Flexibilität im Softwareangebot

Achim Berg, Microsoft: "SaaS ist zu kurz gesprungen"

28.02.2008
Was Microsoft unter Software-Services versteht, warum Utility-Computing kein Trend wird und wie das jüngste Bekenntnis zu mehr Offenheit zu werten ist, erklärt Microsofts Deutschland-Geschäftsführer Achim Berg im Gespräch mit den CW-Redakteuren Christoph Witte und Martin Bayer.

CW: Es wird immer wieder diskutiert, welche Rolle der deutsche Markt für US-amerikanische IT-Konzerne spielt. Welchen Einfluss hat der Microsoft-Statthalter in Deutschland auf seinen lokalen Markt?

BERG: Microsoft ist ein Unternehmen, das die Verantwortung sehr stark in die einzelnen Regionen legt. Der Konzern ist weltweit in elf so genannte "Areas" aufgeteilt – Deutschland bildet in diesem Verbund eine eigene Area. Deshalb haben wir viel Freiheit, was bei den amerikanischen Unternehmen relativ ungewöhnlich ist. Dadurch findet Deutschland auch stark Gehör in der Microsoft-Zentrale. Dazu kommt, dass wir direkt nach Redmond berichten. Wir haben also insgesamt eine große unternehmerische Freiheit. Damit verbunden ist natürlich auch, dass wir das liefern, was wir versprechen.

CW: Was ist aus Ihrer Sicht ihre schwerste Aufgabe als General Manager?

Für Achim Berg, Deutschland-Geschäftsführer von Microsoft, steht die diesjährige CeBIT ganz im Rampenlicht des Windows Server 2008. Im COMPUTERWOCHE-TV-Interview verrät er außerdem, was Microsoft am Wochenende für Mittelständler und Endverbraucher zu bieten hat.

BERG: Es ist die Breite des Geschäftes. Microsoft ist in so vielen Bereichen aktiv, vom Consumer-Segment mit der Xbox bis hin zu Unternehmenslösungen für Großkunden. Die Bandbreite der Produkte und die Geschwindigkeit, mit der diese Produkte auf den Markt kommen, das alles zu verstehen und zu steuern – das führt eine einzelne Person sicher ab und zu an ihre Grenzen. Man darf sich dabei nicht von den Kleinigkeiten zerfressen lassen.

CW: Wie machen Sie das?

BERG: Ich priorisiere bestimmte Themen – teilweise überpriorisiere ich diese sogar ganz bewusst. Dafür suche ich mir fünf oder sechs Bereiche aus, auf die wir uns ganz besonders konzentrieren. Dann erreichen wir bei diesen Themen auch den anvisierten Erfolg. Wenn man jeden Monat andere Themen priorisiert, und dabei keine klare Linie fährt, dann geht man unter.

CW: Gibt es Lieblingsthemen?

BERG: Von der Produktseite fühle ich mich in den Consumer-Themen sehr wohl. Ich teste die Software auch gerne, egal ob es sich um Consumer- oder Business-Software handelt. Als Informatiker bin ich mir nicht zu schade auch einmal zu Hause einen Sharepoint-Server oder Dynamics CRM zu installieren und durchzuchecken.

CW: Und dann bekommen die Entwickler Feedback?

BERG: Die verdrehen zwar manchmal die Augen, aber ich habe meistens Recht.

Mit Sharepoint forciert Microsoft das Collaboration-Thema

CW: Apropos Sharepoint – in Gesprächen über das Thema Collaboration taucht immer öfter der Name Sharepoint auf. Wodurch erklären Sie sich das?

BERG: Es gibt kaum ein Kundengespräch, in dem es nicht auch um Sharepoint geht. Sharepoint ist das am schnellsten wachsende Produkt, das Microsoft jemals auf den Markt gebracht hat. Die Software ist im Collaboration Bereich zum einen leicht in die Microsoft-Welt zu integrieren, aber auch offen für andere Plattformen. Das heißt, wir bieten eine perfekte Integration in die Office-Pakete, Unified Messaging und unsere BI-Tools, haben auf der anderen Seite aber auch offene Schnittstellen zu Oracle und SAP. Das macht die Sache einfach für die Anwender, was die Suche oder das Abspeichern von Daten betrifft.

