Interview mit Michael Dell

"Wir sind nicht mehr abhängig vom Erfolg einer Kiste"

09.08.2011
Unsere amerikanischen Schwesterpublikation "Infoworld" befragte Michael Dell zum Umbau seines Unternehmens vom Boxenschieber zur "Solution Company".

Früher sah sich Dell als Boxenschieber mit dem Anspruch, Innovationen schnell aufzunehmen und zu verbreiten. Inzwischen haben Sie sich als Lösungsanbieter aufgestellt. Wie kam es zu diesem Wandel?

Foto: DELL Inc.

Dell: Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre haben wir damit begonnen, mehr und mehr leistungsfähige Enterprise-Produkte herzustellen. Als wir diese auch in die Data Centers verkauften, war uns schnell klar, dass die Kunden mehr davon wollten. Wir begannen, unsere Business-Service-Kapazitäten auszubauen und das Geschäft zu vertikalisieren. Zunächst vor allem im Behördenumfeld, wo wir Angebote für die Bereiche Bildung, Gesundheit, Verteidigung und Verwaltung bereithielten. Wir haben dann gemerkt, dass wir hier schneller werden mussten.

Deshalb haben wir den IT-Dienstleister Perot Systems gekauft. In den letzten Jahren bauten wir dann unser Lösungsangebot sowohl durch organisches Wachstum als auch durch Zukäufe aus. Wir sind heute in der Lage, die Probleme unserer Kunden zu lösen - und damit eröffnen sich uns bessere Chancen.

Wie haben Sie Ihre Kunden vorher angesprochen?

Dell: Vor fünf Jahren haben wir gesagt: 'Hey, haben wir nicht schöne Boxen?' Dazu sagen die Kunden heute: ‚Interessiert mich nicht, ich habe zu tun. Was weißt Du schon von meinem Problem? Ich bin dabei, eine zukunftsfähige Supply Chain einzurichten. Ich versuche meine Vertriebsmannschaft effektiver aufzustellen. Ich will, dass meine Studenten bessere Ergebnisse erzielen oder meine Patienten bessere Chancen haben, gesund zu werden. Wenn Du dich in meinem Geschäft auskennst, werde ich mit dir reden. Wenn nicht - lass mich in Ruhe!’

Sich in vertikalen Märkten auszukennen, erfordert neue Skills, Fähigkeiten und den Aufbau von geistigem Eigentum. Manches haben wir selbst geschaffen, anderes zugekauft. So haben wir den Rahmen der Möglichkeiten für Dell erheblich ausgeweitet. Heute blicken wir auf die ganze 2,7-Billionen-Dollar-IT-Industrie und sagen: Wir können überall mitspielen. Wir sind nicht mehr abhängig vom Erfolg dieser oder jener Kiste.

Sicher sind wir auf einigen Gebieten weiter als auf anderen - zum Beispiel im Gesundheitswesen, wo wir uns als Nummer eins weltweit sehen. Wir bauen heute Gesundheitsinformations-Systeme, evidenzbasierende Medizinsysteme, elektronische Patientenakten und vollständige Lösungen, mit denen medizinische Einrichtungen Patienten besser versorgen können. Das ist es, was Kliniken wollen - und nicht nur hübsche Boxen, obwohl diese natürlich Teil einer Lösung sein können. Wir haben die Kundenansprache verändert, und das produziert kontinuierlich bessere Geschäftszahlen. Unsere GAAP-Erträge haben sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt. Uns gefällt das. Und andere scheinen es auch zu mögen.

Kann ich mir vorstellen…

Dell: Dieser Erfolg gibt uns die Freiheit, zu expandieren und zu investieren. Wir machen das ja nicht erst seit dem letzten Quartal. Schon vor dreieinhalb Jahren haben wir EqualLogic gekauft (einen Anbieter von ISCSI-SAN-Speicherlösungen fürs Rechenzentrum, Anm. d. Red.). Dell hat 15 Millionen Server in der vergangenen Dekade abgesetzt. Es ist nicht einfach, ein Data Center zu finden, in dem keine Dell-Server stehen. Rund ein Drittel der in Nordamerika verkauften Server kommen von uns. Und was passt zu Servern? Speicher und Netzwerkequipment. Das sind also die Märkte, in denen wir expandieren können.

