Chief Digital Officer

Wie erfolgreich sind deutsche CDOs?

01.08.2018 von Wolfgang Herrmann
Immer mehr Unternehmen im deutschsprachigen Raum leisten sich einen Chief Digital Officer. Doch oft fehlt es an geeigneten Anreizen und Messgrößen, um die Ideen der Digitalchefs umzusetzen.
  • 93 Prozent der Unternehmen im deutschsprachigen Raum haben eine Digitalstrategie.
  • 73 Prozent konzentrieren sich beim Umsetzen auf die Digitalisierung von Prozessen, 61 Prozent wollen die Kundenerlebnisse verbessern.
  • 24 Prozent der Befragten setzen keine Key Performance Indicators (KPI) ein, obwohl mehr als die Hälfte eine Erfolgsmessung für notwendig hält.

In nur zwei Jahren hat sich Zahl der aktiven Chief Digital Officers (CDOs) fast verdreifacht. Waren 2016 in der DACH-Region erst 120 Digitalchefs im Einsatz, beschäftigen die Unternehmen 2018 schon mehr als 320 CDOs. Die Zahlen stammen aus einer aktuellen Studie der Quadriga Hochschule Berlin in Kooperation mit dem Beratungshaus TMG Consultants. Weltweit gibt es nach Angaben des "CDO Clubs" inzwischen mehr als 2500 CDOs. Doch wie erfolgreich agieren die Digitalchefs bis dato? Welche Rolle spielen sie im Transformationsprozess und woran bemisst sich ihre Leistung? Die Berliner Studienautoren ziehen eine durchwachsene Bilanz.

Erfolgreiche CDOs arbeiten mit einem Mix aus harten und weichen KPIs.
Foto: NicoElNino - shutterstock.com

Glaubt man den Befragungsergebnissen, so sind zumindest die strategischen Grundlagen für die digitale Transformation gelegt. Laut eigenen Angaben hatten 93 Prozent der Studienteilnehmer eine Digitalstrategie. Die Initiatoren interviewten dazu 378 Führungskräfte, darunter nicht nur ausgewiesene CDOs, sondern auch Chief Information Officers (CIOs), Digital Transformation Officers und Digitalstrategen, die zum größten Teil für Unternehmen der Privatwirtschaft arbeiten.

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Wer treibt die Digitalisierung voran?

Ähnlich positiv fallen die Antworten auf die Frage aus, wer die Transformation in der Organisation praktisch umsetzt. Rund die Hälfte der Teilnehmer nennt hier die höchste hierarchische Ebene (C-Level), sprich die Unternehmensleitung oder einen CDO. In zwei Dritteln der in den Unternehmen angestoßenen Digitalisierungsprojekte sitzt demnach der CDO im "Driver´s Seat". Nach Einschätzung von Christian Heinrich, Professor für Digitale Transformation an der Quadriga-Hochschule, zeigen die Ergebnisse, "dass der CDO-Bereich in den Unternehmen weitgehend akzeptiert ist".

Tatsächlich wächst die CDO-Organisation in etlichen Unternehmen sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht. So berichtet ein gutes Drittel der Befragten von einer zunehmenden Zahl von Beschäftigten, die an der digitalen Transformation mitarbeiten. In 42 Prozent der Unternehmen ist das dafür vorgesehene Budget entweder gestiegen oder gleichgeblieben. Ein Viertel der Führungskräfte meldet einen Anstieg um mehr als zehn Prozent.

Welche Ziele verfolgt der CDO?

Geht es um die Ziele der Digitalstrategien, steht die Digitalisierung von Prozessen mit 73 Prozent der Nennungen ganz oben auf der Liste, dicht gefolgt vom Wunsch, Kundenerlebnisse zu verbessern (siehe Grafik). Kosten- und Umsatzziele fallen etwas dahinter zurück, sind aber dennoch jeweils für mehr als die Hälfte der CDOs wichtig. Immerhin 44 Prozent der Befragten streben die Innovationsführerschaft an, 42 Prozent wollen eine agile Organisation etablieren.

Deutsche CDOs wollen in erster Linie Prozesse digitalisieren und Kundenerlebnisse verbessern. Kosten- und Umsatzziele stehen dahinter zurück.
Foto: Heinrich, Gärtner, & Lopper (2018)

KPIs - kommt die Digitalstrategie in der Praxis an?

Ob die ambitionierten Strategien erfolgreich sind, steht auf einem anderen Blatt. Aufschluss geben könnten geeignete Key Performance Indicators (KPIs). Doch genau daran scheint es oft zu hapern. Fast ein Viertel der Befragten hat noch keine Kennzahlen eingeführt. Christian Gärtner, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Quadriga-Hochschule, sieht hier einen "Mismatch": Einerseits konzentrierten sich viele Befragte auf Kenngrößen wie die Anzahl optimierter Prozesse und mäßen das Wachstum und die Kosten (siehe Grafik) Andererseits aber werde das Kundenerlebnis nur selten über KPIs abgebildet. "Dann kann aber auch kaum steuernd eingegriffen werden", gibt Gärtner zu bedenken. Abhilfe schaffen könnte beispielsweise die Messung des Net Promotor Score (NPS) oder der Cross Channel-Satisfaction.

