Seit 2007 kommt Apple im Sommer immer mit einer neuen Betriebssystemversion samt einem neuen iPhone-Modell. Schließlich sollten die Mobilfunkpartner ihre Kunden mit neuer Hardware bei der Stange halten können. So auch dieses Jahr: Während das kurz iOS 4 genannte System am neuen iPhone 4 und dem noch aktuellen iPhone 3GS seine volle Power ausspielen soll, steht es am iPhone 3G mit gebremstem Funktionsumfang auch zur Verfügung. Das Ur-iPhone scheint nun endgültig dem Ende seines Lebenszyklus entgegenzusehen, iOS 4 gibt es für das erste iPhone nicht. Im Herbst soll dann auch das iPad die neuen Funktionen des runderneuerten Betriebssystems genießen dürfen. Hier die wichtigsten Features:
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel der Schwesterpublikation Macwelt.
Multitasking
An Mac und Windows-PC nutzt fast jeder das Feature Multitasking: Während etwa im Hintergrund ein Download läuft oder ein Video umgerechnet wird, kann der Benutzer weitere Programme geöffnet haben und benutzen. So kann er etwa seine Mails beantworten, fernsehen und seine Fotosammlung vervollständigen. Multitasking erfordert zwei Dinge: einen Prozessor, der die Arbeit bewältigt und zusätzliche Leistung in Form von Strom. Jeder zusätzliche Prozessortakt und jeder Task verlangt nach Energie.
Der höhere Stromhunger hat - so zumindest die Behauptung von Apple - Multitasking bisher verhindert. Deshalb hat Apple eine eigene "Geschmacksrichtung" von Multitasking eingeführt, bei der die Funktion auf sieben Dienste beschränkt wird. Dafür bekommen Entwickler sieben APIs, um die Funktion in ihre Apps zu integrieren.
Im Betrieb zeigte Jobs Multitasking so, wie es sich die Kunden wünschen. Während man Musik mit der App iTunes hört, lässt sich über das iPhone-Programm App Store der Online-Laden besuchen und Musik oder Filme kaufen. Zusätzlich kann man im Web über Safari surfen oder Mails lesen. Alle Programme bleiben geöffnet in einem zusätzlichen Dock und warten, dass sie vom Benutzer in den Vordergrund geholt werden.
Zwar handelt es sich bei der Multitasking-Funktion nicht um echtes, uneingeschränktes Multitasking, die "abgespeckte Variante" bietet immerhin für die meisten Alltagsfälle eine gute Lösung. Der neue Audioservice erlaubt es endlich, Musik im Hintergrund spielen zu lassen. Neben iTunes profitieren davon Apps, die Internet-Radio nutzen. So lässt sich beim Lesen der Mails ab Sommer das aktuelle Programm des Lieblingsradiosenders hören. Um die Bedienung für den Benutzer einfach zu gestalten, können Entwickler die iPod-Steuerelemente in ihre Apps integrieren.
Voice over IP
Lange war Internet-Telefonie, kurz VoIP, überhaupt kein Thema bei Apple. Mit Rücksicht auf die Mobilfunkpartner ließ man zunächst VoIP-Apps überhaupt nicht zu, inzwischen sind sie wohlgelitten, Telefonate über Wi-Fi oder UMTS möglich. Mit iOS 4 geht die Interaktion noch weiter: VoIP-Apps können im Hintergrund weiter arbeiten, der Benutzer ist demnach auch dann einfach per Internet-Telefonie am iPhone und iPod Touch erreichbar, wenn er gerade surft oder die Aktienkurse prüft.
Wenn bislang ein Programm beendet wurde, öffnete man ein anderes. Mit iOS 4 wird es einfach in den Hintergrund gelegt. Eine VoIP-App etwa reagiert immer noch, wenn ein Anruf eingeht: Sie stellt eine Nachricht auf den Homescreen, der Benutzer kann per Fingertipp die App sofort in den Vordergrund holen und im Beispielfall einen VoIP-Anruf, eine Chatnachricht oder andere Kommunikationswünsche annehmen.
Location Services gehören ebenfalls zu den unterstützten Diensten, klasse für Navi-Apps. Hier läuft die Bestimmung des aktuellen Standortes und auch die Sprachnavigation weiter, auch wenn der Beifahrer nebenbei e-Mails liest. Apps, die keine exakte Ortsbestimmung benötigen, können zudem auf das Strom fressende GPS verzichten und die Handy-Mastenortung benutzen. Das braucht weniger Strom und ist etwa für Fußgänger oder Radfahrer interessant. Ein Pfeilsymbol in der Kopfzeile informiert den Benutzer auch in anderen Apps, dass im Hintergrund weiter Ortsbestimmung erfolgt.
