Mitarbeiterführung

Wenn Motivation Motivation kostet

31.07.2020 von Wolfgang Karrlein
Unternehmen versuchen ihre Mitarbeiter mit verschiedensten Mitteln zu motivieren. Das kostet Zeit, Energie - und im schlimmsten Fall Motivation.
Führungskräfte benötigen in Sachen Motivation sehr viel Fingerspitzengefühl, um die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter hochzuhalten und Motivationsprobleme zu vermeiden.
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"Sie müssen Ihre Mitarbeiter besser motivieren!" So lautet nicht selten die Erwartung an Führungskräfte. Menschen zu koordinieren und für zielgerichtete Arbeit zu sorgen, ist zentrales Thema einer jeden Organisation und jeder Führungskraft. Wäre es deshalb nicht ideal, wenn alle ihre Aufgaben freiwillig, selbstgesteuert und verantwortungsvoll erledigen würden? Das wird ein frommer Wunsch bleiben, denn weil sich Aufgaben, Interessen oder Lebensumstände ändern, wird Motivation immer ein Thema bleiben.

Mitarbeitermotivation: Toolset

Organisationen kennzeichnet, dass sie sich einen Zweck geben, eine Hierarchie ausbilden und Erwartungen an Personen formulieren, die Mitglieder der Organisation sind. Der Vorteil: Es muss nicht immer neu ausgehandelt werden, wer was wann und wie macht. Handlungen werden koordinierbar und berechenbar. Der Soziologe Stefan Kühl führt folgende Mittel zur Motivation auf:

Mitarbeiterführung: Motivfördernde Ansätze

Organisationen nutzen in der Praxis Kombinationen dieser Maßnahmen. Man zahlt gute Gehälter und bietet weitere Annehmlichkeiten: zum Beispiel Zugang zu einem Fitness Club, Cafeterien auf dem Firmengelände oder ein positives Leitbild und Außendarstellung, so dass Mitarbeitende stolz sein können, bei diesem Arbeitgeber beschäftigt zu sein.

Es gibt gute Gründe, Vorgesetzte mit der Motivation ihrer Mitarbeiter im Zuge ihrer Führungsaufgabe zu betrauen. Sie stehen im direkten Kontakt, teilen Aufgaben zu und sollten das Ergebnis im Blick haben. Umgekehrt ist ein Chef wichtig für Mitarbeitende: Er entscheidet (mit), welche Aufgaben man bekommt, wie die Beurteilung ausfällt, und wie sich Fortkommen und Bezahlung entwickeln. Das ermöglicht, die Motivation zum Zweck der Aufgabenerfüllung zu beeinflussen. Weitere mögliche Gründe für das Übertragen der Motivationsaufgabe auf die Führungskräfte sind, dass das Unternehmen die finanzielle Motivation reduzieren und mittels eines Purpose - Unternehmenszweck - attraktiver werden möchte. In der Praxis einer Purpose Driven Organization spielen die Art und Weise sowie soziale Qualität von Interaktionen eine große Rolle (Stichwort: Chef als Coach). Damit kommen Aspekte der Handlungspsychologie nach dem Psychologen Hugo M. Kehr ins Spiel. Optimale Motivation wird wahrscheinlich, wenn explizite (selbsteingeschätzte) Motive, implizite (unbewusste) Motive und subjektive Fähigkeiten vorhanden sind:

Fehlt einer dieser drei Einflussfaktoren, kann es zu Handlungsblockaden kommen. Die Erwartung an eine Führungsrolle ist es, diese zu identifizieren und aufzulösen. Dazu helfen drei Leitfragen:

  1. Ist diese Aufgabe für den Mitarbeitenden wirklich wichtig oder gibt es Zielkonflikte?

  2. Erledigt der Mitarbeitende diese Aufgabe gerne oder gibt es Befürchtungen?

  3. Kann der Mitarbeitende die Aufgabe gut ausführen?

Je nach Ursache für den fehlenden Antrieb unterscheiden sich die Maßnahmen:

