Wireless LAN und Handy-Netz konvergieren

18.03.2004 von Jürgen Hill
Eine Woche lang war der 3GSM World Congress in Cannes das Mekka der mobilen Welt von morgen. Statt wie in der Vergangenheit über das Pro und Kontra verschiedener Übertragungstechniken zu streiten, übte die Industrie, einig wie selten, den Schulterschluss und propagierte den Aufbruch in Richtung Netzkonvergenz.

Ein seltenes Harmoniebedürfnis legten die Aussteller der diesjährigen 3GSM an den Tag. Vorbei waren die Zeiten heißer Dispute zwischen WLAN-Befürwortern und UMTS-Protagonisten. Ebenso scheint die Frage nach der Killerapplikation für die breitbandigen Funkdienste ein für allemal gelöst zu sein: Es wird sie nicht geben, so das Credo in Cannes. Stattdessen sieht die Industrie nach der Euphorie um Multimedia-Messages und herunterladbare Klingeltöne nun auch wieder den professionellen Anwender neben den Consumern als Zielgruppe für den mobilen Datenaustausch.

Die mobile Welt von morgen, so die Meinung auf dem 3GSM World Congress, erfordert ein Überdenken heutiger Security-Regeln. (Foto: Hill)

Das Ende des Glaubenskrieges um UMTS und WLAN veranschaulicht am deutlichsten die Unternehmensstrategie von T-Mobile. Die Telekom-Tochter wandelte sich vom WLAN-Saulus zum Hotspot-Paulus. Vermittelte der Mobilfunk-Carrier vor einem Jahr noch den Eindruck, er wisse nicht, wie man Hotspot buchstabiert, so lobte René Obermann, Vorstandsvorsitzender der T-Mobile-Gruppe, in Cannes die lokale Funktechnik als die "Enabling Technology", welche den Anwender an die mobile Datenübertragung heranführe.

Obermanns Begeisterung in Sachen WLAN erklärt eine Zahl: Alleine im Januar 2004 übertrugen die Benutzer der US-amerikanischen T-Mobile-Hotspots 4,7 Terabyte an Daten. Angesichts dieses Erfolges will der WLAN-Spätstarter bis zum Jahresende die Zahl seiner Hotspots auf 10000 ausbauen. Ferner versprach Obermann, der wohl noch im März den offiziellen Startschuss ins UMTS-Zeitalter geben will, künftig bei der Tarifierung des mobilen Datenverkehrs nicht mehr zwischen der Nutzung von Handy-Netz oder Hotspot zu unterscheiden. Gleichzeitig soll ein seamless Roaming zwischen beiden Übertragungsraten ermöglicht werden. Hierzu will das Unternehmen noch im Sommer eine Datenkarte für GPRS/UMTS und WLAN offerieren. Im vierten Quartal folgen dann erste Handys, die alle drei Übertragungsvarianten unterstützen.

Wenig konkret wurde Obermann dagegen bezüglich der Kosten für den mobilen Datentransfer. Er deutete lediglich an, dass wohl die Zeiten, in denen der Datenverkehr 10-KB-weise abgerechnet wurde, vorbei sind und zeitabhängige Tarife folgen werden. Diese dürften allerdings, so ist Jörg Bonarius vom Saarbrücker Switching-Spezialisten Giga Stream überzeugt, nur eine Zwischenstufe sein: "Immer mehr Mobilfunk-Provider fragen bei uns Lösungen nach, um den Datenverkehr je nach Applikation tarifieren zu können." Ein Modell, das laut Bonarius zudem den Vorteil hat, dass auf diese Weise bestimmte Datenübertragungen, wie etwa der Zugriff auf zeitkritische Unternehmensapplikationen, priorisiert werden können.

Die mobile Zukunft

Konvergenz von WLAN und Handy-Netz;

vom Volumenmodell zur Zeittarifierung;

neue Abrechnungsideen auf Applikationsbasis;

leistungsfähigere Prozessoren für PDA und Smartphone;

Applikationsentwicklung in der mobilen Welt;

neue Sicherheitsstrategien für mobile Devices.

