Windows-Experte Paul Thurrott

"Windows steht vor dem Untergang"

06.05.2016 von Hans-Christian Dirscherl
Der international bekannte Windows-Experte Paul Thurrott hält Windows als führende Plattform für Desktop-Rechner für bedroht. Schon bald könnten iOS und Android Windows auch auf dem Desktop überrollen.
Der international bekannte Windows-Experte Paul Thurrott hält Windows als führende Plattform für Desktop-Rechner für bedroht.

Paul Thurrott gehört zu den Urgesteinen der IT-Szene. Thurott ist ausgewiesener Windows-Experte und ähnlich wie Mary Jo Foley bestens mitMicrosoft-Mitarbeitern und Windows-Experten vernetzt. Umso bemerkenswerter ist es also, wenn Thurrott das Ende von Windows vorhersagt.

Thurrott meint, dass die legendäre Prophezeiung von Steve Jobs, dass das Ende der PC-Ära nahe sei, bald in Erfüllung gehen könnte. Diese „Nach-PC“-Zeit könnte dank Apple und Google bald Realität werden.

Zwar werde der PC-Markt derzeit noch von Windows dominiert - wobei der Windows-Marktanteil aber erst kürzlich unter 90 Prozent gesunken ist. Macs, Macbooks und vor allem die Google Chromebooks würden derzeit keine große Rolle bei den Arbeitsrechnern spielen. Wobei die Chromebooks allerdings an US-Schulen und Universitäten durchaus schon beliebt sind.

Doch Apple besitzt mit iOS und Google besitzt mit Android jeweils eine ungemein beliebte Mobil-Plattform. Wenn diese Mobilsysteme noch etwas reifen, zum Beispiel in Sachen Multitasking, dann können sie Windows-PCs allmählich ersetzen. Zumal Microsoft ja selbst mit Continuum vorgemacht hat, wie man ein Lumia mit einem LCD, einer Tastatur und einer Maus verbinden kann und damit wie auf einem PC arbeiten kann.

Microsoft wiederum ist gegenüber dem Angriff dieser mobilen Betriebssysteme fast wehrlos, weil sein eigenes mobiles OS, Windows Mobile 10, gescheitert ist. Schon allein wegen der fehlenden Apps. Ein mobiles OS ohne Apps ist aber sinnlos.

30 Jahre Windows - Windows 1.0
Windows 1.0 wird unter dem Codenamen "Interface Manager" entwickelt und am 20. November 1985 veröffentlich. Das erste grafische Betriebssystem für den PC kostete damals 99 US-Dollar, war aber nur mäßig erfolgreich, weil es an Anwendungen fehlte.
Windows 2.11
Auch in der folgdenen Windows-Version erinnert die grafische Benutzeroberfläche noch stark an textorientierte Benutzerschnittstellen. Das 1989 erschienene Windows 2.11 enthält bereits Microsoft Word.
Windows 95
Das unter dem Arbeitstitel "Chicago" entwickelte Windows 95 erscheint im August 1995. Dem Release geht eine ausführliche Testphase voraus, Teilnehmer müssen dabei eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben.
Windows NT 3.51 Server
Die Weiterentwicklung von Windows NT 3.5 erscheint im Mai des Jahres 1995 und unterstützt neuere 32-Bit-Anwendungen. Je nach Installationsvariante ist es auf Diskette(n) oder CD-ROM erhältlich.
Windows NT 4.0
Der Nachfolger von NT 3.51 erscheint im Juli 1996 und ist der letzte Vertreter der Windows NT-Reihe. Das Betriebssystem verfügt über die grafische Benutzeroberfläche von Windows 95 und kommt mit Assistenten für die Konfiguration daher.
Windows 98
Das unter dem Codenamen "Memphis" entwickelte Windows 98 erscheint am 25. Juni 1998. Das Betriebssystem bietet kaum sichtbare Neuerungen gegenüber Windows 95, bietet allerdings USB-Unterstützung und eine anpassbare Benutzeroberfläche.
Windows 2000
Windows 2000 wird auf Basis des eingestellten Windows NT 4.0 entwickelt und ist der Vorgänger von Windows XP. Das Betriebssystem erscheint in einer 32-Bit- und 64-Bit-Version. Die Arbeiten an der 64-Bit-Variante werden aber bald eingestellt.
Windows ME
Das letzte Betriebssystem auf MS-DOS-Basis: Windows ME (Millennium) erscheint (verspätet) am 14. September 2000. Probleme mit Internet Explorer und Windows Player verzögern den Release mehrfach.
Windows XP
Im Oktober des Jahres 2001 erscheint Windows XP (Codename "Whistler"), der technische Nachfolger von Windows 2000. Das Betriebssystem richtet sich in erster Linie an Heimanwender und kommt mit einer frischen Benutzeroberfläche daher.
Windows 7
Das in vielen Bereichen überarbeitete Windows 7 kommt am 22. Oktober 2009 auf den Markt. Eine weitgehend neue Benutzeroberfläche, bessere Systemsicherheit und der Einsatz von Bibliotheken im Windows-Explorer sind neu.
Windows 8
Als Nachfolger von Windows 7 kommt Windows 8 am 26. Oktober 2012 in den Handel. Erstmalig sind dabei zwei Benutzeroberflächen enthalten: das Windows 8 Modern UI und die klassische Desktop-Ansicht.
Windows Server 2012
Die Server-Version des zuvor veröffentlichten Windows 8 kommt im September 2012 auf den Markt. Mit der Modern-UI-Oberfläche, einem komplett überarbeiteten Taskmanager und den Active Directory Domain Services hebt sich das Programm von den Vorgängern ab.
Windows RT
Windows RT ist Microsofts Betriebssystem für Geräte mit Chips der ARM-Architektur wie Smartphones oder Tablets. Das Betriebssystem weist viele Parallelen zu Windows 8 auf. Aufgrund schwacher Absatzzahlen wird die Produktion von Windows-RT-Devices Anfang 2015 eingestellt.
Windows 8.1
Unter dem Codenamen "Windows Blue" entwickelt, soll das Update die Unzufriedenheit vieler Benutzer mit Windows 8 aus der Welt räumen. Deshalb kehrt auch der Start-Button zurück. Die Verknüpfung zu Microsofts Cloud-Dienst OneDrive wird jetzt standardmäßig angezeigt.
Windows 10
Mit Windows 10 bringt Microsoft laut CEO Satya Nadella 2015 nicht nur die nächste Version seines Betriebssystems auf den Markt, sondern eine völlig neue Windows-Generation. Der Shift auf Windows 10 markiert auch den Umstieg auf Windows as a Service: Künftig sollen keine neuen Windows-Versionen nach bisherigem Muster mehr folgen - stattdessen werden inkrementelle Verbesserungen in Form größerer und kleinerer Updates veröffentlicht. Win 10 bringt im Vergleich zu seinen Vorgängern zahlreiche Neuheiten mit, etwa den IE-Nachfolger Edge, virtuelle Desktops oder die digitale Assistentin Cortana. Parallel zu Windows 10 stellte Microsoft auch den Nachfolger zu Windows Server 2012 - Windows Server 2016 - vor.
Windows 11
Microsoft stellte mit Windows 11 offiziell eine neue Generation seines Betriebssystems vor und erklärte, damit eine neue Ära einläuten zu wollen. Die Idee, ein neues Windows zu bauen, entstand wohl in der Corona-Pandemie. Man habe Windows 11 darauf ausgelegt, auf verschiedenen Gerätetypen zu laufen und unterschiedliche Bedienmodi zu unterstützen, hieß es von Seiten Microsofts. Der Konzern hat bei Windows 11 vor allem Design und Bedienerführung vereinfacht. Darüber hinaus soll Windows 11 enger mit dem Collaboration-Tool Teams verknüpft werden. Wieder zurück in Windows 11 sind die aus der Version 7 bekannten Widgets. Der Redmonder Konzern bewirbt sein neues Betriebssystem darüber hinaus als besonders sicher. Die Architektur sei als Zero Trust angelegt, zudem sei das System Secure by Design. Wichtige Sicherheits-Features wie zum Beispiel Verschlüsselung seien von Haus aus aktiviert.

