Demografie macht es möglich

Wie Silver Worker den späten Jobwechsel schaffen

19.10.2023 von Kerstin Woll
Silver Worker haben mit Vorurteilen und fehlenden technischen Qualifikationen zu kämpfen. Sie können jedoch mit langjähriger Berufserfahrung und Fachwissen glänzen. So gelingt der Neustart am besten.
Arbeitgeber sollten sich bewusst damit auseinandersetzen, welchen Beitrag mit welchem Know-how ältere Mitarbeiter zum Unternehmenserfolg beitragen können.
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Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Neue Technologien, Globalisierung und eine schnelllebige Wirtschaft führen dazu, dass Karrieren oft nicht mehr so linear verlaufen wie noch vor ein paar Jahren. Während es früher nicht unüblich war, dass Menschen nach dem Schulabschluss oder Studium in einen Job eintraten und diesen bis zur Rente ausübten, ist dieses traditionelle Modell der beruflichen Laufbahn in vielen Branchen mittlerweile überholt.

Der anhaltende demographische Wandel in Deutschland bringt in vielen Unternehmen zudem eine weitere bedeutende Veränderung mit sich: den Fachkräftemangel. Denn durch den steigenden Altersdurchschnitt in der Bevölkerung mangelt es oft an jungen, qualifizierten Arbeitskräften.

Große Angst vor einem späten Wechsel

Das führt mehr und mehr dazu, dass Talente eher nach persönlichem Fit und Weiterbildungsbereitschaft rekrutiert werden als nach Qualifikation. Damit eröffnet sich für viele ältere Arbeitnehmende die Chance, ihre Karriere in einer neuen Rolle oder Branche fortzusetzen oder sogar ganz neue berufliche Wege einzuschlagen.

Doch viele der sogenannten Silver Worker, die schon seit mehreren Jahren, teilweise Jahrzehnten, in ein und demselben Unternehmen beschäftigt sind, scheuen sich häufig davor, nochmal einen Jobwechsel in Betracht zu ziehen. Zu groß ist die Angst, sich in diesem neuen Umfeld nicht mehr zurechtzufinden oder mit Vorurteilen konfrontiert zu werden.

Herausforderung Digitalisierung

Doch wie lassen sich diese Ängste und Bedenken überwinden und der späte Jobwechsel dennoch realisieren? Haben ältere Arbeitnehmende geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Denn die Befürchtungen älterer Arbeitnehmenden vor einem Jobwechsel sind verständlich. Immerhin bringt der sich wandelnde Arbeitsmarkt mit voranschreitender Automatisierung und Digitalisierung tatsächlich einige Herausforderungen mit sich.

Für ältere Arbeitnehmende kann beispielsweise schon das Verfassen einer digitalen Bewerbung und die Wahl der richtigen Plattform ein Hindernis sein. Da sie oft nicht mehr mit den üblichen Textverarbeitungsprogrammen, Apps für die Jobsuche oder Online-Bewerbungstools vertraut sind, kann dieser Prozess entmutigend sein.

Nach wie vor genug Vorurteile

Viele Silver Worker stellen während des Bewerbungsprozesses zudem häufig fest, dass Arbeitgebende in ihren Stellenanzeigen bestimmte technische Qualifikationen voraussetzen. Wenn ältere Arbeitssuchende diese Anforderungen nicht erfüllen, kann das zu Frustration und einem Mangel an Selbstvertrauen führen, was die Chancen auf einen erfolgreichen Jobwechsel weiter verringert.

Auch Vorurteile und Diskriminierung aufgrund des Alters spielen beim Bewerbungsprozess oft eine Rolle. Einige Arbeitgebende gehen davon aus, dass ältere Arbeitnehmende weniger produktiv und flexibel sind oder aufgrund von zunehmenden gesundheitlichen Beschwerden häufiger Arbeitsausfällen verzeichnen als ihre jüngeren Kollegen. Hier liegt es bei den Unternehmen, Vorurteile abzubauen, entsprechende Herausforderungen zu bewältigen und eine inklusive Unternehmenskultur zu fördern, die die Vielfalt der Generationen am Arbeitsplatz ermöglicht.

Die Stärken der Silver Worker

Auch wenn ältere Mitarbeitende möglicherweise einige Vorurteile oder Hindernisse bei der Jobsuche überwinden müssen, sollten Unternehmen sie nicht als wertvolle Arbeitskräfte unterschätzen. Immerhin können Silver Worker meist mit einem beeindruckenden Erfahrungsschatz glänzen, den sie sich über viele Jahre erarbeitet haben.

Neben wichtigen Branchenkenntnissen und Arbeitsmethoden besitzen sie aber auch die Fähigkeit zur Lösung komplexer Probleme und sind dadurch in der Lage, herausfordernde und stressige Situationen sicher und schnell zu lösen.

