Kollaborative Roboter

Wie Corona Cobots treibt

Kommentar  von Eric Schaeffer
Cobots, also kollaborative Roboter, könnten wegen ihrer Flexibilität zu den großen Gewinnern des Corona-bedingten Automatisierungs-Booms gehören.
Cobots stellen praktisch den perfekten Arbeitskollegen dar - nicht nur während der Coronakrise.
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Die COVID-19-Pandemie hat nahezu alle Industriezweige dazu gezwungen, sich an die neue Normalität anzupassen - darunter auch die Fertigungsbranche. Als kurzfristige Reaktion wurden dort etliche Produktionsstätten dichtgemacht. Womit sich die Chefetage jedoch aktuell auseinandersetzen muss, ist eine längerfristige Transformation: Durch Corona wird der Druck stärker, lokal und flexibler zu produzieren, mehr Prozesse zu automatisieren und neue Gesundheitsanforderungen zum Schutz der Arbeitnehmer umzusetzen.

Cobot-Durchbruch bereits vor Corona

Aus Sicht von Accenture könnte ein Teil der Lösung der verstärkten Einsatz von kollaborativen Robotern oder "Cobots" darstellen. Obwohl es Cobots schon seit fast zwei Jahrzehnten gibt, gelang ihnen der kommerzielle "Durchbruch" erst in den letzten Jahren. Damals erkannten die Chefs in den meisten großen Fertigungsunternehmen der Welt, dass Cobots dazu beitragen können, das Risiko für die Mitarbeiter zu verringern, die Effizienz zu steigern und komplexere Fertigungsprozesse zu bewältigen. Da sie leichtgewichtig sind, typischerweise auf mobilen Plattformen installiert werden und einfach zu programmieren sind, stellen sie quasi den idealen Arbeitskollegen dar.

Das wird unter anderem deutlich, wenn man sich bewusst macht, wozu Cobots eingesetzt werden können. So sind sie etwa in der Lage, schwere Komponenten zu heben, eine Maschine zu beladen oder repetitive Aufgaben wie das Verpacken und Stapeln zu erledigen. Sie können all das tun, was in der Branche mit den vier "D "s bezeichnet wird - "dirty", "dangerous", "dear" und "demeaning" (schmutzig, gefährlich, teuer und erniedrigend). Das erklärt auch, warum Cobots bereits vor der COVID-19-Krise mit jährlichen Wachstumsraten von 60 Prozent eines der am schnellsten wachsenden Segmente der Industrierobotik waren. Schätzungen der Robotic Industries Association aus der Zeit vor Corona gingen davon aus, dass die Einnahmen mit Cobots bis 2027 weltweit 5,6 Milliarden Dollar erreichen werden. Dennoch und trotz der vielen Anwendungsgebiete für Cobots in verschiedenen Branchen ist ihr Anteil am gesamten Robotikmarkt noch gering: Berechnungen der International Federation of Robotics zufolge waren im Jahr 2018 nur 14.000 von 422.000 installierten Industrierobotern - oder 3,3 Prozent - Cobots.

Günstiger automatisieren mit kollaborativen Robotern

Dies wird sich aber in den nächsten Jahren ändern - und zwar aus zwei Gründen: Erstens ermöglichen Cobots einen höheren Automatisierungsgrad und dies zu relativ geringen Kosten. Zweitens sind Cobots äußerst flexibel und in der Lage, ein breites Spektrum an Aufgaben zu bewältigen, von einfachen Jobs bis hin zu sehr komplexen Tätigkeiten. Das bedeutet, dass Cobots nicht nur ein Game Changer für große Fertigungsunternehmen sind, sie eignen sich auch dazu, die Belegschaft kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) zu unterstützen.

Im Großen und Ganzen gibt es drei Trends, die den "Cobot-Boom" antreiben werden:

Als Reaktion auf COVID-19 wird sich die Produktionslandschaft geografisch breiter aufstellen, um die Lieferketten vor zukünftigen Unterbrechungen in einer volatileren globalen Wirtschaft zu schützen. Das bedeutet nicht das Ende der globalen Lieferkette, sondern vielmehr eine höhere Anzahl von Produktionsstätten, die zudem weitaus flexiblerer sind. Stellen Produktionsanlagen mehr als ein Produkt her, trägt das zu einer höheren Auslastung bei, was die Kosten für mehr Fertigungsstätten wieder auszugleicht. Dass kleine, einfach zu bedienende und mobile Cobots dabei helfen können, die Produktvielfalt zu erhöhen, konnte man bereits zum Höhepunkt der Coronakrise beobachten, beispielsweise in der Automobilindustrie, die ihre Produktion auf Atemschutzmasken umstellen konnte, um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden.

