Eine Branche mit 7 Siegeln

Was ich an der IT nicht verstehe

05.11.2010 von Simon Hülsbömer
Es gibt so einige Dinge in der Branche, die keinen Sinn ergeben. Warum liest Google Chrome beispielsweise RSS-Feeds nicht korrekt aus oder ist iTunes für Windows so mies?
Manches in der IT-Branche ist einfach nur ein riesengroßes Fragezeichen.
Foto: pixelio.de / Gerd Altmann

Wir leben in einer Zeit der Erfindungen und wissenschaftlichen Entdeckungen. Einige Erfindungen lassen sich mit der Wissenschaft allein jedoch nicht erklären. Autor Mike Elgan von unserer US-Mutterpublikation Computerworld hat sich dazu seine Gedanken gemacht und sieben mysteriöse Rätsel aufgetan, die einiges Verständnis in die Infrormationstechnologie verschwinden lassen. Ein Hinweis: Der folgende Text ist sehr subjektiv gefärbt und gibt nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder.

Warum rutscht das Apple iPad so leicht aus der Hand?

Das iPad ist eine geniale Kombination aus Usability, Design und Technologie. Die Hardware ist geschmeidig und elegant. Die Benutzeroberfläche ist die beste, die je entwickelt worden ist. Es scheint so, dass jedes mögliche Einsatzszenario im Vorfeld in Betracht gezogen wurde - bis auf eines: das Festhalten des Geräts in der Hand. Die glatte Rückseite des iPad, die abgerundeten Ecken und die vollverglaste Front sorgen dafür, dass sich das Tablet in Händen anfühlt wie ein Stück Seife. Alle guten Ideen helfen nichts, wenn so etwas Grundsätzliches wie die Haptik außer Acht gelassen wird. Wie wäre es mit einer rauen Rückseite für einen besseren Halt? Dann ist auch der hohe Preis gerechter.

Warum kürzt Twitter URLs nicht automatisch?

Wie jeder weiß, begrenzt Twitter Nachrichten auf 140 Zeichen - deshalb heißt es Mikroblogging. Schätzungsweise 15 bis 25 Prozent aller Twitter-Botschaften beinhalten Links. Weil die meisten der Links aber viel zu lang für eine Botschaft mit 140 Zeichen sind, kommen URL-Verkürzungsdienste wie TinyURL, Bit.ly oder Goo.gl zum Einsatz.

spedr.com
Spedr gibt es auch als Firefox-Erweiterung.<br /><br /><a href="http://spedr.com/" target="_blank">spedr.com</a>
thinfi.com
Verkürzt ohne Extras.<br /><br /><a href="http://thinfi.com/" target="_blank">thinfi.com</a>
bit.ly
Der wohl bekannteste Adressverkürzer, sehr beliebt im Twitter-Raum. Mit Kundenkonto sind auch eigene Kurz-Adressen möglich.<br /><br /><a href="http://bit.ly/" target="_blank">bit.ly</a>
firsturl.de
Hier lässt sich die Wartezeit eines Besucher bis zur Weiterleitung auf die Zieladresse gleich mit angeben.<br /><br /><a href="http://firsturl.de/" target="_blank">firsturl.de</a>
goo.gl
Googles Verkürzungsdienst funktioniert nur innerhalb der Google-Angebote.<br /><br /><a href="http://goo.gl/" target="_blank">goo.gl</a>
linkpin.de
Pinnt Ihren Link fest - inklusive Auswahl, wie lange er gültig sein soll - ein Tag, eine Woche, ein halbes Jahr, ein Jahr, zwei Jahre oder gleich für immer?<br /><br /><a href="http://linkpin.de/" target="_blank">linkpin.de</a>
one-link.de
Verkürzer ohne Schnickschnack<br /><br /><a href="http://one-link.de/" target="_blank">one-link.de</a>
snurl.com
Schnippschnapp - mit Konto können Sie Ihre Kurz-Adressen sogar verwalten.<br /><br /><a href="http://snurl.com/" target="_blank">snurl.com</a>
tinyurl.com
Der Klassiker - inklusive Custom-URL-Angebot für Leute, die Ihre Kurz-URL auf sprechendere Adressen umleiten möchten.<br /><br /><a href="http://tinyurl.com/" target="_blank">tinyurl.com</a>
twiturl.de
Einfach, praktisch, gut.<br /><br /><a href="http://twiturl.de/" target="_blank">twiturl.de</a>
urlpass.com
Verkürzt einfach nur, mehr nicht.<br /><br /><a href="http://urlpass.com/" target="_blank">urlpass.com</a>
url-zip.com
Adressen einpacken und auf Wunsch auch wieder auspacken.<br /><br /><a href="http://url-zip.com/" target="_blank">url-zip.com</a>
zz.gd
Ein Vorteil ist die kurze Adresse des Dienstes, damit werden die URLs noch einmal um ein Zeichen kürzer.<br /><br /><a href="http://zz.gd/" target="_blank">zz.gd</a>
xlurl.de
Captcha-Prüfung, Custom-URL, Zeitstempel oder Privat-Link gefällig? Here you are!<br /><br /><a href="http://xlurl.de/" target="_blank">xlurl.de</a>

