Work-Life-Balance

Wickeln zum Wohle der Firma

13.05.2010 von Petra Riedel
Immer mehr Väter entdecken, welche Chancen in der Elternzeit stecken. Damit die Auszeit keine beruflichen Risiken birgt, sollte die Familienphase gut vorbereitet werden.

Zuerst war Stefan Huber skeptisch. "Ich war überzeugt, dass die Mutter auf die Bedürfnisse eines Babys viel besser eingehen kann als der Vater." Aber dann musste der Diplominformatiker akzepieren, dass seine Frau ihren Berufseinstieg nach dem Jura-Staatsexamen hinbekommen wollte - trotz Baby. Mit einer Teilzeitanstellung hätte das kaum geklappt. Also blieb der Vater bei der kleinen Tochter zu Hause, ein halbes Jahr lang als Vollzeit-Papa, danach mit einer Teilzeitbeschäftigung. Das ist acht Jahre her. Inzwischen ist das vierte Kind von Familie Huber zwei Jahre alt, und der Elternzeit-Profi arbeitet momentan 30 Stunden die Woche. "Was ich an Freude und Erfahrungen gewonnen habe, möchte ich nicht missen", sagt der 40-Jährige, der bei der Nürnberger Datev als Softwareentwickler und Projektleiter Enterprise Content Management beschäftigt ist.

Mechthilde Maier, Deutsche Telekom: " Zwei Vätermonate lassen sich gut einplanen."

Sicher ist Stefan Huber noch die Ausnahme; längst nicht alle Männer finden sein Arbeits- und Familienmodell nachahmenswert. Doch gerade in der IT-Branche gibt es eine überdurchschnittliche Offenheit gegenüber solchen Arbeitsverhältnissen. "Zu mir kommen immer mehr Väter, die sich für eine Elternzeit interessieren", berichtet Claudia Lazai, Ansprechpartnerin für Beruf und Familie bei der Datev. Auch andere IT-Unternehmen bestätigen diesen Trend, der mit der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 begann. Die Firmen stellen sich darauf ein. "Zwei Vätermonate lassen sich gut einplanen, besser als plötzliche Krankheiten oder eine Pflegebedürftigkeit von Angehörigen", sagt Mechthilde Maier, Diversity Managerin der Deutschen Telekom. Aber auch andere Arbeitszeitmodelle werden nachgefragt: Bei der Datev haben sich die Elternzeitanträge von Vätern in den ersten beiden Jahren nach der Einführung jeweils mehr als verdoppelt. Etwas mehr als die Hälfte der Jungväter nimmt dort die beiden Vätermonate in Anspruch, gut ein Drittel arbeitet während der ersten drei Lebensjahre des Kindes in Teilzeit. Knapp zehn Prozent sind Führungskräfte mit Personalverantwortung.

Christian Gawron, IBM: "Gerade im ersten Jahr passiert sehr viel, und da wollte ich nichts verpassen."

Auch Christian Gawron will mehr sein als ein Wochenend-Vater. Sein Sohn ist jetzt anderthalb Jahre alt. "Gerade im ersten Jahr passiert viel, das wollte ich nicht komplett verpassen", sagt der Senior IT Architect bei IBM Global Business Services. Vom vierten bis achten Lebensmonat blieb Gawron daher daheim. "Ich habe es sehr genossen", erinnert sich der 41-Jährige. Im Anschluss kam der Kleine in eine Kita. Der promovierte Physiker und seine Frau, eine Fachhochschul-Dozentin, arbeiten seit einem Jahr wieder Vollzeit. Bei IBM liegt er mit seinem Papa-Sabbatical im Trend: Während in den Jahren vor dem neuen Elterngeld jeweils weniger als zehn Väter eine Elternzeit beantragten, hat sich deren Zahl im Jahr 2007 verfünffacht und 2008 nochmals vervierfacht.

