Wer wird das nächste Facebook?

Zehn Startups, die 2011 durchstarten

12.07.2011 von Moritz Jäger
Startups wie Google und Facebook haben unsere Internet-Nutzung nachhaltig verändert - doch was wird das nächste große Ding? COMPUTERWOCHE analysiert zehn Startups, die noch dieses Jahr den Sprung in den Mainstream schaffen könnten.

Die Finanzkrise hat zwar ihre Spuren hinterlassen und bedeutete das Ende für zahlreiche Webdienste und Startups, inzwischen hat sich aber die Szene weitestgehend erholt - und anders als beim Platzen der Internetblase Anfang 2000 gab es deutlich mehr Projekte, die sinnvolle Konzepte vorweisen konnten.

Naturgemäß kommt der größte Teil der erfolgreichen Startups aus den USA. Dort können Dienste seit Jahren aktiv und erfolgreich sein, bevor sie den Sprung über den Ozean und damit nach Europa wagen - Facebook ist so ein Beispiel. Das soziale Netzwerk war jahrelang nur in den USA und für wenige Geeks und Nerds in Europa ein Anlaufpunkt. Inzwischen ist Facebook auch hier kaum noch wegzudenken.

Was also ist der nächste große Trend? Wo sind die Innovationen, die uns in drei bis fünf Jahren alltäglich erscheinen? COMPUTERWOCHE hat sich zehn verschiedene Startups genauer angesehen, die sich in neun Kategorien aufteilen. Wie bereits erwähnt sind die meisten davon aktuell in den USA aktiv - sie lassen sich aber zumindest bereits von Europa aus nutzen.

Natürlich gibt es keinerlei Gewissheit, dass die vorgestellten StartUps auch hierzulande erfolgreich werden - es gibt genügend Beispiele für gescheiterte Projekte.

Bildergalerie: Startups
Startups in 2011
Über AirBnB können Privatpersonen ihre Zimmer vermieten...
Startups in 2011
...das Angebot ist aktuell durchaus ansprechend.
Startups in 2011
Zite ist ein digitales Magazine für Apples iPad.
Startups in 2011
Die Auswahl der Kategorien in Zite
Startups in 2011
Flipboard ist ein weiteres digitales Magazin - Nutzer können es mit Diensten wie Twitter, Facebook oder Google reader verknüpfen.
Startups in 2011
Die Kategorie-Auswahl für Flipboard.
Startups in 2011
Indiegogo ist eine Plattform, mit der Künstler und angehende Unternehmer Geld für Projekte sammeln können.
Startups in 2011
Kickstarter ist eine andere Plattform für Crowdfunding.
Startups in 2011
Quora ist eine Plattform für Fragen und Antworten, die besonders durch hochwertige Nutzer glänzt.....
Startups in 2011
.... selbst Fragen, die bei anderen Plattformen höchstens Trolle anlocken, werden dort fundiert beantwortet.
Startups in 2011
Ein Teamspace in Sococo - die App ist wie ein herkömmliches Büro aufgebaut.
Startups in 2011
Über die Anwendung kann man auch Apps mit anderen Nutzern teilen.
Startups in 2011
Foodspotting nutzt die Position des Nutzers, um Fotos der Menüs von Restaurants in der Umgebung anzuzeigen.
Startups in 2011
Meal Snap arbeitet ähnlich - ist aber für das iPhone beschränkt.
Startups in 2011
Square verwandelt iOS und Android-Geräte in Terminals für Kreditkarten.
Startups in 2011
Zielgruppe sind vor allem kleinere Unternehmen, die einen genauen Überblick über verkauften Posten haben möchten.

Quora: Fragen und Antworten

Wenn es ein Projekt gibt, das aktuell die Herzen aller ITler im Silicon Valley höher schlagen lässt, dann ist es die Frage- und Antwortplattform Quora. Das Konzept ist einfach: Man stellt eine Frage in einem bestimmten Themenbereich und die jeweils anwesenden Experten beantworten diese.

Der Unterschied zu Portalen wie Gute Frage, Yahoo Answers oder Ask ist die Qualität. In Quora gibt es kaum Rechtschreibfehler, keinen Grammatik-Wildwuchs oder "Leet"-Sprache. Wer eine neue Frage stellt, wird von der Software auf Ungereimtheiten, etwa ein fehlendes Fragezeichen, hingewiesen. Gestellte Fragen können von anderen Nutzern nachträglich bearbeitet werden, etwa um Fehler in Rechtschreibung oder Grammatik anzupassen oder die Frage verständlicher zu definieren. Das gleiche gilt für Antworten - auch hier kann die Community als korrektiv eingreifen.

Quora: Das Antworten-Portal besticht durch hochkarätige Nutzer.

