Herausforderung Hybrid Cloud

Cloud-Migration macht IT-Steuerung komplexer

19.03.2018 von Mario Zillmann
Immer mehr Unternehmen migrieren ihre IT-Infrastruktur und selbst Teile ihrer Anwendungen in die Cloud. Sie nutzen dafür verschiedene Cloud-Modelle, wodurch der Orchestrierungsaufwand in der IT-Steuerung deutlich zunimmt. Weil zahlreiche Altanwendungen weiter in Betrieb bleiben, werden sich Hybrid-Cloud-Strategien durchsetzen.

Vor allem im Infrastruktur-Bereich haben Anbieter wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft und zunehmend die Cloud-Plattform von Google marktreife Lösungen entwickelt und damit hohe Marktanteile gewonnen. Es ist damit zu rechnen, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzen wird, da diese Unternehmen im Zuge ihrer IoT-Strategien seit einiger Zeit immer stärker in die Daten- und Anwendungsebene drängen. So konkurrieren diese Technologiekonzerne darum, möglichst viele Anwendungen auf ihre Public-Cloud-Plattformen zu migrieren, möglichst viele Daten zu sammeln und diese dann mit eigenen Tools zur Künstliche Intelligenz oder Big Data Analytics zu verbinden.

Eine Vielzahl an Optionen und Betriebsmodellen macht die Steuerung einer Hybrid Cloud zu einem komplexen Unterfangen.
Foto: Nadezda Murmakova - shutterstock.com

Sie gehen dazu immer mehr strategische Kooperationen mit IT-Dienstleistern ein, die entsprechende Migrationsprojekte planen und umsetzen sollen sowie auf Basis der Cloud-Plattformen eigene branchen- und themenspezifische Lösungen entwickeln. Damit wollen sich die IT-Dienstleister unabhängiger vom perspektivisch rückläufigen Geschäft mit klassischen Implementierungs- und Software-Customzingleistungen machen.

Und die Kunden? Welche Ziele und Sourcing-Strategien haben große Unternehmen und Konzerne in Deutschland, wenn es um ihre Digitale Transformation und IT-Modernisierung geht? Spielt die Cloud wirklich die große Rolle in den Digitalisierungsstrategien der Anwender? Und was ist mit den "Altanwendungen" und deren Einbindung in die neuen Digitalstrategien?

Das Marktforschungs- und Beratungshaus Lünendonk hat in der Studie "Moderne Sourcingstrategien für die digitale Transformation" in Zusammenarbeit mit dem IT-Provider Datagroup und der IT-Sourcingberatung microfin den Markt für IT-Sourcing, speziell Cloud Sourcing, analysiert - mit teilweise überraschenden Ergebnissen.

Die Cloud wird erwachsen - Kerntechnologie für digitale Geschäftsmodelle

Was sind die wichtigsten Beweggründe, warum Unternehmen IT-Prozesse in die Cloud migrieren? Diese Frage hat Lünendonk den 102 IT-Führungskräften der untersuchten Großunternehmen und Konzernen gestellt. 62 Prozent der befragten Anwenderunternehmen erzielen über eine Milliarde Euro Umsatz weltweit.

Der wichtigste Beweggrund für Cloud-Sourcing ist, die Flexibilität von IT-Prozessen im laufenden Betrieb zu erhöhen. Vor allem die Fachbereiche benötigen bei ihren Digitalisierungsstrategien häufig sehr kurzfristig IT-Performance, auf die sie nicht Wochen oder Monate warten können. Für 60 Prozent der befragten IT-Manager gehört demnach die "Abdeckung von Lastspitzen" zu den dominierenden Faktoren, die für Cloud-Ressourcen sprechen. Hier geht es vor allem um IT-Infrastrukturleistungen, wie sie aus der Public Cloud von vielen IT-Providern mit marktreifen Produkten angeboten werden.

