Mehr Customer Centricity & Digital Experience

Wie Unternehmen ihre Softwareentwicklung umbauen

29.06.2023 von Mario Zillmann
Der Druck sich zu transformieren wächst. Viele Unternehmen gehen deshalb daran, die Entwicklung und den Betreib ihrer Softwarelandschaften grundlegend zu reformieren.
Gelingt die digitale Transformation, beflügelt das auch die eigenen Geschäfte.
Foto: Lightspring - shutterstock.com

Digitale Technologien und Software durchdringen spätestens seit der Pandemie alle Lebensbereiche immer stärker. Dazu kommt, dass sich der Speed des technologischen Fortschritts exponentiell beschleunigt. Infolgedessen richten Unternehmen ihren strategischen Fokus mehr und mehr auf die digitale Transformation aus, erhöhen ihre Digitalisierungsbudgets und vor allem: Sie verändern die Art und Weise, wie sie Software entwickeln und betreiben. Vorrangige Ziele: Kundenzentrierung und Digital Experience fördern, digitale Geschäftsmodelle unterstützen und an der Plattformökonomie teilnehmen.

Die neue Lünendonk-Studie "Cloud, Data & Software - der Kern der digitalen Transformation" hat sich nun intensiv mit den Entwicklungen und Trends in den Bereichen Softwareentwicklung und IT-Operations beschäftigt. Dafür wurden 150 große mittelständische Unternehmen und Konzerne befragt. Die Studie wurde in fachlicher Zusammenarbeit mit den IT-Beratungen Ausy Technologies, msg systems, MT, Senacor und Telekom MMS erstellt und steht kostenfrei zur Verfügung.

Transformationsdruck nimmt zu

Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass der Transformationsdruck in den Jahren seit 2020 enorm zugenommen hat und sich gleichzeitig die Anforderungen an die Softwareentwicklung fundamental verändert haben. Treiber dieser Entwicklung sind neue Kundenanforderungen an die Nutzung von Produkten und Services, verbunden mit dem Wunsch, dass Unternehmen und Behörden mit digitalen Lösungen die neuen Realitäten der Gesellschaft abdecken. Die Kunden und Kundinnen entlang ihrer gesamten Customer Journey mit innovativen und digitalen Services zu begeistern, bildet schon heute einen elementaren Wettbewerbsvorteil, der in Zukunft infolge der beschleunigten Technologiezyklen noch weiter an Relevanz gewinnen wird.

Bei nutzerorientierter Software geht es den meisten Unternehmen in erster Linie um ihre Kunden.
Foto: Lünendonk

95 Prozent der Unternehmen identifizieren nutzerorientiere Softwarelösungen daher als wichtigen Faktor, um Kundinnen und Kunden zu gewinnen, zu binden und so ein langfristiges Wachstum zu generieren. Aber auch für das Employer Branding und die Employee Experience sehen 76 Prozent der Unternehmen moderne Softwarelösungen als essenziell an. Es gilt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und vor alle zu halten. Gerade letzterer Aspekt gewinnt in Zeiten des demografischen Wandels und Mangels an Fachkräften enorm an Bedeutung. So erwarten junge Talente von ihren (potenziellen) Arbeitgebern neben Kriterien wie Purpose, Nachhaltigkeit und Diversity eine attraktive und moderne Arbeitsumgebung mit modernen Tools und effizienten Prozessen.

Unternehmen bauen Geschäftsmodelle um

Die meisten der untersuchten Unternehmen haben diese Herausforderungen erkannt und reagieren nun auf die veränderten Kunden- und Marktanforderungen. 82 Prozent der Unternehmen bauen ihr Geschäftsmodell evolutionär um und wollen digitale Lösungen sukzessive in bestehende Produkte, Services und Geschäftsmodelle integrieren.

Einen noch radikaleren Weg schlagen dagegen acht Prozent der befragten Unternehmen ein: Sie sind derzeit dabei, ihren Betrieb komplett umzukrempeln und auf digitale Geschäftsmodelle umzusteigen. Besonders die interviewten Finanzdienstleister setzen häufiger auf diese Strategie (21 Prozent). Dahinter steckt vor allem bei vielen Banken und Versicherungen die Sorge, die Kontrolle über die Kundenschnittstelle weiter zu verlieren. Das passiert, wenn es Wettbewerbern beispielsweise gelingt, mit digitalen Angeboten besser auf die veränderten Anforderungen der Kundinnen und Kunden entlang der Customer Journey einzugehen.

Evolutionär - so würden die meisten Firmen ihren Transformationsweg beschreiben. Dafür werden erst einmal die bestehenden Geschäftsmodelle stärker digitalisiert.
Foto: Lünendonk

Besonders an Bedeutung gewinnen in jedem Fall aber Daten: Um eine höhere Kundenzentrierung zu erreichen, wollen 79 Prozent der Unternehmen Daten besser als bisher nutzen. Ihr Plan: Vor allem das Kundenverhalten entlang der gesamten und immer individueller ausgerichteten Customer Journey über unterschiedliche Kanäle hinweg zu analysieren und besser zu verstehen. Dahinter verbirgt sich auch die Absicht, anschließend eine datengestützte User Experience und Customer Insights zu erlangen und so eine bessere Personalisierung zu unterstützen. Aber auch die Nutzung von Daten, um datenbasierte End-to-End-Prozessketten und intelligente Automatisierung zu fördern, spielt in den Überlegungen der Betriebe eine wichtige Rolle.