Innovative Trends beginnen in kleinen Unternehmen

Dell wollte sich auch als Anbieter horizontaler Lösungen für mittelgroße Betriebe aller Branchen positionieren. Welche Art von Angeboten sind heute für diese Kundengruppe bestimmt?

Dell: Von all unseren Lösungen sind ungefähr 80 Prozent übergreifend und 20 Prozent branchenspezifisch einsetzbar. Horizontale Lösungen lassen sich natürlich viel breiter vermarkten, die Nachfrage ist größer. Das sind Themen wie Virtualisierung oder Data Center der nächsten Generation. Ebenso Cloud Computing, die Anbindung mobiler Clients oder IT-Sicherheitslösungen - wir haben viele horizontale Lösungen, die für alle brauchbar sind. Vor allem für Kunden, deren Geschäft relativ vorhersagbar ist, lassen sich solche Lösungen nahezu fabrikartig ausrollen. Aus Kundensicht funktioniert das effizient, schnell und erfolgreich. Es ist nicht so schwierig, dasselbe hoch optimiert wieder und wieder und wieder zu tun.

Und für Dell ergeben sich schöne Skalierungseffekte.

Dell: Ja. Wir fokussieren uns auf das mittlere Marktsegment, weil Innovationen hier oft ihren Ausgangspunkt haben und eine Menge neue Lösungen entstehen sehen. Denken Sie an x86-Server. Diese Rechner kamen nicht in den größten Unternehmen der Welt zum Durchbruch. Ich weiß noch genau, wie mir die Großunternehmen gesagt haben, bleib mir weg mit dem Zeug, wir nutzen Mainframes. x86-Server kamen in kleinen, wendigen und schnellen Firmen hoch, um dann auch von mittleren und schließlich von großen Unternehmen eingesetzt zu werden - vom Web- über den Anwendungs- bis hin zum Datenbank-Layer. Heute stehen sie im Zentrum der Rechenzentren der weltgrößten Unternehmen.

Sehen Sie sich all die neuen Unternehmen an: überall x86-Server! Google und Baidu, diese Leute wollen keine Mainframes oder Minicomputer. Es geht nur um x86 - wahrscheinlich wird ARM in Zukunft auch noch eine wichtigere Rolle spielen. Ähnlich verhält es sich mit flachen Netzarchitekturen, iSCSI, Social Computing und all die neuen Formen von Collaboration: Diese innovativen Trends beginnen immer in kleinen Betrieben.

Die gesamte IT-Industrie, die für 2,7 Billionen Dollar steht, wendet sich an fünf Kundenkreise. Das sind zum einen Privatkunden, sehr große Weltkonzerne und die öffentlichen Verwaltungen - ein Segment, das übrigens größer ist als Consumer- und Großkonzern-Business. Und dann sind da noch die beiden größten Gruppen: kleine und mittlere Unternehmen sowie Großunternehmen. Die meisten IT-Anbieter designen ihre Produkte nur für die großen und sehr großen Konzerne.

Was ist daran falsch?

Dell: Es ist nicht unbedingt schlecht, das zu tun. Wir bedienen die einen Kunden, sie die anderen. Wir verkaufen auch an die größten Konzerne der Welt, ebenso an Privatkunden. Besonders interessant erscheint uns aber der mittelständische Markt, der nicht nur der größte, sondern auch der am schnellsten wachsende ist. Denken Sie nur an all die kleinen, aber aufstrebenden Unternehmen rund um den Globus.

Für uns ist es wichtig, die Pyramide der Unternehmen im Auge zu behalten. Bei LinkedIn findet man gute Suchwerkzeuge, mit denen sich Unternehmen nach Größe sortieren lassen. Sie werden feststellen, wie unglaublich groß die Menge der Firmen mit 1000 bis 5000 Mitarbeitern ist. Konzerne mit über 100.000 oder gar 200.000 Leuten gibt es nur wenige.

Wir schleppen keine Legacy-Geschichte mit uns herum

Dell ist wahrlich nicht das einzige Unternehmen, dass sein Heil im Geschäft mit Lösungen und Services sucht. Ist im Vergleich zu IBM oder HP der Fokus auf den Mittelstand der einzige Unterschied?

