Wegen Verstoß gegen die Kartellauflagen von 2004

EU verhängt fast 900 Millionen Euro Bußgeld gegen Microsoft

27.02.2008
Die EU-Kommission hat gegen den weltgrößten Softwarehersteller Microsoft ein neues Rekordstrafgeld von 899 Millionen Euro verhängt.

Der Konzern habe Konkurrenten bis zum Oktober 2007 ungerechtfertigte Lizenzgebühren für technische Informationen berechnet. Microsoft verstieß damit gegen frühere EU-Sanktionen aus dem Jahr 2004, entschied die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel.

Die Kommission hatte Microsoft damals wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung schwer bestraft. Der Konzern musste seitdem rund 778 Millionen Euro Bußgelder in die EU-Kasse überweisen.

Microsoft musste zudem technische Einzelheiten an andere Hersteller offenlegen, damit deren Software mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows vereinbar wird. Nach Ansicht der Kommission kam Microsoft dieser zwingenden Verpflichtung bis Oktober 2007 nicht nach.

Laut EU-Kommissarin Neelie Kroes hätte das neue Bußgeld auch noch deutlich höher ausfallen können.
Laut EU-Kommissarin Neelie Kroes hätte das neue Bußgeld auch noch deutlich höher ausfallen können.
Foto: Neelie Kroes

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte: "Microsoft ist das erste Unternehmen seit Einführung der EU-Wettbewerbspolitik vor 50 Jahren, gegen das die Kommission ein Geldbuße wegen Nichteinhaltung einer Kartellentscheidung verhängen muss." Sie hoffe nun, dass das "dunkle Kapitel der Verstöße Microsofts" erledigt sei. Kein Unternehmen wurde bisher von Brüssel so schwer sanktioniert wie Microsoft.

Das Rekord-Wettbewerbsbußgeld der EU von 899 Millionen Euro gegen den Softwaren-Giganten Microsoft hätte noch viel höher ausfallen können: Die EU-Kommission verfügte über einen Rahmen von bis zu 1,5 Milliarden Euro, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes am Mittwoch vor Journalisten in Brüssel. "Das Strafgeld ist vernünftig und angemessen." Das Vorgehen der Kommission ist nicht ungewöhnlich. Auch in anderen großen Kartell- und Missbrauchsfällen gegen internationale Konzerne schöpfte die EU-Behörde bisher nur in Einzelfällen die Maximalgrenzen bei Bußgeldern aus.

Geheimniskrämerei um technische Schnittstellen bei Microsoft

Im Kern des Rechtsstreits zwischen Microsoft und der Europäischen Union geht es um technische Schnittstellen. Sie sollen Wettbewerbern des Softwaregiganten ermöglichen, ihre eigenen Produkte mit den Microsoft-Programmen zu verzahnen. Die Informatiker nennen sie "Schnittstellen zur Anwendungsprogrammierung" und sprechen gemäß der englischen Abkürzung von APIs. Die Schnittstellen ermöglichen eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Systemen, beispielsweise einem Windows-Server von Microsoft mit einem Unix-System von Sun.

In der Vergangenheit hat Microsoft die Schnittstellen seiner Betriebssysteme und Programme quasi als Betriebsgeheimnis gehütet und nur spartanisch Auskunft über die detaillierte Beschaffenheit der Schnittstellen gegeben. Dagegen hatte der Lobby-Verband ECIS protestiert, dem Microsoft-Konkurrenten wie Opera, RealNetworks und Sun Microsystems angehören.

Umstritten war auch die Höhe der Lizenzgebühren, die Microsoft für die Offenlegung der Schnittstellen-Informationen verlangte. So mussten beispielsweise die Macher der freien Software Samba, die bestimmte Funktionen eines Windows-Servers übernehmen kann, 10.000 Euro an Microsoft bezahlen. Diese Gebühr hatte damals eine Stiftung übernommen.

Unter dem Druck der EU-Kommission veröffentlichte der Software-Konzern inzwischen rund 30.000 Dokumente, in denen unter anderem Schnittstellen beschrieben werden. Die Dokumente betreffen jedoch vor allem neue Microsoft-Systeme und nicht die Programme, für die die Europäische Kommission im Jahr 2004 eine Öffnung der Schnittstellen verlangt hatte. (dpa/tc)