Mangels Multitasking hat sich Apple bei iPhone-OS 3 mit Push-Benachrichtigungen beholfen. Apps wie Instant Messenger, für VoIP, To-do-Progrämmchen und andere können bereits heute Benachrichtigungen auf den iPhone-Screen bringen, auch wenn sie nicht benutzt werden. Bisher liefen Push-Benachrichtigungen über Apples PNS-Server, mit iOS 4 wird es auch lokale Push-Benachrichtigungen geben. Dann kann eine Programmzeitschrift-App automatisch benachrichtigen, wenn eine TV-Sendung beginnt.
"Task Completion" ist ein weiterer Dienst. Bestimmte Funktionen darf eine App fortführen, auch wenn sie nicht im Vordergrund arbeitet. Apple gibt als Beispiel die Flickr-App an, die Fotos im Hintergrund weiter auf den Flickr-Server hochlädt, während der Benutzer andere Apps startet.
Mit "Fast App Switching" kommen wir zum letzten Dienstmerkmal von Apples Multitasking. Eine entsprechend programmierte App kann ihren Zustand speichern und im Hintergrund verschwinden, ohne dass sie danach noch CPU-Leistung benötigt. Sämtliche Informationen bleiben erhalten. Holt der Benutzer die App wieder in den Vordergrund, arbeitet sie an exakt derselben Stelle weiter. So kann der Benutzer etwa Mail oder ein Grafikprogramm wieder in den Vordergrund holen und weiterarbeiten, nachdem er eine Adresse im Web nachgeschlagen hat.
Ordner fürs iPhone
Mit der Option, Apps in Ordnern thematisch zu sortieren, kommt Apple einer weiteren lange geäußerten Forderung seiner Kundschaft nach. Bisher war das nur für iPhones mit Jailbreak möglich. Äußerst elegant lassen sich so etwa alle Spiele in einen Ordner packen, der Benutzer kann ihn benennen und sogar ins Dock legen. Bisher lag die maximale Grenze installierbarer Apps bei 180, dank Ordnern steigt die Zahl auf 2160 Apps.
Wie am Mac und PC gibt es nun endlich auch einen gemeinsamen Posteingang bei Mail, klasse für alle Benutzer mit mehreren Mail-Accounts. Mit iOS 4 lassen sich zudem mehr als ein Exchange-Account anlegen, hier zielt Apple auf die Geschäftskunden. Dieselbe Klientel wird sich freuen, dass sich Mails jetzt endlich verschlüsseln lassen, außerdem hat Apple nach eigenem Bekunden die Sicherheitsmechanismen zum Schutz der Daten verbessert. Verfügt der Anwender über die passende App, lässt sich ein Mailanhang direkt öffnen.
Ebenfalls auf die Geschäftskunden zielt die mit iOS 4 kommende SSL-VPN-Verschlüsselung für Datenübertragungen sowie besseres App-Management in großen Firmen.
Dass iPhone und iPod Touch eine klasse Spielekonsole ausmachen, ist bekannt. Mit der App Game Center können Gamer mit anderen gemeinsam spielen und High-Score-Listen nutzen. Mit iAd bietet Apple Entwicklern die Option, digitale Anzeigen in die Apps zu integrieren, Apple kümmert sich um die Akquise, Entwickler bekommen 60 Prozent der Erlöse.
Aus für Ur-iPhone
Wie schon bei der Vorstellung des iPhone 3G mit iPhone-OS 2 und des 3GS mit iPhone-OS 3 stehen nicht alle Funktionen des kommenden Betriebssystems bei allen alten Modellen zur Verfügung.
Finster sieht es für Besitzer eines Ur-iPhone aus. Sie erhalten iOS 4 gar nicht. Wer über ein Modell der ersten Generation verfügt, kann aber für vielen Funktionen auf Lösungen der freien Entwicklergemeinde zurückgreifen. Hier gibt es Ordnerverwaltung, Multitasking und andere Optionen - ohne den Segen Apples und ausschließlich nach einem Jailbreak. Lediglich das iPhone 3GS und das kommende Modell sollen Multitasking nutzen können. Das iPhone 3G kann hier nicht mitspielen. (mb)