Dell: Nur einer von mehreren. Ein anderer ist, dass wir nicht die Altlast einer großen installierten Basis mit proprietärem Zeug mit uns herumschleppen. Im Data Center verfolgen wir einen offenen Ansatz zu Themen wie Orchestrierung oder System-Management. Dell war die Einhaltung offener Standards immer schon wichtig. Unsere Kunden wissen und schätzen das. Hier unterscheiden wir uns von den Wettbewerbern.

Wie passt Perot in Ihre Strategie, den Mittelstand zu adressieren?

Dell: Perot hat sein Geschäft zu einem Gutteil mit größeren Unternehmen getätigt. Allerdings spielten Weltkonzerne nie die ganz wichtige Rolle in ihrem Portfolio, auch wenn sie ein paar von ihnen als Kunden haben. Perot ist stark in der öffentlichen Verwaltung, insbesondere im Bereich Healthcare. Ungefähr die Hälfte des Geschäfts machen sie in dieser dezentral ausgerichteten Industrie.

Der Geschäftsansatz, den wir verfolgen, passt ausgezeichnet dazu. Unsere Herausforderung mit Themen wie Cloud oder Remote-based Services ist - wie bringt man sie in kleinere Organisationen? Wir haben einige interessante Dinge zugekauft, um das zu adressieren.

Ein Beispiel: IT-Sicherheit ist unsere Kunden essenziell, und das erste, was sie tun, ist Firewalls, besondere Hardware und all das andere Zeug von den großen Security-Anbietern zu kaufen und einzurichten. Dann werden sie trotzdem attackiert und fragen sich, was sollen wir jetzt machen? Sie besuchen Websites, lesen Whitepapers, telefonieren und sehen sich um. In Wirklichkeit ist es aber sehr schwierig mit Malware und Botnets richtig umzugehen.

Unsere Antwort darauf ist ein Service, den wir über (unseren Managed Security Service Provider, Anm. d. Red.) SecureWorks anbieten. Sie bedienen Tausende von Firmen, von den weltgrößten Finanzkonzernen über kleinere Genossenschaftsbanken bis hin zu den lokalen Geldinstituten und einer Vielzahl anderer Websites, auf denen Geld- und Hypothekentransaktionen erfolgen.

Mit den Zukäufen haben Sie auch Eigentumsrechte an Technologien erworben. So bauen Sie Ihr Produktportfolio kontinuierlich aus, was vermutlich ihrem Anspruch entgegenläuft, die besten Lösungen im Markt herstellerunabhängig auswählen und zu Lösungen zusammenführen zu können…

Dell: Wir werden sicher auch künftig Lösungen aus der gesamten Industrie zusammenführen. Aber es stimmt: Auf manchen Gebieten haben wir viel in eigene Angebote investiert. Wenn Sie sich aber ansehen, wie wir unsere Lösungen anbieten, werden Sie feststellen, dass wir unseren Kunden immer noch große Auswahl lassen. Zu unseren Data-Center-Lösungen kann man sich auch Networking-Produkte von uns beschaffen, ebenso Storage, Server und Software für das Zusammenspiel. Wollen Sie aber nur unsere Orchestrierungs-Lösungen ohne Server, Networking und Storage, geht das auch. Wir sind offener als alle anderen in der Industrie.

Sind Ihre strategischen Partner erfreut über die Neuausrichtung bei Dell?

Dell: Wir werden unsere strategische Planung sicher nicht danach ausrichten, andere Marktteilnehmer glücklich zu machen. Wir haben entschieden, unsere Kunden und Aktionäre glücklich zu machen und den Mitarbeitern von Dell eine gute Perspektive zu geben. "Don't really care" ist also die einfache Antwort.

Eine sehr einfache Antwort.

Dell: Es stimmt schon, wir wollen grundsätzlich eine breitere Angebotspalette bieten. Und wenn man sich das vornimmt, wird es wahrscheinlich immer jemanden geben, der damit nicht glücklich ist. Aber lebt man sein Leben, um andere in der Industrie glücklich zu machen oder geht es darum, Kunden und Aktionären weiterzuhelfen?

