IT-Orakel

Das erwarten die Analysten für 2010 - Part 2

31.12.2009 von Martin Bayer
Die Krise wird den IT-Markt auch im kommenden Jahr auf Trab halten. Lesen Sie im zweiten Teil, was die Experten über die Zukunft der neuen IT-Giganten und die Erfolgsaussichten von Windows 7 sagen.

Im zweiten Teil des großen Analysten-Orakels für 2010 lesen Sie, was die Experten über die Entwicklung mobiler Plattformen denken, welche Erfolgsaussichten die großen IT-Konglomerate haben und ob es Microsoft gelingt, mit Windows 7 wieder an alte Erfolge anzuknüpfen.

Zukunft der mobilen Plattformen?

Frage: Wie wir das das Kräfteverhältnis zwischen den unterschiedlichen Handy- /Smartphone-Plattformen (Apple, Android, Windows, Symbian, Palm) in einem Jahr aussehen?

Foto: Forrester Research

Ian Fogg (Forrester): Der Markt für Smartphones wird 2010 fragmentiert bleiben, ohne klare Gewinner. Alle Geräte werden smart und Internet-fähig, sogar die "dummen" Feature-Phones. Dadurch wird die Verwirrung bei den Verbrauchern zunehmen, da es schwieriger wird, zwischen smarten und nicht-smarten Geräten zu unterscheiden. Die Hersteller von Smartphones werden zunehmend ihren Internet-Anbieter verwenden, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Verbraucher werden also nach einem iPhone, einem Windows-Phone oder einem Google-Phone verlangen, und nicht nach einem Smartphone. Microsoft wird Windows 7 Mobile erfolgreich starten und damit Marktanteile zurück erobern. Apple wird zu einer immer größeren Bedrohung für traditionelle Handyhersteller wie Nokia, Samsung und LG werden, wenn es auf eine multi-phone Handset-Strategie umsteigt. RiMs Blackberry wird seine Stellung im Markt für Geschäftskunden ausbauen, anstatt sich mit den neusten Smartphones für Consumer zu messen. Symbian wird ein Übergangsjahr erleben, in dem das Open-Source-Modell in Kraft tritt. Palm wird es aufgrund seiner eingeschränkten Ressourcen schwer haben, falls sich der Hersteller nicht mit einem größeren Partner zusammentut oder übernommen wird.

Foto: Techconsult

Frank Heuer (Techconsult): Android wird weiter Marktanteile gewinnen, in etwas geringerem Umfang auch iPhone OS, auf niedrigem Niveau darüber hinaus webOS von Palm. Die Zuwächse dieser Plattformen werden vor allem auf Kosten des Marktanteils von Symbian gehen. Weltweite Marktanteile Ende 2010: Symbian 45 Prozent, RIM OS 16 Prozent, iPhone OS 12 Prozent, Windows Mobile 11,5 Prozent, Android 7 Prozent, Sonstige 8,5 Prozent.

Dan Bieler (IDC): Smartphones sind ganz klar das Wachstumssegment im Markt für Mobile Devices. Apple's iPhone bleibt weiterhin ein Favorit bei Konsumenten, aber auch immer mehr im Geschäftskundensegment. Daher wird Apple OS zweifellos immer wichtiger werden - nicht zuletzt auch deshalb, weil Softwarefirmen wie Sybase mittlerweile das iPhone als Business-Phone unterstützen. Auch Android wird an Bedeutung gewinnen, da immer mehr Android-fähige Geräte auf den Markt kommen.

Foto: Gartner

Carolina Milanesi (Gartner): Der Wettbewerb im Markt für mobile Plattformen wird sich 2010 weiter verschärfen. Allerdings geht es dabei für die Anbieter nicht um die Plattform an sich. Der entscheidende Schlüssel für den Erfolg oder Misserfolg wird sein, ob es gelingt, ein funktionierendes Ökosystem rund um die eigene Plattform aufzubauen. Usability, Applikationen und Services müssen zusammenpassen, um die Anwender von einer Plattform zu überzeugen. Symbian wird auch 2010 das dominierende System bleiben. Allerdings wird die Popularität von Android weiter wachsen je mehr Geräte mit dieser Plattform herauskommen.

