Die neue Generation der Business-Smartphones

Warten auf den iPhone-Killer

27.02.2008 von Manfred Bremmer
Mangels neuer Konzepte setzen die Hersteller von Business-Smartphones aktuell zwar auf modernste Technik, jedoch in altbekannter Verpackung.

Mit dem iPhone hat Apple die etablierten Handy-Hersteller offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt: Selbst ein Jahr nach der Vorstellung des Kultgeräts fehlt ihnen noch ein probates Gegenmittel im Programm, der Schwerpunkt liegt beim Altbewährtem. Das gilt insbesondere für den Marktführer Nokia, der erst in der zweiten Jahreshälfte Modelle auf Basis der neu entwickelten Symbian-S60-Plattform mit Touch-Interface herauszubringen plant. Nokia wolle zuvor sicherstellen, dass die mehr als 5000 für S60 entwickelten Programme auch problemlos auf den Modellen mit Touchscreen laufen, so die Erklärung von Niklas Savander, Leiter des Bereichs Services und Software, auf dem kurz vor der CeBIT abgehaltenen Mobile World Congress (MWC) in Barcelona. "Wir streben keine Ein-Gerät-Lösung an wie andere Hersteller", fügte Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo hinzu. Nokia wolle stets eine komplette Produktpalette anbieten, auch bei Handys mit Touchscreen.

Die Demos von S60 Touch lassen noch nicht das iPhone-Feeling aufkommen - ein möglicher Grund für den verspäteten Launch?

Ob die künftigen Smartphones dem iPhone den Rang ablaufen können, wird sich zeigen. Generell kann man sagen, dass bereits ab dem Start zahlreiche Applikationen bereitstehen und Nokia neueste Technik einsetzt – ein Verzicht auf mobiles Breitband oder auf eine hoch auflösende Kamera wie beim iPhone wird es wohl kaum geben. Wie die ersten Demos von S60 Touch zeigen, dürften die Finnen in punkto Berührungsempfindlichkeit mit Apple bestenfalls gleichziehen, während sie in Sachen Usability noch etwas Nachhilfe benötigen. So fehlen etwa bekannte iPhone-Features wie das Zoomen von Bildern und Websites mit zwei Fingern. Die in Videos gezeigte virtuelle Tastatur ist außerdem so klein, dass der Nutzer zur Eingabe einen Stift benötigt. Immerhin unterstützt S60 Touch eine taktile Rückmeldung nach der Berührung bestimmter Felder - bislang ein Manko des Apple-Handys. Als originell bis nützlich sind Feinheiten zu bewerten, wie die Möglichkeit, durch Umdrehen des Gerätes einen Alarm deaktivieren zu können.

Das neue Nokia-Flaggschiff N96 - gut motorisiert und mit (fast) allen Extras - außer einer Business-tauglichen Qwertz-Tastatur.
Foto: Nokia

Während die Touch-Modelle noch etwas dauern, hat Nokia auf dem Mobile World Congress einen Nachfolger für das bisherige Topmodell N95 der N-Serie vorgestellt. Das "N96" wartet mit 16 GB integriertem Speicher, einem größeren 2,8-Zoll-Display, Videounterstützung sowie einem DVB-H-Modul auf. Der Multimedia-Barren "N78" wiederum tritt in die Fußstapfen des "N73". Besonderes Feature ist neben der Unterstützung des UMTS-Turbos HSDPA sowie WLAN und GPS ein integrierter FM-Transmitter, welcher das Abspielen von gespeicherten Musiktiteln auf einem in der Nähe befindlichen (Auto-)Radio erlaubt.

