Das iPhone - auch für CIOs der Hit!

10.01.2008 von Karin Quack
Was IT-Chefinnen und -Chefs im abgelaufenen Jahr für bemerkenswert hielten.

CIOs und IT-Vorstände se-hen die IT mit anderen Augen als Endanwender. Sie betrachten sie vor allem im Hinblick darauf, ob und wie sie den Unternehmenserfolg gewährleistet. Aber manchmal liegen die Einschätzungen gar nicht weit auseinander. So können sich auch hochrangige IT-Profis für ein extrem anwenderfreundliches Stück Technik wie Apples iPhone begeistern - nur klingen ihre Begründungen ein wenig abgeklärter als die euphorisierter Apple-Fans. Neun Fragen stellte die computerwoche den ausgewählten IT-Verantwortlichen, um herauszufinden, wie sie das Jahr 2007 wahrgenommen haben, welche "Tops und Flops" ihnen im Gedächtnis geblieben sind, was sie geärgert und was sie gefreut hat.

Ausgewählte IT-Verantwortliche

n Bernd Hilgenberg, Ressortleiter IT, Fressnapf Tiernahrungs GmbH, erster Preisträger "CIO des Jahres - Mittelstand";

n Michael Kollig, IS-Director für Ost-, Zentral- und Nordeuropa bei der Danone Group, profilierter CIO mit sicherem Urteilsvermögen;

n Werner Scherer, CIO derDöhler Group, aktueller Preisträger in dieser Kategorie;

n Klaus Strumberger, CIO und Prokurist der MLP Finanzdienstleistungen AG, mitverantwortlich, dass MLP 2004 "Anwender des Jahres" wurde.

Welche waren für Sie die herausragenden technischen Neuhei-ten des Jahres 2007?

Strumberger:

Bei der Hardware ragen die Weiterentwicklung vom iPod zum iPhone und die neue Blackberry-Generation heraus. Die weiter voranschreitende Integration und einfache Bedienbarkeit finde ich genial.

Hilgenberg:

Im Bereich Mobility war für mich das iPhone die herausragende technische Neuheit - wegen der Art, wie die Benutzung von IT regelrecht zelebriert wird, ohne mit den neuesten technischen Möglichkeiten zu protzen. Dass sich ein Handy, das noch nicht einmal eine MMS versenden kann, so erfolgreich verkaufen lässt, zeigt, dass Featurismus allein nicht der Schlüssel zum Erfolg ist.

Anders:

Das iPhone von Apple verdeutlicht, wie wichtig die Usability bei der Einführung neuer Technologien ist. Die Funktionalität begeistert trotz offensichtlicher Lücken hinsichtlich GPS, UMTS oder Tastatur zumindest die meisten Nutzer. Kritisch betrachten wir als Einkäufer von Endgeräten und Mobilfunkleistungen natürlich die Beteiligung des Hardwareanbieters Apple an den Umsätzen des Netzanbieters sowie die Beschränkung auf einen einzigen Vertriebspartner in Deutschland.

Kollig:

Wie beim Start des iPhone mit Kommunikation Begeisterung und "Hype" erzeugt wurde, ist schon einzigartig. Ich denke, dass die IT hier noch dazulernen kann, denn gute, zielorientierte Kommunikation über die Fähigkeiten und Erfolge der IT im Anwenderunternehmen ist mehr denn je notwendig.

Abgesehen vom iPhone - welche Technik hat Sie sonst noch zu begeistern vermocht?

Scherer:

In Sachen Software waren das Open-Source-Tools wie OTRS (Helpdesk) und Nagios (System-Management). Die ersten Erfahrungen mit Open-Source-Produkten ermutigen mich zu nächsten Schritten. Bezüglich der Hardware beginne auch ich nun mit der Virtualisierung im Rechenzentrum - nachdem etliche Kollegen außergewöhnlich emotional von ihren diesbezüglichen Erfolgen geschwärmt haben. Und im Bereich Netze/Mobility hat mich GoTo Meeting (Web-Conferencing) überzeugt. Das Nutzen-Aufwand-Verhältnis ist hier enorm.