Francisco Jeronimo (IDC): Der größte Trend im Markt für mobile Endgeräte wird der Wechsel vieler Nutzer vom klassischen Mobiltelefon hin zum Smartphone sein. Dieser Bereich ist das am schnellsten wachsende Segment in diesem Markt. Neben den herkömmlichen Handy-Anwendungen wollen die Anwender immer mehr mobil im Internet surfen, um dort beispielsweise online ihre sozialen Netzwerke zu pflegen. Da sich diese Services mit Smartphones besser nutzen lassen, werden immer mehr Kunden diese Geräte kaufen. Vor allem Apples iPhone hat diese Lawine losgetreten und die Anbieter haben schnell gemerkt, dass sich mit den zusätzlichen Services mehr Geld pro User holen lässt. Die Finanzkrise hat sich zwar auch in diesem Markt bemerkbar gemacht, allerdings gilt für die meisten mobile Kommunikation als Grundbedürfnis. Daher haben viele User 2009 zwar die Neuanschaffung eines neuen Mobilgeräts erst einmal verschoben, aber nicht an den laufenden mobilen Services gespart. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sich 2010 viele Nutzer ein Smartphone anschaffen werden, auch weil die Preise für diese Gerätekategorie weiter fallen werden. "Symbian" wird auch 2010 das führende Betriebssystem bleiben, allerdings geht der Marktanteil von 53 auf 47 Prozent zurück. Apple wird seinen Anteil von 18 Prozent halten. Die Serviceanbieter sehen das proprietäre System zunehmend als Bedrohung, weil es sie daran hindert, eigene Dienste zu verkaufen. Auch RIM stagniert im kommenden Jahr bei etwa 15 Prozent. Microsoft wird seinen Anteil nicht nennenswert steigern können, bis die neue Plattform "Windows Mobile 7" herauskommt. "WebOS" von Palm und Linux werden etwa auf jeweils ein Prozent kommen. Der große Gewinner im Plattformbereich ist 2010 "Android". Das System wird seinen Marktanteil von vier auf acht Prozent verdoppeln können. Viele Hersteller unterstützen die Plattform und werden im kommenden Jahr eine Reihe neuer Android-Geräte herausbringen.

Welche IT-Giganten setzen sich durch?

Frage: Welche IT-Konglomerate haben neben IBM und Hewlett-Packard wirklich das Zeug zum IT-Giganten: Oracle/Sun, Cisco/EMC, Dell/Perot, Fujitsu oder andere?

Foto: PAC

Stephan Kaiser (PAC): Am ehesten Oracle/Sun, weil Oracle durch die große und etablierte Softwaresparte am wenigsten austauschbar ist und das breiteste Angebot von der Technologie bis hin zur Anwendung hat. Außerdem ist und bleibt Oracle der Integrationskünstler schlechthin. Allerdings dürfte das "Brot- und Buttergeschäft" mit Datenbanksoftware nicht leichter werden: Neben einigen wenigen Wettbewerbern, insbesondere IBM und Microsoft, werden neue Geschäftsmodelle wie beispielsweise Open Source und SaaS die Softwarewelt der Zukunft beeinflussen. Microsoft hat eine ähnlich breite Position, stärker im Technologieumfeld, weniger ausgeprägt bei Geschäftsanwendungen. Auch Microsoft muss sich um seine Cash Cows (Windows und Office) Sorgen machen und wird sicher weitere Segmente angreifen. Letztendlich darf man auch Fujitsu nicht unterschätzen.