Cobots gegen den Automatisierungsdruck

Mit COVID-19 hat sich der Druck auf den Mittelstand, die Produktivität zu steigern, um wettbewerbsfähig zu sein, weiter erhöht. Viele KMUs sind dazu jedoch zu "unter-automatisiert", was zum Teil auf die vermeintlich hohen Kosten für Automatisierung zurückzuführen ist. Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnten Cobots darstellen, da sie für nur 20.000 Dollar oder - anders ausgedrückt - etwa ein Fünftel des Einstiegspreises für herkömmliche Industrieroboter erhältlich sind. Zu den relativ niedrigen Kosten kommt hinzu, dass Cobots wenig Platz beanspruchen und somit auch in kleinere Produktionsanlagen passen - oder sogar in Kellerräume oder Bürogebäude, was sie ideal für Neugründungen macht. Da sie außerdem in der Lage sind, auch anspruchsvolle Aufgaben zu bewältigen, eignen sie sich ideal zur Fertigung maßgeschneiderte Produkte, die das Markenzeichen vieler KMU sind.

Die Allrounder-Fähigkeiten von Cobots zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie für diverse Produktionsschemata programmiert werden können. Und weil dazu keine nennenswerten Programmierkenntnisse erforderlich sind, können Cobots schnell und einfach eingerichtet werden. Auf diese Weise können selbst ungelernte Arbeiter problemlos mit Cobots zusammenarbeiten, um komplexe Aufgaben zu erledigen.

Die Abstandsregelungen werden uns wahrscheinlich noch eine ganze Weile begleiten. Damit stehen Fertigungsunternehmen vor der Herausforderung, die Einhaltung dieser Regelung entsprechend sicherzustellen und die Anzahl der Begegnungen von Mensch zu Mensch in Fabriken zu begrenzen. Eine Lösung ist der vermehrte Einsatz "gemischter Teams", in denen Menschen und Cobots gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten, zum Beispiel ein Produkt überprüfen, stapeln, verpacken und verladen. Cobots können auch einige Aufgaben selbstständig ausführen, wie beispielsweise den Transport von Materialien in Fabriken, um die Zahl der Arbeiter, die sich von Ort zu Ort bewegen, zu reduzieren. (mb/fm)

Roundtable zum Thema KI und Automation
KI und Automation
Auf Einladung der Computerwoche diskutierten Ende November 2018 in München Experten über Künstliche Intelligenz (KI), Machine Learning und Automation.
Bernhard Mandutz, Business Unit Manager Valuemation bei der USU GmbH: „Bei Serviceprozessen wird KI in Zukunft die zentrale Rolle spielen, egal ob es um Automatisierung, Predictive Maintenance oder Chatbots geht.“ Die USU GmbH ist ein Spezialist für Enterprise Service Management.
Santiago Cabrera-Naranjo, Consulting Director bei Teradata: „Data Science ist heute allzu oft ein Prozess, bei dem neue Erkenntnisse und Modelle als einmalige Anstrengung entwickelt oder ad hoc in der Produktion eingesetzt werden. Sie erfordern deshalb ein regelmäßiges Babysitting zur Überwachung und Aktualisierung. Wir wollen das ändern.” Das ehemals vor allem als Data Warehouse Anbieter bekannte Unternehmen Teradata widmet sich längst vorrangig Themen wie Business Analytics und Big Data.
Stefan Gössel, Managing Partner beim IT-Dienstleister Reply: „Wenn Sie Arbeitsplätze mit zwei Bildschirmen haben, haben wir etwas zu tun.“ Reply ist ein Spezialist für Geschäftsmodelle, die auf Paradigmen wie Big Data, Cloud-Computing oder dem Internet der Dinge basieren.
Tobias Mirwald, Geschäftsführer beim CRM-Hersteller Adito Software: „An die Daten kommt man oft schwer ran, weil sie in Silos liegen. Erst muss man vernetzt denken, bevor man mit KI die Daten nutzen kann.“
Sven Munk, Partner Technical Sales Lead EMEA LATAM, bei Informatica: „Das Datenvolumen explodiert, mehr und mehr Datentypen werden erzeugt. Unternehmen müssen diese Daten strategisch nutzen, um Innovationen zu erzeugen und ihre digitale Transformation voranzutreiben.“ Informatica ist ein führender Anbieter von Enterprise Cloud Data Management Lösungen.
Thorsten Urbanski, Head of Communication beim Security-Anbieter ESET, schätzt die Herausforderungen und das Potenzial im Bereich Automation und IoT gleichermaßen hoch ein. Im Zuge der digitalen Automatisierung werde es von essentieller Bedeutung sein, sich vor Manipulation der relevanten Daten zu schützen: „Wenn wir uns die Folgen im Bereich Robotic und Industrie 4.0 oder Autonomes Fahren vorstellen, wären die Auswirkungen mehr als fatal.“
Kristina Appelt, Manager Systems Engineering bei Cisco: „Es ist wichtig, den Anwenderunternehmen eine performante, validierte Infrastruktur für KI und Automation bereit zu stellen.“
Alexander Hartmann, Mitglied des Vorstands bei SYSback: „Wir deutschen Unternehmen sind viel zu zurückhaltend in der Vermarktung von KI.“ SYSback ist Service-Provider für Holistische Automation und orchestriert und automatisiert mit diesem Ansatz verschiedenste Prozesse und IT-Ressourcen.