CW: Im Bereich Search hat sich Microsoft Anfang des Jahres mit der Übernahme von Fast verstärkt. Wie wird dieser Schritt die weitere Entwicklung von Sharepoint beeinflussen?

BERG: Fast ist im Enterprise Search-Bereich sehr stark. Damit bilden die Lösungen eine perfekte Ergänzung für Sharepoint. Ich halte die Kombination der Sharepoint-Technik mit der Search-Engine von Fast für sehr interessant. Die Roadmap steht im Detail noch nicht fest. Schließlich ist die Akquisition erst ein paar Wochen her. Ich gehe aber davon aus, dass man die Suchlogik von Fast über kurz oder lang auch in den anderen Microsoft-Produkten wie Sharepoint oder Microsoft Search Server wiederfinden wird.

CW: Könnte das Produkt mit der zusätzlichen Technik nicht auch etablierten Dokumenten-Management-Systemen Konkurrenz machen?

BERG: Das ist bereits so: Viele Unternehmen nutzen Sharepoint schon heute als DMS. Aber das eine schließt das andere nicht aus. So setzen auch viele unserer Kunden DMS-Lösungen von Microsoft-Partnern, die auf Sharepoint aufsetzen.

CeBIT 2008: Ballmer und Brezlbäcker

CW: Was ist von Microsoft Deutschland auf der CeBIT zu erwarten?

BERG: Die CeBIT ist unsere wichtigste Messe hier in Deutschland. Neben unserem CEO Steve Ballmer wird auch unser COO Kevin Turner hier sein. Wir werden erstmals unseren neuen Windows Server 2008 zeigen. Im Unternehmensbereich präsentieren wir einiges aus dem Dynamics-Umfeld. Im Consumer-Bereich geht es vor allem um vernetzte Unterhaltung – vom Home Server bis zur Xbox. Wir haben außerdem eine Bäckerei aufgebaut, in der wir zeigen, dass auch der Bäcker IT-fit sein muss. Dazu werden wir am Wochenende mit einem speziellen Programm unter dem Motto "IT-Fitness" ganz bewusst die Schüler und Auszubildenden ansprechen, auch um das Interesse an der IT zu fördern.

CW: Was wird aus Ihrer Sicht das Highlight sein?

BERG: Mein Highlight wird der Windows Server 2008 sein. Wie Vista im vergangenen Jahr für den Desktop steht jetzt das Server-Betriebssystem im Rampenlicht. Dabei geht es unter anderem auch um Themen wie Sicherheit und Virtualisierung. Ich glaube, das wird das Produkt sein, das am meisten nachgefragt sein wird – zumindest von unseren Unternehmenskunden.

CW: Bekommt man bei dem Microsoft-Bäcker auch Brezn oder wird nur theoretisch gebacken?

BERG: Wir können auch praktisch backen. Es wird dann angenehm riechen auf dem Microsoft-Stand. Die Besucher bekommen bestimmt auch die eine oder andere Brezn. Was soll eine Bäckerei ohne Brezn?

CW: Am Wochenende stellen Sie sich dann mehr auf die Endkunden ein?

BERG: Das neue Messekonzept sieht eine Verkürzung der Messe und in den ersten Tagen eine bessere Plattform für Diskussionen mit den IT-Verantwortlichen vor. Am Wochenende geht es dann eher um die Schüler, Auszubildenden und Studenten. Wir wollen diese Klientel auf die Messe ziehen, sie für IT interessieren, begeistern und fit machen. Das ist das Konzept, das wir gemeinsam mit der Messe AG entwickelt haben. Ich bin zuversichtlich, dass wir gerade am Wochenende die Jugend auf der Messe sehen werden. Unterstützt wird dies durch Programme, Veranstaltungen und Konzerte. Wir versprechen uns davon einen starken Zug der Jugendlichen auf die CeBIT 2008.

