Fujitsu Siemens Computers

Was wird aus FSC?

16.07.2008 von Jan-Bernd Meyer
Siemens plant nach Medienberichten, das Joint Venture mit Fujitsu nicht zu verlängern. Damit steht die Zukunft von Fujitsu-Siemens Computers (FSC) und dessen Mitarbeitern in den Sternen.

FSC lehnt derzeit jegliche Aussage zum Thema ab. Es sei noch zu früh, über Spekulationen zu reden. Im Übrigen sei es eine Angelegenheit der Aktionäre - also von Siemens und Fujitsu -, sich zum Thema zu äußern, sagte Melanie Wolf, Senior PR-Manager bei FSC.

Nach den vorliegenden Informationen sind Vertreter des Münchner Konzerns bereits zu einem Treffen über die Zukunft des Gemeinschaftsunternehmens mit Fujitsu nach Japan gereist, berichteten verschiedene Medien unter Berufung auf Konzernkreise. Danach muss sich Siemens bis zum Herbst 2008 entscheiden, ob es seine 50-prozentige Beteiligung am Joint Venture ab Herbst 2009 für fünf weitere Jahre aufrechterhalten will. (siehe auch Kommentar)

Einige Zeichen deuten auf einen Verkauf hin. Konzernchef Peter Löscher hatte sich zu seinem Amtsantritt unzufrieden mit der Halbtochter gezeigt. Den Kontakt zu deren Management mied er bislang.

Kein zweites BenQ

Peter Löscher, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, scheint laut darüber nachzudenken, den bayerischen Konzern komplett aus dem Computergeschäft zurückzuziehen.

Andreas Zilch von der Experton Group glaubt indes nicht, dass sich Siemens aus dem Joint Venture zurückziehen wird. Dies habe zum einen politische Gründe: Siemens könne sich kein zweites BenQ leisten. Zum anderen "gibt es keinen Käufer". Joint-Venture-Partner Fujitsu hat nach den vorliegenden Informationen schon abgewunken. Dies bestreitet FSC-Sprecherin Wolf allerdings. Sie betont, dass in den Pressebereichten lediglich Gerüchte kolportiert würden. Es gebe keine offizielle Aussage hierzu von Seiten Fujitsus.

Zilch sieht auch für "andere Hardwaregrößen" keinen Grund, als Joint-Venture-Partner von Fujitsu einzuspringen und dort die Rolle von Siemens zu übernehmen. Bei IBM und HP gibt es hierzu keine Aussagen: Zu Gerüchten nehme man grundsätzlich keine Stellung. Allerdings muss man sich fragen, wie viel Sinn es für Konzerne wie HP oder IBM, Dell oder Lenovo geben könnte, den Siemens-Anteil am Joint Venture von 50 Prozent zu kaufen. Insbesondere die beiden Branchengrößen HP und IBM sind nicht bekannt dafür, Konkurrenten mit regionalem Geschäftsfokus zu übernehmen. Mit dem Einstieg in das Joint Venture würde ein Hersteller zwar seine Position in Deutschland sowohl bei Servern als auch bei PCs stärken. Dies gilt in abgeschwächter Weise auch für Europa. Der asiatische wie der US-amerikanische Markt hingegen ist für FSC tabu, er wird allein von Fujitsu beliefert.

Zudem würde ein Unternehmen mit dem Einstieg in das Joint Venture auch die Probleme von FSC im PC-Segment schultern müssen. So war etwa der Marktanteil von FSC für PCs von 2005 bis 2007 um 8,2 Prozent gesunken. Dieser Sinkflug ist nicht nur mit dem Preisverfall im Marktsegment begründet - der im Übrigen alle Hersteller trifft -, sondern insbesondere mit einer starken Konkurrenz im indirekten Vertrieb. Hier trumpft insbesondere HP auf. FSC-Chef Bernd Bischoff musste gerade erst verkünden, dass alleine bei Notebooks für Endverbraucher die Durchschnittserlöse im laufenden Jahr um rund 20 Prozent fallen dürften - ein Aderlass, der durch gute Zahlen im Großrechner- und Storage-Geschäft kaum ausgeglichen werden kann.

