Historische Chance für den CIO

Was CEOs von ihren IT-Chefs wollen

21.01.2015 von Karin Quack
Daten-getriebenes Business ist ein Schlagwort, das Vorstandstüren öffnet. Diese Chance dürfen CIOs nicht auslassen. Übernehmen Sie die Initiative; dafür entschuldigen können Sie sich immer noch, rät Gartner-Vice-President und IT-Management-Experte Mark Raskino den IT-Verantwortlichen.

Für mehr als 40 Prozent der Unternehmenslenker zählen IT-bezogene Themen zu den fünf wichtigsten Business-Anforderungen innerhalb der kommenden zwei Jahre. Damit rangiert die Informationstechnik auf der Prioritätenliste sogar noch vor Kosten-Management und Profitmaximierung. Wichtiger ist den CEOs allenfalls das Thema Wachstum. Zu diesem Ergebnis kam das Marktforschungs-und Beratungsunternehmen Gartner in seiner jährlichen CEO-Befragung, an der diesmal 410 Führungskräfte aus dem Senior-Management teilnahmen.

"Ihr CEO ist mit einiger Wahrscheinlich sehr viel stärker an dem interessiert, was Sie tun, als er es vor zehn Jahren war." Mit diesen Worten stellte Gartner-Fellow Mark Raskino die Studie kürzlich vor. Wie die Ergebnisse klar belegten, wollten die meisten CEOs 2015 definitiv mehr für IT ausgeben als im abgelaufenen Jahr. Damit sei die Informationstechnik der Unternehmensbereich mit dem größten Investitionszuwachs - noch vor den "digitalen Fähigkeiten", die Gartner separat abgefragt hatte.

Mark Raskino macht den CIOs Hoffnung.
Foto: Karin Quack

Das bedeute eine historische Chance für den CIO, seine Karriere zu befeuern, so Raskino: "Vermutlich dauert die Aufmerksamkeit der Unternehmensführung nicht ewig an, also nutzen Sie Ihren Vorteil jetzt, oder Sie werden es später bereuen."

Ressourcen auf Wachstumsfelder richten

Was aber kann der CIO konkret tun, um den Ansprüchen der CEOs gerecht zu werden? - Wenn das, was Geschäftsführer und Vorstände am meisten beschäftigt, das geschäftliche Wachstum ist, dann muss der CIO dafür sorgen, dass er die Art von Wachstum unterstützt, die das Unternehmen anstrebt. Raskino: "Schauen Sie auf die angestrebten Wachstumsfelder und wichtigsten IT-Kriterien, konzentrieren Sie Ihre Ressourcen darauf." Anstatt sie mit der Gießkanne zu verteilen oder sie von den Marketiers der IT-Anbietern allokieren zu lassen, wie der Gartner-Analyst später erläutert.

Aber das ist leichter gesagt als getan. Welches Wachstum im speziellen Fall gemeint sei, lasse sich oft nur schwer ermittelt, räumt Raskino ein. Am häufigsten nannte die CEOs neue Standorte (25 Prozent) sowie neue Märkte und mehr Umsatz (je 17 Prozent). Jeweils zehn Prozent streben einen größeren Anteil am schon besetzten Markt beziehungsweise ein "organisches" Wachstum an. Der große Rest von etwa 21 Prozent wollte sich hingegen nicht festlegen.

Da ist es für den CIO schwierig, seine Ressourcen zu fokussieren. Umso mehr, als auch die Ansprüche der Geschäftsleitung an die IT alles andere als konkret sind. Nur jeweils vier bis fünf Prozent der Befragten nannten scharf umrissene IT-Themen wie Cloud, Business Analytics sowie E- oder M-Commerce. 27 Prozent votierten für den breit gefächerten Trend-Komplex "Digital, Sozial, Online". Und mehr als die Hälfte wünschten sich "allgemeine IT-Verbesserungen".