CW: Viele Anwender scheuen die Kosten für voll ausgebaute Content-Management-Systeme und würden sich mit einer Good-Enough-Lösung durchaus zufrieden geben. Da könnte doch ein erweitertes Sharepoint-System durchaus zum Zuge kommen?

BERG: Da stimme ich insoweit zu, wenn Unternehmen in weiten Bereichen ihrer Organisationsstruktur bereits stark automatisiert arbeiten und auch Teile der Sharepoint-Technik nutzen wie beispielsweise die Dokumentenverwaltung. Dann ist das Werkzeug ein preiswerter und mächtiger Ersatz für klassische Dokumenten-Management-Lösungen – mit dem Vorteil, dass die Kunden zusätzlich mit der Microsoft-Lösung auch die Search-Engine nutzen können. Viele Unternehmen nutzen Sharepoint auch bereits, um eigene sehr leistungsfähige Enterprise-Content-Management-Lösungen zu entwickeln.

Mit Hybridlösungen auf dem Weg zu Vista

CW: Sie sagten, Sharepoint sei das am erfolgreichsten eingeführte Produkt von Microsoft. Wie steht es um Vista – speziell im Enterprise-Umfeld?

BERG: Auch da sieht es gut aus. Wir haben nach einem Jahr insgesamt 100 Millionen Lizenzen verkauft. Das sind doppelt so viele wie von Windows XP im gleichen Zeitrahmen nach der Einführung. Im Business-Umfeld – das haben wir auch in der Vergangenheit bei allen Betriebssystemen gesehen – dauert es seine Zeit, bis sich die neuen Betriebssysteme durchsetzen. Das liegt an den Zyklen für die Hardwarewechsel und an der Frage, inwieweit die anderen Softwareprodukte kompatibel sind. Aktuell dürften wir eine Kompatibilitätsrate von über 95 Prozent erreicht haben. Damit funktionieren praktisch alle wichtigen Softwareprodukte auch unter Vista. Das ist eine Grundvoraussetzung für viele Unternehmen, auf ein neues Betriebssystem umzusteigen. Nahezu alle Firmen arbeiten bereits mit Vista oder testen das System zumindest.

CW: Unseren Zahlen zufolge liegt aber die Rate der Firmen, die Vista einsetzen, im unteren einstelligen Prozentbereich.

BERG: Diese Zahl kann ich ihnen nicht bestätigen. Dafür aber Folgendes: In den kommenden sechs Monaten werden viele Firmen zumindest damit anfangen, auf Vista umzusteigen. Das ist der normale Prozess, den wir erwartet haben, gerade im Großkundenumfeld. Ein Großteil der Unternehmen wird den Umstieg in Angriff nehmen, auch wenn es zunächst oft noch eine Hybridlösung sein wird.

CW: Welche Rolle spielt dabei das Service Pack 1?

BERG: Das Service Pack 1 ist mit Sicherheit ein wichtiger Meilenstein. Es enthält eine ganze Reihe kleiner zusätzlicher Features. Aber Vista wird damit nicht komplett umgebaut.

CW: Die meisten Unternehmen fassen ein Microsoft-Betriebssystem vor dem ersten Service Pack nicht an!

BERG: Wenn dem so wäre, dann gäbe es jetzt keinen Grund mehr, die Finger von Vista zu lassen. Das Service Pack 1 wird ab März in der Breite verfügbar sein.

Mit Softwareservices auf dem richtigen Kurs?

CW: Momentan wird in der Softwarebranche viel über Software as a Service (SaaS) diskutiert. Fährt Microsoft in diesem Bereich mit der eigenen Ausprägung "Software plus Service" nicht einen Schlingerkurs, um sein Lizenzgeschäft zu schützen?