Diese Maßnahme ist unter anderem der Grund dafür, dass in Quora nicht nur Normalbürger, sondern hochkarätige Experten unterwegs sind. Dazu gehören beispielsweise auch erfolgreiche CEOs, Gründer oder andere Silicon-Valley-Legenden. Ein gutes Beispiel für die Qualität von Quora ist die Frage, wie viel AOL in den 90er Jahren für die omnipräsenten CDs ausgegeben hat. Innerhalb kürzester Zeit hatten sich Steve Case, der ehemalige Gründer und Chairman von AOL, Jan Brandt, die frühere CMO und andere Veteranen gemeldet und die Frage mit Zahlen, Fakten und Anekdoten beantwortet.

Bleibt die Frage: Kann Quora da erfolgreich sein, wo sich Giganten wie Google bereits die Zähne ausgebissen haben? Auch hiermit setzt sich die Plattform auseinander, etwa in dieser Frage zur langfristigen Ausrichtung der Plattform. Das Geld dürfte so schnell nicht ausgehen - im März 2010 konnte sich Quora ein Funding von 86 Millionen US-Dollar von Benchmark Capital sichern.

Sococo: Virtuelle Teams führen und koordinieren

Einer der größten Trends der letzten Jahre in der Arbeitswelt geht weg von traditionellen, festangestellten Arbeitsgruppen hin zu Teams aus Spezialisten. Das Problem dabei: Egal ob es sich um Freelancer oder Angestellte handelt, die meisten installierten Groupware-Systeme kommen mit den neuen Anforderungen nicht zurecht. Das Startup Sococo will dieses Problem durch den Einsatz einer Cloud-gestützten Kommunikation lösen mitsamt einem eigenen Client lösen.

Sococo geht dabei einen recht innovativen Weg: Jeder Nutzer in einem Team erhält eine virtuelles Büro. Andere Teammitglieder können den Nutzer mit einem Klick "besuchen", sprich einen Chat beginnen oder per VoIP-Gespräch durchführen. Zudem kann man sich von externen Messengern wie AIM, MSN oder GTalk einklinken. Avatare zeigen den jeweiligen Status des Teammitgliedes an, ähnlich wie bei IM-Applikationen kann man den eigenen Status etwa auf Verfügbar oder Besetzt stellen. Dazu gibt es virtuelle Konferenzräume, in die man auch SaaS-Anwendungen wie Salesforce integrieren kann. Alternativ kann man auch den eigenen Bildschirm mit andern Nutzern teilen.

Sococo: Virtuelle Teams erhalten virtuelle Büros - das Design orientiert sich an herkömmlichen Büros.
Foto: Sococo

Was Sococo aber von anderen Instant-Messengern oder Web-Meeting-Systeme unterscheidet, ist die persistente Umgebung: Ist ein virtuelles Büro einmal eingerichtet, bleibt es erhalten - selbst wenn sich alle Nutzer abmelden. Das gilt auch für die virtuell integrierten Anwendungen.

Das Geschäftsmodell des Anbieters ähnelt anderen Cloud-basierten Systemen: Pro Monat und Nutzer ist eine bestimmte Gebühr fällig, die sich nach dem jeweils gewählten Tarif richtet - zur Verfügung stehen Team, Business und Enterprise. Je nach Tarif stehen zusätzliche Funktionen zur Auswahl, jeder Tarif kann aber 30 Tage lang getestet werden. Aktuell ist der Dienst lediglich auf Englisch verfügbar, auch Rechnungen werden in US-Dollar fällig. Den notwendigen Client gibt es für Windows und Mac OS.

Theoretisch können Firmen hierzulande bereits auf Sococo zugreifen - allerdings bleiben einige Fragen offen: Etwa, in welchem Land die Daten gespeichert werden und ob das möglicherweise Probleme in der Hinsicht auf Compliance gibt. Dennoch bietet Sococo eine interessante Alternative zu herkömmlichen Meeting-Systemen, die sich deutlich "echter" anfühlt, als etwa simples E-Mail und Frontalpräsentationen via Online-Meetings.

AirBnB: Konkurrenz für Hotels und Buchungssysteme

Wer einmal die CeBIT besucht hat, kennt die schlechte Hotelsituation zur Genüge. Wahrscheinlich weiß er aber auch, dass die Hannoveraner während der IT-Messe Unterkünfte in privaten Wohnungen anbieten. Das soll so lukrativ sein, dass sich manche Familien damit komplette Urlaube finanzieren.

Genau in diese Kerbe, nur weltweit, schlägt der Webdienst AirBnB. Anstatt dass man seine Unterkunft in einem traditionellen Hotel bucht, können sich Reisende hier bei Privatpersonen einquartieren - wahlweise pro Nacht, Woche oder Monat.

AirBnB: Das Startup macht herkömmlichen Buchungssystemen Konkurrenz - durch Vermietung privater Räume.