Gartner-Vorhersagen: Wie Technik die Welt verändert
Gartner: Wie Technik die Welt verändert
Auf der diesjährigen Symposium/ITxpo wagte Gartner-Analyst Daryl Plummer zehn Vorhersagen, die er aus den Research-Ergebnissen des gesamten Marktforschungs- und Beratungsunternehmens zusammengetragen hat - einschließlich Handlungsempfehlungen für CIOs und andere Führungskräfte. Klicken Sie sich durch...
Digitalisierung
In vier Jahren wird es nur noch halb so viele Mitarbeiter in den gewohnten Business-Prozessen geben, aber fünfmal so viele Schlüsselaufgaben im digitalen Business. Wie die Gesamtbilanz aussehen wird, sagte Plummer nicht, aber Beschäftigungspolitik war auch nicht sein Thema. Ihm ging es mehr darum, zu vermitteln, dass sich die Technik immens auf die Verbesserung der Lebensqualität auswirken werde: "Wir bewegen uns aus einer Welt, wo sich Menschen verhalten, wie die Computer es wollen, in eine Welt, wo die Computer sich verhalten wie wir." Für die CIOs bedeutete das: Sie müssen neue, nicht-traditionelle IT-Rollen entwickeln und besetzen.
Transformation der Geschäftsmodelle
Spätestens 2017 wird ein "disruptives" digitales Geschäftsmodell den Markt erschüttern, das von einem Computer-Algorithmus entworfen wurde. IT-Verantwortliche sollten jetzt schon beginnen, technisch getriebene Transformationsmöglichkeiten für das Geschäft ihrer Arbeitgeber zu evaluieren.
Alles vollautomatisiert
Im Jahr 2018 werden Smart Machines und industrialisierte Services dafür sorgen, dass die Total Cost of Ownership für den Geschäftsbetrieb um 30 Prozent niedriger liegt als heute. Mit den Vorläufern solcher Maschinen und Services sollten sich vor allem CIOs aus dem Fertigungsbereich schleunigst auseinandersetzen.
Demografischer Wandel
Die weltweite Lebenserwartung wird bis 2020 um ein halbes Jahr ansteigen - dank der massenhaften Verbreitung von drahtlosen Gesundheitsmonitoren, die als Implantate oder Armbänder getragen werden können. Das wirft für die Geschäftsführer eine Reihe von Fragen auf: Wie schlägt sich diese Entwicklung in der Versicherungswirtschaft nieder? Wie lassen sich solche Devices für die Verbesserung der Mitarbeitergesundheit nutzen? Wie kann man das Risiko verringern, dass Gesundheitsdaten oder beispielsweise Herzschrittmacher gehackt werden?
Mobiles Einkaufen
Mobile digitale Einkaufsberater nehmen zu: 2016 werden 2,5 Milliarden Dollar im Online-Shopping mit Hilfe solcher Beratungssoftware ausgeführt. Für Marketing-Leiter heißt das: Sie müssen Techniken entwickeln, mit denen sie die Aufmerksamkeit nicht nur von Menschen, sondern auch von digitalen Assistenten wecken.
Neue Werbeformen
Zumindest in den USA wird schon 2017 die Hälfte des "Digitalen Kommerz" mobil vonstatten gehen. Dabei werden die Mobile-Marketing-Teams versuchen, die "mobilen Brieftaschen" wie Apple Passbook und Google Wallet direkt abzufragen - unterstützt durch das wachsende Interesse der Kunden an mobilen Bezahlsystemen.
Agile Prozesse
Digitalisierung destabilisiert Prozesse, so Plummer. 2016 werden 70 Prozent der erfolgreichen Business-Modelle freiwillig auf instabile Prozesse setzen, die sich schnell an die Kundenbedürfnisse anpassen lassen. Darauf müssen CIOs mit agilen Teams und Entwicklungsmethoden reagieren.
Kunden für Kunden
Eine bessere Kundenerfahrung wird zum A und O des wirtschaftlichen Erfolgs. 2017 wird sich mindestens die Hälfte des Forschungsaufwands für neue Consumer-Produkte mit diesem Thema beschäftigen. Dabei wird die Empfehlung von Kunde zu Kunde, wie sie heute schon über soziale Medien passiert, eine immer größere Rolle spielen.
3D-Druck
In drei Jahren, also 2017, wird jeder fünfte Verkäufer von "soliden" Produkten im Internet 3D-Druck anbieten, um seine Angebote zu individualisieren. Die CIOs müssen sich darauf vorbereiten und ihre Prozesse, Skills sowie Techniken daraufhin überprüfen, ob sie dem gewachsen sind.
Zielgerichtet
Targeted Messaging in Kombination mit Internal-Positioning-Systemen werden 2018 den Händeln dabei helfen, 20 Prozent mehr Kunden in ihre Läden zu ziehen - nach dem Motto: Sie haben sich dieses Produkt jetzt schon sechsmal angeschaut, warum kommen Sie nicht mal rein und probieren es an? Dass dazu fleißig Kundendaten gesammelt werden müssen, versteht sich von selbst. Außerdem müssen die CIOs die Technik und die Prozesse für solche Echtzeitangebote bereitstellen.

