozent der deutschen Alumni entspricht.
Aktives Management mit firmeneigener Lösung
Doch warum ist es für Unternehmen überhaupt sinnvoll, eine eigene Plattform zu etablieren? Reicht es nicht aus, auf den bestehenden sozialen Netzwerken aufzusetzen? Als flankierende Maßnahme seien offene Netze wie zum Beispiel LinkedIn durchaus sinnvoll, meint das auf Alumni Relations spezialisierte Software- und Beratungsunternehmen Conenza. In seiner jährlichen Benchmarking-Studie stellte das US-amerikanische Unternehmen 2015 dar, dass Alumni-Pioniere wie die Citigroup oder der australische Telko-Konzern Telstra frei verfügbare soziale Netzwerke nutzen, um ehemalige Mitarbeiter auf sich aufmerksam zu machen. Doch sobald es darum gehe. Nur dann habe man Kontrolle über den Zugang, den Datenschutz und das Branding. Erst die eigene Plattform mache es möglich, die im Netzwerk entstehenden Daten mit internen Anwendungen zu verknüpfen, um ausgewählte Geschäftsprozesse zu unterstützen.
Auch dem Softwarekonzern SAP war es wichtig, die Zügel von Anfang an in den eigenen Händen zu halten. Das im Frühjahr 2016 live gegangene SAP Alumni Network wurde daher als Lösung des Entwicklungspartners EnterpriseJungle in der HANA Cloud Platform aufgesetzt. Somit ist eine Integration in bestehende CRM-, Einkaufs-, HR- und Business Development-Lösungen jederzeit möglich. Auch wenn dies derzeit noch Zukunftsmusik ist. "Es laufen erste Sondierungen darüber, wie eine mögliche Anbindung aussehen könnte", erläutert Margret Klein-Magar, Leiterin der Alumni Relations bei SAP. "Doch geht es uns in dieser frühen Phase ausschließlich darum, den Mehrwert des Netzwerks für die Nutzer zu gewährleisten." Um Ehemalige anzuziehen und auf der Plattform zu halten, müssen die Informations- und Kommunikationsangebote des Netzwerks rein alumnigetrieben sein, so Klein-Magar.
Design-Gespräche mit Ehemaligen hätten gezeigt, dass dabei zwei Bedürfnisse im Vordergrund stehen: erstens der leicht zu initiierende, unmittelbare Austausch mit den früheren Kollegen - wozu im Übrigen auch der Kontakt zu den im Unternehmen verbliebenen Mitarbeitern gehöre. Und zweitens der Zugriff auf hochwertige, zielgruppengerechte Informationen aus dem Ökosystem ihres ehemaligen Arbeitgebers. Vor dem Hintergrund dieser Nutzenerwartungen sollten die Betreiber des Netzwerks genau abwägen, welche Inhalte sie von sich aus anbieten. Sind diese Informationen zu stark unternehmensbezogen, haken Alumni das Netzwerk rasch als Vertriebskanal ab und wenden sich wieder ab.
Sieben Tipps für Alumni-Relations-Manager
1. Nehmen Sie die Perspektive der Ehemaligen ein
Verlieren Sie niemals die Interessen der Alumni aus den Augen. Informieren Sie sich fortwährend darüber, welche Inhalte und Kommunikationsmöglichkeiten wirklich gewünscht sind. Vermeiden Sie jede Maßnahme, die das Netz in den Augen der Nutzer zu einem Sales-Kanal werden lässt.
2. Schaffen Sie nutzerfreundliche Möglichkeiten der Vernetzung
Es liegt in der Natur der Sache: Effektives Netzwerken ist das Hauptmotiv, das Ehemalige auf Ihre Plattform treibt. Machen Sie es den Alumni so leicht wie möglich, sich mit Mitgliedern zu vernetzen, die ihre Interessen teilen. Dazu gehören auch alle Kollegen, die weiterhin im Unternehmen sind.
3. Sorgen Sie für exklusive Inhalte mit Mehrwert
Je enger Ehemalige mit Ihrem Ökosystem verbunden sind, desto größer ist ihr Interesse an den Entwicklungen ihres alten Arbeitgebers. Stellen Sie den Alumni daher vor allem solche Informationen zur Verfügung, an die sie auf öffentlich zugänglichen Wegen nicht so schnell gelangen.
4. Binden Sie das führende Management ein
Werten Sie die Informations- und Kommunikationsangebote Ihres Netzes auf, indem Sie auch die oberen Führungsebenen regelmäßig aktiv daran teilnehmen lassen.