Anders:

Eine wichtige Softwareneuheit ist die jetzt kostengünstig verfügbare Einbindung von Geodaten mit zugehörigen Rich User Interfaces (Google Earth, MS Virtual Earth) in Geschäftsanwendungen. Und die herausragende Neuerung im Bereich Netze und Mobility sind die enormen Fortschritte in Sachen Mobilfunkbandbreite. Neben GPRS und UMTS sorgen Edge, WLAN und HSDPA allmählich flächendeckend für höhere Übertragungsraten. Der reine Online-Betrieb von Geschäftsanwendungen wird damit zur ernsthaften Option.

Strumberger:

Im kommer- ziellen Softwarebereich war das die Weiterentwicklung von MS-Sharepoint. Es bietet viele neue Funktionen und Einsatzmög-lichkeiten. Im Bereich Netze und Mobilität ist Edge interessant, weil es im Gegensatz zu UMTS eine lückenlose Abdeckung bietet und heute schon in über 70 Ländern verfügbar ist.

Hilgenberg:

Die aktuelle Distribution von Ubuntu ist für mich ein Highlight des Jahres. Sie zeigt, dass Linux als Alternative auf dem Desktop erwachsen geworden ist. In den nächsten Jahren gibt es sicher ein spannendes Rennen zwischen der Linux- und der Windows-Welt, von dem die Anwender in jedem Fall profitieren werden.

Welche Neuerung in Sachen Technik war für Sie der Flop des Jahres?

Strumberger:

Ein Flop mit großem Unterhaltungswert war für mich das Angebot einer be-heizbaren Computertastatur.

Kollig:

Negativ aufgefallen sind die Laptop-Batterien. Die größte Rückrufaktion in der IT-Industrie und der damit verbundene Imageschaden machen deutlich, wie schnell mühsam und teuer aufgebautes Vertrauen in eine Marke wieder zerstört werden kann. Auch für IT-Abteilungen ist dies eine Warnung: Bei allem Fokus auf Kostenvorteile durch Outsourcing oder Offshoring dürfen sie die qualitativen Aspekte nicht vergessen.

Anders:

Im Themenbereich SOA hatte ich mir 2007 größere Fortschritte erhofft. Das Thema wird meines Erachtens noch zu stark auf der rein technischen Seite diskutiert, es ist aber im Ansatz ein fachliches Thema.

Scherer:

Den SAP Solution Manager hatte ich als internes Helpdesk-Tool in Erwägung gezogen. Laut SAP hätte ich aber zusätzlich zum Standard mehrere hunderttausend Euro in Individualsoftware investieren müssen, um wenigstens einen minimalen User-gerechten Funktionsumfang zu erhalten. Der andere "Flop" ist Windows Vista. Das braucht zwar keiner, aber wir werden irgendwann gezwungen sein, darauf umzustellen.

Hilgenberg:

Für mich war das neue Betriebssystem Vista von Microsoft der Flop des Jahres. Das Fehlen von Business-re-levanten Erweiterungen, gepaart mit zusätzlichen Ausgaben für Hardware - solch eine unglückliche Kombination ist für die professionelle IT nicht besonders förderlich. Der vielbeschworene "Wow-Effekt" ist ausge-blieben.

Welche 2007 angekündigte IT-Fusion hat für Sie die größten Chancen?

Anders:

Eine Konsolidierung der BI-Anbieter nährt die Hoffnung, dass die Arbeit an einer internen dispositiven Architektur künftig etwas einfacher wird. Nachweislich großen Erfolg bei Übernahmen von Applikationsanbietern hat Oracle. Wie es IBM gelingt, Cognos in bestehende Lösungsangebote einzugliedern, bleibt abzuwarten. Auf den ersten Blick verspricht die Übernahme von Business Objects durch SAP am meisten Erfolg.