Foto: Forrester Research

Pascal Matzke (Forrester): Alle großen Produktanbieter suchen derzeit ihr Heil im Servicegeschäft. IBM hat hierfür schon vor Jahren mit der Akquisition von Pricewaterhouse Coopers den Weg gewiesen, weitere Übernahmen in diesem Jahr haben den Trend weiter verstärkt. Dahinter steht die Erwartung der Anbieter, sich durch ein breiteres Lösungs- und Serviceangebot als strategischer Partner des Kunden zu positionieren, sowie den Preis- und Margenverfall im Produktsegment durch höhere Serviceumsätze und Gewinnspannen abzufedern. Langfristig ist allerdings die Bandbreite des eigenen Portfolios nicht allein für den Erfolg ausschlaggebend. Vielmehr werden solche Anbieter auf lange Sicht profitieren, die zusätzlich auch die Produkte von Technologiepartnern in ihr Portfolio integrieren und für den Kunden aggregieren können. Die Frage ist also nicht, welcher IT-Gigant langfristig dominieren wird, sondern welche Partnerlandschaft sich im Kontext von Multisourcing als am schlagkräftigsten erweisen wird. Derzeit verfügen IBM, HP, Microsoft und auch Cisco über die besten Allianzstrukturen. Es bleibt abzuwarten, ob Anbieter wie Google oder Salesforce es schaffen werden, ihre Softwareplattformen zu Allianzplattformen weiterzuentwickeln, und so den genannten Platzhirschen das Leben weiter zu erschweren.

Foto: Experton Group

Andreas Zilch (Experton Group): IBM ist sicher aktuell "gesetzt" und hat in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht. HP hat durch die Akquisition von EDS im sehr wichtigen Servicebereich aktuell massive Probleme, die schnellstens überwunden werden müssen. Am viel versprechendsten von den neuen "Konglomeraten" sieht sicher Cisco/EMC/VMware aus, da sich mit dieser Kombination viele aktuelle Herausforderungen im Datacenter mit einem neuen Konzept adressieren lassen. Allerdings sind wir sehr skeptisch, ob das Konzept der "vertikalen Integration" bei gleichzeitiger "Offenheit" für andere Komponenten tatsächlich funktioniert, da es zum Teil gegensätzliche Zielrichtungen verfolgt: Wenn das Zusammenspiel bestimmter Komponenten optimiert wird, ergeben sich zwangsläufig starre Strukturen, die weniger geeignet für das Zusammenspiel mit beliebigen anderen Komponenten sind. Den Aufkauf von Perot Systems sehen wir aktuell als wenig Erfolg versprechenden Versuch von Dell, sein Servicegeschäft auszubauen und ein entsprechendes Angebot für immer komplexer werdende Datacenter anzukurbeln. Aufkäufe von Service-Providern durch Produktanbieter waren bisher wenig erfolgreich - wir lassen uns aber auch gerne vom Gegenteil überzeugen.

Wer wird gekauft?

Frage: Welche IT-Anbieter (Spezialisten) könnten als potenzielle Übernahmekandidaten im nächsten Jahr von der Bildfläche verschwinden?

Foto: PAC

Stephan Kaiser (PAC): Zunächst einmal mittelgroße bis große Anbieter, also Firmen mit 500 Mitarbeitern und mehr, die es bisher nicht oder kaum geschafft haben, international zu agieren. Davon gibt es in jedem Land - nicht zuletzt in den USA - immer noch viele. ACS und Perot waren sicher die prominentesten Beispiele in diesem Jahr. Nischenanbieter, die sich auf eine Branche, ein Thema oder eine Technologie fokussieren, haben oft bessere Entwicklungsmöglichkeiten, werden aber für die globalen Marktführer zunehmend als interessante Übernahmeobjekte gesehen, um schneller neue Märkte zu erschließen.

Foto: Forrester

Thomas Mendel (Forrester): Es wird sicher auch in 2010 wieder Übernahmen von kleineren Technologie-Anbietern geben, um das Portfolio größerer Firmen zu vervollständigen. Genauso wird es in reifen Märkten weiterhin zu Konsolidierungen etablierter Unternehmen kommen. Nur wenige Firmen wie die Software AG schützen sich durch eine Stiftungskonstellation gegen Übernahmen, während die meisten immer mit aggressiven Übernahmeattacken rechnen müssen. Der Cloud Computing-Trend vermischt derzeit die Softwareindustrie mit der Services-Industrie. In Deutschland könnte es also durchaus sein, dass T-Systems oder Siemens IT Solutions (SIS) Softwarehersteller kaufen oder enge Allianzen bilden, um komplette Anwendungen in der Cloud anbieten zu können. International gehen wir davon aus, dass BMC Software und Quest Software ganz oben auf der Liste der potenziellen Übernahmekandidaten stehen.