Für solche Interventionen bedarf es Gespräche, um die mögliche Ursache der Blockade zu erkennen. Diese sind heikel, da sie einerseits den Mitarbeiter als Person und nicht nur in seiner Rolle ansprechen, man sich andererseits im Organisationskontext als Chef und Kollege begegnet. Ein Mitarbeiter kann sich dem Gespräch nur schwer verweigern, wird und darf aber auf die Grenze achten, ab der es zu persönlich wird. Diese Grenze gilt es auf Seiten der Führungskraft zu erkennen und zu beachten. Gespräche, die mechanisch, inquisitorisch, zwischen Tür und Angel, in unpassendem Kontext oder wenig wertschätzend geführt werden, sind demotivierend. Sie sollten deshalb geplant und vorbereitet werden. Das kostet auf beiden Seiten Zeit und Energie.

In der Praxis werden stets verschiedene Mittel zu Motivation eingesetzt, um Menschen mit Aufgaben zu verbinden. Geld, Zwang, Zweckidentifikation, Attraktivität der Tätigkeit, Kollegialität sind Mechanismen der Organisation. Parallel wird das Motivationsproblem an die Führungskraft gebunden. Man erwartet, dass sie Bedingungen für die Leistungserbringung schaffen. Um passende Maßnahmen zu finden, hilft es, Gründe für fehlende Motivation zu erkennen. Motivation kostet - egal wie und auf welcher Ebene. Jedes der Mittel kann aber auch dazu führen, dass Antrieb eingebüßt wird. Es gilt also, schon im Vorfeld zu überlegen, welche Mittel eingesetzt und welche Kosten akzeptiert werden und wie Demotivation vermieden werden kann. (pg/fm)