Jeder Eintrag lässt sich von den Besuchern anschließend bewerten und kommentieren. Zudem verfügt die Plattform über eine Anbindung an Facebook. So kann man etwa sehen, welche Kontakte bereits wo übernachtet haben und kann sich direkt von diesen eine weitere Meinung einholen.

Die Plattform übernimmt außerdem die komplette Bezahlung. Der komplette Trip wird vorab bezahlt, der Vermieter erhält allerdings erst 24 Stunden nach dem Check-In Zugriff. Bezahlt werden kann per Kreditkarte und PayPal, direkte Überweisungen werden erst ab 600 US-Dollar Buchungssumme angenommen.

AirBnB finanziert sich über die Zimmermiete. Die Gebühren reichen von 6 - 12 Prozent, je nachdem, wie lang das Zimmer gemietet wird. Das Businessmodell orientiert sich an anderen Online-Plattformen, mit der Ausnahme, dass hier auch Privatpersonen zugelassen werden.

Foodspotting und MealSnap: Die Foursquare-Evolution

Der Sinn von Location-based Apps ist es, Freunden und Kontakten zu zeigen, wo man sich aufhält. Zudem kann man die Apps nutzen, um Erfahrungen und Tipps zu den jeweiligen Aufenthaltsorten herauszufinden. Die Apps Foodspotting und MealSnap treiben dieses Konzept weiter: Statt der Frage "Wo wollen Sie hingehen" wollen die Anwendungen wissen was man essen möchte.

Ähnlich wie bei Foursquare oder Gowalla leben die Anwendungen von der Teilnahme der Nutzer. Jedes Mitglied kann Bilder von der jeweiligen Speise machen, dieses einer der verschiedenen Kategorien zuweisen und dieses über soziale Netzwerke mit Facebook mit seinen Kontakten teilen.

Foodspotting: Eine der neuen Apps, die Fotos von Gerichten statt den Nutzer ins Zentrum stellen.

Das Konzept funktioniert auch in die andere Richtung: Nutzer können sich die Fotos der Gerichte in der Umgebung anzeigen lassen oder nach bestimmten Kategorien filtern lassen. Findet man ein Essen, dass gefällt, können die Apps direkt eine Route zur jeweiligen Gaststätte planen.

Für Endnutzer sind die Apps faszinierend: Wer sich näher damit beschäftigt - und genügend aktive Nutzer in der Umgebung hat - dessen Essgewohnheiten werden von den Apps beeinflusst.

Die Apps haben aber das gleiche Problem wie Gowalla, Foursquare und Co: Woher soll Geld kommen, sobald das Funding ausläuft? Eine Möglichkeit wäre lokalisierte Werbung - diese setzt aber einiges an Manpower und lokalem Know-How voraus.

Zite und Flipboard: Magazine für das Tablet-Zeitalter

Traditionelle Medien befinden sich seit Jahren auf dem Abstieg, das Internet mit zahlreichen Webseiten und Blogs gilt mit als einer der größten Konkurrenten. Tablets wie das iPad waren zwar kurzfristig ein Hoffnungsschimmer, allerdings konnten die wenigsten Verlage wirklich Konzepte vorlegen, mit denen sie Geld verdienen.

Dagegen stehen Projekte wie Flipboard und Zite. Hinter diesen stehen keine etablierten Verlagshäuser. Beide liefern eine App für das iPad und versprechen ein personalisiertes Leseerlebnis. Flipboard war der erste Dienst dieser Art. Nutzer können aus vorgegebenen Themen auswählen, oder ihre Twitter-, Facebook- und Google-Reader-Accounts mit der App kombinieren. Flipboard nutzt die Daten dann, um ein personalisiertes Magazin aus den jeweiligen Quellen zu erstellen.

Zite: Eins der neuen Magazine für das iPad.

Zite setzt noch stärker auf den Magazinfaktor als Flipboard. Nutzer können sich die verschiedenen Themenfelder auswählen, die sie interessieren. 33 sind aktuell vorgegeben, weitere lassen sich auf Wunsch anlegen. Auch hier können Twitter- und Google-Reader-Konten integriert werden.

Beide Apps setzen zwar auch auf etablierte Medien, der Löwenanteil der Nachrichten und Artikel stammt aber aus Blogs. Die Anwendungen sind zudem stabil und lassen sich intuitiv bedienen, etwa, indem man eine virtuelle Seite umblättert. Zite und Flipboard zeigen also, wie Medienschaffende in Zukunft die Tablets und die stärkere Verbreitung von Touchscreens nutzen können - aber auch, wie viel hochwertige Artikel und Beiträge es außerhalb der normalen Medienwelt gibt.