Foto: Experton Group

Andreas Zilch (Experton Group): Sehr viele - in den unterschiedlichsten Bereichen. 2010 wird sicher wieder ein starkes Jahr in Sachen Merger & Acquisitions (M&A) in der internationalen IT-Branche. Es gibt klare Kandidaten zum Beispiel im Softwarebereich, bei Netzwerken und Storage. Experton Group hat intern eine Bewertung von Übernahmekandidaten insbesondere für Risiko-Aussagen gegenüber Anwendern, unsere neutrale Position verbietet aber eine Veröffentlichung, da schon dadurch den "Kandidaten" geschadet werden könnte.

Rüdiger Spies (IDC): Kein Kommentar, um nicht vorzeitigen Einfluss auf die Existenz der potentiell bedrohten Unternehmen zu nehmen.

Was wird aus Windows 7?

Frage: Schafft Microsoft den Befreiungsschlag mit Windows 7?

Christophe Chalons (PAC): Windows 7 wurde generell von allen Marktteilnehmern und -beobachtern deutlich besser angenommen als Vista. Damit, und nicht zuletzt gerade weil viele Kunden den Schritt zu Vista nicht getan haben, kann Microsoft auf substanzielle Erfolge hoffen. Jedoch leidet der Markt immer noch unter der Wirtschaftskrise. Darüber hinaus sind die Anwenderunternehmen vorsichtiger geworden: Keiner will das Versuchskaninchen spielen, lieber wartet man auf den ersten Patch. Letztendlich prägen Konzepte wie Virtualisierung (auf Server- wie auf Client-Ebene) und Cloud mehr und mehr die Plattformstrategie der Anwenderunternehmen.

Foto: Forrester Research

Daniel Kraus (Forrester): Hasta la Vista, Windows! Nach mehr als zwei Jahren der Bestrebungen, Windows Vista noch zum Erfolg zu verhelfen, haben sich nicht nur die Kunden, sondern sicherlich auch die Mannschaft bei Microsoft nach der Einführung von Windows 7 gesehnt. Derzeit dominiert XP nach wie vor die Betriebssystem-Landschaft mit zirka 80 Prozent bei Geschäftskunden, Vista nutzen dagegen gerade mal zwölf Prozent. Diese Zurückhaltung wird jedoch in eine schnellere Adoption von Windows 7 umschlagen. Neuesten Zahlen zufolge planen zwei Drittel aller Unternehmen eine Migration auf Windows 7, das somit innerhalb der nächsten zwölf Monate der neue Standard werden dürfte. Gute Nachrichten also für Microsoft, das in seinem Kerngeschäft wieder zur alten Größe gelangen kann. Wie der Vista-Tiefschlag aber gezeigt hat, sollte sich Microsoft darauf nicht ausruhen.

Rüdiger Spies (IDC): Microsoft ist mit Windows 7 ein großer Schritt vorwärts gelungen. Es gibt praktisch keine Kritik an der neuen Betriebssystemversion. Allerdings gestaltet sich der Umstieg von XP aufwändig und verlangsamt die Migration der Unternehmen auf Win 7. Office 2010 wird der nächste große Prüfstein für Microsoft im kommenden Jahr. Der Druck durch Mitbewerber wie Google mit Android und Chrom OS, Oracle, IBM sowie die Open-Source-Angebote bleibt bestehen. Dem kann Microsoft auch nicht durch eine neue Betriebssystem-Version ausweichen.

Foto: Microsoft

Andreas Klein (Techconsult): Microsoft hat in der Tat Imageeinbußen durch das oft kritisierte Vista Betriebssystem hinnehmen müssen. Ob die Kritik immer gerechtfertigt war oder nicht, sei dahingestellt. Mit Windows 7 hat Microsoft auf seine Kunden gehört und weitere Innovationen einfließen lassen. Ob Windows 7 aber jemals einen derart hohen Stellenwert beim Anwender bekommen wird, wie ihn Windows XP heute noch hat, ist aufgrund zunehmend dynamischer Marktanforderungen eher fraglich. Unter Umständen könnte Windows 7 für Microsoft das letzte Desktop-Betriebssystem sein, das in die gleiche Kerbe wie Windows XP schlägt, vorausgesetzt, der Desktop-Virtualisierungs-Hype flacht ab und die grundsätzliche Notwendigkeit eines mächtigen Betriebssystems bleibt in der aktuellen Form noch ein paar Jahre bestehen.