5. Bringen Sie Ihr Netzwerk mit Veranstaltungen zum Leben
Netzbetreiber wie McKinsey und SAP haben zunehmend Erfolg mit exklusiven Online-Veranstaltungen wie zum Beispiel Webinars. Denken Sie aber auch offline: Bieten Sie Ihrer Community regelmäßig Gelegenheiten, sich auch im richtigen Leben zu treffen.
6. Ergänzen Sie das globale Netzwerk durch regionale Angebote
Think global, act local: Alumni-Vorreiter wie zum Beispiel die Citigroup werten ihr weltweit erreichbares Hauptnetzwerk durch regionale, zum Teil sogar länderspezifische Angebote auf.
7. Prüfen Sie den Einsatz von Standardsoftware
Es gibt bereits eine Reihe von Softwarelösungen, womit Sie kostengünstig eigene Netzwerke aufbauen können. Auf dem noch recht jungen Markt zählen neben EnterpriseJungle die US-Firmen Conenza und IntraWorlds zu den bekanntesten Anbietern.
Ähnlich wie im Kundenbeziehungsmanagement
Nach Abschluss einer neunmonatigen Betaphase ging das SAP Alumni Network im März 2016 offiziell an den Start. Seither stieg die Zahl seiner Mitglieder von 800 auf über 4000. Dabei halten sich ehemalige und aktuelle Mitarbeiter in etwa die Waage. Als Entwicklungskeim diente ein bereits bestehendes Netzwerk, das Alumni der ersten und zweiten Führungsebene eigenständig auf LinkedIn aufgesetzt hatten und das Mitte 2015 gut 120 Teilnehmer zählte. Unter ihnen Tom Pfister, früher leitender Manager in der deutschen Konzernzentrale, inzwischen CEO des in Philadelphia, USA, ansässigen Kommunikationsdienstleisters Nytro Marketing.
Weltweit gibt Pfister dem Konzept der Alumni Relations große Entwicklungschancen. Angesichts der zahlreichen Erfolgsgeschichten, die firmeneigene Netze in den USA bereits hervorgebracht haben, stehe ihr Durchbruch nun auch in der Alten Welt unmittelbar bevor. Die Marktentwicklung werde ähnlich verlaufen wie schon vor Jahren beim Management der Kunden- und Lieferantenbeziehungen, so Pfister. "Den Austausch mit den Ehemaligen systematisch zu pflegen, trägt ein so großes Nutzenpotenzial in sich, dass man sich einen Verzicht darauf nicht länger wird leisten können, sobald die ersten Wettbewerber durchgestartet sind." Mehr denn je gehe es in der Digitalisierung darum, unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten firmenübergreifend zusammenzubringen. "Im Alumni-Netzwerk habe ich die größte Chance, rasch auf Menschen zu treffen, denen ich vertrauen kann und die meine Sprache sprechen. Als Ehemalige sind wir nun einmal alle durch dieselbe Schule gegangen." Mit diesem Verständnis füreinander falle es deutlich leichter, Business zu machen und die Anforderungen der digitalen Welt möglichst nachhaltig zu lösen.
Mitglieder gewinnen: Offboarding und Mundpropaganda
Zur Vermarktung neuer Netze empfiehlt sich ein zweigleisiges Vorgehen. Um die aktuell ausscheidenden Mitarbeiter zu erreichen, sollte die Einladung ins Alumni-Netz zum festen Bestandteil des Trennungsprozesses (Offboarding) werden. Nicht ganz so leicht ist es, die Ehemaligen aus den zurückliegenden Jahren zu erreichen. Aus Datenschutzgründen besteht kein Zugriff auf die Adressdaten der bereits ausgeschiedenen Mitarbeiter. SAP hat aus der Not eine Tugend gemacht und seine jetzigen Mitarbeiter gebeten, ihre ehemaligen Kollegen einzuladen. Bei dieser direkten Verbindung setzt auch der Anmeldeprozess an: Während der Registrierung gibt der Ehemalige die E-Mail-Adresse eines bestehenden Mitarbeiters an. Letzteren bittet das Netzwerk um Bestätigung, dass er den Registrierenden kennt. Zusätzlich zur Qualitätssicherung birgt dieser Workflow einen weiteren Vorteil. Bereits im Zuge der Anmeldung entstehen erste Kontakte im Netzwerk. Darauf aufbauend ist auch an eine weiterführende, virale Kommunikation gedacht: Unmittelbar aus dem Alumni Network heraus können Neuankömmlinge die Nachricht über ihren Beitritt in ihren bestehenden LinkedIn-Profilen veröffentlichen. (pg)