SharePoint, Alfresco, Oracle Beehive, Lotus Quickr

Collaboration-Software im Vergleich

18.06.2009 von Damian Amherd und Steffen Engeser
Bei der Wahl einer Collaboration-Lösung sollten Firmen genau hinschauen, denn die Angebote offenbaren erhebliche funktionale Unterschiede, was sich zum Beispiel an den Teamfunktionen ziegt.

Abgesehen von den Systemvoraussetzungen sollten Unternehmen bei der Produktauswahl insbesondere die Teamfunktionen heutiger Collaboration-Lösungen eingehend vergleichen. Diese umfassen die Aspekte Kommunikation und Koordination (E-Mail, Instant Messaging, Kalenderverwaltung und Projekt-Management), Kooperation (Desktop-Sharing oder Online-Whiteboards), Dokumenten-Management sowie Information Sharing (Wikis, Blogs, Diskussionsforen etc.).Mehr zum Thema Collaboration finden Sie hier.

Wie die Praxis zeigt, können die zum Teil noch relativ jungen Produkte diese Aufgabengebiete bei weitem nicht immer gleich gut abdecken. Nachfolgend seien einige Eindrücke zusammengestellt, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben:

Microsoft Office SharePoint Server 2007

Das Serverprodukt, kurz MOSS 2007 genannt, integriert sich nahtlos in vorhandene Microsoft-Landschaften und stellt laut Hersteller ein Komplettpaket für den Austausch von Informationen, die Zusammenarbeit von Gruppen und Teams sowie der Steuerung von Prozessen zur Verfügung (künftig wird übrigend aus MOSS der Microsoft SharePoint Server). Autoren überprüfen und veröffentlichen Dokumente, erfassen und teilen Wissen und wickeln ihre tägliche Arbeit prozessgesteuert durch Workflows ab.

Blick in den Workspace des MOSS.
Foto: namics

Zudem sind diverse Module enthalten, die man in wenigen Schritten konfigurieren kann, um einem Team oder einer Abteilung ein eigenes Portal zu schaffen. Allerdings kann MOSS nicht in jeder Disziplin überzeugen, beziehungsweise fehlen gewisse (Standard-)Funktionen. In diesen Fällen kommen Anwender nicht um die Eigenentwicklung von WebParts oder Workflows herum. Hinzu kommen Zusatzprodukte von Partnern und Drittanbietern, die MOSS komplettieren helfen.

Die Nutzung von MOSS 2007 setzt den Windows Server 2003/2008 und MS SQL Server 2003/2008 voraus. Die Lizenzierung läuft über Partner und ist relativ einfach gestaltet: Zum einen nach der Anzahl der PCs/Server, zum anderen nach der Art der Lizenzierung (Kauf, Miete, Umfang). Letztlich ist der Preis aber oft Verhandlungssache, weshalb Listenpreise wenig Orientierung bieten.

Mit Blick auf die genannten Teamfunktionen ist eine Kommunikation zwischen den Mitgliedern dank der guten Integration von MOSS mit den Office-Produkten gegeben. Ein Beispiel ist das Erstellen eines Meeting-Workspaces direkt beim Versenden der Meeting-Einladung über Outlook oder der Zugriff auf einen Teamkalender. Im Zusammenspiel mit dem Microsoft Live Communication Server können Anwender auch per Instant Messaging kommunizieren sowie Anwesenheitsinformationen innerhalb von MOSS darstellen.

Bei der Verwaltung unterschiedlicher Inhaltstypen arbeitet MOSS 2007 mit Listen und Listenelementen. So existiert zum Beispiel mit der Dokumentenbibliothek ein spezieller Listentyp, der typische Dokumenten-Management-Funktionen bietet. Hierzu gehören der Up- und Download, die Versionierung, Check-In/-Out und Workflows für Genehmigungen. Ferner stellt MOSS 2007 zahlreiche Templates zur Verfügung, mit denen man durch wenige Klicks verschiedene Seiten wie Wikis, Blogs, Umfragen, Diskussionsforen etc. erstellen kann.

Zusätzlich zu diesen Standard-Templates gibt es Application-Templates für Projekt-Management, zur Verwaltung von Kursen oder Kontakt-Management. Insgesamt macht MOSS 2007 einen stabilen Eindruck und ist als Collaboration-Plattform auch für den Einsatz in großen Unternehmen geeignet. Einigen Nachholbedarf zeigt die Software noch in den Bereichen Mehrsprachigkeit und Content-Management. Diese Lücken sollen aber mit dem aktuellen Service Pack 2 und Office 14 geschlossen werden (mehr zu SharePoint finden Sie hier).

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wo Alfresco Share seine Stärken und Schwächen hat.

