Experton-Studie:

Client Virtualisierung bleibt hinter den Erwartungen zurück

11.07.2011 von Thomas Pelkmann
Die Analysten von Experton haben sich in einer groß angelegten Studie mit dem "Client of the Future" beschäftigt. Obwohl in den Unternehmen die Vorteile von Virtualisierung bekannt sind, zögern viele noch mit der Umsetzung.
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Virtualisierung, Cloud Computing, Bring your own Device (ByoD): Die Arbeit mit dem Computer ist nicht mehr das, was sie lange war. Der Desktop-PC mit mächtigem Prozessor, einem vollständigen Betriebssystem und den wichtigsten Anwendungen an Bord droht seine Existenzberechtigung zu verlieren. Ist das Ende der PC-Ära gekommen?

Mit Client-Virtualisierung werden diese Tischrechner nahezu überflüssig; ihre Abbilder liegen vollständig im Rechenzentrum, auf dem Schreibtisch reicht auch ein Thin Client. Über entsprechende Programme wie den Citrix Receiver kann man überdies mit fast jeder Art von Endgerät - Smartphone, Tablet, Notebook - auf das virtuelle Abbild eines Rechners im Rechenzentrum zugreifen. Einen "richtigen" PC braucht man dafür nicht mehr.

"Client Virtualisierung ist wichtig, aber noch richtig in den Unternehmen angekommen." Wolfgang Schwab, Experton
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"Die Client Virtualisierung", schreibt denn auch Experton in seiner Studie, "ist ein sehr wichtiges technologisches Thema (...), das seit Ende des Jahres 2009 langsam an Bedeutung gewinnt". Ziel ist es, "durch die Einführung einer Virtualisierungsschicht auf eine Standardisierung der darunterliegenden Hardware und des Betriebssystems verzichten zu können und gleichzeitig die Sicherheit zu verbessern (sowie) die Administrationskosten zu senken".

Aus der Umfrage unter 150 Verantwortlichen für die Client-Strategie, darunter rund 120 CIOs, IT-Leiter oder ihre Stellvertreter, wird deutlich, dass die befragten Unternehmen die Vor- und Nachteile von Client-Virtualisierung sowie die gängigen Lösungen durchaus kennen. Die Ergebnisse, heißt es in der Studie, zeigen aber auch, "dass die Planungen bezüglich Client Virtualisierung (...) eher zurückhaltend erfolgt und wenn überhaupt bei den Unternehmen intern durchgeführt wird". Ausnahmen seien dabei Konzepte für die "Presentation Virtualization" oder für Server Based Computing, bei denen Applikationen, nicht aber Betriebssysteme, virtualisiert vom Server bezogen werden.

Die Unternehmen sind noch nicht so weit

"Die Unternehmen sind noch nicht so weit", kommentiert Experton-Analyst Wolfgang Schwab gegenüber Computerwoche.de die Ergebnisse der Umfrage. Es sei den Firmen in den vergangenen Jahren ganz gut gelungen, ihre Fat Client-Infrastruktur zu optimieren. Diese gut laufenden Systeme nun zugunsten virtualisierter Umgebungen aufzugeben, damit zögerten die IT-Abteilungen. "Unternehmen, die von einer optimierten Fat Client-Infrastruktur auf eine virtuelle Umgebung wechseln, werden im ersten und vielleicht zweiten Jahr zunächst höhere Kosten haben", so Schwab. Die Spareffekte von Virtualisierung werden sich erst über einen längeren Zeitraum einstellen. Da viele IT-Budgets aber kurzfristig auf Kostensenkungen ausgerichtet sind, würden viele Unternehmen dann eben zögern, Virtualisierungskonzepte zu realisieren.

Zudem ist offenbar ein in der Öffentlichkeit viel diskutierter Treiber für Virtualisierung, die Arbeit mit eigenen Endgeräten, in den Unternehmen in Deutschland noch nicht so richtig angekommen. Gerade einmal fünf Prozent der von Experton befragten IT-Manager setzt bereits auf "Bring your own Device" - ein deutlicher Kontrast zur öffentlichen Wahrnehmung dieses Themas oder in Nordamerika.

Allerdings gibt es hier signifikante Unterschiede zwischen IT und Management. Die Business-Entscheider würden sehr wohl dieses Modell in ihren Unternehmen einführen, weil es "entscheidende Vorteile" bringt: Eigene Geräte werden seltener gestohlen und erhöhen die Motivation der Mitarbeiter. Sogar die IT-Seite würde profitieren: Die Beschwerden über schlechte Performance oder veraltete Hardware werden bei der Benutzung eigener Geräte gar nicht erst aufkommen. Dass dennoch nicht alle Unternehmen ihren Mitarbeitern dieses Modell anbieten, liegt an den offenen Fragen etwa zu Sicherheitsaspekten, zu Lizenzen oder zu steuerlichen Implikationen.

