Garant für Wachstum und geringe Fluktuation

Warum es sich lohnt, in die Firmenkultur zu investieren

22.11.2023 von Herbert Grab
Firmenkultur ist immer da; für eine gute müssen aber alle Beschäftigten – von ganz oben bis unten – sorgen. Es gilt, Vertrauen aufzubauen, damit viel Innovation stattfindet.
Unternehmenskultur bedeutet auch, dass Mitarbeiter darüber diskutiert und entschieden haben, wie ihr künftiges Bürogebäude auszusehen hat, wie das im Falle von doubleSlash der Fall war.
Foto: doubleslash

Im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist oft die Rede von einer neuen Unternehmenskultur. Sie sei notwendig, um erfolgreich zu digitalisieren. Allerdings: Auch vor dem Hintergrund der sich verändernden Arbeitswelt wird eine gute Unternehmenskultur immer wichtiger.

"Kultur ist immer da, ob bewusst gestaltet oder nicht", sagt Leonie Hlawatsch. Die HR-Verantwortliche beim Softwareunternehmen doubleSlash ist überzeugt: "Eine in sich stimmige, gute Unternehmenskultur kann sich nur etablieren, wenn sie von möglichst vielen Mitarbeitenden verinnerlicht und gelebt wird. Wenn die Werte, an denen sich das Unternehmen ausrichtet, authentisch sind und nicht vorgegeben. Was allerdings nicht heißt, dass man nicht ständig daran arbeiten müsste."

Firmenkultur beginnt schon beim Recruiting

Gebe es einen solchen Konsens, der im täglichen Umgang miteinander spürbar ist, dann ergreife dieses Gemeinschaftsgefühl schnell auch die Menschen, die neu ins Unternehmen kommen. "Und das ist die beste Gewähr dafür, dass die Kultur, die uns auf menschlicher und geschäftlicher Ebene verbindet, lebt und sich weiter entwickelt."

Leonie Hlawatsch, doubleslah: "Unternehmenskultur ist immer da, ob bewußt gestaltet oder nicht."
Foto: doubleslash

Das beginnt bereits beim Recruiting. "Wir suchen ganz bewusst nicht nur Kompetenzen, sondern Menschen, die zu uns passen. Das kommunizieren wir auch offensiv. Und wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber schon im ersten Gespräch merkt, dass hier keine hierarchischen Hürden zu überwinden sind, dass wir locker, auf Augenhöhe und dennoch professionell zusammenarbeiten, dass unser Umgang von Wertschätzung und Achtung geprägt ist, dann ist das schon die halbe Miete."

Bewerbungsgespräch ist keine Prüfung

Deshalb sollte ein Bewerbungsgespräch eher ein Austausch sein als eine Prüfung. "Wir gehen immer davon aus, dass hier eine potenzielle Mitarbeiterin oder Mitarbeiter sitzt. Und sorgen dafür, dass sie schon in dieser Situation unsere `Grundmelodie´ hören."

Vor allem bei jüngeren Leuten, die nicht bereit sind, ihr tägliches Wohlbefinden dem Unternehmen zu opfern, für das sie arbeiten, sei das ein gewichtiger Faktor. Tendenz steigend. "Gute Kultur punktet", ist man bei doubleslash überzeugt.

Betriebswirtschaftliches Plus

Und das nicht nur im Recruiting, sondern auch im betriebswirtschaftlichen Ergebnis. Zum Beispiel durch eine niedrige Fluktuationsrate. Im Schnitt kostet es das sechs- bis neunfache Monatsgehalt, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter zu ersetzen. Geld, das bei niedriger Fluktuation entweder dem Betriebsergebnis zugutekommt oder anderweitig investiert werden kann.

Was sich an der Fluktuationsrate messen lasse, die Zufriedenheit der Belegschaft, wirke sich aber natürlich auch positiv auf die Performance des Unternehmens aus, so die HR-Expertin.

Silodenken ist kontraproduktiv

So sei es etwa für ein Softwareunternehmen wie doubleslash essentiell, dass Wissen und Daten im Unternehmen nicht der Profilierung Einzelner dienen, sondern geteilt werden. "Und dass die Zusammenarbeit standortübergreifend hierarchiefrei ist. Silodenken ist schlicht kontraproduktiv." Das gelte im Übrigen für jedes Unternehmen, das schnell und flexibel auf Marktveränderungen reagieren und konsequent digitalisieren will.

In einem von Vertrauen geprägten Umfeld entwickle sich automatisch eine positive Fehlerkultur, die kreatives Denken und Handeln und damit letztlich die Wettbewerbsfähigkeit fördert. "Die Leute haben Lust mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen.

Über eine gute Firmenkultur redet man gerne

Daraus entsteht ein sehr dynamisches Miteinander, das sich positiv auf den Umgang mit Kundinnen und Kunden auswirkt. Für einen Dienstleister wie uns sind das zentrale Erfolgsfaktoren, die sich in nachhaltig guten Kundenbeziehungen niederschlagen."