Die hierfür erforderlichen leistungsfähigen Endgeräte im PDA- oder Smartphone-Format dürften wohl Ende 2004 beziehungsweise Anfang 2005 auf den Markt kommen, denn Intel und Texas Instruments arbeiten mit Nachdruck an neuen Chipsätzen. Bei Intel entsteht unter dem Codenamen "Bulverde" ein Nachfolger für die heutigen Xscale-Prozessoren. Der Chipsatz soll auf dem PDA Darstellungen in VGA-Qualität ermöglichen und zudem die "MMX"-Technik der Pentium-Prozessoren besitzen. Ferner optimiert die Chipschmiede nochmals die Stromspar-Mechanismen und setzt dabei, ähnlich wie in den Notebooks, auf die "Speed-Step-Technology". Speziell für den Bau von 3G-Smartphones ist eine neue Baureihe von Kommunikationsprozessoren mit dem Codenamen "Hermon" konzipiert. Diese sollen auf dem Handy etwa Videokonferenzen mit 15 Frames pro Sekunde ermöglichen.

Linux gehört zum guten Ton

Auffallend bei der Vorstellung der neuen Chips war, wie die Company, früher berüchtigt für ihre enge Verbindung zu Microsoft und Windows, mittlerweile gegenüber anderen Betriebssystemen offen ist: Die Unterstützung von Symbian, Palm, Linux und Java gehört bei den mobilen Prozessoren mittlerweile zum guten Ton.

Konkurrent TI arbeitet mit der "Omap-2"-Architektur ebenfalls an leistungsfähigen Chips für GPRS- und UMTS-Handys. Auch hier steht wie bei Intel eine Neuerung auf dem Programm, die noch so manchem Werkschutzchef Kopfzerbrechen bereiten dürfte: Die neue Chipgeneration unterstützt von Haus aus im Telefon integrierte 4-Megapixel-Kameras.

Windows-Smartphone: Motorola MPx.

Unabhängigkeit in der Entwicklung

Um für diese leistungsfähigen Endgeräte auch die benötigten Applikationen bereitstellen zu können, hat HP die "Mobile Service Delivery Platform Version 2.0" (mSDP) vorgestellt. Mit dieser sind laut Joy King, Director Communications Network und Service Provider Business Unit, Entwickler in der Lage, Applikationen unabhängig von der darunter liegenden Netzinfrastruktur zu entwickeln. Ein Ansatz, von dem in den Augen von King sowohl die Carrier als auch die Anwendungsentwickler etwas haben: "Für die Netzbetreiber bedeutet dies mehr Datenverkehr, während die Entwickler von kürzeren Programmierzeiten profitieren." Ein anderes Konzept präsentierten Nokia und IBM anlässlich der Vorstellung des neuen "Nokia 9500 Communicator". Sie setzen auf eine Java-Umgebung, wobei auf dem Frontend ein Symbian-Betriebssystem mit etlichen Websphere-Client-Komponenten zum Einsatz

kommt.

Angesichts dieser diversen Ansätze empfiehlt Shane Wall, Vice President und Director Systems Technology bei Intel, den CIOs als Vorbereitung auf die mobile Welt von morgen, ihre Datenbestände in einem ersten Schritt auf XML zu migrieren: "Damit haben alle Endgeräte vom Smartphone über PDAs bis hin zum Arbeitsplatzrechner zumindest Zugriff auf die Informationen". Mit Anwendungen, die unabhängig vom verwendeten Endgerät nur einmal geschrieben werden, ist dann laut Wall in rund fünf Jahren zu rechnen. Die hierfür verwendeten Technologien, die quasi als Abstraction-Layer zwischen Betriebssystem und Anwendung dienen, sind für Wall aus heutiger Sicht .NET und Java.