Foto: Experton Group

Andreas Zilch (Experton Group): Investitionen in Client-Rollouts mit Vista wurden spätestens mit den ersten Tests von Windows 7 gestoppt. Das hat die vor allem die Hersteller von Client-Hardware hart getroffen. Für Microsoft wurde der negative Effekt etwas abgefedert, da viele Unternehmen Enterprise Agreements mit Software Assurance abgeschlossen haben und damit quasi "automatisch" Vista erworben hatten. Trotzdem ist das Deployment von Win 7 gerade jetzt für Microsoft erfolgskritisch, da weitere Applikationen darauf aufbauen. Unternehmen, die meist von XP auf das neue Release umsteigen, sollten sich möglichst umfassend auf die Migration vorbereiten und den Rollout dann schnell durchziehen. Einige Unternehmen werden den Rollout schon in 2010 beginnen, die Mehrheit aber das Jahr für die Vorbereitung brauchen. Es liegt an den Anbietern, die Anwender-Unternehmen massiv bei der Vorbereitung insbesondere beim Applikations-Testing zu unterstützen, nur so kann schon in 2010 ein größeres Investment ausgelöst werden.

Foto: Gartner

Annette Jump (Gartner): Auch wenn Windows Vista wenig erfolgreich war und viele Anwender das System links liegen gelassen haben - Unternehmen können Windows XP nicht ewig betreiben. Die Einschätzungen zu Windows 7 gehen weit auseinander: das reicht vom Major Windows-Release bis hin zum Service Pack für Vista. Aber egal, was es nun ist: Man darf Windows 7 nicht übersehen. Das neue Betriebssystem bietet eine ganze Reihe von Optimierungsmöglichkeiten, raffinierten Veränderungen und neuen Funktionen. Viele Unternehmen werden auf Windows 7 wechseln müssen. Schließlich läuft bei den meisten Firmen ein Großteil der verwendeten Applikationen unter Windows. Diese zu ersetzen, wäre mit zu hohen Kosten verbunden. Allerdings sollten die Firmenverantwortlichen in Zukunft grundsätzlich stärker darauf achten, ihre Abhängigkeit von einem Betriebssystem zu reduzieren und Anwendungen zu bevorzugen, die mehr Optionen bieten. Ein Faktor, der die Verbreitung von Windows 7 beschleunigen wird, ist das Auslaufen des Supports für Windows XP. Bis April 2014 wird Microsoft Security-Fixes ausliefern, die Unterstützung der Independent Software Vendors (ISVs) wird vermutlich früher enden. Unternehmen sollten daher eher konservativ planen und zusehen, dass sie sich bis spätestens 2012 von Windows XP verabschiedet haben. Für Microsoft wird es darauf ankommen, mit dem neuen System einen guten Start hinzulegen, um für ein gewisses Momentum im Markt zu sorgen und damit die Probleme rund um die Windows-Familie hinter sich zu lassen.

Hält der Höhenflug der Netbooks im nächsten Jahr an?

Tom Meyer (IDC): Der rasante Anstieg von Netbooks wird auch im nächsten Jahr anhalten. Es werden immer mehr Use-Scenarios für verschiedene Geschäftsbereiche zu beobachten sein. Allerdings bleibt der Consumer die vorrangige Zielgruppe. Und darum gibt es an dieser eine Einschränkung: die Abhängigkeit der Netbooks von der Gesundheit des Consumer-Markts - also von Faktoren wie beispielsweise dem Sparverhalten und der Entwicklung bei der Arbeitslosigkeit.