Je digitaler, desto erfolgreicher

Die Investitionen in digitale Lösungen und die IT steigen aufgrund der vielschichtigen Herausforderungen rund um die digitale Transformation seit Jahren. Aufschlussreich ist dabei der Blick darauf, was die Betriebe mit ihren Investitionen erreichen wollen: 95 Prozent der befragten Unternehmen legen einen Fokus auf Kostensenkungen und Produktivitätssteigerungen. Angesichts der schwierigen konjunkturellen Lage und der prognostizierten schrumpfenden Wirtschaft für das Jahr 2023 stellen digitale Technologien offenbar ein wichtiges Instrument dar, um Kosten zu sparen und die Effizienz zu steigern. Eng damit verbunden ist die Verbesserung der Prozessqualität und der Aufbau und die Automatisierung von End-to-End-Prozessketten - 92 Prozent der Organisationen zielen mit ihren Investitionen in die digitale Transformation vor allem hierauf ab.

Die Ziele des digitalen Wandels sind klar: Kosten senken, Produktivität steigern sowie Prozesse effizienter machen und automatisieren.
Foto: Lünendonk

Des Weiteren soll die Kundenzentrierung und Digital Experience verbessert werden - 87 Prozent der Unternehmen investieren stark in diese Themen. 82 Prozent der Befragten streben eine stärkere Agilität in der Innovations- und Produktentwicklung an, um schneller reagieren und Produkte sowie Services anpassen zu können.

Cloud-native und MACH-Technologien stehen im Fokus

Technologisch gesehen wird Cloud-native sowohl aktuell als auch mit Blick in die Zukunft von über 90 Prozent der Unternehmen als die wichtigste Technologie in der Softwareentwicklung gesehen. Davon versprechen sich die Unternehmen, deutlich besser und vor allem schneller auf veränderte Anforderungen der Kundinnen und Kunden und den Innovationsdruck reagieren sowie ihre Time-to-Market-Zyklen verkürzen zu können.

Damit zusammenhängende Technologien und Prinzipien wie Serverless und Infrastructure as Code (IaC) gewinnen dabei stark an Bedeutung. Für mehr Flexibilität, Stabilität und Performance während des Lebenszyklus von digitalen Produkten setzen immer mehr Unternehmen auf eine MACH-Architektur (Microservices, API-first, Cloud-based, Headless). Dahinter steckt die Idee, Software in kleinen Bausteinen flexibel entwickeln und miteinander kombinieren zu können. Durch die Schnittstellenoffenheit soll außerdem der systemübergreifende Datenaustausch gefördert werden.

Nicht zuletzt gewinnt auch Künstliche Intelligenz enorm an Bedeutung, vor allem wenn es darum geht, die eigene Effizienz im Betrieb zu steigern und Kunden zielgerichteter anzusprechen. Eine neue Dimension in der Anwendung von KI entsteht gerade durch Generative AI - unter anderem um Mitarbeitende von Routinetätigkeiten zu entlasten aber auch um insgesamt mehr Aufgaben zu digitalisieren und zu automatisieren, und so dem Fachkräftemangel und demografischen Wandel zu begegnen.

Kosten und Effizienz bleiben zentrale KPIs

Die Art und Weise, wie Software entwickelt wird, verändert sich also gerade in sehr großen Schritten, genauso wie die Anforderungen aus dem Business an die Softwareentwicklung. Zentrale Kenngrößen in Sachen Softwareentwicklung bleiben für das Gros der Unternehmen (93 Prozent) indes nach wie vor Kosten und Effizienz. Das ist insofern nachvollziehbar, als durch den Trend zur Digitalisierung die Zahl zu entwickelnder Softwarelösungen signifikant ansteigt und das Management der Produktentwicklung und der Software Lifecycles entsprechend ressourcenintensiv ist. Lösungen zur Automatisierung einzelner Prozesse tragen daher dazu bei, die steigende Komplexität zu managen und die Kostensituation besser im Blick zu behalten. Ein Beispiel: Auftretende Usability-Probleme können unter anderem durch automatisierte Tests von Login-Problemen der Regressionstests zu ungewollten Layoutveränderungen frühzeitig behoben oder gar gänzlich vermieden werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für 69 Prozent der befragten Unternehmen die Fähigkeit einer IT-Organisation, sich agil und flexibel aufzustellen. Hierzu zählt beispielsweise die Entwicklung und das Einspielen neuer Releases oder Patches in kurzen Zyklen, um schnell getaktet auf veränderte Anforderungen des Marktes reagieren und die Kundenzentrierung steigern zu können.

Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit stehen bei der Entwicklung neuer Software weit oben auf der To-do-Liste.
Foto: Lünendonk

Das bedeutet für die IT aber auch eine massive Erhöhung der Anzahl auszuspielender Releases, also regelmäßigen Funktionserweiterungen oder -verbesserungen. Das wiederum erfordert, den Softwarelieferprozess auf Continuous Integration und Continuous Delivery (CI/CD) umzustellen und interdisziplinäre BizDevOps-Teams aufzustellen. Bereits in 58 Prozent der befragten Unternehmen werden neue Softwarelösungen durch funktionsübergreifende Teams entwickelt, die eine ganzheitliche Produktverantwortung haben, worunter Aufgaben wie Design, Entwicklung, Testing und IT-Operations fallen.

Nachhaltigkeit in der Softwareentwicklung

Auch das Thema der Nachhaltigkeit und hier speziell der CO2-Fußabdruck der IT spielt im Zuge der ESG-Regulatorik und zunehmender Digitalisierung eine wichtige Rolle: Für immerhin 69 Prozent der befragten Unternehmen ist Sustainable by Design bereits eine der Kern-Anforderungen an die Softwareentwicklung.

Eine zentrale Aufgabe im Zusammenhang mit der Entwicklung mehr nutzerorientierter Softwarelösungen ist es aufgrund der beschriebenen Anforderungen, die IT organisatorisch mit dem Business zu einer produktorientierten Organisation zusammenzubringen. Immer mehr Unternehmen führen dazu Development und Operations (DevOps) zusammen und nutzen automatisierte CI/CD-Prozesse, um die Effizienz und die Geschwindigkeit zu steigern.

Softwareentwicklung und -betrieb scheinen für viele Firmen prädestinierte Einsatzfelder für KI zu sein.
Foto: Lünendonk

Dabei spielt der KI-Einsatz eine immer wichtigere Rolle: So gibt es eine Vielzahl an standarisierten Workflows, die sich ideal für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) eignen. Den höchsten Nutzungsgrad hat KI in der Softwareentwicklung (62 Prozent) und in den IT-Operations (60 Prozent). Luft nach oben hat der KI-Einsatz dagegen noch in der Designphase von Software, wobei in Zukunft die Entwicklungen rund um Chat GPT an dieser Stelle einiges an Veränderungen bringen dürften.

Mehr Automatisierung im Software Lifecycle

Neue Anforderungen an die Softwareentwicklung wirken sich mit zunehmender Etablierung produktorientierter Organisationen konsequenterweise auch auf die IT-Operations aus. Die Top-Anforderungen sind laut Studie vor allem Aktualität, Skalierung und Security. Aber auch eine 24/7-Verfügbarkeit und ein hoher Automatisierungsgrad sind für jeden zweiten Befragten wichtige Aspekte in der Steuerung des Software Lifecycle.

Der Software Lifecycle ist kurz getaktet. Neue Versionen und Funktionen müssen immer schneller eingespielt werden - möglichst ohne Downtime.
Foto: Lünendonk

Dagegen sind selbstheilende Softwarearchitekturen derzeit nur einem geringen Teil der Unternehmen (38 Prozent) wichtig. Das ist aber wenig verwunderlich, da der KI-Einsatz in vielen der befragten Unternehmen noch am Anfang steht. Allerdings setzen Unternehmen aus den Branchen Telekommunikation (75 Prozent), Finanzdienstleistungen (62 Prozent) und Handel (50 Prozent) schon deutlich häufiger auf selbstheilende Softwarearchitekturen.

Fazit: Drei Ds gilt es zu lösen

Mit steigendem Transformationsdruck haben sich die Anforderungen an die Softwareentwicklung massiv verändert. Mehr Anwendungen, mehr Automatisierung und mehr Feintuning fürs Business - all das macht die Orchestrierung des immer größer werdenden Softwarebestands nicht gerade einfacher. Die enorme Zunahme an Funktionalitäten sowie eine gestiegene Business-Kritikalität von Anwendungen führt zu deutlich mehr Komplexität im IT-Betrieb während des Software Lifecycles.

Immer wichtiger dürften daher in Zukunft selbstheilende Software-Architekturen werden, die durch kontinuierliches Monitoring auftretende Usability-Probleme selbstständig beheben. In Zeiten des Fachkräftemangels werden sich standardisierbare Aufgaben immer stärker durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz erledigen lassen.

Mit Blick auf die großen 3D-Herausforderungen Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie wird die Softwareentwicklung der Zukunft eine andere sein als heute. Bis 2025 dürfte eine weitere Verlagerung der Softwareentwicklung in Near- und Offshoreregionen zu beobachten sein. Das wiederum dürfte den Steuerungsaufwand erhöhen. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass IT-Dienstleister eine größere Verantwortung für den Betrieb der Softwareanwendungen übernehmen werden. Hier spielen Faktoren wie Fachkräftemangel, Kosten und Innovationen in den IT-Operations ein wichtige Rolle.