BERG: Es gibt kein Unternehmen in der gesamten Softwarebranche, das in dieser Hinsicht einen klareren Kurs fährt als Microsoft.

CW: Das müssen Sie uns erklären.

BERG: Wir bieten unseren Kunden eine größtmögliche Flexibilität an. Auf der einen Seite können die Anwender die komplette Microsoft-Produktpalette nutzen wie gehabt. Auf der anderen Seite gibt es Hostingmodelle oder gar werbefinanzierte Angebote wie Office Live. Damit bieten wir alle Spielarten vom Software as a Service- (SaaS-) oder On-Premise-Betrieb bis zu Hybridlösungen. Kunden können sich also frei entscheiden und auswählen, wie sie ihre Software nutzen möchten. Hier hat Microsoft eine klare Roadmap vorgelegt. Deshalb widerspreche ich dem Vorwurf des Schlingerkurses.

Im Gespräch mit COMPUTERWOCHE-TV erklärt Achim Berg, Geschäftsführer von Microsoft, was sich der Konzern von der Yahoo-Übernahme verspricht, welche Rolle künftig Software-Services spielen werden und warum Vista aus seiner Sicht ein Erfolg ist.

CW: Warum aber prägt Microsoft eine eigene Begrifflichkeit, welche die Kunden dann wieder verwirrt?

BERG: Weil Software as a Service unser Modell schlichtweg falsch beschreibt. Ich finde, SaaS ist zu kurz gesprungen. Kunden haben in der Kombination einer lokalen Intelligenz mit Online-Services die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Sie wollen die Wahlfreiheit, eine Software auch offline zu nutzen, aber auch die Vorteile eines SaaS-Modells. Diese Kombination hat keiner so perfekt hinbekommen wie Microsoft – auch in der Strategie.

CW: Die Margen, die sich mit Lizenzen erlösen lassen, sind im Servicemodell kaum zu realisieren. Geht es Microsoft nicht doch nach wie vor nur darum, Lizenzen zu verkaufen?

BERG: Gute Software hat ihren Preis. Microsoft bietet mit seinen Lizenzmodellen eine Reihe von Möglichkeiten, sei es beim Kauf oder der Miete. Es gibt Modelle, die Abnahme- und Nutzungsmengen mit berücksichtigen. Hier findet jeder Kunde den richtigen Preispunkt und das richtige Modell. Oder sollen wir unsere Software verschenken? Das wird niemand von uns verlangen.

CW: Aber manche Anbieter tun genau das.

BERG: Das Geschäftsmodell, das dahintersteckt, würde ich mir gerne einmal näher ansehen.

CW: Zusätzlich bietet Microsoft seit einiger Zeit Softwareservices im Rahmen seiner Live-Dienste online an, wie Windows Live und Office Live. Wie ist das Geschäft angelaufen?

BERG: Wir haben in diesem Umfeld eine Reihe von Produkten angekündigt und werden die Dienste weiter ausbauen. Beispielsweise wird es im Consumer-Bereich mit "Skydrive" Online-Storage geben. Das Angebot steckt in den USA noch in der Betaphase, kommt aber auch nach Europa. Im Bereich Live -Services beispielsweise Messenger wachsen wir stark. Pro Monat kommen 200 000 neue Live-User-Accounts hinzu. Die profitieren dann auch davon, dass man mit Live-Mail mittlerweile eine ganze Reihe von Outlook-Funktionen im Netz nutzen kann. Außerdem haben wir unser Office-Live-Angebot in einem Paket für kleine Unternehmen zusammengefasst und um weitere Funktionen wie E-Mail-Marketing, Web-Design-Werkzeuge und Synchronisation mit Outlook erweitert. Ich halte unsere Online-Software für die beste, die derzeit auf dem Markt verfügbar ist.

Kampf um Yahoo: Im Internet zählt Größe

CW: Was verspricht sich Microsoft von der Yahoo-Übernahme?