Starke Abhängigkeit von Behörden

Im deutschen Markt kommt hinzu, dass FSC hier seine starke Position in erster Linie dem Behördengeschäft verdankt. "Wenn es in diesem Kundensegment ein schwaches Quartal gibt, knallt gleich der gesamte FSC-Umsatz runter", kommentierte IDC-Analyst Thomas Meyer. Ob aber ein Unternehmen, das seine Wurzeln nicht in Deutschland hat, wie etwa HP oder IBM, ähnlich enge Bindungen zum Behördenapparat aufbauen beziehungsweise in diese hineinwachsen könnte, ist die Frage.

Zudem würde ein potenzieller Käufer mit der Verpflichtung zur kontinuierlichen Produktentwicklung und - wartung bei den FSC-Kunden ein schweres Erbe übernehmen. Für IBM beispielsweise dürfte es sich nicht lohnen, den einzigen am Markt verbliebenen Konkurrenten für Großrechner zu übernehmen. FSC erwirtschaftet mit seinen BS 2000-Systemen in einem Jahr so viel Umsatz wie IBM in drei Monaten. Für diesen vergleichsweise geringen Einnahmenszuwachs würde IBM aber die jahrelange Verpflichtung übernehmen, BS 2000-Kunden zu hegen und zu pflegen. Ein Eintritt in das Joint Venture wäre für Big Blue also kaum lohnend.

Geht die Leichenfledderei schon los?

Thomas Meyer von IDC fragt sich, wie viel Sinn es ergeben könnte, dass eine IBM oder HP den Siemens-Anteil kaufen würde. Seine Antwort: keinen.

Diese Überlegungen gelten auch für Hewlett-Packard. Zudem hat der größte Computerkonzern der Welt momentan mit der Übernahme von EDS genug Integrationsaufgaben zu lösen. Dass HP eine weitere gigantische Baustelle eröffnen würde, scheint nicht wahrscheinlich.

HP hat aber offensichtlich bereits erkannt, dass die FSC-Bastion wanken könnte. Seit neuestem bietet das Unternehmen ein Trade-in-Programm für Nutzer von FSCs "Primepower"-Server an, den Unix-Servern des bayrisch-japanischen Konzerns. Wer auf HPs "Integrity"-Plattform wechselt, dem offeriert das amerikanische Unternehmen ein Komplettangebot inklusive Migration, Schulung, Hardware-Austausch und Rückkauf der Altsysteme. Die Aktion begann zum 1. Juli 2008 und läuft bis Ende des Jahres.

Experton-Mann Zilch sagte, es sei seit längerem bekannt, dass weder Fujitsu noch Siemens mit dem Zustand des Joint Ventures besonders glücklich seien. Es gebe nur zwei FSC-Bereiche, die gut liefen: zum einen das BS2000-Geschäft, also die Mainframe-Division, zum anderen die Storage-Abteilung. "Alle anderen Bereiche stehen sehr schwach da." Zilchs Fazit: "Alle wissen, dass FSC intern noch viele Hausaufgaben zu erledigen hat."

Siemens-Chef Löscher steckt nun in einer Zwickmühle. Die FSC-Geschäfte laufen nicht so, wie sich die Oberen im Stammhaus das vorstellen, ein Verkauf des 50-Prozent-Anteils von Siemens an einen Dritten erscheint aber ebenfalls nicht realistisch. Was also tun mit dem ungeliebten Kind?

Keine Liebesbeziehung zwischen Löscher und Bischoff

Löschers Liebe zu den Computerbauern dürfte durch die von FSC-Chef Bischoff gerade erst abgegebene gedämpfte Erwartung an das Geschäftsjahr nicht größer geworden sein. Es werde im laufenden Jahr sehr schwierig, die Ziele zu erreichen, hatte Bischoff der Wirtschaftszeitung "Euro am Sonntag" offenbart. Das zum 30. Juni 2008 abgelaufene Quartal sei nicht gut gelaufen. Auch das aktuelle Vierteljahr verspreche keine Besserung.

Im April hatte FSC für das laufende Geschäftsjahr (bis Ende März 2009) noch ein Umsatzplus von fünf Prozent auf knapp sieben Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Das Vorsteuerergebnis sollte nach damaligen Angaben zwischen 105 und 200 Millionen Euro liegen. Zur Begründung für den schwierigen Geschäftsverlauf verwies Bischoff auf die Dollarschwäche und den scharfen Preisverfall. Vor allem im weltweit boomenden Notebook-Geschäft mit Endverbrauchern hat FSC derzeit Probleme. Lediglich im Geschäft mit Infrastruktur um Server und Speichersysteme für Unternehmenskunden werde ein Plus von fünf Prozent erwartet. Allerdings werde diese Entwicklung das Minus im Endkundenmarkt nicht ganz ausgleichen können, wurde Bischoff zitiert.