Für mehr als jedes zweite befragte Unternehmen (54 Prozent) ist ein "flexibler und skalierbarer Betrieb der IT-Anwendungen" ein weiterer wichtiger Grund für das Cloud-Sourcing. Mit Hilfe von Virtualisierungstechnologien lassen sich Rechenleistung und Speicherplatz je nach Bedarf verschieben, um je nach benötigter Auslastung von Geschäfts- und IT-Prozessen höchste Stabilität zu gewährleisten. Gerade für online- und datenbasierte Geschäftsmodelle, bei denen Massen von Daten in Echtzeit bewegt werden und die mit zunehmender Marktreife immer mehr Nutzer und entsprechend höhere Anforderungen an die Prozessverfügbarkeit haben, ist die Skalierbarkeit der IT-Ressourcen eine wichtige Voraussetzung, um Prozessstabilität zu gewährleisten.

Datenschutz und Security sind jetzt Gründe für eine Cloud-Nutzung

Ein Indiz für die gestiegene Akzeptanz der Cloud und eine veränderte Wahrnehmung ihr gegenüber ist es, dass fast jedes zweite befragte Unternehmen (46 Porzent) aufgrund von Datenschutz- und Sicherheitsaspekten ihre IT-Ressourcen und neue Anwendungen bevorzugt aus der Cloud bezieht beziehungsweise Altanwendungen in die Cloud migriert. Unternehmen entscheiden sich somit immer häufiger aus Sicherheitsgründen für die Cloud und nicht mehr dagegen. Es zeigt sich, dass im Vergleich zu den vergangenen Jahren in vielen Unternehmen ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat: Es gibt immer mehr Unternehmen, die ihren On-Premise-Umgebungen und dem klassischen IT-Outsourcing nicht mehr den höchsten Sicherheitsstandard beimessen und ihre Daten in der Cloud besser aufgehoben sehen.

Greift man den Aspekt der Cyberattacken der jüngsten Vergangenheit heraus, so ist dieses Ergebnis der Studie auch durchaus nachvollziehbar: Denn eigene Rechenzentren sind häufig nicht auf dem höchsten technologischen Stand, um Malware-Angriffe abwehren zu können. Ebenso fehlen Kapazitäten, um auf Malware-Routinen mit automatisierten Security-Lösungen, die immer mehr auf künstlicher Intelligenz basieren, zu reagieren. Wie hoch die Gefahr von Hackerangriffen ist und wie stark sie den Geschäftsbetrieb stören, haben Konzerne wie Beiersdorf, Maersk, Deutsche Telekom oder TNT Express erfahren müssen, wo kritische operative Systeme lahmgelegt wurden.

Unternehmen entscheiden sich immer häufiger aus Sicherheitsgründen für die Cloud und nicht mehr dagegen.
Foto: Quelle: Lünendonk-Studie "Moderne IT-Sourcingstrategien für die digitale Transformation"

Cloud wird zum Enabler für digitale Geschäftsmodelle

Die befragten Anwenderunternehmen nutzen die Cloud mittlerweile auch sehr intensiv, um digitale Geschäftsmodelle oder digitale Mehrwertdienste als Ergänzung zu ihren bestehenden Produkten zu entwickeln und auch zu betreiben. So nutzen 44 Prozent der Anwenderunternehmen Cloud-Plattformen, um die Geschwindigkeit und die Qualität bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen zu erhöhen. Solche Plattform-as-a-Service-Angebote bieten für Softwareentwickler in vielen Fällen Tool-Kits für das UX-Design der Benutzeroberflächen sowie vorkonfigurierte Entwicklertools für IT-Security, Schnittstellenmanagement, Künstliche Intelligenz, Mobile Solutions oder Big Data Analytics.

Für 43 Prozent der befragten Unternehmen sind Cloud-Plattformen sogar eine wichtige Voraussetzung zur Vermarktung von (digitalen) Geschäftsmodellen. Ihre nahezu uneingeschränkte Skalierbarkeit ist dabei der wesentliche Faktor. Denn mit zunehmendem Erfolg und immer mehr Kunden/Nutzern nehmen die Anforderungen an die Prozessperformance- und Stabilität exponentiell zu, ebenso wird mehr Rechen- und Speicherleistung benötigt. Darüber hinaus muss die Performance und Stabilität der Prozesse bei kurzfristigen Peaks (kurz nach Marketingkampagnen, Saisongeschäft etc.) hoch gehalten werden.