Am Ende läuft es auf die Hybrid Cloud hinaus

Werden die Kunden Dell künftig anders wahrnehmen?

Dell: Je mehr wir uns mit den Problemen unserer Kunden beschäftigen, desto mehr positives Feedback bekommen wir. Wir können definitiv Lösungen anbieten, und unsere Kunden honorieren es, dass wir vermehrt in geistiges Eigentum investiert haben. Natürlich brauchen wir Lösungen, die funktionieren - ich glaube aber, da haben wir sorgfältig ausgewählt. Wenn man etwas zukauft, schafft man noch keinen Wert. Der entsteht erst, wenn man das Gekaufte sorgfältig in die eigene Produktlandschaft integriert und weiter hineininvestiert.

Von der 1 Milliarde Dollar, die Sie in Zukäufe investiert haben, ging ein Gutteil in Cloud-Technik und den Aufbau von Rechenzentren - oder?

Dell: Ja.

Können Sie uns Ihre Cloud-Strategie aufzeigen und sie mit der von anderen Playern wie HP oder Microsoft vergleichen?

Dell: Kunden sehen Cloud Computing als Chance, ihre IT-Umgebung grundsätzlich umzustellen...

Reden wir von der Public oder der Private Cloud?

Dell: Public, private, hybrid. Wir glauben nicht, dass es hier einen One-size-fits-all-Ansatz geben wird - das gilt für die meisten Aspekte der IT, aber besonders für die Cloud. Große Unternehmen tendieren dazu, sich zur Geißel ihrer Legacy-Umgebungen zu machen. Jetzt sehen sie die Cloud und sagen sich: Das ist eine Chance für uns, von einigen dieser Uralt-systeme wegzukommen und die Infrastruktur zu flexibilisieren. Sie wollen oft eine Private Cloud. Ich glaube aber, es ist egal, was man macht, am Ende läuft es auf eine Hybrid Cloud hinaus, weil man Services innerhalb und außerhalb des eigenen Data Center in Anspruch nehmen wird - und beide müssen irgendwie in Einklang gebracht werden. Datenintegration ist eine ganz wichtige Sache. Das ist der Grund, warum wir Boomi gekauft haben, wir müssen den Kunden helfen, diese Welten zu verbinden.

Sie sehen sich demnach als Experten für die Verwaltung hybrider Cloud-Umgebungen?

Dell: Implementieren, Ausrollen, Betreiben - egal ob es der Kunde in seinem Data Center oder bei uns tun will. Kleinere Betriebe sagen mit Blick auf die Cloud: Wir konnten nie diese großen IT-Systeme implementieren, die nur für Großunternehmen gedacht waren. Sie waren immer zu teuer und die Projekte dauerten viel zu lange. Die Infrastruktur und der Deployment-Prozess schienen unglaublich komplex. Jetzt, mit der Cloud, können Sie diese Systeme recht einfach nutzen und ähnliche Vorteile erzielen, wie vorher die großen Konzerne. Ich glaube wahrhaftig, dass Cloud Computing der große Enabler für unsere Industrie in der kommenden Dekade sein wird. Es ist sehr wichtig für uns, hier ein Wörtchen mitzureden.

Aber dafür haben Sie nicht alle Bausteine im Porfolio…

Dell: Niemand hat alle Bausteine parat. Diese Transition braucht ihre Zeit.

Wo liegen die Stärken im Cloud-Angebot von Dell?

Dell: Sicherlich im Infrastruktur-Bereich. Hier haben wir viel Erfahrung. Wir sind der führende Anbieter für Internet-Unternehmen. Wir arbeiten bereits an der vierten Generation unserer modularen Data Center, sehen uns also als Innovationsführer im Bereich optimal organisierter modularer Rechenzentren.

Wir wissen, wie der Cloud-Infrastruktur-Layer aussehen muss - egal, ob der Kunde seine eigene Private Cloud bauen oder uns den Betrieb in einem unserer Data Centers überlassen will. Datenintegration ist die höchste Barriere und gleichzeitig die größte Chance. Ich habe ein altes XYZ-System und möchte nun die Angebote von Workday oder Salesforce.com oder SuccessFactors oder was auch immer nutzen. Wie kann ich sie mit meinem Legacy-System verbinden?