BERG: Im Internet zählt Größe. Die Reichweite ist sehr wichtig. Von der möglichen Akquisition von Yahoo erwarten wir uns eine höhere Reichweite im Web. Damit wollen wir unsere Position im Online-Werbemarkt verbessern, zum Beispiel durch Bündelung der Kräfte bei der Weiterentwicklung und Vermarktung unserer Suchmaschine.

CW: In Sachen Search hinkt Microsoft Google noch hinterher. Wie wollen Sie diesen Rückstand aufholen?

BERG: Eine gute Suchmaschine mit einer hohen Relevanz wird auch eine starke Akzeptanz haben. In der Kombination der Search Engines von Yahoo und Microsoft sowie der Zusammenlegung der Entwicklungsabteilungen sehen wir eine hohe Relevanz und damit die Chance, diesen Abstand zu verkürzen. Wir versprechen uns durch die Synergien einer Fusion insgesamt eine Milliarde Dollar pro Jahr einzusparen.

CW: Wie lange wird es dauern, bis die Übernahme abgeschlossen ist?

BERG: Es ist ein sehr dynamischer Markt. Das heißt, es kann relativ schnell gehen, auch wenn eine mögliche Fusion erst für das zweite Halbjahr angekündigt worden ist. Ich kann mir durchaus vorstellen, wenn die Integration im zweiten Halbjahr 2008 vonstatten gehen sollte, dass wir bereits 2009 erste interessante Ergebnisse sehen können.

CW: Das ähnelt dem, was Google mit seinen Diensten anbietet. Wie wollen Sie sich differenzieren?

BERG: Ich hoffe intelligenter, besser und in einer deutschen Sprachversion. Features wie Umlaute werden in unserem Angebot enthalten sein und nicht als die größte Erfindung seit dem tiefen Teller später nachgeschoben. Und wir werden auch nicht die Dokumente unserer Nutzer scannen.

CW: Die Stoßrichtung dieser Initiativen richtet sich also eindeutig gegen Google?

BERG: Wobei ich die Positionierung in Frage stellen würde. Ich glaube, der Vorreiter ist Microsoft, sowohl von den Features wie auch der Art der Nutzung her. Hier laufen wir niemandem hinterher.

CW: Aber Sie bei Microsoft sind doch die Getriebenen. Das Live-Angebot haben Sie doch nicht ohne Not herausgebracht?

BERG: Zu der Logik eines Live-Auftritts gehören viele Angebote und Dienste und die Verzahnung mit Software auf dem Desktop. Das alles ist in sich schlüssig und zusammenhängend logisch und konsequent aufgebaut, mit all den Features, die Sie haben. So werden Sie aus Office heraus direkt auf Services im Internet zugreifen können, beispielsweise um Dokumente via Internet gemeinsam nutzen zu können. Dabei handelt es sich um eine komplette Infrastruktur. Wir haben ein mächtiges Office-System, wir haben Vista, wir haben die Live-Dienste.

"Computer werden niemals Utility"

CW: Das hört sich sehr nach Cloud Computing an. Werden auch aus Ihrer Sicht die Rechenkapazitäten vor Ort mehr und mehr durch eine Art Utility Computing ersetzt?

BERG: Wir glauben, dass es eine Mischung geben und nicht alles ausschließlich im Netz stattfinden wird. Das reine Cloud-Computing hat sich nicht durchgesetzt und wird sich aus meiner Sicht auch in absehbarer Zeit nicht durchsetzen. Es wird eine Mischung aus lokaler Intelligenz und Intelligenz im Netz geben.

CW: Dementsprechend wird sich Microsoft positionieren?

Achim Berg, Deutschland-Geschäftsführer von Microsoft, zu Online-Software und dem Wettbewerb mit Google: Features wie Umlaute werden in unserem Angebot enthalten sein und nicht als die größte Erfindung seit dem tiefen Teller später nachgeschoben.
Foto: Microsoft

BERG: Das scheint der richtige Weg zu sein. Ein typisches Beispiel ist der Exchange Server: Es kann durchaus sinnvoll sein, einen Exchange Server im Hosting zu betreiben. Deshalb würde ich aber nicht die gesamte Applikationslandschaft in die Cloud verlagern. Das mag für einzelne stark standardisierte Bereiche sinnvoll erscheinen, aber eben nicht für alles. Diesen Trend sehe ich nicht. Weder bei Großkunden noch im Mittelstand noch bei den kleinen Firmen.