Dabei sollte es diese Services gar nicht geben müssen. Wer einen Link twittern möchte, benötigt so immer noch einen Zwischenschritt vorher - dabei überzeugt Twitter ansonsten besonders durch seine Einfachheit und Geschwindigkeit.

Als zweites Problem besteht immer das Risiko, dass einer der URL-Verkürzungs-Dienstleister vom Markt verschwindet und damit auch alle erzeugten Links nicht mehr funktionieren. Ein Beispiel: Um Web-Adressen so kurz wie möglich zu bekommen, benutzen die Services die Country Code Top-Level Domains (ccTLD) bestimmter Länder. Bit.ly und vb.ly zum Beispiel nutzen die ccTLD ly - die gehört Lybien und wird wie in allen Ländern von der Staatsregierung kontrolliert. So hat der lybische Diktator Moammar Qaddafi den URL-Shortener vb.ly attackieren lassen, weil dieser Dienst explizit Kurzlinks zu Erwachseneninhalten anbot.

Twitter weiß doch, dass externe Dienstleister benötigt werden, um URLs zu verkürzen. Warum bietet Twitter so einen Service nicht selbst an, wenn der ganze Mechanismus problemlos funktioniert?

Warum kann Google Chrome kein RSS lesen?

Der unbesiegbare Browser-Marktführer von einst, der Microsoft Internet Explorer, hat auf der ganzen Welt massiv Marktanteile verloren. Mozilla hat ihm mit Firefox einiges abgenommen, befindet sich nun jedoch auch bereits wieder auf dem Abwärtstrend. Lediglich Google Chrome gewinnt noch hinzu, hat sich schon in die Browser-Top-3 aufgeschwungen. Die Performance von Chrome besticht, ein wichtiges Feature fehlt jedoch: Warum kann er keine RSS-Feeds lesen? Ab und zu (auch einmal häufiger) sind Web-Seiten voll von Werbeanzeigen und anderen überflüssigen Elementen. In diesem Fall ist es bequemer, sich die Inhalte per Feed zu holen, was im IE und in Firefox auch bestens klappt - nur Chrome zeigt einen unleserlichen XML-Code an. Google hat sich offenen Standards und der täglichen Innovation verschrieben. Warum bringt es das Unternehmen dann aber nicht zustande, ein Basisfeature wie das Darstellen von XML-Seiten zu integrieren? Dieses Ärgernis besteht übrigens auch beim Google Reader. Ist das Absicht?

Warum ist iTunes für Windows das genaue Gegenteil jedes anderen Apple-Produkts?

Mark Parker, CEO des Sportartikelherstellers Nike, erzählte mir neulich von einem Telefonanruf von Apple-Chef Steve Jobs, den Parker um Rat gefragt hatte. Jobs sagte demnach zu Parker: "Nike stellt einige der besten Produkte der Welt her - schöne, beeindruckende Produkte. Sie stellen aber auch eine Menge blöden Mist her. Schmeißt einfach den Mist aus eurem Angebot und konzentriert euch auf den guten Rest."

Wenn Apple selbst dieser Aussage folgen würde, dürfte iTunes für Windows gar nicht existieren. Die Performance der Software ist merkwürdig schlecht: Zwischen einem Klick und einer Reaktion seitens des Systems vergehen Sekunden. Die Bedienoberfläche ist hässlich, die Schrift ist zu klein. Uploads von iPhone-Apps aufs iPad haben zur Folge, dass das System schnell vergisst, in welchem Ordner es sie abgelegt hat. Der Transfer von Podcasts auf das iPhone versagt gleich komplett. Die Listenansicht von Podcasts ist unübersichtlich, häufig gehörte Stücke werden mir alsbald als "selten gehörte" ausgezeichnet. Quintessenz: iTunes für Windows taugt nichts. Sollen wir uns nun alle einen Mac kaufen?

Wo sind sie denn nun, die persönlichen Sonderprojekte der Google-Mitarbeiter?