Kollig:

Oracle verfügt über ein erhebliches Maß an Erfahrung mit Unternehmensintegrationen, so dass auch Hyperion sicher schnell ein Teil des Konzerns wird. Welchen strategischen Sinn diese Akquisition hat, entzieht sich allerdings auf den ersten Blick ein wenig, denn Oracle hat auch ohne Hyperion eine gute Position in dem BI-Markt.

Hilgenberg:

Für mich hat die Übernahme von Hyperion durch Oracle die größten Chancen auf Erfolg, denn die Produktpaletten ergäzen sich gut. Wenn Oracle das eigene Portfolio optimal auf die Neuakquisition abstimmt und eine überzeugende Produkt-integration vornimmt, sehe ich hier eine große Chance.

Strumberger:

Die Übernahme von Business Objects durch SAP hat die größte Zukunftschance, weil SAP damit sein Produktportfolio hervorragend komplettiert und seine Marktposition weiter ausbaut. Es bleibt nur zu hoffen, dass man hiervon auch über die normale Wartungsgebühr hinreichend profitiert.

Und welche angekündigten Fusionen werden voraussichtlich scheitern?

Scherer:

Dass Oracle mit all seinen Zukäufen scheitern wird, glaube ich zwar nicht. Aber ich habe die technische Strategie noch nicht verstanden. Eine Datenbank allein integriert doch noch keine Geschäftsprozesse. SAP ist diesbezüglich mit Enterprise SOA (ESOA) schon einige Schritte weiter.

Kollig:

Nachweislich verfügt SAP über keine nennenswerte Erfahrung in der Integration von großen Zukäufen, so dass die Übernahme von Business Objects sicher ein harter Brocken mit einem erheblichen Risiko ist. Inwieweit die SAP-eigene BI-Mannschaft über diesen Zukauf begeistert ist, bleibt auch noch abzuwarten. Zudem dürften die kulturellen Unterschiede zwischen Business Objects und SAP erheblich sein. Daher denke ich, dass diese Hochzeit sicher schwierig wird.

Hilgenberg:

Die Gerüchteküche brodelt. Mircosoft plane eine Fusion mit Yahoo, um sich gegen Google zu behaupten, so heißt es. Dieser Vorstoß - wenn er denn zu-stande kommen sollte - erfolgt zu spät. Microsoft hat sich zu lange auf dem Geschäft mit Betriebssystemen und Office-Paketen ausgeruht, also Google das Internet-Feld bereitwillig überlassen.

Welche Äußerung aus dem Umfeld der IT-Wirtschaft hat Sie in diesem Jahr geärgert?

Kollig:

"Work hard, win big, have fun" von Klaus Kleinfeld, Siemens. An und für sich kein schlechtes Motto, aber ein brillantes Beispiel dafür, dass auch das beste Motto zur falschen Zeit desaströse Auswirkungen haben kann. Gerade als Topmanager darf man nicht das Gefühl für die Stimmung in der Mannschaft verlieren.

Scherer:

Verwundert hat mich, wie naiv SAP versucht, den Mittelstand zu erobern. Radiowerbung für betriebliche Software befremdet mich doch sehr. Ein Mittelstandsunternehmen ist in seinen Abläufen oft ebenso komplex wie ein Großunternehmen. Allerdings haben Mittelständler nicht die Ressourcen, die SAP vom Kunden erwartet.

Anders:

Geärgert habe ich mich über die Schwierigkeiten, die wir als Finanzdienstleister mit der Umsetzung der VVG-Reform (Versicherungsvertragsgesetz, Anm. d. Red.) hatten - bedingt durch die sehr späte Verabschiedung im Bundestag und Bundesrat.

Über welches Buzzword haben Sie sich in diesem Jahr amüsiert oder geärgert?

Strumberger:

Am meisten hat mich der Begriff "Nahtstellen" amüsiert, da man das Wort Schnittstelle wegen Schnitt als negativ einstuft.