Alfresco Share: Open Source, aber nicht kostenlos

Alfresco ist vor allem als Anbieter der gleichnamigen quelloffenen Software für Enterprise Content Management (ECM) bekannt. Seit Herbst 2008 ist aber mit Version 3.0 von Alfresco auch die von den anderen Funktionen losgelöste Collaboration-Lösung Alfresco Share erhältlich, die der Hersteller als Alternative zu SharePoint bewirbt. Alfresco Share läuft auf dem Tomcat-Server und kann unter anderem auf die Datenbanken MySQL, Microsoft SQL Server und Oracle zugreifen. Der Anwender benötigt lediglich einen Browser (Firefox, Internet Explorer oder Safari), wobei ein installierter Flashplayer hilfreich ist.

Die Zusammenarbeit organisiert Alfresco Share über Projekträume den "Sites". Diese stellen Funktionen für Dokumenten-Management, Kalender, Blog, Wiki und Diskussionsforum bereit. Größte Schwachstelle dieser Sites ist sicherlich, dass sie nicht archiviert oder abgeschlossen werden können. Anwender, die bereits bei mehreren Projekten dabei waren, können so schnell die Übersicht verlieren.

Blick auf das Collaboration Site Dashboard von Alfresco Share, das Aktivitäten,virtuelle Teammitglieder, den Kalenders und nützlicher Links darstellt.
Foto: namics

Nachholbedarf offenbart die Collaboration-Software auch bei den Aspekten Kommunikation, Koordination und Kooperation. Da zum Beispiel Instant-Messaging- und Web-Conferencing-Funktionen fehlen, müssen Anwender auf Drittanwendungen zurückgreifen, um mit anderen Teammitgliedern zu kommunizieren. Ferner bietet der Kalender von Alfresco Share nur rudimentäre Funktionen und ermöglicht es beispielsweise nicht, out of the box ausgewählte Personen zu einem Termin einzuladen (eine Einladung geht automatisch an alle Mitglieder einer Site) oder deren Verfügbarkeit zu überprüfen, und auch der Zugriff auf Ressourcen (Räume, Equipment, etc.) ist von Haus aus nicht gegeben.

Deutlich ausgereifter ist das Dokumenten-Management. Ein- und Auschecken von Dokumenten verschiedener Dateitypen, Versionierung, WebDAV-Anbindung, MS-Office-Integration - alles ist da, auch wenn die Office-Integration über das Add-On MyAlfresco im Test nicht richtig funktionierte. In punkto Information Sharing bietet Alfresco Share die Möglichkeit, auf Wikis, Diskussionsforen oder Blogs zurückzugreifen, wobei diese Tools nicht wirklich ausgereift sind und sich nicht mit verbreiteten Standalone-Produkten wie Confluence, Wordpress oder MovableType messen können.

Unter dem Strich ist Alfresco Share vor allem wegen der Dokumenten-Management-Funktionen einen Blick Wert. Allerdings ist nur die eher experimentelle "Labs Edition" kostenlos. Wer hingegen die stabile Enterprise Edition einsetzen möchte, muss sich auf Kosten ab 16.125 Euro pro Jahr und Server-CPU einstellen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso Lotus Quickr ein großer Konkurrent zum MOSS ist.

Lotus Quickr - der Sharepoint-Rivale

Mit Lotus Quickr ist auch IBM mit einer Collaboration-Lösung am Start, die in einer Notes/Domino-Umgebung besonders elegant funktioniert, jedoch auch ohne diese auskommt. In Quickr erfolgt die Zusammenarbeit vor allem in Projekträumen, die IBM "Places" nennt. Sie stellen eine Dokumentenbibliothek, ein Diskussionsforum, Kalender und Aufgabenlisten bereit.

Richtig auftrumpfen kann Quickr bei der Dokumentenverwaltung: Dank verschiedener Konnektoren ist ein direkter Zugriff auf MS-Office-Anwendungen (inklusive Outlook), Lotus Notes, Lotus Symphony, und dem Windows Explorer möglich (siehe auch, was IBM mit Alloy vorhat). Ferner können Nutzer über das Web-Interface auf in Places gespeicherte Dokumente zugreifen und diese ein- oder auschecken. Einzig die Versionierung wollte im Test nicht klappen. Anders sieht es hingegen bei den gebotenen Projektmanagement-Funktionen aus. Diese sind eher einfach gehalten und ermöglichen es, Aufgaben mit einem Start- und Enddatum zu versehen und sie Teammitgliedern zuzuweisen. Komplexere Ansichten (beispielsweise Gantt-Diagramme) oder verschiedene Sortiermöglichkeiten existieren nicht.

Blick auf die Document Library von Lotus Quickr.
Foto: namics

Was den Aspekt Information Sharing betrifft, wartet Quickr mit den üblichen Funktionen (Blogs, Wikis, Diskussionsforen) auf. Blogs und Wikis kann man jedoch "out of the box" nicht einem spezifischen Projektraum zuweisen, sondern der Anwender muss zunächst einen eigenen Place nur für das Wiki öffnen. Dieses Manko soll in den nächsten Versionen behoben werden. Ebenso konnte die mit Quickr gebotene Suchfunktion im Test nicht wirklich überzeugen.