Zwei Business-Smartphones kommen nach

Beide Smartphones - von Nokia etwas großspurig als Multimedia-Computer bezeichnet - taugen wegen ihrer numerischen Tastatur und den installierten Anwendungen allerdings nur bedingt für den Business-Alltag. Besser geeignet dafür sind die Modelle der E-Serie "E66" und "E71". Details zu beiden Geräten waren bereits Anfang des Jahres auf einer Powerpoint-Präsentation im Internet aufgetaucht, die Interna zur künftigen Smartphone-Roadmap von Vodafone preisgab. Anschließend hüllte sich Nokia jedoch in Schweigen und stellte die Handys auch auf dem Mobile World Congress nicht vor - stattdessen wurde das Nokia E71, das angeblich schon im Juli in den Handel kommen soll, vor kurzem im Rahmen eines Events in Australien gezeigt. Berichten zufolge ist das Gerät mit Qwertz-Tastatur, HSDPA, WLAN und integriertem GPS ausgestattet, deutlich kleiner als sein Vorgänger "E61i", und lediglich zehn Millimeter dick. Auf sein offizielles Coming-Out wartet dagegen noch der Business-Slider E66, welcher das ähnlich gebaute "E65" nach nur einem Jahr ablösen soll. Größter Unterschied zum E71 ist die Zifferntastatur, die nach dem Aufschieben zum Vorschein kommt, ansonsten gleichen sich die Modelle bei den technischen Details.

Von Symbian auf Windows Mobile

Mit dem Xperia X1 setzt Sony Ericsson erstmals auf Windows Mobile als Plattform - wenn auch mit einer eigenentwickelten Oberfläche.
Foto: Xperia

Während Nokia als Mehrheitseigner von Symbian dem mobilen Betriebssystem bis auf weiteres die Treue hält, schlägt Sony Ericsson 2008 erstmals neue Wege ein: Der bislang auf Handys mit Symbian-OS und der hauseigenen UIQ-Oberfläche fokussierte Hersteller gab beim taiwanischen Konkurrenten HTC ein Smartphone mit Windows-Mobile-Betriebssystem in Auftrag. Resultat ist das "Xperia X1", ein Smartphone mit seitlich aufschiebbarer Qwertz-Tastatur, einem 3-Zoll-Display mit Touchscreen, VGA-Auflösung (800 x 480 Pixel) und 65.000 Farben. Das für Herbst 2008 angekündigte Mobiltelefon unterstützt für den beschleunigten Up- und Download von Daten HSUPA sowie HSDPA, funkt in WLAN-Netzen und weist eine von Sony-Ericsson eigens entwickelte Oberfläche mit Feldern für verschiedene Funktionen auf. Wie das Gerät in der Praxis funktioniert, ist streng geheim – in Barcelona wurde das X1 unter Verschluss gehalten - vermutlich, weil es mit der noch nicht freigegebenen Windows-Mobile-Version 6.1 arbeitet.

...und umgekehrt

Umgekehrt hat der koreanische Hersteller LG nach einem Versuch mit Windows Mobile im vergangenen Jahr (KS20) wieder ein Business-Smartphone mit Symbian-OS (Version 9.2 mit S60 3rd Edition) im Programm. Viel dazu gibt es allerdings noch nicht zu berichten. Den bislang nur spärlichen Angaben zufolge ist das "KT-610" mit einem aufklappbaren 2,4-Zoll-Bildschirm (640 x 480 Pixel) sowie einer Qwertz-Tastatur ausgestattet, besitzt ein integriertes GPS-Modul und unterstützt HSDPA (3,6 Mbit/s). Preis und Erscheinungstermin sind nicht bekannt.

Windows-Mobile-Geräte überwiegen

Insgesamt überwiegen in diesem Jahr die Business-Geräte auf Basis von Windows Mobile, wobei aber auch 2008 der große Wurf nicht dabei ist - kein Wunder, wird das nächste größere Betriebssystem-Update Windows Mobile 7, das dann unter anderem auch iPhone-ähnliche Touch- und Gestensteuerung erlauben soll, voraussichtlich erst 2009 offiziell erscheinen.