Besser nachher entschuldigen als vorher fragen

Angesichts dieser "gemischten Signale" und einer eher risikofreudigen Gesamtstimmung rät Raskino den CIOs zur Eigeninitiative. "Seien Sie inovativer, seien Sie Business-Leader, und handeln Sie nach dem Motto: Entschuldigen kann ich mich später immer noch." Viele CEOs hätten derzeit Angst, Umsatz- und Gewinnchancen zu verpassen, wenn sie nicht in neue Technik investierten. Diese Angst müsse der CIO ihnen nehmen - auf die Gefahr hin, dass er sich vergaloppiere. Das werde ihm leichter verziehen, als wenn er offensichtliche Möglichkeiten durch Zaudern vergeude.

CIOs sollten nicht warten, bis ihr CEO sie mit Dingen "beauftragt" - Eigeninitiative ist gefragt.
Foto: Jakub Jirsak - Fotolia.com

Selbstverständlich würden viele wachstumshemmende Faktoren von außen an das Unternehmen herangetragen, erinnert Raskino. Dazu gehörten der Mangel an geeigneten Mitarbeitern, Regulierung und Steuern, die Marktentwicklung im Allgemeinen sowie Kapitalknappheit, Konkurrenz oder Nachfrageschwäche. Aber die Art und Weise, wie ein Unternehmen mit diesen Herausforderungen umgehe, mache den Unterschied aus.

CEOs differenzieren zu wenig

Das haben die CEOs offenbar erkannt - und Konsequenzen daraus gezogen. Dafür spricht ihre bereits erwähnte Bereitschaft, vermehrt in IT zu investieren. Allerdings legt ihre - wenig differenzierende - Gewichtung der informationstechnischen Möglichkeiten die Vermutung nahe, dass sie sich noch nicht so ganz darüber im Klaren sind, wo eigentlich er Schuh drückt, den die IT weiten soll.

Aus einer Liste von IT-Themen bat Gartner die Top-Executives, jeweils die fünf wichtigsten auszuwählen. Die Teilnehmer entschieden sich für Digitales Marketing (38 Prozent), E-Commerce und Customer-Experience-Management (jeweils 34 Prozent) sowie Business Analytics (32 Prozent) und Cloud-Business (27 Prozent). Aber auch die folgenden sechs Punkte - angefangen von Big Data bis zu erweitertem Business Reporting - wurden noch von 20 Prozent der Befragten angekreuzt.