Überhaupt enthüllt die Experton-Umfrage an vielen einzelnen Punkten unterschiedliche Beurteilungen derselben Fragen bei IT und Business. So nimmt zwar die Zahl von Notebooks, Tablets und Smartphones deutlich zu, dennoch erwarten die IT-Verantwortlichen im Unterschied zu ihren Business-Kollegen keine Zunahme bei der Zahl mobiler Mitarbeiter. Ungeachtet dieser Differenzen gehen die Unternehmen aber von einer weiteren Zunahme bei iPhone und iPad aus. Allerdings rechnet Experton in Übereinstimmung mit anderen Analysten, dass Android in Zukunft bei den Marktanteilen sowohl im Smartphone- als auch im Tablet-Markt kräftig aufholen wird.

"Insgesamt wird das Wachstum dieses Marktsegmentes aber dramatisch sein und damit auch den Bedarf nach Client Virtualisierungslösungen massiv anheizen", schätzt Experton. Und das liegt vor allem daran, dass Mitarbeiter ihre Endgeräte oftmals eben nicht nur privat, sondern auch produktiv im Unternehmen nutzen möchten. Ob nun ein ByoD-Modell angeboten wird, oder nicht. Gleichzeitig sei den meisten Befragten aber bewusst, dass die mobilen Endgeräte kein gleichwertiger Ersatz für herkömmliche Desktop-PCs sind, sondern eine beliebte Ergänzung um immer und überall online zu sein ("always on").

Thin Clients laufen Desktop-PCs den Rang ab

Bei den IT-Verantwortlichen höher im Ansehen stehen dagegen offenbar die Thin und Zero Clients. Die Zahl dieser praktisch ohne Administrationsaufwand auskommenden Geräte ist der Experton-Erhebung zufolge um 71 Prozent gestiegen. Fast jedes fünfte Unternehmen (19 Prozent) möchte zudem auch ihre bestehende Charge von Desktop-PCs mit Virtualisierungssoftware gegen Thin Clients austauschen. All das, so Experton, sei ein deutliches Indiz in Richtung Client Virtualisierung.

Darüber hinaus gibt es natürlich auch eine große Anzahl von Anwendern, die ein mobiles Endgerät wie einen Laptop oder einen PC mit entsprechender Rechen-Power für ihren täglichen Arbeitsablauf benötigen. Auch diese Anwendergruppen gilt es zu berücksichtigen, wenn eine ganzheitliche, unternehmensweite Client-Strategie konzipiert wird. Aber auch hier greifen die Konzepte der Client-Virtualisierung: so bieten Anbieter wie Citrix entsprechende Lösungen an, mit der sich virtualisierte Desktops für jede beliebige Benutzergruppe - mit den unterschiedlichen Präferenzen - bereitstellen lassen.

Der Einfluß auf die Client-Strategie geht aber eher von den Fachbereichen und vom Management aus, und nicht von der IT. Das enthüllt die Studie. "Unabhängig von den Einschätzungen der IT-Abteilungen werden die Fachabteilungen und das Management eine gewisse Client Virtualisierung zumindest für neue Endgeräte durchsetzen bzw. erzwingen", heißt es dazu unmissverständlich und trocken bei Experton. Reagiert die IT darauf nicht, wird das zu einer Ausbreitung der Schatten-IT führen. Mitarbeiter nutzen einfach die Geräte ihrer Wahl und umgehen so eine standardisierte IT-Vorgaben, indem sie die Privat-Devices mit ins Unternehmen bringen und damit E-Mails checken, Dokumente bearbeiten und auf Unternehmens-Ressourcen zugreifen. Hier allerdings beruhigt Experton: Tritt dieser Fall ein, werden auch die IT-Entscheider die Vorteile von Client Virtualisierung schnell zu schätzen wissen.

Insgesamt entwickelt sich der Markt für Client Virtualisierung positiv, resümiert Experton, wenn auch in einzelnen Marktsegmenten durchaus unterschiedlich. So gibt es mit durchschnittlich 20 Prozent ein deutliches Wachstum bei Presentation Virtualization, während die Entwicklung bei vollständig virtualisierter Virtual Desktop Infrastructure (VDI) mit sechs Prozent nur mäßig wächst. Das Application Streaming mit 33 und die Managed Desktop VM mit 32 Prozent liegen in der Rangfolge der einzelnen Konzepte deutlich vorne. Beim Streaming werden den Anwendern Applikationen, beim Managed Desktop VM komplette Desktop-Umgebungen paketiert und lokal und offline zur Verfügung gestellt.

