Der schwierige Weg in eine neues Kommunikations-Zeitalter

Von VoIP zu Unified Communications

09.01.2008 von Martin Rouff
Wer die Vorteile von Unified Communications im Alltag realisieren will, muss sorgfältig planen.

Zahlreiche Unternehmen beschäftigen sich mit der Umstellung auf Voice over IP (VoIP). Hauptgrund ist häufig die erhoffte Kostensenkung. Das Preisargument alleine sticht aber angesichts der immer billigeren Verbindungsminuten und Flatrates nicht mehr. Dennoch ist die Einführung von VoIP sinnvoll, denn sie ebnet den Weg zu innovativen Unified-Communications-Anwendungen.

Hier lesen Sie

  • welche zusätzlichen Anforderungen mit Unified Communications auf das Netz zukommen;

  • wieso UC das Sicherheitskonzept verändert;

  • was beim Einsatz des Office Communications Server 2007 zu beachten ist;

  • weshalb sich der Aufwand eine UC-Einführung für Unternehmen doch lohnt.

Unified Communications integriert IP-basierende Kommunikationsmittel direkt in die vertraute Benutzeroberfläche von gängigen Office-Anwendungen. Mitarbeiter finden so auf Desktop-PC, Laptop oder Smartphone immer dieselbe intuitive Bedienoberfläche vor. Außerdem können sich die Mitarbeiter mit derselben User-ID einloggen, egal wo sie sich gerade aufhalten. So telefonieren sie sofort unter der normalen Büronummer, schreiben Mails, greifen auf Dokumente zu oder nutzen Web Collaboration und Conferencing-Tools. Dadurch werden Voice over IP, Instant Messaging oder Web-, Audio- und Videokonferenzen so einfach wie das Telefonieren oder der E-Mail-Versand. Eines der bekanntesten Beispiele zur Illustration von Unified Communications ist die Präsenzfunktion. Sie gibt schon vor einem Kontaktversuch Auskunft darüber, ob der potenzielle Kommunikationspartner verfügbar ist. Die Anzeige erfolgt in der Regel als Symbol im Adressbuch der Anwendung.

Durch Unified Communications mit der Zukunft Schritt halten

In der Unified-Communication-Welt ist der Anwender flexibel an fast jedem Ort über unterschiedlichste Kommunikationskanäle erreichbar.
Foto: Arcor

Der Mehrwert von Unified Communications liegt für Unternehmen darin, ihre Mitarbeiter flexibler einsetzen zu können, wenn sie an jedem Ort, zu jeder Zeit und von unterschiedlichen Endgeräten aus mit Kollegen und Geschäftspartnern zu kommunizieren vermögen. Dieser Trend wird durch eine neue Generation von Mitarbeitern verstärkt, die mit Computer, Handy und Internet aufgewachsen ist. Ihre Sozialisation wirkt sich auch auf ihre Arbeitskultur aus: Sie arbeiten weniger zeitorientiert, dafür stärker zielgerichtet und haben eine ausgeprägte Teamorientierung. Laut einer Studie von Forrester nutzen bereits rund 50 Prozent dieser "Millennials", definiert als die Jahrgänge 1980 bis 1990, Instant Messaging (IM). Die jungen Leute verwenden IM in der Regel als schnelles und formloses Kommunikationsmittel, um kurze Nachrichten auszutauschen. In einer geschäftlichen Telefonkonferenz kann so eine kurze Rückfrage gestellt werden, ohne dass die anderen Teilnehmer hiervon etwas erfahren. Millennials erwarten eine flexible Arbeitsumgebung, die eine gute Work-Life-Balance, freie Zeiteinteilung und zielorientiertes Arbeiten ermöglicht. Im Umgang mit Partnern und Kunden nutzen sie die neuen Kommunikationstechniken zu Teamwork und kurzen Entscheidungszyklen. Dazu bieten sich zum Beispiel auch Service- und Entwicklungsforen oder Chat Rooms an, die sich mit Unified Communications vom einzelnen Mitarbeiter sehr viel leichter und schneller als bisher aufsetzen lassen.

Eine einheitliche Kommunikationsumgebung erleichtert zudem die Arbeit, verringert die Komplexität der Infrastruktur und lässt alle Mitarbeiter viel Zeit sparen. So haben Untersuchungen gezeigt, dass bis zu 60 Prozent aller Telefonanrufe in Unternehmen im ersten Versuch nicht den gewünschten Gesprächspartner erreichen. Zudem ermöglicht die Konsolidierung der Services viele neuartige Anwendungen überhaupt erst, denn mit Unified Communications verschwinden auch die Grenzen zwischen Sprach- und Audiodateien. Denkbar wäre künftig auch die "Text-to-Speech"-Konvertierung – also dass man sich seine E-Mails einfach am Telefon vorlesen lassen kann.

Ein großes Potenzial steckt zudem in der Nutzung von Service-Orientierten Architekturen (SOA), um Kommunikationsanwendungen und Geschäftsprozesse schnell und einfach bereitzustellen. Wenn Kommunikationsmöglichkeiten in eine heterogene Web-Service-Umgebung eingebettet werden, lassen sich neue funktionsorientierte Architekturen entwickeln. Ein einfaches Beispiel ist die Helpdesk-Funktion in einer Business-Anwendung: Hier versucht ein User nicht eine ganz bestimmte Person zu erreichen, sondern eine verfügbare Person, die in ihrer Funktion bei der Bewältigung eines Problems helfen kann. Mit Präsenzinformation und hinterlegten Prozessen lassen sich solche Szenarien leichter realisieren.