Wenn ich zwei Cloud-Systeme habe - wie bringe ich sie zusammen? Viele Anbieter werden Ihnen sagen: Lassen Sie lieber die Finger davon! Sie möchten alle Daten im eigenen Rechenzentrum sehen und nicht anderswo. Aber das entspricht nicht der gelebten Praxis. Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr muss es die Datenwelten integrieren.

Tablet oder Notebook? Anwender wollen beides

Kommen wir zum Old-school-Business: Der Windows-PC-Markt steckt in der Flaute, stattdessen fluten andere Devices, vor allem Tablets und Smartphones, den Markt. Wie verändert dieser Trend Ihr Geschäft auf Dauer?

Dell: Vor fünf oder zehn Jahren hätte uns dieser Veränderungsprozess härter getroffen als heute. Inzwischen ist unser Business vielseitig ausgerichtet. Den Großteil unserer Gewinne ziehen wir aus anderen Bereichen. Heute gibt es definitiv eine große Vielfalt an Endgeräten und das Nutzungsverhalten verändert sich. Es ist nicht mehr so, dass ein Gerät das andere zwangsläufig ablöst. Viele der neuen Geräte werden als Zweit- oder Drittgerät zusätzlich angeschafft. Wer beispielsweise ein Smartphone kauft, wird deswegen nicht den PC abschaffen. Und wenn Sie ein Tablet anschaffen, werfen Sie deshalb nicht ihr Smartphone weg.

Auf welche Verhaltensmuster bei den Endkunden stellen Sie sich bei Dell grundsätzlich ein?

Dell: Gehen wir einen kleinen Schritt zurück zum Netbook: Was ist ein Netbook und was ein Notebook? Mag sein, es gibt einen Hohen Priester, der definiert, was was ist. Ich glaube aber, dass die Grenzen zunehmend fließend sind. Ich könnte mit Blick auf ein Tablet sagen: Es wird gekauft, weil es leicht und dünn ist und sich schnell starten lässt. Man nimmt es in die Hand und greift schnell auf Informationen zu.

Jetzt kann man fragen: Warum haben Notebooks das nie geleistet? Können sie nicht so gebaut werden, dass sie diesen Anforderungen auch genügen? Unsere Antwort: Natürlich können wir das. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch Tablets bauen wollen. Wenn sich ARM-Prozessoren weiter durchsetzen und Notebooks mit Android, Windows 8, etc. herauskommen, werden die Grenzen zwischen Notebooks und Tablets weiter verschwimmen.

Glauben Sie, dass es einen Unterschied zwischen Enterprise- und Consumer-Tablets geben muss? Cisco, Avaya und RIM adressieren eine andere Zielgruppe als die Anbieter von Consumer-Geräten.

Dell: Ich denke schon, dass es besondere Enterprise-Anforderungen gibt. Das betrifft Software und Services, vor allem aber die Sicherheit. Der Markt ist groß, ein Gerät für alle Anforderungen ist nicht in Aussicht. Es wird Firmen geben, die ihren Mitarbeitern sagen: Bringt Eure Privatgeräte mit, wir sichern sie ab, bauen einen Zaun drum herum, und Ihr könnt sie nutzen. Andere werden sagen: Auf keinen Fall, Ihr müsst das Unternehmensequipment nutzen. Es wird also verschiedene Szenarien geben.

Zurzeit finden in den IT-Märkten gewaltige Umwälzungen statt. Die Zeiten sind aufregender denn je. Welche technischen Innovationen beeindrucken Sie am meisten?

Dell: Es stimmt, momentan passiert wirklich eine Menge. Ich bin besonders interessiert an den Veränderungen, die sich in den Data Centers vollziehen. Man muss sich nur vor Augen führen, wie Virtualisierung den gesamten Server- und Speichernetz-Bereich verändert. Bisher gab es eine Anwendung und einen Server mit einem Port, der zu einem Switch führte, und dann gab es noch all die anderen Dinge, um das Netzwerk zu schützen.