In den KPIs der CDOs spielen Kundenerlebnisse kaum eine Rolle.
Foto: Heinrich, Gärtner, & Lopper (2018)

Dass das Erheben und Nachverfolgen von KPIs erfolgsentscheidend sein kann, belegen die erhobenen Daten: Wer keine KPIs misst, hat tendenziell weniger Budget, weniger Mitarbeiter und schneidet auch in der Gesamtschau schlechter ab.

Was tut der CDO für mehr Agilität und Innovation?

Aufschlussreiche Ergebnisse liefert die Studie auch zur Frage, mit welchen Maßnahmen die Digitalchefs ihre Organisation agiler und innovativer machen. Aus mehr als hundert Beschreibungen erfolgreicher Beispiele leiteten die Berliner Forscher vier Cluster ab:

Für viele der Befragten geht es in der praktischen Umsetzung vor allem darum, sich auf einzelne Projekte zu konzentrieren und diese zum Erfolg zu führen. Gemeint sind damit nicht nur kleine Veränderungen wie etwa die Definition eines Produkt- und Servicekatalogs des Digitalbereichs, sondern oftmals Leuchtturm- und Vorzeigeprojekte. Die Palette reicht vom Einführen Künstlicher Intelligenz in der Qualitätskontrolle über die papierlose Fertigung bis hin zur Integration der Systemlandschaft in der Gastronomie (Kassen-, Inventory-Management-Systeme, Server-Storage-, Webshop-, Ticketing- und Access-Control-Systeme). Entscheidend sei, dass die Digitalisierung sichtbar und spürbar gemacht werde, so die Studienautoren.

Ohne übergeordnete strategische Vorgaben und daraus abgeleiteten Zielen für die digitale Transformation wird sich der Erfolg kaum einstellen, lautet eine weitere Erkenntnis. Gefragt sei ein "Proof of Concept"; und dazu müssten KPIs und die Digitalstrategie in Einklang gebracht werden.

Steht dieses Gerüst, muss der CDOs liefern und den Erfolg seiner Projekte nachweisen. Er kann dazu beispielsweise auf eine Steigerung von Nutzer- oder Nutzungszahlen oder auch Kundenweiterempfehlungsraten verweisen. Auch breiter angelegte Kenngrößen wie das Umsatzwachstum oder die Kostensenkung eignen sich hierfür. Neben solchen "harten" Kennzahlen berichteten die Studienteilnehmer aber auch von erfolgreichen "weichen" Maßnahmen, darunter etwa "Leading by example", "Management by walking around" sowie informelle Gespräche als Ergänzung zu einem offiziellen Leitungsgremium, das monatlich Entscheidungen über den Fortgang, die Einstellung oder Initiierung digitaler Projekte trifft.

"Diese beiden Punkte gehören zum kleinen Einmaleins des Change Managements - und somit auch zur digitalen Transformation", kommentieren die Studienautoren. Bei der regelmäßigen Kommunikation gehe es weniger um die Kanäle, sondern vor allem um die transportierten Botschaften: "Was sind die wesentlichen Elemente der Change Story? Gibt es eine gemeinsame Sprache, die alle verstehen? Wird zu viel versprochen?" In der Praxis habe sich eine Mischung aus digitalen Kanälen, "Face-to-Face-Meetings" sowie Großveranstaltungen wie einem "Digital Experience Day" etabliert.

Scrum und Design Thinking gehören in diesem Kontext zu den populärsten Ansätzen. Weniger bekannt, zumindest außerhalb der IT-Organisation, sind Methoden wie Rapid Prototyping, Value Stream Mapping und die Zusammenführung von IT-Entwicklungs- und Betriebsteams (DevOps) mittels des CALMS-Frameworks. Teilweise berichteten die Studienteilnehmer von Ansätzen wie Reverse Monitoring, die auch dazu dienen, Hemmschwellen zwischen Generationen abzubauen. Kaum eine Rolle spielten dagegen Enterprise Social Networks wie Slack. An dieser Stelle sehen die Berliner Wissenschaftler noch Verbesserungspotenzial.

Welches sind die größten Hürden beim digitalen Wandel?

Aus den offenen Fragen zu den Hürden im digitalen Transformationsprozess haben die Studienautoren die wichtigsten Nennungen zusammengefasst:

1. Budgetallokation

2. Kennzahlen und Verantwortlichkeiten

3. Digitales Bewusstsein

4. Technologisches Wissen

5. Kulturwandel

6. Change Management

7. Organisationsstruktur

8. Ressourcenproblematik

Ausblick - wann kommt der digitale Durchbruch?

Im Vergleich zur Erhebung aus dem Jahr 2017 habe sich in Sachen Digitalisierung einiges verbessert, resümieren die Berliner. Wurden seinerzeit noch alle Themen mit Bezug zur Digitalisierung einfach beim CDO "abgeladen", sei 2018 eine deutliche "Fokussierung und Professionalisierung" zu erkennen. Die Digitalstrategien seien vorhanden und würden nun Stück für Stück umgesetzt. Unternehmen nutzten agile Methoden, führten weiche KPIs ein und etablierten Kollaborations-Tools. Ebenso analysierten sie ihre Datenschätze und versuchten, weitere Informationen zu finden, zu filtern und standardisiert zu nutzen.

Wichtige Voraussetzungen für den digitalen Wandel scheinen also gegeben zu sein. Folglich müsste "der radikalste Umbruch jetzt bevorstehen", wie die Studienautoren formulieren. Die grundsätzliche Frage für Unternehmen sei, wie sie datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln und Strukturen und Kulturen entsprechend anpassen können.