Ein Leben ohne Blackberry...
<b>Jürgen, Burger, Hellmann Worldwide Logistics</b>
...ist nicht erstrebenswert - manchmal sind die Dinger ganz nützlich. Man muss sie halt auch aussschalten können. <br/><br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/cio-des-jahres-2009/grossunternehmen/1911088/" target="_blank">Hier finden Sie das ganze Porträt:</a>
<b>Jesper Doub, Bauer Media Group</b>
...ist ein Verlust an Lebensqualität: Wie sollte ich sonst im Starbucks arbeiten?<br/><br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/cio-des-jahres-2009/grossunternehmen/1910678/" target="_blank">Hier finden Sie das ganze Porträt:</a>
<b>Jörg Munzel, Autovision</b>
...ist Luxus und Notwendigkeit, die ich mir gönne.<br/><br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/cio-des-jahres-2009/grossunternehmen/1910814/" target="_blank">Hier finden Sie das ganze Porträt:</a>
<b>Thomas Rössler, Medienhaus Südhessen</b>
...ist schrecklich befreiend...
<b>Matthias Bongarth Matthias, Land Rheinland-Pfalz</b>
...ist wie Käsekuchen ohne Käse - eben unvorstellbar.
<b>Frank Moos, Northrop Grumman LITEF</b>
...ist erst wieder im Ruhestand denkbar.
<b>Stephan Fanenbruck, HSH Nordbank Securities</b>
...ist einfach ein normales Leben.
<b>Ingo Thomas, Roeser</b>
...ist wie ein Samstag ohne Sportschau.
<b>Arno Driemeyer, FRIMO Group</b>
...ist aktuell nicht vorstellbar, weil mein PDA seinem Namen als Personal Digital Assistant alle Ehre macht und tagtäglich mein Leben erleichtert.
<b>Michael Rödel, Bionorica</b>
...ist nach langen Jahren der "Sucht" endlich wieder ohne Probleme möglich.<br/><br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/cio-des-jahres-2009/mittelstand/1911593/index.html" target="_blank">Hier finden Sie das ganze Porträt:</a>
<b>Thomas Haida, Scout 24 Holding</b>
...ist schwer vorstellbar, wird aber von meiner Frau in unserem Urlaub mit dem notwendigen Nachdruck durchgesetzt.
<b>Wolfgang Gösswein, MHM Holding</b>
...ist mittlerweile ohne Entzugserscheinungen im Urlaub möglich.
<b>Niels Diekmann, Bartscher</b>
...ist der Verlust von Flexibilität.<br/><br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/index.cfm?pid=3515&pk=1911443" target="_blank">Hier finden Sie das ganze Porträt:</a>
<b>Urs Widmer, ABB Deutschland</b>
...ist über einen bestimmten Zeitraum kein Problem, was eine reine Frage der Organisation und des Verhaltens meines Umfeldes ist (Erziehungssache)<br/><br /><br /><a href="http://www.computerwoche.de/index.cfm?pid=3514&pk=1910827" target="_blank">Hier finden Sie das ganze Porträt:</a>
<b>Thorsten Seifner, GE Capital Bank</b>
...ist wie auf "Entzug".
<b>Thomas Kleemann, Klinikum Ingolstadt</b>
...ist gelebte Praxis. Was ich wissen muss, weiß ich, wer mich erreichen will, erreicht mich. Mehr und schnellere Informationen, bedeutet nicht bessere Entscheidungen.
<b>Reinhold Wittenberg, Aug. Prien Bauunternehmung</b>
...ist leicht vorstellbar (ich mag unhöfliche Leute, die während Besprechungen meinen, ihre Unabkömmlichkeit dadurch beweisen zu müssen, nicht).
<b>Peter Ligezinski, Allianz Investmentbank</b>
...ist normal, ich lese Mails wenn ich es will.

Männer fürchten Karriereknick

Christoph Herget verabschiedete sich für mehr als ein Jahr von seinem Job als Team-Manager für Human Resources and Headcount Platforms bei Microsoft Deutschland, um für seine beiden Söhne da zu sein, die zu Beginn der Auszeit drei und ein Jahr alt waren. "Nach der Geburt unseres Ältesten konnte ich wegen meiner beruflichen Belastung nur wenig an seiner Entwicklung teilhaben", bedauert der 39-Jährige. "Das wollte ich beim zweiten Kind ändern." Die Wickel-Praxis von Vätern nimmt auch bei Microsoft Deutschland zu. "Das ist sicher erfreulich, aber wenn man die Zahlen nüchtern betrachtet, kann man insgesamt nicht von einem Umschwung sprechen", wendet Christiane Benner ein, Bereichsleiterin IT- und Elektroindustrie/Angestellte im IG-Metall-Vorstand. "Das sind leider immer noch eher Exoten."

Christoph Herget: "Beim zweiten Kind wollte ich es besser machen."

Trotz steigenden Interesses zögern immer noch viele Väter mit einem Antrag. "Die Angst vor den Folgen ist größer als bei Frauen", glaubt Telekom-Managerin Maier. "Viele befürchten mindestens einen Anerkennungsknick." Davon kann jedoch keiner der drei berichten: IBMer Gawron, der fünf Monate daheim war, vergleicht seine Auszeit mit einem längeren, gut geplanten Urlaub. Microsoft-Mann Herget kehrte nach einer kurzen Übergangszeit auf seinen alten Platz zurück. Nachteile wegen seines langen Ausstiegs kann er nicht erkennen. Stefan Huber macht sich dagegen nichts vor. In seiner mehr als achtjährigen Phase wechselnder Arbeitszeitmodelle habe es für ihn nicht die Chance gegeben, Personalverantwortung zu übernehmen. Im Gegenzug genieße er aber Vorteile in Sachen Flexibilität. Die Einführung der Vätermonate habe eine Veränderung angestoßen, ist sich Mechthilde Maier sicher. "Jemand, der sich in seinem sozialen Umfeld engagiert, wird auch im Beruf Verantwortung übernehmen."

Wie also sagt man es dem Chef?

Markus Kamrad: "Mutig ins Gespräch mit dem Chef gehen."