Google-Mitarbeiter sind dazu angehalten, 20 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Projekten zu verbringen, die sie persönlich interessieren - unabhängig von ihrer Stellenbeschreibung. Auf diese Weise sind Googlemail und viele andere Google-Labs-Projekte entstanden - darunter der Social-Networking-Service Orkut, der zwar ein großes Ding in Brasilien ist, darüber hinaus aber nicht so richtig in die Startlöcher gekommen ist.

Dennoch ist die Zahl dieser Projekte sehr übersichtlich. Warum gibt es nicht mehr?

Selbst wenn ein Google-Mitarbeiter (anders als die Mehrheit der US-Bevölkerung) nur fünf Tage die Woche arbeitet, hat er rund 50 Tage im Jahr für persönliche Sonderprojekte übrig. Bei 20.000 Mitarbeitern ergibt das bereits eine Million Arbeitstage im Jahr nur für Sonderprojekte. Diese Menge an Arbeitszeit allein würde für 4000 Vollzeitjobs reichen - mehr als das Doppelte von dem, was Facebook, Craigslist, Twitter, Digg, Wikipedia und Foursquare zusammen anbieten!

Wo sind denn nun die Tausenden von Projekten, die mit dieser Manpower möglich wären?

Zehn coole Google-Labs-Experimente
In den Entwicklungslabors des Internet-Riesen entstehen immer wieder spannende neue Ideen. Hier kommen die zehn besten.
Sky Map for Android
Funktion: Verwandelt Ihr Android-Handy in ein "All-wissendes" Informationsgerät.<br /><br /> Vorteile: Klärt des Nachts über alle Sternbilder auf und verrät auch alles über die Hemisphäre auf der jeweils anderen Halbkugel der Erde.<br /><br /> <a href="http://www.android.com/market/free.html#app=skymap" target="_blank">Zu Sky Map for Android</a>
Google Fusion Tables
Funktion: Verwaltet und visualisiert große Datenmengen in der Cloud.<br /><br /> Vorteile: Bereits die mitgelieferten Templates reichen von der Darstellung von Daten aus den Bereichen Klima, Gesundheit oder Länderflaggen. Alle Infografiken und Karten können als Website exportiert werden. Kollaboratives Bearbeiten innerhalb der normalen Google-Frontends ist ebenso möglich wie das Hinzufügen von Filtern und das Zusammenfügen von Datensätzen aus verschiedenen Tabellen.<br /><br /> <a href="http://tables.googlelabs.com/ target="_blank">Zu Google Fusion Tables</a>
Chrome Experiments
Funktion: Präsentiert die verrücktesten Chrome-Entwicklungen von JavaScript-begeisterten Programmierern weltweit.<br /><br /> Vorteile: Chrome Experiments ist ein interaktives Wissenschafts-Museum für Erwachsene. Spielen Sie Browser Ball oder Browser Pong, schlagen Sie sich mit fremdartigen Wesen herum oder lehnen Sie sich zurück und bewundern die überraschend andere Scroll-Uhr... <br /><br /> <a href="http://www.chromeexperiments.com/" target="_blank">Zu Chrome Experiments</a>
Google Audio Indexing
Funktion: Benutzt Spracherkennung, um bestimmte Stellen in Videos aufzuspüren.<br /><br /> Vorteile: Das Durchsuchen von Bildern und Videos nach bestimmten Informationen hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Das Tool ist zwar noch weit vom Ideal entfernt, es wird die Möglichkeiten, Videos zu indizieren und mit ihnen zu interagieren, aber bald revolutionieren.<br /><br /> <a href="http://labs.google.com/gaudi" target="_blank">Zu Google Audio Indexing</a>
Google Code Search
Funktion: Durchsucht öffentlich zugängliche Quelltexte.<br /><br /> Vorteile: Als Entwickler müssen Sie das Rad ja nicht immer neu erfinden, wenn andere bestimmte Features schon programmiert haben...<br /><br /> <a href="http://google.com/codesearch" target="_blank">Zu Google Code Search</a>
Google Goggles
Funktion: Fotografieren Sie etwas mit Ihrem Handy und lassen Sie gleich danach suchen.<br /><br /> Vorteile: Shazam sagt Ihnen, welchen Song Sie gerade hören, wenn Sie die Audioquelle ins Mikro halten. Google Goggles sagt Ihnen, was Sie da gerade geknipst haben. Ein Beispiel: Über ein Foto der Golden Gate Bridge in San Francisco haben Sie sofortigen Zugang zum Wetterbericht für Kalifornien und den Websites von angrenzenden Lokalen - ohne, dass Sie selbst überhaupt wissen müssen, was genau auf dem Foto zu sehen war.<br /><br /> <a href="http://www.google.com/mobile/goggles" target="_blank">Zu Google Goggles</a>
Android Scripting Environment
Funktion: Bearbeiten und Ausführen von Skripten direkt vom Android-Gerät aus.<br /><br /> Voteile: Coden, wo immer es geht.<br /><br /> <a href="http://code.google.com/p/android-scripting/" target="_blank">Zu Android Scripting Environment</a>
Google Moderator
Funktion: Schwarmintelligenz ganz praktisch. Mit Schneeballeffekt Fragen beantworten und Kommentare streuen.<br /><br /> Vorteile: Jeder möchte gehört werden. Mit Google Moderator lassen sich große Menschengruppen in Debatten einbeziehen, ohne dass Chaos entsteht.<br /><br /> <a href="http://moderator.appspot.com/" target="_blank">Zu Google Moderator</a>
Browser Size
Funktion: Legt ein Overlay über jede Website und zeigt an, wieviel Prozent der Online-Anwender sich einen bestimmten Seitenbereich theoretisch anschauen kann.<br /><br /> Vorteile: Weil das Tool auf Basis des sichtbaren Browserbereichs arbeitet und nicht auf die Bildschirmauflösung achtet, zeigt es Entwicklern und Designern akkurat auf, welche wichtigen Seitenelemente richtig platziert sind und welche besser woanders hingehören sollten. <br /><br /> <a href="http://browsersize.googlelabs.com/ target="_blank">Zu Browser Size</a>
Google Mars
Funktion: Google Earth, nur für den Mars.<br /><br /> Vorteile: Der Mars ist cool. Google Mars ist schön. Wenn es Leben auf dem roten Planeten geben würde, könnten wir mit diesem Tool die Dächer der Marshäuser sehen. Erstaunlich, dass Google bereits Sehenswürdigkeiten auf unseren Nachbarplaneten markiert hat.<br /><br /> <a href="http://www.google.com/mars/" target="_blank">Zu Google Mars</a>