Alles in allem ist Quickr sicherlich eine der wenigen Lösungen, die es derzeit funktional und kostenseitig mit MOSS 2007 aufnehmen kann. Mit 85 Euro pro Nutzerlizenz bietet Quickr ein gutes Preis/Leistungs-Verhältnis und in Verbindung mit Sametime ein schlagkräftiges Softwarepaket, das die tägliche Arbeit massiv erleichtern kann. Für kleine Firmen könnte auch die Collaboration-Lösung LotusLive Engage interessant sein, die mit einem ähnlichem Funktionsumfang im Web 2.0-Look aufwartet und als Hosting-Angebot (SaaS) erhältlich ist (weitere Details zu Lotus Live finden Sie hier).

Lesen Sie wie Oracle Beehive verschiedene Clients unterstützt.

Oracle Beehive: freie Clientwahl für alle

Die Collaboration-Software Oracle Beehive hat ihren Ursprung in der "Oracle Collaboration Suite" und ist insofern speziell, als sie es den Anwendern freistellt, mit welchem Client sie Beehive nutzen wollen. So können Teammitglieder das Web-Interface, MS Outlook, Thunderbird, Zimbra oder Trillian (für Instant Messaging) verwenden. Serverseitig läuft Oracle Beehive sowohl auf Windows- als auch auf Unix/Linux-Maschinen und die Daten werden in eine Oracle-Datenbank geschrieben (Oracle10g oder höher).

Der Teamspace von Oracle Beehive. Hier in Microsoft Outlook integriert.
Foto: namics

Die Zusammenarbeit in Oracle Beehive erfolgt über "Workspaces", in denen die Anwender ihre Dokumente abspeichern können. Im Vergleich zu den anderen vorgestellten Lösungen ist das Dokumenten-Management in Oracle Beehive jedoch etwas weniger ausgereift: So kann der Anwender auf den Workspace zwar via Outlook oder Web-Interface zugreifen - eine klassische Integration in MS Office gibt es jedoch nicht (dafür existiert innerhalb von Outlook eine ausgereifte Vorschaufunktion für Dokumente). Ferner ist das Ein- und Auschecken von Dokumenten sehr fehleranfällig, und weitere Extras sucht man vergeblich. So sind zum Beispiel "out of the box" keine Projekt-Management-Tools geboten. Die Möglichkeit, Tasks mit einer Deadline versehen und bestimmten Mitarbeitern zuweisen zu können, wäre aber im Collaboration-Kontext sicherlich hilfreich.

Problemlos funktionieren hingegen E-Mail als auch Instant Messaging, allerdings muss der Anwender mit zwei verschiedenen Clients arbeiten, wenn er beide Kommunikationsformen nutzen möchte: beispielsweise Outlook für E-Mail und Pidgin, Trillian oder andere Applikationen für Instant Messaging, sofern sie das Extensible Messaging and Presence Protocol (XMPP) unterstützen. Auch Calendaring ist kein Problem mit Beehive und klappt via Outlook, Zimbra oder Mozilla (Sunbird oder Lightning) sehr gut. Völlig fehlen hingegen typische Funktionen für Information Sharing wie Blogs oder Wikis. Dafür besteht immerhin die Möglichkeit, innerhalb eines Workspace Notizen zu posten.

Ob Unternehmen angesichts der teilweise rudimentären oder fehlenden Funktionen bereit sind, für Beehive 120 Dollar pro Nutzerlizenz zu bezahlen, bleibt abzuwarten. Ginge es nur darum, Software für E-Mail und Instant Messaging zu bekommen ließe sich diese auch billiger im Markt einkaufen. Ebenso erwarten Anwender ausgefeiltere Funktionen im Dokumenten-Management. Schließlich müssen sich Unternehmen auch fragen, ob sie wirklich eine Vielzahl von Clients für Collaboration in ihrer IT-Landschaft betrieben wollen, oder ob es nicht sinnvoller wäre, beim herkömmlichen Client-Server-Modell zu bleiben. Deshalb das Fazit bei Beehive: im Auge behalten (nicht zuletzt auch, weil es rasant weiterentwickelt wird), jedoch nichts überstürzen.

Für jeden Etwas dabei

Der kurze Überblick macht deutlich, dass es heute einige Collaboration-Lösungen gibt, die auch den Ansprüchen großer Unternehmen gerecht werden können. Perfekt ist aber keine der vorgestellten Lösungen und eine Pauschalempfehlung ohne eine detaillierte Anforderungsanalyse ist nicht möglich. Als kleine Orientierungshilfe kann die Tabelle dienen, welche die wesentlichen Stärken und Schwächen der vorgestellten Lösungen andeutet. Ferner finden sich weitere Collaboration-Produkte im Markt, die ebenfalls einen Blick wert sind. Hierzu zählen beispielsweise Jive, Huddle oder Collanos Workplace. (as)