Welche Skills im Jahr 2010 wichtig sind

18.04.2007 von Winfried Gertz
Die schlechte Nachricht vorweg: IT-Spezialisten müssen über den Technikhorizont hinausblicken. Die gute: Sie bleiben begehrt. Die CW befragte Praktiker und Analysten, was IT-Profis in Zukunft können müssen.

Der introvertierte IT-Profi, der sich hinter seinem Rechner verschanzt und von Kommunikation und Networking nichts wissen will, war gestern. Die globalisierte Wirtschaft und der digitale Lifestyle haben einen neuen Typ von Informatiker hervorgebracht. Er verknüpft mathematisches Know-how mit kreativem Talent und weiß sich zu verkaufen. Wie Headhunter beobachten, ködern insbesondere junge Unternehmen solche Leute bereits mit fürstlichen Gehältern.

Veränderungsimpulse kommen auch aus der Wirtschaft. Weil Fusionen und Übernahmen auf der Tagesordnung stehen und Outsourcing immer wichtiger wird, müssen Informatiker mehr betriebswirtschaftliche Kenntnisse ausweisen. "Die effektivsten Mitarbeiter", sagt Diane Morello, Autorin der Gartner-Studie "IT Professional Outlook", "werden in Kompetenzzentren arbeiten, die sich an den Erfordernissen des Business orientieren." Solche Zentren steuern weltweit verteilte Projekte. Dazu benötigen sie vor allem aufgeschlossenes, flexibles Personal. Morello: "Informatiker müssen bereit sein, in Teams mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die sie nicht kennen." (Siehe auch "Arbeite mit wem, wann und wo du willst.")

Yvonne Balzer, IBM: 'Projektleiter müssen mit den Fachabteilungen reden können.'

Welche IT-Jobs werden 2010 hoch im Kurs stehen? Welche IT-Experten sind aus heutiger Sicht dafür prädestiniert? Für Yvonne Balzer, Management Consultant bei IBM in Düsseldorf, sind es so genannte Enabler-Jobs, etwa der eines Enterprise Architect: "Er versteht das Geschäft eines Unternehmens und ist mit den Prozessen vertraut. Er zerlegt sie in Services und richtet die IT so aus, dass sie diese Services unterstützen."

An Bedeutung gewinnen werden nach Balzers Einschätzung auch IT-Experten, die Integrations- und Koordinationsaufgaben wahrnehmen. Komme es etwa zu einer Fusion, schlage die Stunde der IT-Architekten und Servicespezialisten. Während der Architekt den großen Plan im Auge behalte, würden Serviceentwickler sowie Infrastrukturfachleute gebraucht, " weil sie bestimmte Technologien beherrschen und schnell entwickeln können". Lagern Betriebe IT-Aufgaben aus, benötigen IT-Profis laut Balzer die Kompetenz, externe Dienstleister zu führen. "Auf der Steuerungsseite beherrschen die IT-Experten das Regelwerk im Business-Kontext, als Spezialisten für IT-Governance sind sie mit relevanten Technologien und Schnittstellen vertraut", präzisiert Balzer die künftig gefragten Skills.

Gefragte Projekt-Manager

Wer als IT-Spezialist auch 2010 am Ball sein will, ist laut Gartner-Analystin Morello gut beraten, Erfahrungen im Projekt-Management zu sammeln oder sein technisches Know-how auf dem neuesten Stand zu halten. Das empfiehlt auch Karl-Heinz Hageni, Weiterbildungsberater vom IT-Bildungsnetzwerk Kibnet: "Bei der Nachfrage nach IT-Trainings rangieren Programme für IT-Projektleiter ganz vorn."

In der Softwareentwicklung bleibt ebenfalls kein Stein auf dem anderen. Markus Völter, Softwareingenieur aus Heidenheim und Betreiber des englischsprachigen Softwareentwicklungs-Podcasts www.se-radio.net, beobachtet, dass "agile Entwicklungsprozesse den Wasserfall vollständig verdrängt haben werden". Mit dem "Wasserfall" ist das traditionelle Vorgehensmodell in der Softwareentwicklung gemeint, das sich in mehreren Phasen von der Initialisierung bis zur Nutzung erstreckt und aufwändig in Pflichtenheften dokumentiert wird. Die Alternative dazu heißt "extreme Programming", eine Methode der agilen Softwareentwicklung. Sie erfordert geringeren bürokratischen Aufwand und kommt mit wenigen Regeln aus.