Foto: Forrester Research

Paul Jackson (Forrester): Der Erfolg von Geräten, die zwischen Handys und vollwertigen Laptops liegen, wird anhalten. Dank ihres dünnen und leichten Charakters sind Netbooks eine interessante Alternative im PC-Ökosystem. Jedoch werden sie Laptops nicht ersetzen können, da die europäischen Verbraucher Netbooks vor allem als Ergänzung zu traditionellen Geräten betrachten. Die Hersteller werden 2010 also eine neue Welle innovativer und leistungsstarker Netbooks auf den Markt werfen, wenngleich der Begriff "Netbook" selbst verschwinden dürfte, da die Verbraucher ihn mit negativen Eigenschaften wie billig oder klein in Verbindung bringen.

Rüdiger Spies (IDC): Ja der Boom wird anhalten. Darüber hinaus werden wir im kommenden Jahr eine ganze Reihe weiterer Devices sehen, die die Lücke zwischen Notebook-Computern und einfachen Mobiltelefonen schließen werden. Es wird praktisch zu einem Kontinuum von "Smart Devices" kommen, die sich gegenseitig ergänzen oder auch nebeneinander genutzt werden.

Foto: Experton Group

Andreas Zilch (Experton Group): Sicher sind hohe Wachstumsraten auf der derzeit noch relativ niedrigen Basis zu erwarten. Die Netbooks etablieren sich als "eigener" Formfaktor, allerdings kommt das Hauptwachstum aus dem B2C-Bereich. Das Verhältnis B2C zu B2B beträgt etwa 75 zu 25 Prozent und das wird in den nächsten Jahren auch so bleiben.

Verstopfen unsere Breitbandnetze?

Frage: Werden die Breitbandnetze angesichts der wachsenden Video-Flut bald an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen?

Foto: Forrester Research

Ian Fogg (Forrester): Die größte Herausforderung für die Breitband-Festnetze ist nicht die Technik, sondern das Geschäftsmodell. Die Verbraucher schauen immer mehr Internet-Videos an. Falls sich daraus Gewinne für die Provider ergeben, werden diese Firmen in die Netzkapazität investieren, und es wird keine qualitätsmindernde Überlastung eintreten. Falls die ISPs allerdings keine ausreichenden Einkünfte erzielen sollten, könnte die Überlastung ein Problem werden und Verbraucher an die Grenze ihrer Breitbandverbindung stoßen. Jedoch wird es bei mobilen Breitbandverbindungen, bei denen Nutzer das Netz ihres Handys verwenden, um mit dem Laptop zu surfen, zu immer größeren Kapazitätsproblemen aufgrund der Wireless-Technik kommen.

Dan Bieler (IDC): Es wäre falsch zu behaupten, dass die Breitbandnetze per se an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Die wirklichen Engpässe sind die letzte Meile im Festnetzbereich und das mobile Internet. Video und IPTV werden daher auch schwerpunktmäßig dort gepuscht, wo die Kapazitäten verfügbar sind, wie zum Beispiel bei IPTV-Angeboten der Telekom-Firmen oder bei gemanagten Video-Conferencing-Lösungen für Geschäftskunden. YouTube-typische Anwendungen auf dem PC oder dem Mobile Handset werden vorerst "best effort" bleiben.

Foto: Steve Janata

Steve Janata (Experton Group): Wie schon in der Vergangenheit werden auch in den nächsten fünf Jahren keine signifikanten Kapazitätsprobleme auf uns zukommen - trotz des hohen Video- und Musikanteils am Internet-Traffic. Moderne Content-Delivery-Networks (CDN) leiten den Traffic auf kürzeren Wegen durch das Netz und optimieren somit Bandbreitennutzung und Quality-of-Service für den Nutzer. Derzeit wird schon ein Großteil des Video-, Music- und Premium-Contents über CDN ausgeliefert. Die Investitionsaktivitäten seitens der Telefonkonzerne, Venture Capitalists und Cloud Anbietern (Amazon) werden CDN zu einem zentralen Thema der kommenden Jahre machen - speziell da CDN-Infrastruktruren maßgeblich in die zukünftigen Geschäftsmodelle "Paid Content" und "Werbung" integiert sein werden. Sämtliche große Telcos und andere Player kaufen entweder CDN-Anbieter, vereinbaren Partnerschaften (DTAG, Telefonica) mit ihnen, oder lizenzieren deren Technik. Ohne diese CDNs wird in Zukunft nichts mehr laufen, da die Content-Besitzer und Werbetreibenden nur zahlen werden, wenn die Performance stimmt. Herkömmliche Netze allein würden der Datenflut nicht Herr werden.