Erziehen Sie Ihren Chef

Also ist der CIO gefordert. Er muss seinem Geschäftsführer oder Vorstand erläutern, was unter einem digitalen Business zu verstehen ist. "Erziehen Sie Ihren Chef", rät Raskino den IT-Verantwortlichen. Dazu sei es aber notwendig, dass sich der CIO von der alten Prozess-zentrierten Sichtweise löse und eine Daten-zentrierte Perspektive einnehme - auch, indem er einen Chief Data Officer ins Boot holt.

Nur der CIO habe den "Helikopter-Blick" auf das Marathon-Rennen und könne die Nachzügler antreiben, weiß Raskino. Wenn er diese Aufgabe vernachlässige, müsse das letztlich auch der CEO ausbaden. Anders herum könne der CIO entscheidend punkten, wenn er seinem Vorstand oder Geschäftsführer einen Großteil der Verantwortung abnehme.

IT-Skills für die Digitalisierung
8 neue Mitarbeiter-Rollen
Laut Forrester brauchen IT-Abteilungen Beratungsfähigkeiten und übergreifende Zusammenarbeit. Das erfordert politisches Fingerspitzengefühl und Methodenkompetenz.
1. Beziehungsmanager
Die IT stellt Partnerschaft und Austausch zwischen Informationstechnologie und Business sicher. Sie übersetzt zwischen den beiden Seiten und bildet die Unternehmensziele technologisch ab. Im Zeitalter des Kunden bedeutet das vor allem mehr Beschäftigung mit Daten über die Verbraucher.
2. Architekt
In der Rolle des Architekten geht es konkret um das Entwickeln von Standards für Daten, Anwendungen und mobile Endgeräte. Das beinhaltet die Beobachtung der Konkurrenz und das Aufdecken neuer Kundengruppen.
3. Projekt- und Programm-Manager
Immer mehr Projekte starten von vornherein als abteilungsübergreifende Vorhaben. Hier ist nicht selten politisches Gespür gefragt.
6. Daten-Experte
Daten sind über das ganze Unternehmen verstreut. Der Daten-Experte wahrt dennoch die Kontrolle und erklärt jeder einzelnen Anwender-Gruppe, was sie mit welchen Daten tun darf und was nicht. Das beinhaltet Expertise in Daten-Tools, Methoden, dem Status jeder einzelnen Datenquelle und Einblick in die Geschäftsprozesse.
7. Geschäftsprozess-Designer
Unternehmen kaufen Anwendungen und setzen sie an allen Standorten ein. Geschäftsprozess-Designer sorgen für die Balance zwischen der Anpassung der Systeme und der Anpassung der Prozesse.
8. Sicherheitsexperte
Sicherheit ist nicht nur ein Thema von Regeln und Überwachung, sondern auch von Soft Skills. Security-Experten verdeutlichen der Belegschaft, warum sie nicht an der IT vorbeiarbeiten dürfen.
4. Vendor Manager
Der Vendor Manager entwickelt sich zunehmend zum Berater. Fachabteilungen interessieren sich üblicherweise nur für Funktionalitäten und kaum für Sicherheit. Der Vendor Manager schon.
5. Experte für Nutzer-Erfahrung
Die IT muss durch die Brille des Endverbrauchers beziehungsweise Unternehmenskunden sehen können. Das erfordert enge Zusammenarbeit mit den Kollegen im direkten Kundenkontakt.

Noch ist der CIO offenbar derjenige, dem die Unternehmenslenker diese Kompetenz zutrauen. "Die digitale Business-Innovation ist ein Mannschaftssport, aber die CIOs sind meist die Spielmacher", so Raskino sinngemäß. Allerdings holzen die Chief Marketing Officer, andere Fachbereichsleiter, ja sogar die Finanzchefs mächtig auf. Und neue Rollen wie der Chief Digital Officer, der Chief Strategy Officer oder der Head of Innovation meldeten ebenfalls berechtigte Ansprüche auf eine Führungsrolle an. Umso mehr müsse der CIO jetzt handeln - ohne vorher um Erlaubnis zu fragen.

Vier Empfehlungen an die CIOs