Welche Jobperspektiven sich IT-Profis eröffnen und welche Skills im Jahr 2010 besonders gefragt sein werden, wird im Hinblick auf die folgenden Querschnittsbereiche deutlich:

1. Business

Sehr gefragt: Enterprise-Architekten, Projekt-Manager, Dienstleistungs-Manager

Große Unternehmen werden durch Fusionen und Übernahmen noch größer. Enterprise-Architekten für Technologie, Sicherheit und Daten werden daher entscheidende Rollen spielen. Die Nachfrage nach Projekt-Managern nimmt zu. "Sie müssen mit den Fachabteilungen reden", präzisiert IBM-Managerin Balzer das Kompetenzprofil, "und deren Anforderungen in die IT übertragen können." Die dritte stark gefragte Gruppe sind Dienstleistungs-Manager. Gartner-Analystin Morello: "Sobald Unternehmen mit Service-Providern kooperieren, müssen sie in Leute investieren, die solche Beziehungen managen können."

2. Infrastruktur und Service

Sehr gefragt: Systemanalysten, Systemdesigner, Netzwerkdesigner, Systemauditoren

Weniger gefragt: Programmierer für Standardaufgaben, Mitarbeiter für Support und Helpdesk

Immer weniger Jobs gibt es laut Gartner auf dem Gebiet der Infrastruktur und des Services. Betroffen sind vor allem Programmierung und Betrieb. Sie werden zunehmend ins billigere Ausland (nearshore/offshore) ausgelagert oder weitgehend automatisiert. Laut Gartner-Analystin Morello zeigt die Erfahrung, dass sich für einfache, gut zu beschreibende Aufgaben schnell Tools finden lassen, die reibungslos funktionieren. Zunehmen dürfte laut Gartner hingegen die Nachfrage nach Systemauditoren. Denn Compliance lasse sich nicht auslagern. Diese Aufgabe werde an Bedeutung gewinnen.

3. Security

Sehr gefragt: IT-Security-Spezialisten und IT-Security-Manager

Laut einer jüngeren IDC-Studie beschäftigen Unternehmen weltweit etwa 1,4 Millionen Fachkräfte für IT-Security. Bis zum Jahr 2010 soll diese Gruppe auf rund zwei Millionen. Mitarbeiter anwachsen. Nach Einschätzung von Insidern sind vor allem Spezialisten gefragt, die Sicherheitskonzepte entwickeln und einführen können.

Konkret gefragt sei "plattformübergreifendes Know-how in der Virtualisierung", beobachtet Helmut Büsker, Produkt-Manager der Avira GmbH in München. Ferner müssten Security-Spezialisten das Schnittstellen-Management von Datensicherheit und Datenspeicherung beherrschen. Unverzichtbar blieben auch alle gängigen Programmiersprachen, "was auch ältere Sprachen wie C oder Assembler einschließt", so Büsker.

Andere Akzente setzt Gunnar Jacobson, Geschäftsführer der Secardeo GmbH in München. Zulegen werde die Nachfrage nach Beratern, Systemarchitekten und Entwicklern, die sich mit Identity- und Access-Management (IAM) sowie zertifikatbasierten Authentisierungs- und Verschlüsselungsverfahren auskennen. Einen weiteren Treiber sieht Jacobson in der E-Card-Strategie der Bundesregierung, für deren Umsetzung Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich Smartcards und digitale Signaturen benötigt würden. "Auch Know-how in Biometrie wird künftig eine größere Rolle spielen."

4. Storage

Sehr gefragt: SAN-Administrator, Information Manager

Wie Marktbeobachter in den USA konstatieren, tun sich Unternehmen schwer, Administratoren zu finden, die moderne Speichernetzwerke (SAN) verwalten können. Storage-Profis sind gefragt, die Gehälter entwickeln sich überdurchschnittlich. IDC zufolge wird das weltweite Datenaufkommen von 161 Exabyte bis 2010 auf 988 Exabyte zunehmen. Rund 85 Prozent davon werden in der Verantwortung von Organisationen und Unternehmen liegen. Laut Ute Ebers, Sprecherin der EMC Deutschland GmbH in Neuss, müssen Unternehmen ihre geschäftskritischen Daten "intelligent in ihrem Lebenszyklus verwalten".