10 Motivationsmärchen, die sie besser nicht glauben
Alles ist möglich – Inklusive Bankrott, Burn-out und Betrug
Der faule Zauber: „Du kannst alles erreichen, wenn du nur wirklich willst“. Das ist Bullshit. Jeder von uns hat Grenzen, körperliche, mentale, intellektuelle, finanzielle... Es kann definitiv nicht jeder Astronaut, Millionär oder auch nur Frauenschwarm werden. <br> Der wahre Kern: In den meisten von uns steckt mehr, als wir denken und uns zutrauen. Vielen Menschen täten eine optimistischere Grundhaltung und mehr Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten gut. Wer die Messlatte etwas höher legt und mutig handelt, erreicht mehr als jemand, der zu früh aufgibt. Insofern ist „Alles ist möglich!“ eine positive Provokation, die (typisch deutsches?) Miesmachertum und „Das haben wir noch nie so gemacht“-Lethargie infrage stellt.
Tsjakkaa! Urschrei-Therapie für Versager
Der faule Zauber: Wer Tsjakkaa schreit, wird unbesiegbar. Er spornt Sie zu großen Leistungen an, so das „Du schaffst es!“-Versprechen. Das stimmt so nicht, denn Schreien gibt allenfalls einen kurzen Kraftimpuls. Möglicherweise ist der Tsjakkaa-Schrei deswegen so beliebt, weil er als euphorisches Erlebnis, als Überlegenheitsgeste, als Aufbegehren gegen eigene Ängste empfunden werden kann. Ein solcher Schrei gibt einen kurzen Schub, man fühlt sich eine Sekunde lang unbesiegbar. Doch der Effekt verpufft, er hat keine Nachhaltigkeit. <br> Der wahre Kern: Ein Ritual vor großen Herausforderungen kann die Angst dämpfen und die Konzentration fördern.
Positiv Denken! Selbstbetrug statt Aufbruchstimmung
Der faule Zauber: "Erfolg entsteht im Kopf", so die These. Doch bei den meisten Menschen bleibt er auch dort. Wer positiv denkt, programmiert sein "Unterbewusstsein" angeblich auf Erfolg und lebt allein durch die Kraft seiner Gedanken glücklicher, erfolgreicher und gesünder. Der wahre Kern: Eine optimistische Grundhaltung hilft, Herausforderungen zu meistern. Und man kann trainieren, sich nicht von Grübeleien und negativen Gedanken überwältigen zu lassen.
Ziele setzen! Es könnte alles so einfach sein...
Der faule Zauber: „Schreiben Sie Ihre Ziele auf und profitieren Sie von der magischen Wirkung schriftlich fixierter Zielvorstellungen!“, so das kühne Versprechen. <br> Der wahre Kern: Ziele wirken tatsächlich wie ein Kompass und steuern Handlungsrichtung, - dauer und -intensität. Auch eine schriftliche Fixierung ist von Vorteil. Darüber hinaus kommt es aber vor allem darauf an, ins Handeln zu kommen. Aufschreiben allein genügt nicht!
Visualisieren! Fata Morgana der Träumer
Der faule Zauber: ...besteht in der Behauptung, eine Zielcollage entfalte eine geradezu magische Wirkung und lasse die ausgewählten Bilder quasi automatisch Wirklichkeit werden. <br> Der wahre Kern: Im Brainstorming und bei der Ideenfindung kann man gut mit Bildern arbeiten. Und: Was wir vor Augen haben oder was uns beschäftigt, lenkt unsere Aufmerksamkeit. Sich mit seinen Zielen auseinanderzusetzen schärft daher die Wahrnehmung für thematisch Passendes.
Glaub an dich! Sprüche statt Strategien
Der faule Zauber: ...entsteht, wenn banale Trostsprüche sich als echte Hilfestellung tarnen. <br> Der wahre Kern: Kurzfristig tut Trost gut, und wir alle brauchen gelegentlich Trost. Der sollte uns allerdings nicht einlullen und nicht davon abhalten, ins Handeln zu kommen.
Sei ein Teamspieler! Wer's glaubt, wird selig aber nicht erfolgreich
Der faule Zauber: ...besteht im Lobgesang auf eine nicht näher definierte „Teamfähigkeit“. Wer sich im Team versteckt und Konflikte scheut, wird es nicht weit bringen. <br> Der wahre Kern: Wer andere für sich und seine Ziele gewinnen kann, kommt leichter vorwärts. Dafür muss man aber Teams nutzen können, statt sie als bequeme Hängematte misszuverstehen.
Lauf Marathon! Unsinn des sportlichen Aktionismus
Der faule Zauber: Es wird suggeriert, (extreme) körperliche Fitness sei der Schlüssel zum Erfolg auch auf anderen Gebieten. <br> Der wahre Kern: Menschen, die gesund leben, sind im Allgemeinen leistungsfähiger.
Sei ganz du selbst! Die Lüge des Authentischseins
Der faule Zauber: ...besagt, dass man „einfach“ nur man selbst sein müsse, und alles werde sich zum Besseren wenden. Das ist im besten Fall nichtssagend, im schlimmsten Fall irreführend. „Wähle dir Rollen, die zu deinen Werten und Eigenschaften passen, und reflektiere regelmäßig, wie du diese Rollen am besten ausfüllen kannst“, wäre ein ehrlicher und angemessener Rat. Nur ist der für das simple Weltbild, das die Tsjakkaa-Propheten verkaufen, vielleicht ein wenig zu komplex. <br> Der wahre Kern: ...besteht darin, dass Menschen, die im Einklang mit ihren Werten und Bedürfnissen leben, glücklicher und potentiell auch erfolgreicher sind als Menschen, die das Gefühl haben, sich täglich verbiegen zu müssen.
Hab Spaß! Das Lächeln der Loser
Der faule Zauber: „Hab Spaß“ wird zur Erfolgsphilosophie überhöht, nach dem Motto: „Lächle in die Welt, und die Welt lächelt zurück.“ Das lädt zur Realitätsflucht ein und verhindert einen angemessenen Umgang mit Krisen. Wer die Erwartung schürt, der Job, das Leben (die Beziehung, der Sport etc.) solle immer Spaß machen, braucht vor allem eines - unbeschränkten Zugang zu Glückspillen. <br> Der wahre Kern: ... ist, dass man Erfolge feiern sollte, um Kraft für die Zukunft zu schöpfen, und dass in einem erfüllten Leben auch Platz für Freude und Genuss ist.
Quelle
Rolf Schmiel <br> Senkrechtstarter – Wie aus Frust und Niederlagen die größten Erfolge entstehen <br> Campus Verlag; Auflage: 1 (10. September 2014) <br> ISBN-10: 3593500086 <br> ISBN-13: 978-3593500089