Warum lässt sich Facebook nicht als Adressbuch nutzen?

Ein Adressbuch respektive eine Kontaktdatenbank ist nichts weiter als eine Liste aller Menschen, die ich kenne - mit Informationen darüber, wie ich sie kontaktieren kann. Es ist also ein soziales Netzwerk, oder zumindest eine Liste aller Menschen innerhalb eines sozialen Netzwerks.

Facebook ist der mit Abstand größte Anbieter von Social-Network-Diensten. Warum stellt es mir kein Adressbuch-Feature zur Verfügung? Es gibt lediglich ein Telefonbuch-Feature: Phonebook (nur für angemeldete Facebook-Anwender). Wo bleibt die Liste für die Postadresse, E-Mail-Adresse und anderen Kontaktdaten, zusammen mit der Auswahlmöglichkeit, welche meiner Kontakte diese Kontakte einsehen dürfen? Dann wäre es schnell die Standard-Datenbank für alle Facebook-Jünger (denen ihre eigene Privatsphäre und die ihrer Kontakte ziemlich egal ist, Anm. d. Red.), und würde andere mobile oder stationäre Adressbücher wie Microsoft Outlook ablösen - zumal die Listen immer aktuell blieben, weil jeder Kontakt seine Daten selbst ändern könnte. Kaum vorstellbar, dass Facebook da noch nicht selbst draufgekommen ist…

Warum lässt sich die Google Maps iPhone-App nicht im Straßenverkehr einsetzen?

Wer die Google Maps iPhone-App als preisgünstigen Routenplaner mit Live-Ansagen als Navigationssystem im Auto nutzen will, hat Pech gehabt. Richtungswechsel werden nicht über Sprachausgabe ausgegeben, sondern müssen am Bildschirm abgelesen werden. Diese Infos sind darüber hinaus in unverschämt kleiner Schrift dargestellt - in weiß auf einem hellblauen Hintergrund. Weil dahinter auch noch eine transparente Karte liegt, kann es in hellem Sonnenlicht vorkommen, das auf dem Display überhaupt nichts mehr zu erkennen ist und man zur Entzifferung lieber schnell rechts heranfährt, anstatt die anderen Verkehrsteilnehmer in Gefahr zu bringen.

Liebe Maps-Macher von Google: Entweder ich sorge dafür, dass ich solche Features in der gängigen Praxis einsetzen kann oder ich entwickle sie erst gar nicht.

Wenn es Dinge im IT-Bereich gibt, die Sie partout nicht verstehen oder von denen Sie denken, dass sie endlich einmal ausgesprochen werden sollten: Schreiben Sie eine E-Mail an shuelsboemer@computerwoche.de oder einen Kommentar in unser Forum!

Autor Mike Elgan schreibt über Technologie und Technikkultur. Seine Website finden Sie unter www.elgan.com, seinen kostenlosen Newsletter unter www.mikeslist.com. (sh)