Für Ebers wird sich deshalb der eher im Rechenzentrum ansässige Speicheradministrator bis 2010 zu einem Information Manager entwickeln, "der den Wert der Informationen im geschäftlichen Kontext kennt und kosteneffizient für deren Verfügbarkeit und Sicherheit sorgt". Ähnlich beurteilt Roland Trauner, Mainframe-Produkt-Manager bei IBM in Stuttgart, den Qualifikationstrend. Speicherexperten sollten Datenformate konsolidieren und für Datenintegrität sorgen können. "Spezialisten müssen elektronisch vorgebildet sein und sich gut mit Infrastrukturen auskennen." Ein anwendungsspezifischer Hintergrund sei von Vorteil: "Man muss wissen, wie zum Beispiel in SAP-Anwendungen Daten zu verwalten sind. Deshalb werden auch einstige SAP-Berater künftig für Storage verantwortlich sein."

5. Softwareentwicklung

Sehr gefragt: Entwickler mit Kenntnissen in dynamischen Sprachen

Weniger gefragt: Legacy Skills

Markus Völter, www.se-radio.net: 'Große Teile des Codes, den wir heute von Hand schreiben, werden in wenigen Jahren automatisch generiert.'

Weil die Zeitspanne bis zur Marktreife von Software immer kürzer wird, empfiehlt Softwareingenieur Völter karriereorientierten Entwicklern, sich früh mit agilen Methoden zu befassen. Marktbeobachter erwarten, dass Rapid Development sowie Extreme Programming 2010 zu den am besten bezahlten Skills zählen werden. Während dynamische Sprachen wie Ruby on Rails laut Völter einen größeren Stellenwert einnehmen dürften, würden domänenspezifische Sprachen sowie die modellgetriebene Entwicklung zum Mainstream. "Große Teile des Codes, den wir heute von Hand schreiben, werden in wenigen Jahren automatisch generiert werden", ist sich Völter sicher.

6. Business Intelligence (BI)

Sehr gefragt: BI-Berater Mittelstand, BI-Architekten, Spezialisten für Analytics/Forecasting, Experten für Data Mining

Um geschäftsrelevante Entscheidungen treffen zu können, brauchen Manager unterschiedlicher Hierarchieebenen schnell die aktuellen und relevanten Daten. Bereits seit geraumer Zeit zählen IT-Experten für Business Intelligence zu den Jobgewinnern. "Das heutige Problem, gute Leute zu bekommen, wird sich mittelfristig noch verschärfen", erwartet etwa Thomas Veit, Chef der b-imtec GmbH in Hüfing, die Firmen bei der Umsetzung von BI-Strategien berät.

Wie der Experte beobachtet, leisten sich inzwischen auch Mittelständler BI-Lösungen. "Jetzt wollen sie den angesammelten Datenschatz genauer unter die Lupe nehmen, um schneller am Markt agieren zu können." Während in kleineren Betrieben das Reporting im Mittelpunkt steht, geht es Konzernen mehr um strategische Planung. Nach Angaben von Norbert Seibel, Leiter Training bei der SAS Deutschland GmbH in Heidelberg, richten sich Großunternehmen auf absehbare Zeit eigene BI-Kompetenzzentren ein. Spezialisten müssten weit mehr als nur technologisches Wissen mitbringen: "Gefragt sind neben Know-how für den Aufbau einer BI-Architektur auch strategisches Denken sowie Business-Kompetenz", erwartet Seibel. Der BI-Spezialist werde sich "immer stärker in Richtung strategische Management-Beratung" entwickeln. (Siehe auch: "Vom Tekki zum Mekki".)

Wenn es gilt, zukunftsorientierte Entscheidungen zu unterstützen, dürfte laut Seibel besonders das Thema Analytics/Forecasting an Bedeutung zulegen. Der BI-Spezialist müsse die Perspektive wechseln von den Prozessen hin zur Sichtweise eines Vertriebsmitarbeiters, Controllers oder Geschäftsführers. "Wie steuere ich ein Unternehmen, welche Kennzahlen sind notwendig, und wozu werden sie genutzt?", präzisiert Veit das Skill-Profil. "Für Informatiker ist das völlig neu." (hk)