Voq von Sierra Wireless: Hinter dem Ziffernblock verbirgt sich eine vollwertige Mini-Tastatur.

Um dem mobilen Anwender ferner einen sicheren Zugriff auf die Unternehmensinfrastruktur einzuräumen, rät der Vice President, sich über die Sicherheitspolitik Gedanken zu machen. In der Wireless-IP-Welt, so der Intel-Vordenker, werden sich neben Benutzerkennung und Password vor allem SIM-Karten und Zertifikate als Authentifizierungsmethoden etablieren. Ein Überdenken der heutigen Security-Regeln im mobilen Zeitalter hält auch Jens Meggers, Director Wireless Development bei Symantec, für erforderlich: "Es genügt nicht mehr, jeden Standort abzusichern, sondern jedes einzelne Endgerät, das außerhalb des sicheren Intranets online geht, muss für sich selbst abgesichert werden."

Es folgt Device-Management

Virenschutz und Firewall für mobile Endgeräte, die Meggers Unternehmen unter anderem vertreibt, sind dabei jedoch nur eine erste Maßnahme. Noch wichtiger ist nach Meinung des Symantec-Directors, dass sich Administratoren mit dem Gedanken anfreunden, künftig auch ein Device-Management betreiben zu müssen, um sicherzustellen, dass der Mitarbeiter unterwegs die neuesten Updates erhält oder die Geräteeinstellungen mit der aktuellen Sicherheitspolitik des Unternehmens konform sind.

Mobiltelefone für Business Anwender

Nachdem die Mobilfunkbranche lange Zeit den Eindruck vermittelte, sie habe den professionellen User komplett aus den Augen verloren, waren heuer in Cannes erste vielversprechende Ansätze von Profi-Handys zu sehen. Exemplarisch hierfür seien der "Nokia 9500 Communicator" und das "Voq"-Telefon von Sierra Wireless vorgestellt.

Der Clou beim Sierra-Handy ist, dass der zum Wählen verwendete Ziffernblock aufgeklappt werden kann und so eine vollwertige Minitastatur zum Tippen erscheint. Zwar ist die Idee von E-Mail-fähigen Handsets seit dem "Blackberry von RIM nicht mehr neu, doch bei Sierra benötigt der Anwender im Gegensatz zum Blackberry-Ansatz keine teuren, dedizierten Mail-Server für das mobile Device. Es ist lediglich ein Imap-4-fähiger Server erforderlich, egal ob Exchange, Notes oder Groupwise verwendet werden. Zudem kann das Smartphone, das etwa KPN in sein Programm aufnimmt, HTML-Applikationen ausführen.

Der Nokia Communicator 9500 unterstützt GPRS, Edge und WLAN.

Noch einen Schritt weiter in der Verzahnung mit der Unternehmens-IT geht Nokias neuer Communicator 9500, der im vierten Quartal für rund 800 Euro erhältlich sein soll. Das GPRS-, Edge- und WLAN-fähige Gerät wartet unter anderem mit Office-Tools für Dokumente, Spreadsheets und Präsentationen auf. Ferner versprechen die Unterstützung von Java-Script, das J2ME Personal Profile Environment sowie die Websphere-Client-Software eine Zugriffsmöglichkeit auf Enterprise-Anwendungen.

Bei aller Euphorie in Sachen Netzkonvergenz fiel in Cannes jedoch ein Trend auf: Egal ob es die neuen Windows-Smartphones "MPx" und "MPx 100" von Motorola oder Panasonics "X700" auf Symbian-Basis betrifft, die Verschmelzung der Netze beschränkt sich meist auf GPRS und Bluetooth, im besten Fall gepaart mit einer WLAN-Unterstützung. Selbst Intels neues Referenzdesign "Zoar" für Smartphones beherrscht nur GPRS, Bluetooth und WLAN - jedoch kein UMTS. Auch reine UMTS-Handys waren auf der Messe eher rar. Eines der wenigen 3G-Handys war das "SGH-Z105" von Samsung.