NFC und mehr

Wie das iPhone zur digitalen Geldbörse werden könnte

02.09.2014
Über das digitale Portemonnaie im Smartphone wird schon seit Jahren gesprochen. Kreditkarten-Firmen, Mobilfunk-Anbieter und der Internet-Riese Google schafften es bisher aber nicht, die Verbraucher zu begeistern. Die Hoffnungen liegen nun - wieder einmal - auf Apple.

Gelingt Apple noch einmal das Kunststück, erst spät in einen schwächelnden Markt einzusteigen und ihn dann doch zum Leben zu erwecken? Vor vier Jahren küsste Apple mit dem iPad den totgelaubten Markt der Tablet Computer wach. Und nun - kurz vor dem Start der nächsten iPhone-Generation - verdichten sich die Hinweise darauf, dass Apple auch ein mobiles Bezahlsystem auf Basis des NFC-Nahfunks plant. Mit Visa, Mastercard und American Express seien die Titanen der Kreditkarten-Branche im Boot, berichtete der Finanzdienst Bloomberg.

Auf die eingespielten Abrechnungs-Infrastruktur der Kreditkarten-Firmen aufzuspringen, sei eine kluge Entscheidung, sagt Marktexperte Oliver Hommel von der Unternehmensberatung Accenture. "Doch es bleibt eine Frage, ob das Konzept in verschiedenen Ländern gleichermaßen erfolgreich sein kann - die Märkte unterscheiden sich sehr stark."

In Deutschland zum Beispiel hätten nur 30 Prozent der Bürger eine Kreditkarte, gibt Hommel zu bedenken. "In Deutschland mit der hohen Nutzung der EC-Karte (girocard) haben die Banken und Sparkassen eine starke Position, um eigene Angebote entgegenzusetzen." Für sie wäre der Sprung von von Plastikgeld zu einer virtuellen Karte im Smartphone ein großer Schritt. "Eine Bank wird in solchen Infrastrukturen als viel austauschbarer wahrgenommen." So sei es bereits ein wichtiger Faktor für Kundenbindung, wenn die Nutzer täglich die Karte mit dem Logo des Kreditinstituts in der Hand hielten. Und Banken und Sparkassen profitierten von der Kunden-Loyalität über das Konto hinaus, zum Beispiel wenn es um Kredite gehe.

Seit Jahren schon versuchen Kreditkartenfirmen, Mobilfunk-Anbieter und auch Google, digitale Portemonnaies auf NFC-Basis im Alltag zu etablieren. Die Idee: Statt eine Bankkarte zu zücken, soll der Kunde im Laden einfach sein Handy an das Lesegerät halten. Der Erfolg hielt sich bisher in eng bemessenen Grenzen. Auch wenn viele Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android oder Microsofts Windows Phone inzwischen einen NFC-Chip an Bord haben - die Verbraucher hielten sich bisher zurück.

Kritiker des Verfahrens wie der frühere Chef des Online-Bezahldienstes Paypal David Marcus verweisen auf zu geringe Vorteile für den Kunden. Ob nun ein Stück Plastik oder ein Telefon - man müsse trotzdem einen Gegenstand aus der Tasche kramen und einen PIN-Code eintippen, argumentierte Marcus, der vor einigen Monaten abrupt zu Facebook wechselte und dort für den Kurznachrichtendienst Messenger zuständig ist.

Allerdings haben das iPhone und einige andere Spitzen-Smartphones inzwischen eine Funktion, die für deutlich mehr Komfort sorgen kann: Den Fingerabdruck-Scanner. Statt an der Kasse die PIN einzutippen, bräuchte man also nur kurz den Finger auf den Home-Button des neuen iPhone zu halten - fertig. Niemand kann heimlich einen Blick auf die Zahlenkombination erhaschen, die Finanzbranche findet NFC zudem sicherer als Magnetstreifen in den Kreditkarten, die leicht kopiert werden können.

Der Chaos Computer Club (CCC) hatte zwar nach dem Start des iPhone 5s vor einem Jahr ziemlich schnell nachgewiesen, dass der "Touch-ID"-Sensor auch mit einem nachgebildeten Fingerabdruck ausgetrickst werden kann. Allerdings muss man dafür den Fingerabdruck des Besitzers zuvor in einem aufwändigen Verfahren in sehr guter Qualität einscannen.