Ein Communicator mit Touch-Oberfläche: Das Portege 910 von Toshiba

Hervorzuheben sind vielleicht die drei neuen Modelle des - hierzulande eher als Notebook-Hersteller bekannten Handy- und Smartphone-Anbieters Toshiba: Das für März angekündigte "Portege G710" erinnert mit seiner flachen Bauform und der Qwertz-Tastatur optisch stark an ein klassisches Blackberry-Gerät. Technisch fällt das Windows-Mobile-Device primär durch das integrierte GPS-Modul und das 320 x 240 Pixel große TFT-Display mit 65.000 Farben auf, während der Rest bestenfalls Standardkost ist. So unterstützt das für rund 300 Euro angebotene Smartphone nur Quadband-GSM, GPRS und Edge, jedoch keine Datenverbindungen via UMTS oder HSDPA. Besser bestückt ist das Touchscreen-Device "Portege G810", das mit HSDPA/HSUPA, GPS sowie WLAN aufwartet und im zweiten Quartal 2008 auf den Markt kommen soll. Als neues Flaggschiffmodell führt Toshiba das an einen Nokia Communicator E90 erinnernde Smartphone "Portege G910" im Programm, das im April auf den Markt kommen soll: Das aufklappbare Smartphone verfügt über ein drei Zoll großes Wide-VGA-Display (480 x 800 Pixel) mit Touchscreen-Funktion, zwei Kameras sowie GPS und funkt über WLAN, GSM/GPRS/Edge sowie HSDPA. Der Preis für das Windows-Mobile-Gerät (WM6 Professional) soll rund 600 Euro betragen.

Glossar

  • HSDPA (High Speed Downlink Packet Access): Das Übertragungsverfahren des Mobilfunkstandards UMTS soll beim Downlink Datenraten von (theoretisch) bis zu 14,6 Mbit/s ermöglichen. Aktuell werden Mobiltelefone angeboten, die den HSDPA-Standard von 7,2 Mbit/s unterstützen.

  • HSUPA (High Speed Uplink Packet Access): Das Übertragungsverfahren ermöglicht entsprechend zu HSDPA höhere Datenraten beim Upload. Aktueller Stand sind Bandbreiten von bis zu 1,45 Mbit/s.

  • UMTS (Universal Mobile Telecommunications System): Mobilfunkstandard der dritten Generaltion (3G) mit Übertragungsraten von bis zu 384 Kbit/s im Downlink und 128 Kbit/s im Uplink.

  • Edge (Enhanced Data Rates for GSM Evolution): Der 2,5G-Mobilfunkstandard erhöht die Datentransferrate in GSM/GPRS-Netzen auf bis zu 220 Kbit/s – im Upstream steht etwa die Hälfte der Bandbreite zur Verfügung.

  • DVB-H (Digital Video Broadcasting - Handhelds): Übertragungsstandard für Handy-Fernsehen.

  • GPS (Globales Positionsbestimmungssystem): Unterstützung für die weltweite satellitengestützte Navigation.

  • Qwertz (oder auch Qwerty): beschreibt die Tastaturbelegung anhand der ersten sechs Buchstaben - im Gegensatz zur rein numerischen Tastatur.

Warten auf Google Android

Einsteiger-Smartphone mit GPS und Touchscreen: Das P3470 von HTC
Foto: HTC

Überraschend wenig Neues gibt es von dem taiwanischen Hersteller HTC zu berichten, der zahlreiche Carrier beliefert. Als Neuzugang mit Windows-Mobile-Betriebssystem ist vornehmlich das "HTC P3470 Pharos" zu erwähnen, ein Sparmodell mit schlankem 200 MHz Prozessor, berührungsempfindlichen 2,8-Zoll-Bildschirm und mit integriertem GPS - jedoch ohne WLAN und UMTS. Daneben wurde das "HTC 7500 Advantage" (hierzulande als "T-Mobile Ameo" erhältlich) überarbeitet – als Version 7501 erhielt es nun unter anderem 16 GB internen Speicher, 128 MB Arbeitsspeicher, eine neue Tastatur, TouchFlo-Oberfläche und WLAN-Unterstützung. Vermutlich entwirft HTC schon fleißig Modelle für Googles mobile Plattform "Android", die langsam zum Leben erwacht - der taiwanische Hersteller erhofft sich damit den Sprung vom reinen Auftragsfertiger zum Markenhersteller. Ziehen Samsung, LG und Motorola mit, die ebenfalls zu Googles Open Mobile Alliance gehören, ist es gut möglich, dass gegen Jahresende doch noch das bislang vermisste Produktfeuerwerk im Smartphone-Markt stattfindet.