Foto: Gartner

Fernando Elizalde (Gartner): Wenn wir nur 2010 betrachten, sind die Netzanbieter in einer guten Position, die Bandbreiten-Ansprüche erfüllen zu können. Die meisten Anbieter haben ihre Netze mit aktueller Technik aufgerüstet beziehungsweise sind momentan dabei, dies zu tun. Die Telcos bewegen sich in Richtung VDSL- und FTTH-Techniken, während sich die Kabelanbieter mit DOCSIS 3.0 beschäftigen und bereits Services mit 100 Mbps anbieten. Die Verfügbarkeit schneller Breitbandservices wird auch 2010 weiter anwachsen. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass vor 2015 ein Massenmarkt für die Highspeed-Services entstehen wird, da die Nachfrage für diese Angebote erst ab 2012 stärker anziehen wird. Allerdings wird die digitale Spaltung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten größer werden.

Was wird aus LTE?

Frage: Wird LTE im kommenden Jahr als neuer Mobilfunkstandard ins Rollen kommen?

Foto: Forrester Research

Ian Fogg (Forrester): Die als LTE oder "Long Term Evolution" bezeichnete 4G-Drahtlostechnologie heißt nicht umsonst so. LTE braucht neue Radiofrequenzen, neue Handsets oder PC-Modems, neue Netzwerk-Basisstationen sowie weitere Infrastruktur. Es wird eine Zeit dauern, diese bereitzustellen, und es wird noch länger dauern, bis die Verbraucher diese Technik in großer Zahl verwenden werden. Folglich wird LTE erst in einigen Jahren zu einem Mainstream-Kommunikationssystem werden. In näherer Zukunft werden dagegen hauptsächlich 3G-Netze verwendet werden. Weitere 3G-Updates werden die Spitzengeschwindigkeit auf bis zu 21 Mbps erhöhen, wenngleich die Gesamtkapazität weiterhin problematisch sein wird. Vor allem wird es bei 3G einen weitaus größeren Unterschied zwischen möglicher Spitzengeschwindigkeit und tatsächlicher Leistung geben, als dies bei Festnetzverbindungen der Fall ist.

Foto: Techconsult

Frank Heuer (Techconsult): Deutschland gehört zu den wenigen europäischen Ländern, in denen sich die beiden führenden Mobilfunk-Carrier bereits für LTE (anstelle der Zwischentechnologie HSPA+) entschieden haben. Hierzulande stellt sich die besondere Situation dar, dass die Bundesregierung mit dem Konjunkturpaket II die flächendeckende Breitbandversorgung bis Ende 2010 anstrebt. Die bisherigen White Spots im ländlichen Raum können effizient mit LTE versorgt werden, hierzu hat sich zum Beispiel Vodafone schon bekannt. Der LTE-Ausbau wird 2010 also zunächst in den White Spots stattfinden - allerdings erst ab der zweiten Jahreshälfte, denn die Versteigerung der zugrunde liegenden ehemaligen TV-Frequenzen ("Digitale Dividende") soll erst im zweiten Quartal 2010 passieren.

Dan Bieler (IDC): LTE wird ab 2010 graduell ins Rollen kommen. Aber die neue Technik wird stufenweise in den Markt eintreten und nicht revolutionär. Anbieter wie Nokia Siemens Networks (NSN), Qualcomm, Huawei oder Ericsson haben alle bereits LTE-fähige Angebote wie Dongles, Transmitters und Handsets entwickelt. Allerdings werden die Mobilfunkanbieter LTE nur stufenweise dort einführen wo sie auch Nachfrage für hohe Bandbreiten verzeichnen. Für eine ganze Weile wird LTE daher eine parallele Technologie neben anderen sein. LTE wird bestimmt helfen, dass die Standardisierung von Sprache mit der neuen Technik vorankommt.