CW: Das bedeutet, Commodity-Bereiche auszulagern und die unternehmensspezifischen Bereiche weiter unter der eigenen Kontrolle zu halten?

BERG: Themen wie BI, Sharepoint, Unified Communications – das lege ich lieber bei mir im Unternehmen ab. Standardisierte Bereiche, wie den Exchange Server kann man auslagern und die integrierten Schnittstellen nutzen.

CW: Damit stimmen Sie den Thesen Nicholas Carrs nicht zu, wonach das Ende der IT-Abteilungen bevorsteht und künftig Computing wie Strom aus der Steckdose bezogen wird?

BERG: Zumindest auf absehbare Zeit kann ich einen derartigen Trend nicht erkennen.

CW: Aber mit der Behauptung, dass sich vieles in der Cloud preisgünstiger betreiben lässt, hat Carr doch Recht?

BERG: Trotzdem werden Computer niemals Utility werden. Wir können uns sicher darauf einigen, dass einige Bereiche ins Hosting oder zu Partnern wandern können – in die Cloud eben. Komplett jedoch nie. Der Grund: IT ist auch ein Differenzierungsmerkmal. Die ganze Innovation kommt aus der IT, speziell aus der Software. Innovation ist in erster Linie softwaregetrieben. Das bedeutet, dass die Software Kernkompetenz ist. Und das können Anwender nicht als Utility beziehen.

Microsofts neue Offenheit

CW: Software-Services verlangen offene Schnittstellen. Bislang war der Konzern recht sparsam mit seinen technischen Informationen, hat jedoch jüngst eine Initiative für mehr Offenheit angekündigt. Was sind die Gründe für Microsofts Kehrtwende in der Schnittstellenpolitik?

BERG: Dem muss ich widersprechen: Microsoft arbeitet schon seit mehreren Jahren daran, die Interoperabilität seiner Produkte zu verbessern. Wir haben hat eine ganze Reihe von Schritten unternommen, um unsere Technologie gegenüber Kunden und anderen Anbietern zu öffnen, zum Beispiel die Einführung von XML basierten Formaten, die Offenlegung von Schnittstellen Informationen für Windows Betriebssysteme für Desktop und Server oder die Kooperation mit anderen Softwareanbieten wie Sun oder Novell. Mit diesen Prinzipien erweitern wir deutlich unsere Aktivitäten, Plattform-übergreifend Interoperabilität zu fördern.

CW: Welche Rolle haben die Kartellrechtsverfahren bei dieser Entscheidung gespielt?

BERG: Natürlich war die Erfüllung der Auflagen der EU-Kommission ein wichtiger Faktor. Das ist aber nicht unser Hauptbeweggrund unsere Technologien sehr weit reichend zu öffnen. Das haben wir vor allem auch aufgrund des Feedbacks unserer Kunden getan. Denn je wichtiger webbasierte Services und SOA für Unternehmensanwender werden, desto wichtiger wird auch die Interoperabilität von Anwendungen, Daten und Technologien. Insofern sichern wir mit dieser Entscheidung auch den langfristigen Erfolg der Microsoft Plattform.

CW: Was wird sich konkret für die Softwarepartner in der Zusammenarbeit mit Microsoft verändern?