Schuss ins Knie

Kurioserweise hat Microsoft sogar noch zum Erfolg von iOS und Android selbst beigetragen: Indem es hervorragende Office-Apps für diese beiden Plattformen veröffentlicht hat.

Es sei Paul Thurrott zufolge kein Zufall, dass Google mit dem Pixel C und Apple mit dem iPad ProTablets vorgestellt haben, die sich explizit an professionelle Anwender richten. Diese beiden Arbeitstiere sollen ganz offensichtlich den Windows-Notebooks Konkurrenz machen.

Thurrott sieht derzeit also eine Gegenbewegung: Apple und Google sind ungemein stark im Mobilbereich und müssen ihren beiden Betriebssysteme nun in Richtung Desktop-Ersatz fitter machen. Und zum Beispiel die Effizienz im Umgang mit MS Office auf ihren Mobilgeräten verbessern. Beim Multitasking müssen Apple und Google auch noch nachlegen: Apps sollten sich zum Beispiel nicht nur nebeneinander anordnen lassen, sondern flexibler positionieren und wechseln lassen. Außerdem braucht man für produktives Arbeiten so etwas wie einen Cursor und eine Art Maus – wobei der Stift für das iPad Pro ja schon in diese Richtung geht.
Microsoft ist mit Windows wiederum auf dem Desktop noch immer stark, müsste aber dringend in Richtung Mobile wachsen. Letzteres kann aber bereits als gescheitert angesehen werden.

Doch selbst wenn Windows für den Office-Einsatz das produktivere Betriebssystem bleiben sollte, so brauchen doch nur die wenigsten Anwender wirklich alle Funktionen von Office. Windows würde damit nur für eine Randgruppe wichtig bleiben: Für Office-Powernutzer.

Ein Dinosaurier vor dem Asteroiden-Einschlag

Thurrott zieht schließlich einen bemerkenswerten Vergleich: Windows befindet sich vielleicht kurz vor dem Moment seiner Auslöschung. So wie einst ein Asteroid auf der Erde einschlug und (wahrscheinlich) zum Untergang der Dinosaurier beitrug, so könnten iOS und Android die Asteroiden der Gegenwart sein, die den Dinosaurier Windows ausrotten.

Dieses Aussterben könnte sich schon allein dadurch beschleunigen, weil die Kids von heute nur iOS und Android gewohnt sind. Diese jungen Menschen wollen im späteren Arbeitsleben die von iOS und Android gewohnten Tools und Bedienmethoden verwenden und sich nicht mehr an Windows gewöhnen. Für die Jungen von heute sei Microsoft genauso wichtig wie AOL oder IBM – nämlich gar nicht. (PC-Welt)