Beide Projekte wollen langfristig Geld durch das Einblenden von Werbung verdienen. Diese soll aber deutlich hochwertiger sein als bisherige Werbung im Web und sich mehr an Magazinen orientieren. Aktuell konzentrieren sich die Dienste noch auf den amerikanischen Markt. Ein ähnliche App würde in Deutschland allerdings auch gute Chancen haben - es sei denn, die Verlage verhalten sperren sich komplett und ziehen gegen die potentiellen Mitbewerber vor Gericht.

Square: iPhone und Android als Kreditkartenterminal

Hinter dem Startup Square steht Jack Dorsey, ein Mitgründer von Twitter. Square stellt eine komplette Infrastruktur zur Verfügung, um Produkte per Kreditkarte zu bezahlen. Der Clou: Verkäufer benötigen kein zusätzliches Terminal. Der Leser wird einfach in die Audiobuchse eines iPhone 4, iPod (vierte Generation) oder ein iPad angeschlossen. Anschließend muss nur noch eine App installiert werden und das iOS-Gerät ist ein komplettes Kreditkartenterminal. Nach iOS ist inzwischen Android ab Version 2.1 Teil der künftigen Strategie.

Ein weiterer Clou: Die Hardware von Square wird in den USA in jedem Apple Store vertrieben, der Leser kostet knapp 10 Dollar. Diese erhält der Nutzer aber anschließend einmalig gutgeschrieben - im Grunde zahlt der Nutzer also nichts für Leser und App.

Square: iOS und Android werden damit zu Kreditkartenterminals.
Foto: Square

Geld verdient der Konzern bei jeder Transaktion: jeweils 2,75 Prozent des bezahlten Betrags bleiben bei Square. Lukrativ, vor allem, da Square laut dem Gründer inzwischen mehr als eine Million Transaktionen pro Tag abwickelt. Square verspricht, dass die Umsätze spätestens am nächsten Tag im Konto des Nutzer landen.

Die Zielgruppe von Square sind Kunden, die möglicherweise kein kabelgebundenes Terminal nutzen können oder wollen. Das sind etwa Taxifirmen oder andere Fahrdienste oder kleinere Geschäfte, für die sich die bisherigen Gebührenmodelle nicht lohnen.

Es bleibt allerdings die Frage, ob sich dieses Modell auch in Europa durchsetzen kann - zumindest wenn Square künftig neben Kredit- auch EC-Karten akzeptiert, würde es hierzulande durchaus Potential geben.

Indiegogo und Kickstarter: Internetnutzer als Geldgeber

Die Wikipedia ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, was die Crowd, also die Gemeinschaft aller Internetnutzer erreichen kann. Crowdfunding orientiert sich an diesem Prinzip: Nutzer können ihre Projekte dort präsentieren und versuchen, andere Nutzer als potentielle Geldgeber für ihre Sache zu gewinnen.

Typischerweise läuft eine Ausschreibung auf den Seiten so ab: Der Suchende erstellt seine Seite, reicht sein Projekt ein, definiert ein Ziel und einen Zeitraum. Kickstarter und Indiegogo überprüfen das Projekt, geben es anschließend frei und bewerben es auf der Homepage.

Kickstarter: Eine der Plattformen, über die sich Unternehmer von Internetnutzer Funding für Projekte erbeten können.

Interessierte Nutzer können meist wählen, mit wie viel Geld sie das jeweilige Projekt unterstützen wollen. Die meisten Ausschreibungen bieten verschiedene Stufen an, je nach Höhe des eigenen Fundings erhält man unterschiedliche Gegenleistungen. Unterstützt man etwa einen Film, so gibt es etwa eine Erwähnung im Abspann, eine Kopie des Drehbuchs bis hin zur Einladung zur Premiere. Bei technischen Produkten gibt es meist eine oder mehrere Versionen des Endproduktes, deutlich billiger als für den späteren Verkaufspreis oder in einer limitierten Ausgabe. Auch wenn es zahlreiche Projekte gibt, die ihr Ziel nicht erreichen, stehen dem zahlreiche Ausschreibungen gegenüber, die teilweise unglaublich überfinanziert werden.

Kickstarter und IndieGogo sind zwar US-basiert, grundsätzlich können sich aber weltweit Geldgeber bewerben. Beide Projekte behalten einen Teil des Geldes ein, Kickstarter möchte fünf Prozent, IndieGogo behält vier Prozent. Dies gilt aber jeweils nur, wenn eine Ausschreibung das gesetzte Ziel erreicht oder übertrifft.

Ein Nachteil: Geldgeber haben meist nicht die Option, mit unterstützen Produkten langfristig Geld zu verdienen. Beide Projekte setzten also darauf, dass andere Nutzer genügend Geld übrig haben, um es in die diversen Interessen zu investieren - eine zweite Rezession könnte die Seiten also hart treffen.