Hinzu kommt: "Wenn ein Unternehmen eine gute Kultur pflegt, dann kommunizieren die Mitarbeitenden das im Freundes- und Bekanntenkreis, sie tragen ganz von selbst nach außen, was innen funktioniert. Auch das ist ein Faktor, der uns vor allem im Recruiting hilft."

Reden statt regeln

Allerdings, so Leonie Hlawatsch: "Genauso wie Kultur immer da ist, entwickelt sich eine gute Unternehmenskultur nicht von selbst. Dahinter steckt sehr viel Überlegung, harte Arbeit und immer wieder auch Überzeugungsarbeit."

Dazu gehöre, so wenig Regeln aufzustellen wie möglich. An die Stelle von Reglementierung müsse eine stetige vertrauensvolle Kommunikation treten. "Das ist zwar aufwändiger und anstrengender, aber es lohnt sich. Denn ein Verhalten, dessen Gemeinschaftsverträglichkeit sich auf Einsicht und Überzeugung gründet, ist wesentlich authentischer und stabiler, als wenn es auf dem Einhalten von Regeln basiert." Außerdem schafft Vertrauen Nähe und ermöglicht schnelle Entscheidungen.

Genauso wichtig ist nach Überzeugung der HR-Verantwortlichen eine aktive Beteiligung der Belegschaft an den unternehmerischen Gestaltungsprozessen. So haben die Mitarbeitenden bei doubleSlash beispielsweise maßgeblich selbst bestimmt, wie ihr neues Firmengebäude aussieht und ausgestattet ist. Dazu sammelte doubleSlash im frühen Planungsstadium jede Menge Ideen und Vorschläge. So entstand eine Arbeitsumgebung, in der sich die Mitarbeitenden wohlfühlen und mit der sie sich identifizieren. Allein schon, weil hier viele ihrer Ideen umgesetzt sind.

Partizipation ist wichtig

Für die Beteiligung am finanziellen Erfolg sorgt eine Mitarbeiter-Beteiligungs-AG. Für die ideelle Partizipation das firmeninterne Innovationsmanagement: Über ein digitales, standardisiertes Tool kann jede und jeder Innovations- oder Verbesserungsvorschläge kommunizieren, Vorschläge anderer einsehen, kommentieren und unterstützen. Manche Ideen setzen neue fachliche Impulse, andere liefern Anregungen für neue Produkte oder betreffen die Firmenkultur.

Findet ein Vorschlag allgemein Anklang, erhält der Ideengeber Zeit und Budget für die Ausarbeitung. Ein Beispiel ist die Bilanz des Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit und Gemeinwohl-Ökonomie. Die Initiative dazu kam von einem Mitarbeiter im Rahmen des Innovationsmanagements.

Wissen systematisch generieren

Ein starkes kulturelles Element sind auch interne Forschungsgruppen, die technische, fachliche und methodische Trends aufspüren und auf ihre Relevanz fürs Unternehmen prüfen. "Wer in einem solchen Forschungsteam mitwirken will, sucht sich selbst aus, welchem Thema sie/er sich widmen will. Das macht Spaß, man beschäftigt sich schließlich mit Dingen, für die man ohnehin brennt, und es fördert die Identifikation mit dem Unternehmen", berichtet Hlawatsch. Ganz abgesehen davon, dass die Forschungsteams wertvolles Wissen generieren, das letztlich dem Business Development zugutekommt.

"Das alles hält die Unternehmenskultur lebendig - und es generiert Wissen, das, wenn es transparent kommuniziert wird, ins ganze Unternehmen diffundiert. Das hilft, um in unseren schnelllebigen Märkten zu bestehen. Und es schafft die Basis dafür, dass das Unternehmen keine Nachfolgesorgen bekommt."

Studenten werden behandelt wie Festangestellte

Auch im Umgang mit Praktikanten oder Studenten etwa wirkt sich eine bewusste Nachwuchs-Strategie positiv aus - auf die Unternehmenskultur wie auf das Recruiting. "Wir binden diese jungen Leute ein, als wären sie Festangestellte. Das Ergebnis ist eindeutig: Viele, die zunächst nur temporär bei uns sind, bleiben", freut sich die HR-Managerin.

Vor allem Unternehmen, die stark wachsen, sollten dringend darauf achten, welche Menschen neu ins Unternehmen kommen. Dabei liegt es in der Verantwortung der "Alteingesessenen", wie gut sich die Neuen einbinden lassen. "Wenn eine gute, authentische Unternehmenskultur herrscht, dann übernimmt die Belegschaft automatisch eine Vorbildfunktion. Weil sie diese Kultur vorlebt", so Hlawatsch.

Die Unternehmenswerte von doubleSlash haben die Mitarbeitenden des Unternehmens in einem gemeinschaftlichen Entscheidungsprozess selbst definiert. Demnach geht das doubleslash-Team "gemeinsam, begeistert, offen und nachhaltig" miteinander und mit der Welt um. "Diese Werte überprüfen wir regelmäßig auf ihre Relevanz, zum Beispiel über Team-Workshops. Und wenn wir sie nicht mehr als authentisch und stimmig erleben, werden wir sie anpassen", sagt die Personalerin.