IDC-Analyst Meyer sagt, die Verunsicherung über die Zukunft von FSC sei groß. Dies liege auch daran, dass es in letzter Zeit vielfältige und oftmals widersprüchliche Neuigkeiten und Vermutungen gegeben habe. Diese hätten Geschäftskunden verunsichert, weil sie sich fragten, mit wem sie es bei FSC in den kommenden 15 Monaten zu tun haben würden. Meyers Fazit: "Ich erwarte innerhalb der nächsten Zeit klare Aussagen von FSC. Die müssen sich auch mit den Aussagen des Mutterunternehmens Siemens decken." (jm/wh)

Kommentar: Gibt es eine Zukunft für Fujitsu-Siemens Computers?

Kommentar Alexander Kubsch, Director Consulting bei Techconsult in Kassel.

Hat Siemens generell ein Problem mit seiner Wettbewerbsfähigkeit? Aus fast allen Produktsparten (Handygeschäft weggebrochen, Transrapid ein Desaster, Schmiergeldskandal im Anlagenbau, Dematic-Geschäft aufgegeben…) kommen in letzter Zeit schlechte Nachrichten. FSC ist da nur eine unter vielen.

Die Forderung von Siemens-Chef Löscher nach einer höheren Kapitalverzinsung von FSC ist nachvollziehbar. Allerdings schreibt FSC Gewinne - immerhin über 100 Millionen im vergangenen Geschäftsjahr. Wahrscheinlich ist Siemens nicht der ideale Partner für die Hardwareherstellung und -entwicklung, Siemens' Kernkompetenz liegt offenbar mehr im langfristigen Geschäft und in Großprojekten. Das hat sich schon bei der Handy-Herstellung gezeigt. Das scheint sich jetzt zu wiederholen. Man kann für die über 10.000 FSC-Beschäftigten nur hoffen, dass Siemens einen eventuellen Ausstieg aus dem Hardwaregeschäft besser organisiert als vor zwei Jahren mit BenQ.

Wer soll den 50-prozentigen Siemens-Anteil übernehmen? Höchstwahrscheinlich findet sich kein Interessent. Die Kombination aus Fujitsu für das Nordamerika- und Asien-Geschäft sowie Siemens für den geografischen bereich Europa, naher Osten und Afrika (Emea) war und ist einzigartig. Also bleibt nur eine Fortführung des Geschäfts unter dem Dach eines der beiden Partner - oder aber ein kompletter Verkauf von FSC.

Für die erste Option hat Fujitsu bereits abgewunken - das Risiko wäre zu groß. Das kann natürlich der Beginn der Übernahmeverhandlungen sein, um den Preis des Siemens-Anteils zu drücken. Aus der Sicht von Fujitsu kann diese Option sinnvoll sein - man hätte damit Zugang zum europäischen Markt.

Eine andere Möglichkeit für Siemens wäre es, den Fujitsu-Anteil zu übernehmen und das Unternehmen fit für einen Börsengang oder einen Komplett-Verkauf (siehe oben) zu machen. Nach Einschätzung von Techconsult ist diese Option aber die unwahrscheinlichste. Der Schritt ist für Siemens zu riskant. Außerdem fehlt Siemens für diese Art Geschäft die (weltweite) Erfahrung.

Aber es gibt noch eine dritte Möglichkeit - die scheint aus heutiger Sicht wahrscheinlichste: Es bleibt alles beim Alten. Siemens-Chef Löscher nutzt das derzeit stattfindende Gedankenspiel, um den Druck auf FSC-Chef Bischoff und seine Marge deutlich zu erhöhen. Das FSC-Geschäftsjahr endet am 31. März 2009 - bis dahin ist noch etwas Zeit, um über Herbst und Winter am Ergebnis zu arbeiten. Eine endgültige Entscheidung über die Trennung wird erst im September 2009 fallen, wenn die Verträge mit Fujitsu verlängert werden müssen - ein positiver FSC-Jahresabschluss im März dürfte die Verkaufsüberlegungen beenden.