Auch wenn die Aussichten für Client Virtualisierung gut sind: "Was bei den Unternehmen häufig fehlt, ist eine umfassende und zukunftsorientierte Client-Strategie", bemängelt Experton. Diese Strategie müsse einerseits diese Schwächen adressieren, andererseits offen mit den Herausforderungen neuer mobiler Endgeräte umgehen. Es sei sinnlos, diese Herausforderungen ignorieren zu wollen: "Früher oder später", so Experton, "sei das ohnehin nicht mehr haltbar."

Wer die Aufgaben der IT strategisch angehe, stehe der Desktop-Virtualisierung deutlich positiver gegenüber, meint Experton-Analyst Wolfgang Schwab. Lange habe aber auch die Budget-Situation der IT die langfristige Sicht vernebelt. "Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung kommt die strategische Sicht auf die IT aber langsam wieder zum Tragen", so Schwab.

Das Ende von Windows XP ist ein guter Anfang für Virtualisierung

Zudem ist das absehbare Ende von Windows XP im Jahr 2014 und die dann zwangsweise Beschäftigung mit dem Thema Betriebssystem-Migration ein guter Anlass, sich verstärkt mit dem Thema Desktop Virtualisierung zu befassen. Allein für das Testen und Anpassen der Standard- und Individualanwendungen fielen hohe Kosten an, so dass Überlegungen in Richtung einer Client Virtualisierung dann mehr als sinnvoll sein könnten.

Dafür schlägt Experton vier Schritte vor:

1. Erfassen von aktuellen und absehbaren Bedürfnissen der unterschiedlichen Anwendergruppen im Unternehmen erfassen. Nicht die Technik ist hier wichtig, sondern die Anforderungen des Business.

2. Priorisieren dieser Bedürfnisse. Nicht jeder verständliche Wunsch ist für den Erfolg und die Perspektive eines Unternehmens relevant.

3. Erfassen und Bewerten des aktuellen Client-Betriebs: Wozu sind die aktuellen Ressourcen noch in der Lage? Wo braucht es neue Ressourcen? Welche organisatorischen Strukturen müssen angepasst werden?

4. Formulieren einer neuen Client-Strategie und Adressieren der technischen Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Strategie.

Freie Wahl des Arbeitsgeräts

All das, prognostizieren manche Analysten und Anbieter, werde vielleicht auf lange Sicht das Ende der PC-Ära einläuten. Es mag sogar vereinzelt auch mobile Mitarbeiter geben, die mit einem voll ausgestatteten Fat Client besser arbeiten können, als mit einem iPad oder Smartphone. "Der große Rest aber könnte schon in wenigen Jahren auf PCs locker verzichten", meint Schwab, wenn auch mit einem bewusst gesetzten Konjunktiv.

So richtig daran glauben mag auch der Analyst nicht. "An der Client-Landschaft der letzten zehn Jahre hat sich in der Breite kaum etwas verändert. Daran ändern auch die neuen Endgerätetypen nichts." Wenn das iPad nicht mit iOS, sondern mit Windows arbeiten würde, käme überhaupt niemand auf die Idee, diese Diskussion zu führen. Es gebe dann Fat Clients in veränderter Darreichungsform, der Inhalt sei aber weitgehend derselbe geblieben. Auch die Client-Virtualisierungsvariante "Presentation Virtualization" sei nicht wirklich neu, sondern weise verblüffende Ähnlichkeit mit der Terminalemulation auf, die man schon lange vom Mainframe her kenne, so Schwab pointiert.

Und so wird es wohl in den kommenden Jahren ein Mit- oder Nebeneinander von Fat und Thin Clients geben, mit einer Tendenz weg von physischen, hin zu logischen Clients, prognostiziert Experton. Das ist das eigentlich Neue: Client- oder Desktop-Virtualisierung wird alle Arten von Endgeräten unterstützen, mithin also für noch mehr Vielfalt am Arbeitsplatz und unterwegs sorgen - und auch unter wirtschaftlichen Aspekten sinnvoll sein. "Morgen", also bis 2013, wird Virtualisierung und ByoD kein Thema für kontroverse Diskussionen mehr sein; liegen Anwendungen und sensible Daten auf dem Server und nicht im Gerät, sind Sicherheits- und Datenschutzaspekte gelöst. "Mit der zunehmenden Nutzung von Cloud Computing und steigenden Mobilitätsanforderungen für die Mitarbeiter wird dieser Markt weitere Wachstumsraten verzeichnen", so die Experton-Vorhersage.

"Übermorgen", also zwischen 2014 und 2020, werden Mitarbeiter die freie Wahl der Geräte haben. Experton geht davon aus, dass die Einheit Endgerät/Betriebssystem und Applikationen logisch voneinander getrennt werden. Damit können Anwender mit jedem Gerät auf jede Applikation zugreifen. Es wird die Situation sein, die IT-Abteilungen und Anwender am meisten mögen werden.