Das Wichtigste zum kontaktlosen Bezahlen
Das Wichtigste zum kontaktlosen Bezahlen
Einer nach dem anderen gehen Anbieter auf den Markt, die mit Einsteck-Modulen Smartphones und Tablets zu Kassengeräten machen. Sie wollen damit Kartenzahlungen auch in kleineren Unternehmen etablieren, wo man heute noch meist mit Bargeld zahlen muss.
Wie funktioniert kontaktloses Bezahlen?
Das kontaktlose Bezahlen funktioniert per Funk. Die Karten mit Girogo-, Paypass- oder Paywave-Technologie sind mit einem speziellen Chip (Near Field Chip) ausgestattet. Die Daten werden verschlüsselt mit dem Terminal an der Kasse ausgetauscht, wenn die Karte im Abstand von maximal vier Zentimetern davorgehalten wird. Der Inhaber gibt seine Kreditkarte oder Girocard dabei nicht aus der Hand.
Für welche Beträge ist das gedacht?
Vor allem für Kleinbeträge, die üblicherweise bar bezahlt werden: Tageszeitung, Kaffee. Nutzer neuartiger Visa- oder Mastercard-Karten können kontaktlos bis zu einem Betrag von 25 Euro ohne Geheimnummer (PIN) oder Unterschrift bezahlen. Liegt der Betrag darüber, sind PIN oder Unterschrift notwendig. Wer die SparkassenCard nutzt, muss - wie zuvor bei der Geldkarte - ein Guthaben von höchstens 200 Euro auf die Karte laden und kann dann Beträge bis 20 Euro kontaktlos bezahlen. Nächstes Jahr entscheidet die Kreditwirtschaft über höhere Summen.
Ist die Technik sicher?
Nach Angaben der Sparkassen werden beim Bezahlvorgang nur zahlungsrelevante Daten wie Betrag und Kartennummer ausgetauscht: "Es werden keine Kundeninformationen, keine Namen, an den Handel weitergegeben", sagt Werner Netzel, Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen-und Giroverbands. Visa führt aus, Zahlungen seien "besonders sicher". Weil nur noch der Chip und nicht der Magnetstreifen zum Einsatz komme, gebe es keine Chance für Kriminelle, die durch manipulierte Automaten Kartendaten abschöpfen. Auch Mastercard will die Sorge vor ungewollten Abbuchungen nehmen: Die Karte funktioniere nur, wenn sie sich im Abstand von höchstens vier Zentimetern vom Terminal befinde.
Wie kontrolliere ich meine Abbuchungen?
Auf der Karte mit Girogo werden die letzten 15 Bezahlvorgänge und die letzten drei Ladevorgänge gespeichert. Um sie auslesen zu können, brauchen die Kunden allerdings eine Applikation (App) für ihr Smartphone oder müssen einen Terminal im Handel aufsuchen. Bei Paypass und Paywave findet sich jede einzelne Buchung auf dem Kontoauszug.
Wie könnte die Entwicklung weiter gehen?
Die NFC-Technik kann auch in Mobiltelefone integriert werden - so wie es heute bereits Google Wallet nutzt. Mit einer speziellen Software könnte das Smartphone dann nicht nur die Geldbörse des Kunden, sondern auch den Kassenterminal des Verkäufers ersetzen. Auf diese Weise könnte man etwa bei Taxifahrern oder Paketboten mobil bargeldlos bezahlen.

Mit einer digitalen Geldbörse im iPhone könnte Apple an den Erfolg mit seinem iPad anknüpfen. Jahre vor dem iPad-Start hatte Microsoft vergeblich versucht, die Gerätekategorie der Tablet-Computer zu etablieren. Auch Herstellern wie Samsung und Asus erging es ähnlich. Sie versuchten ihr Glück mit Mini-Tablets unter der Bezeichnung "Ultra-Mobile PC". Doch die Geräte waren zu schwachbrüstig und zu stromhungrig zugleich und floppten. Es musste erst Apple mit seinem per Fingerzeig bedienbarem "Riesen-iPhone" kommen, damit die Kunden zugriffen.

Vielleicht hat Apple auch jetzt den richtigen Moment gewählt, an dem technische Bausteine und Bedienung zusammenkommen. "Die Infrastruktur-Voraussetzungen sind sehr gut", sagt Accenture-Experte Hommel. "Wenn es Apple gelingt, die Zahlung sinnvoll mit anderen Angeboten wie Rabattcoupons oder Kundenbindungs-Programme zu verbinden, könnte es ein Erfolg werden." Zudem könne sich Apple auf seinen Stamm treuer Kunden verlassen, die traditionell empfänglich für neue Dienste des Unternehmens seien. (dpa/tc)