BERG: Unsere Partner sind bereits sehr weitgehend in die Entwicklung unserer Technologien involviert. Wichtig ist, dass wir die Zusammenarbeit mit den Entwicklern anderer Technologieplattformen, insbesondere mit der Open Source Community auf eine neue Basis gestellt haben. Zum einen, weil wir nun klargestellt haben, dass alle Schnittstelleninformationen und Kommunikationsprotokolle für alle Entwickler frei verfügbar sind und in nicht-kommerziellen Anwendungen auch lizenzfrei genutzt werden können. Zum anderen, weil wir den Austausch mit Open Source-Anbietern weiter intensivieren, zum Beispiel durch die "Open Source Interoperability Initiative", in deren Rahmen wir Foren schaffen werden, die eine kooperative Softwareentwicklung fördern.

Mehr Bandbreite bei Unternehmenssoftware

CW: Im Bereich Unternehmenssoftware versucht sich Microsoft breiter aufzustellen. Welche Strategie steckt hier dahinter?

BERG: Wir gehen mit unseren Produkten mehr in die Breite. Mit Microsoft Dynamics Entrepreneur haben wir gerade ein Produkt für kleine Unternehmen herausgebracht. Auf der anderen Seite können wir auch Firmen mit über 10.000 Arbeitsplätzen mit unseren Lösungen bestücken. Zudem integrieren wir unser ERP und CRM Produktportfolio immer stärker in die klassischen Microsoft Lösungen. So orientiert sich das Look-and-Feel der Business- Software eng an unserem Office-Paket. Außerdem gibt es die Möglichkeit, von den kleinen Systemen aus zu wachsen. Kunden können problemlos migrieren.

CW: Gerade für den gehobenen Mittelstand stellt das die Partner aber vor große Herausforderungen?

BERG: Wir haben Partner, die dies bewältigen können und das notwendige Spezial-Knowhow beispielsweise für BI mitbringen. Eine ganze Reihe von Partnern ist in diesem Umfeld sehr aktiv.

CW: Allerdings gab es immer wieder Kritik an der Qualität dieser Partner?

BERG: Davon habe ich nichts gehört. Ich habe einige große Projekte persönlich begleitet und war dabei sehr angetan von der Qualität. Außerdem verfügt Microsoft mit seinem Servicebereich auch über eigene Consulting-Ressourcen. Damit können wir unsere Partner unterstützen. In dieser Kombination habe ich bislang nur positive Resonanz gehört. Wir könnten aber stärker wachsen, wenn unsere Partner die notwendigen Fachkräfte bekämen. Das ist aber kein Qualitätsproblem sondern ein Verfügbarkeitsproblem.

CW: Wie beurteilen Sie das Problem mit den fehlenden Fachkräften?

BERG: Das ist ein grundsätzliches Problem. Wir haben in der IT-Branche mittlerweile fast 40.000 offene Stellen in Deutschland zu besetzen. Das bedeutet für uns konkret, dass wir beispielsweise im Mittelstandsegment um etwa fünf Prozent weniger stark wachsen als wir eigentlich könnten. Insbesondere unseren Partnern fehlen einfach die Fachkräfte. Wir haben deshalb ein Programm aufgesetzt, mit dem wir unsere Partner gezielt bei der Suche nach Fachkräften unterstützen unter anderem mit einem eigenen Jobportal. Aber es ist ganz klar: In Deutschland wird das Wachstum durch den Fachkräftemangel gebremst.

CW: Würden Sie Ihren Kindern vor diesem Hintergrund eine Karriere in der IT empfehlen?

BERG: Grundsätzlich muss jeder nach seinen persönlichen Neigungen gehen. Ich würde aber jedem, der einen Neigung und ein Gefühl für Technik hat, dringend empfehlen, in die IT zu gehen. Jede Innovation, die wir heute sehen, stammt im Grunde aus der Software. Es gibt keine Branche, die breiter aufgestellt ist und mehr Möglichkeiten bietet. Der Anteil der IT-Investitionen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt in Deutschland bei 1,8 Prozent. In den USA sind es 3,6 Prozent und in Großbritannien noch höher. Daran sieht man, dass Deutschland in Sachen Investments noch unterrepräsentiert ist. Deshalb steckt auch noch jede Menge Musik im deutschen Markt. (ba)