Jobwechsler gilt als mutig und neugierig

Aufgrund ihrer jahrelangen Berufserfahrung verfügen sie darüber hinaus über umfangreiche Netzwerke und Kontakte, die für Unternehmen von großem Wert sein können. Wer zudem mit Anfang 50 einen neuen Job sucht und motiviert ist, sich weiterzuentwickeln, beweist Mut und Neugier und kann als ebenso qualifizierte Arbeitskraft gesehen werden wie junge Bewerber.

Die Bereitschaft, neue Fähigkeiten zu erlernen und sich den Anforderungen einer sich verändernden Arbeitswelt anzupassen, ist für Arbeitgebende von großem Wert. Denn ältere Mitarbeitende können diese Motivation mit ihrer bereits bestehenden Erfahrung kombinieren, um ein breiteres Spektrum an Fähigkeiten und Perspektiven in das Unternehmen einzubringen und sich gemeinsam mit dem Unternehmen weiter zu entwickeln.

So gelingt der Jobwechsel ab 50+

Ein Jobwechsel ist nicht immer leicht - egal in welchem Alter. Mit über 50 steht man oft jedoch vor besonderen Herausforderungen bei der Jobsuche. Folgende Tipps helfen dabei, den Schritt in ein neues berufliches Abenteuer zu wagen:

  1. Aller Anfang ist schwer: Für viele ältere Bewerbende ist der letzte Jobwechsel oft eine ganze Weile her. Was damals mit 20 beim Bewerbungsprozess gut geklappt hat, funktioniert 30 Jahre später möglicherweise nicht mehr ganz so gut. Silver Worker, deren Lebenslauf in die Jahre gekommen ist, sollten sich daher zunächst mit den aktuellen Bewerbungstrends und -anforderungen vertraut zu machen. Dazu zählt beispielsweise, dass sie ihre Bewerbungsunterlagen überarbeiten, neue Technologien und Plattformen für die Jobsuche kennenlernen und sich über aktuelle Branchentrends informieren. Bei wem die technischen Fähigkeiten etwas eingerostet sind, sollte aber nicht gleich den Kopf in den Sand stecken, sondern offen mit den eigenen Schwächen umgehen.

  2. Das Alter zum Vorteil machen: Ältere Arbeitnehmende verfügen oft über einen großen Erfahrungsschatz und über Jahre hinweg erarbeitete Soft und Hard Skills. Silver Worker sollten sich dieser Stärken bewusst sein und diese Fähigkeiten in ihren Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen gezielt hervorheben. Denn schon das Selbstvertrauen in das eigene Können kann dazu beitragen, das Interesse bei potenzielle Arbeitgeber zu wecken.

  3. Fragen kostet nichts: Egal ob im Freundes- und Bekanntenkreis oder der Familie - fast jeder von uns war schon einmal auf Jobsuche. Vor allem bei den jüngeren Arbeitnehmenden ist der letzte Bewerbungsprozess meist gar nicht so lange her. Um sich mit den neuesten Trends im Recruiting vertraut zu machen, hilft es daher schon (jüngere) Familienmitglieder, Freunde oder Kollegen nach ihren Erfahrungen und Tipps zu fragen.

  4. Don't be afraid to be great: Fortbildungen und Schulungen helfen, die eigenen Fähigkeiten auf dem neuesten Stand zu halten - auch, wenn man schon einige Jahre Berufserfahrung gesammelt hat. Neue Fähigkeiten vermitteln einem nicht nur selbst das Gefühl, für die Arbeitswelt besser gerüstet zu sein, sondern zeigt auch potenziellen Arbeitgebenden, dass man motiviert ist, sich stetig weiterzuentwickeln.

Nachdenken über neue Karrierewege lohnt sich

Die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt ist für Silver Worker die beste Gelegenheit, einen neuen Karriereweg einzuschlagen. Denn Unternehmen, die offene Stellen mit qualifizierten Kräften besetzen wollen, sind mehr denn je auf ältere Arbeitnehmende angewiesen. Ihre langjährige Berufserfahrung, ihr Fachwissen und ihre Zuverlässigkeit machen sie dabei zu wertvollen Ressourcen für Unternehmen.

Wer mit 50 Jahren also nochmal den Schritt in eine neue berufliche Richtung wagen möchte, findet in der aktuellen Arbeitsmarktsituation optimale Bedingungen, sollte sich allerdings auch darüber im Klaren sein, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt in den letzten Jahren stark verändert hat. Silver Worker, die bereit sind, Neues zu lernen und mit Vorurteilen bezüglich ihres Alter zu brechen, können von dieser Entwicklung dennoch profitieren.

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