Anders:

Wörter, die aus dem angelsächsischen Raum stammen und im Deutschen als Verben gebraucht werden, amüsieren mich immer wieder. In diesem Jahr ist mir der Begriff "Podcasting" besonders aufgefallen. Weniger ein ärgerliches Wort als vielmehr eine Entwicklung, der ich zunehmend kritisch gegenüber stehe, ist "Ubiquitous Computing". Da stellt sich die Frage, ob und wie der Anwender die für ihn relevanten Informationen aus der Informationsflut selektieren und verarbeiten kann beziehungsweise soll.

Hilgenberg:

Amüsiert habe ich mich über die Begriffe Web 2.0 und SOA. Es war erstaunlich, wie weit die Interpretationen hier auseinandergingen und wie unterschiedlich diese Begriffe in den Diskussionen eingesetzt wurden. Letztendlich hat die IT wieder einmal bewiesen, dass sie in der Produktion von schnell vergänglichen Wortschöpfungen eine unrühmliche Führungsrolle einnimmt.

Scherer:

Mit dem Schlagwort SOA werden wieder einmal über unausgereifte Technik auf hintergründige Art und Weise altbekannte Themen wie Business-Process-Reengineering, Standardisierung und Stammdaten-Management verkauft.

Kollig:

Ich habe mich über "Social Networking" geärgert. Denn nichts ist weniger "sozial", als einen Großteil der verfügbaren Zeit damit zu verbringen, vor einem Computer irgendwelchen Phantasien nachzujagen, statt sich in realer Interaktion mit wirklichen Personen zu engagieren.

Worüber haben Sie sich in Ihrem beruflichen Umfeld am meisten gefreut?

Scherer:

Keine Frage. Die größte Freude war für mich, CIO des Jahres zu werden!

Strumberger:

Über die anhaltend sehr gute Zusammenarbeit und den Teamgeist meiner Mitarbeiter und darüber, dass wir dadurch alle unsere wichtigen Projekte umsetzen konnten.

Anders:

Sehr gefreut habe ich mich beispielsweise darüber, dass beim Rückblick auf die zehnjährige Geschichte der Ergo Versicherungsgruppe die Rolle der IT für die Unternehmensbildung, also die Funktion als Business-Enabler, an vielen Stellen gewürdigt wurde.

Hilgenberg:

Es freut mich ungemein, wenn wir in der IT als Business-Partner auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Dass beispielsweise Vertrieb und Marketing vor der Implementierung neuer Ideen die IT zu Rate ziehen, zeigt mir, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.

Welche ist Ihregrößte Herausforderung für das kommende Jahr?

Anders:

Nach der Konsolidierung der Ergo steht für das Business eindeutig der Versicherungskunde im Mittelpunkt. Die größte Herausforderung für die IT ist daher die Umgestaltung von den umfangreichen Konsolidierungsprojekten hin zu kleineren, flexiblen Projekten. Hierfür gilt es, auch unsere Kultur zu verändern.

Hilgenberg:

Das Management konkurrierender Anforderungen wird eine der größten Heraus-forderungen. Zudem ist die fortschreitende Internationalisierung ein großer Komplexitätstreiber in der IT. Es gilt, in anspruchsvol-len internationalen Projekten virtuelle Teams zu führen und kulturelle Unterschiede zu integrieren.

Scherer:

Die größte Herausforderung in den nächsten zwölf Monaten ist für mich die grundlegende Reorganisation unserer Supply Chain.

Kollig:

Wir werden 2008 unsere globale SAP-Plattform auf den neuesten Release-Stand bringen. Dass wir auch im kommenden Jahr den Anforderungen einer dynamischen Geschäftsentwicklung gerecht werden müssen, versteht sich von selbst. Dazu müssen wir uns intern in den Prozessen Demand- und Portfolio-Management sicher noch verbessern.

Strumberger:

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Daher ist für mich die größte Herausforderung im nächsten Jahr, die bisherigen Erfolge auszubauen. Einen entscheidenden Faktor stellt für mich deshalb auch die Investition in die Organisationsentwicklung der MLP-IT dar.