Cloud-Sourcing verstärkt im Fokus der Investitionsentscheidungen

Aufgrund der veränderten Wahrnehmung der Vorteile der Cloud gegenüber On-premise-Lösungen sowie der mittlerweile hohe Marktreife vieler Cloud-Lösungen ziehen die Ausgaben der Unternehmen für Cloud-Projekte an. Etwa zwei Drittel der befragten Anwenderunternehmen gaben in der Lünendonk-Studie an, 2017/2018 mehr Geld für IT-Sourcingprojekte ausgeben zu wollen. Besonders wichtige Treiber für die Entwicklung des Cloud Sourcings sind Projekte in den Bereichen Big Data Analytics, Automatisierung, IoT und IT-Security. Aber auch in Themen wie Automatisierung der Fachprozesse, Legacy-Modernisierung sowie in die Orchestrierung von Legacy und Cloud-Anwendungen wird sehr stark investiert.

Legacy-IT erschwert die Cloud-Migration

Insgesamt 80 Prozent der befragten Großunternehmen und Konzerne haben eine Cloud-Strategie für ihre Anwendungslandschaft. Dabei verfolgen die Unternehmen jedoch sehr unterschiedliche Strategien: Aus verschiedenen Gründen stellen 32 Prozent der Unternehmen ihre IT-Anwendungen weiterhin ausschließlich on premise zur Verfügung und verlagern nur Neuanwendungen und Teile der alten Anwendungslandschaft in die Cloud. Dagegen sind 26 Prozent der befragten Großunternehmen und Konzerne in ihren Planungen schon weiter und migrieren Teile ihrer bestehenden Anwendungslandschaft schrittweise in die Cloud. Hieraus ergeben sich sehr komplexe Migrationsprojekte, denn häufig handelt es sich um sehr alte Anwendungen, für die es nur noch sehr wenige IT-Experten gibt, die die Programmier-Codes beherrschen. Eine weitere Schwierigkeit bei solchen Migrationsprojekten sind die Schnittstellen zu Cloud-Lösungen sowie der Datentransfer.

Dagegen planen 19 Prozent der Anwender, mit ihrer gesamten IT-Landschaft perspektivisch in die Cloud zu migrieren. Hierbei handelt es sich vor allem um Unternehmen, die einen großen Switch ihrer Geschäftsmodelle in Richtung Online-Business vornehmen; also Unternehmen aus den Branchen Handel, Medien/Telkos und einige Logistik- und Finanzdienstleister.

Cloud Sourcing hat sich zu einer zentralen Sourcingvariante für große mittelständische Unternehmen und Konzernen entwickelt. Jedoch sind die Strategien der Unternehmen sehr unterschiedlich.
Foto: Quelle: Lünendonk-Studie "Moderne IT-Sourcingstrategien für die digitale Transformation"

Fazit - hybride Szenarien werden sich durchsetzen

Es ist also zu beobachten, dass immer mehr Unternehmen Teile ihrer betrieblichen Anwendungen in die Cloud verlagern, während sie aber bestimmte, häufig kritische oder sehr alte Anwendungen, im bewährten On-premise-Betrieb belassen. Gleichzeitig nehmen digitale Geschäftsmodelle sowie digitalisierte Fachprozesse zu, so dass die Zahl der Anwendungen massiv steigt. Digitalisierungsprojekte werden in den meisten Fällen mit Hilfe von Cloud-Sourcing umgesetzt. Da es aber so gut wie kein Unternehmen gibt, das auf ein einziges Betriebsmodell setzt, werden sich mittelfristig Hybrid- beziehungsweise Multi-Cloud-Szenarien durchsetzen.

Unterschiedliche Gründe wie Sicherheitsaspekte, Legacy oder Schnittstellen- sowie Performancegründe sprechen in vielen Unternehmen dafür, bestimmte IT-Anwendungen weiterhin in den eigenen Rechenzentren zur Verfügung zu stellen. Und auch in den Unternehmen, die ihre komplette IT-Landschaft in die Cloud verlagern möchten, wird es auf hybride Sourcing-Modelle hinauslaufen, da sich nicht alle Anwendungen "in einem Guss" in die Cloud migrieren lassen. Vielmehr handelt es sich bei einer umfänglichen Migration um einen langfristigen Prozess, in dem der laufende Geschäftsbetrieb weiter durch IT-Ressourcen unterstützt werden muss.