Heute ist der Server viel größer und leistungsstärker, er beherbergt 50 virtuelle Maschinen, in denen Netzwerk-Boxen laufen, so dass das Switching virtualisiert im Server läuft. Man hat Top-of-Rack-Systeme und Speichervirtualisierung. Die Fähigkeit, solche hochflexiblen Data Centers einzurichten und als Grundlage für eine sichere Cloud zu verwenden - das ist großartig!

Hätte es Dell nicht gegeben, wäre die IT-Welt eine andere

Sie sind einer der wenigen Gründer eines IT-Großunternehmens, die noch im Amt sind. Wenn Sie auf all die Jahre zurückblicken: Worauf sind Sie besonders stolz?

Dell: Auf meine vier Kinder.

Gute Antwort.

Dell: Es gibt eine Menge Dinge, auf die wir stolz sein können. Dell hat mit PCs angefangen und Mitte der 90er Jahre das Data Center entdeckt. Wir haben den Markt insofern geändert, als traditionelle Anbieter auf uns als Herausforderer reagieren mussten. Ich glaube wir haben die gesamte Industrie massiv beeinflusst, indem wir für eine neue Form von Wettbewerb gesorgt haben.

Stellen Sie sich vor, Dell wäre nicht unter den Unternehmen, die ihre Produkte in die Data Centers verkaufen - ich glaube wir hätten heute ein völlig anderes Internet, denn es hätte keinen so harten Wettbewerb gegeben. Jetzt kann man natürlich sagen: Wäre Dell nicht da gewesen, hätte es ein anderer gemacht. In Ordnung. Aber wir waren eben da, deshalb haben wir auch die Lorbeeren verdient.

Sie haben Dell über alle Phasen aufgebaut - vom kleinen über ein mittelständisches bis zu einem Großunternehmen. Mittelgroße Firmen haben es heute schwer, zumal die Konjunktur lahmt. Was können sie diesen Betrieben als Empfehlung mit auf den Weg geben?

Dell: Wenn Sie ein Unternehmen führen, müssen Sie vor allem ans Überleben denken! Das gilt gerade für kleine und mittlere Betriebe. Dabei kann Ihnen Technik helfen. Es gibt so viele Chancen, um durch den intelligenten Technikeinsatz Vorteile herauszuschlagen...

Ich will Ihnen einen ganz wichtigen Punkt für mittelständische Firmen nennen: Wir verkaufen seit langer Zeit Speichersysteme an mittlere Betriebe, weil diese ihre Daten insbesondere aus Regulierungsgründen aufheben müssen. Sie haben Datenbanken und heben alle Informationen auf. Aber werden die Daten auch genutzt, um bessere Entscheidungen zu fällen?

Die Leute reden über Big Data - ich rede von großer Wirkung, wichtigen Entscheidungen, tiefen Einblicken. Hier passiert eine Menge in unserer Industrie. Wie lassen sich mit all den Daten bessere Entscheidungen fällen? Intelligente, kleine Firmen werden das schneller und besser hinbekommen viele ihrer großen Wettbewerber, die oft in Legacy-Welten gefangen sind.

In den USA greift die Arbeitslosigkeit um sich. Glauben Sie, dass zunehmender Technikeinsatz diesen Trend begünstigt?

Dell: Das kann man so oder so sehen. Ebenso gut kann man die Meinung vertreten, dass Technologien neue Jobs bringen. Solche Diskussionen sind theoretischer Natur. Meiner Ansicht nach ist Technik die Basis für jeden Fortschritt. Das betrifft alle Industrien. Hier zu verzichten, ware sicher die falsche Antwort. Technik schafft jede Menge Chancen, verlangt im Gegenzug aber viel Flexibilität und Agilität vom Nutzer.

Wenn Leute auftauchen, die einen Job bei Dell wollen, sagen wir ihnen immer, dass sie sich in einer Industrie aufhalten, die extremem Wandel unterworfen ist. Voraussetzung ist , dass sie flexibel und agil sind und den ständigen Wandel lieben. Wer mit einer hochdynamischen Umgebung nicht umgehen kann, ist bei uns und in der gesamten ITK-Branche wahrscheinlich fehl am Platz. Und nicht nur dort: Technologien durchdringen derzeit auch alle anderen Industrien.

*Das Interview führten die Infoworld-Redakteure Doug Dineley, Eric Knorr und John Gallant.