Wie also sagt man es dem Chef? "Mit Mut!", ermuntert Markus Kamrad. Der Journalist und Buchautor mit zwölf Monaten Elternzeit-Erfahrung hält die Regelung mit dem Arbeitgeber jedoch für eine der schwierigsten Aufgaben bei der Vorbereitung der Job-Auszeit. Er empfiehlt daher, dieses Gespräch gut vorzubereiten. Ein bisschen Bammel hatten auch die drei Mustermänner vor dem Termin. "Mein Chef war im ersten Moment überrascht, doch dann hat er sich positiv und unterstützend verhalten", erinnert sich Herget. Das Verständnis und das Entgegenkommen seines Vorgesetzten waren auch für den Informatiker Huber sehr hilfreich. "Rundweg positiv" waren die Erfahrungen von Christian Gawron - sowohl mit seinem direktem Vorgesetzten als auch mit den Kunden.

Ist die Katze aus dem Sack, gilt es, die Zeit während und nach der Elternzeit zu organisieren. Die drei Väter empfehlen, sich schon früh Gedanken zu machen, wie man die Kommunikation mit dem Chef und den Kollegen aufrechterhält. Herget las regelmäßig seine E-Mails und blieb mit den Kollegen im Kontakt. Und er nahm an drei wichtigen Meetings teil. "Diese Strategie, sich nicht völlig aus dem Berufsleben zu verabschieden, war richtig", ist sich der Team-Manager sicher. Bei Huber, der zum Teil Telearbeit von zu Hause aus macht, stellte sich heraus, dass ein neuer Kommunikationsablauf nötig war, damit er alle Informationen bekam. "Das hat mein Chef glücklicherweise rechtzeitig bemerkt", kommentiert er. "Man muss mehr und aktiver nachfragen, weil nicht allen klar ist, dass man nicht immer da ist - was ja eigentlich ein gutes Zeichen ist."

(Foto: victorpr/Fotolia.com)
Foto: Fotolia.com/CW

"Langfristig organisieren, offen kommunizieren", ist Gawrons wichtigster Rat an alle Nachahmer. Auch Telekom-Managerin Maier hält rechtzeitige und klare Absprachen für entscheidend. Für die Auszeit empfiehlt Gavron, sich nicht zu viel vorzunehmen. "Ich war überrascht, zu wie wenig man kommt", erinnert er sich. Herget bestätigt: "Während der Elternzeit habe ich gelernt, was es heißt, für zwei Kinder verantwortlich zu sein und den kompletten Haushalt zu schmeißen - nicht immer einfach.". Die Erfahrungen nützten ihm auch im Berufsleben, glaubt er. Zum einen helfen sie ihm, in manchen Situationen ruhig und gelassen zu bleiben. "Zum anderen geht es ja sowohl im Umgang mit Kindern als auch mit Mitarbeitern um gutes ‚Erwartungs-Management`." Nicht auf einen günstigen Zeitpunkt in der Zukunft warten, rät Herget: "Der richtige Moment kommt nie." Sein Tipp: Einfach machen.

Das Gespräch mit dem Chef

  1. Elternzeit-Experte und Buchautor Markus Kamrad empfiehlt, beim Gespräch mit dem Vorgesetzten folgende Tipps zu berücksichtigen:

  2. Wählen Sie für ein Gespräch über die Elternzeit einen guten Zeitpunkt. Der Chef sollte den Kopf dafür frei haben.

  3. Bereiten Sie sich gut auf das Gespräch vor. Betrachten Sie es wie ein Bewerbungsgespräch oder eine Gehaltsverhandlung.

  4. Seien Sie selbstbewusst, nennen Sie Ihre guten Gründe, fangen Sie nicht an zu betteln oder auf Ihren Rechtsanspruch zu beharren.

  5. Betrachten Sie das Gespräch als Gelegenheit, Ihrem Chef zu demonstrieren, dass Sie Ihre Verantwortung ernst nehmen - im Job wie im Privatleben.

  6. Stellen Sie Ihre Elternzeit als ein für die Firma organisatorisches Problem dar, das sich lösen lässt. Am besten, Sie haben sich schon etwas überlegt.

  7. Vermeiden Sie den Eindruck, dass Ihr Wunsch nach Elternzeit Ausdruck von Unzufriedenheit oder nachlassendem Engagement ist. Bekennen Sie sich zu Ihrer Firma und Ihrem Job.

  8. Benennen Sie Vorteile für das Unternehmen. Beispielsweise, dass im Wettbewerb um Fachkräfte ein familienfreundliches Image für die Firma von großem Wert sein kann.

  9. Haben Sie Vorbilder und gute Beispiele parat. Aber nicht nach dem Motto: "Wenn der Kollege in der anderen Abteilung durfte, dann will ich auch."

  10. Überlegen Sie sich Alternativen für den Fall, dass es Bedenken gibt.

  11. Betonen Sie das Datum Ihrer Rückkehr: Genauigkeit beruhigt und gibt ein Gefühl von besserer Planbarkeit.

(Quelle: Markus Kamrad, Yassin Musharbash, Jonas Viering: Wir Wickelprofis - So wird die Elternzeit zum Kinderspiel, Heyne Verlag, 2009)

Partnermonate