Fitness für das LAN

Um Unified Communications einführen zu können, muss allerdings die IT-Infrastruktur auf dem neuesten Stand sein. Das Augenmerk sollte dabei zuerst auf den vorhandenen TK-Anlagen sowie dem Netz an sich liegen. Der Unterschied zur existierenden Netzwerk-Infrastruktur liegt vor allem darin, dass relativ unkritischer Datenverkehr nun durch Echtzeitanwendungen abgelöst wird und das Data Center eine Verfügbarkeit aufweisen muss, die nicht unter der herkömmlicher TK-Anlagen liegen darf. Aus dem Stand dürften diese Anforderungen in den wenigsten Unternehmen erfüllt werden. In vielen Fällen sind deshalb zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um sowohl die Server-Plattformen ausfallsicher und die Access-Technik hochverfügbar zu machen als auch eine intelligente, anwendungsorientierte Lastverteilung zu erreichen.

In Sachen Bandbreite reicht meist eine erste grobe Abschätzung, denn durchschnittliche Bandbreiten sind kein absolutes Kriterium. Allerdings ist dafür zu sorgen, dass die neuen Applikationen innerhalb des Bandbreitenbudgets bleiben, ansonsten werden alle Anwendungen in Mitleidenschaft gezogen. Im Zuge der Innovative Communications Alliance (ICA) zwischen Microsoft und Nortel wurden verschiedene Analysen betrieben. So ermittelte Microsoft über einen Zeitraum von acht Arbeitsstunden eine mittlere Bandbreite von 1,6 Kbit/s pro Benutzer für Presence- und Instant-Messaging-Funktionen. Hinzu kommen die Anforderungen durch Applikationen wie IP-Videokonferenzen und IP-Telefonie.

Ist das Netzwerk durch seine Bandbreite in der Lage, die bisherigen Anwendungen und die neuen UC-Applikationen ohne Engpässe zur Verfügung zu stellen, muss man sich über die weiteren Kriterien und Parameter Gedanken machen: die Quality of Service, die für eine gleichzeitige Übertragung von Echtzeit und Nicht-Echtzeit-Daten über ein einziges Netzwerk erforderlich sind. Datenapplikationen erzeugen den für sie typischen stoßweisen Datenverkehr (Bursty Traffic). Das ist für ein LAN problematisch, denn hier kann auch bei niedriger Netzlast sehr schnell die maximale Übertragungsrate von 1- oder 10-Gbit/s-Schnittstellen erreicht werden. Diese Überlastungen dauern zwar typischerweise weniger als eine Sekunde, beeinflussen während dieser Zeit aber speziell sensitive Applikationen wie beispielsweise die Sprachübertragung bei Unified Communications. Zudem häufen sich in größeren Netzen derartige Überlastsituationen proportional zur Anzahl von Datenapplikationen und zur Leistungsfähigkeit der sendenden Endgeräte. Normale Messungen oder gar Interface-Statistiken zeigen dann immer noch Netzlasten im niedrigen Prozentbereich an, denn hier wird meist die statistische Verteilung der Datenmenge ausgewiesen. Die Spitzen kann man aber bestenfalls an der Zahl verworfener Pakete abschätzen.

Für die Verfügbarkeit ist vor allem das Datennetz mit all seinen aktiven und passiven Komponenten verantwortlich. Insbesondere die redundante oder fehlertolerante Auslegung von kritischen Bereichen wie dem Backbone, der Etagenanbindung oder den Data Centern sind Mindestmaßnahmen, die in keinem Netzwerk fehlen dürfen. Redundanzen werden klassischerweise erzielt, indem die Module der Core-Switches und Etagen-Stacks sowie die dazugehörigen Server durch parallele Verbindungen untereinander verbunden werden. Dabei sind alle parallelen Leitungen in Betrieb. Wird der Kreislauf durch den Ausfall eines Moduls oder des ganzen Stacks unterbrochen, übernehmen die noch vorhandenen Leitungen, und der Nutzer kann problemlos weiterarbeiten. Die Ausfallzeit bleibt dadurch minimal und verlustfrei für die Kommunikation. Diese Art des Aufbaus wird zum Beispiel auch zwischen dem Microsoft Office Communication Server (OCS) 2007 und dem Nortel Communication Server 1000 verwendet.

Unified Communications: Schwachstellen im Netz

Darüber hinaus stellt der Microsoft OCS 2007 noch weitere, spezifische Anforderungen an die Infrastruktur. So fordert der Microsoft Technical Guide zum OCS 2007 explizit den Einsatz von IP-basierenden Hardware-Loadbalancing-Systemen im Data Center. Intelligente Lastverteilung bedeutet, dass die Systeme die Anwendungen kennen und verstehen müssen. Dies geschieht durch die detaillierte Analyse des Datenpakets, wobei erkannt wird, zu welcher Anwendung es gehört und welche Rolle es innerhalb dieser spielt. Application-Switches übernehmen in der Regel diese Aufgabe, da sie besonders für die Arbeit mit kleinen Paketen ausgelegt sind. Sie analysieren mit Hardwareunterstützung die Information der Layer 4 bis 7 und verteilen so die Last ohne Geschwindigkeitseinbußen.

Unternehmen sollten sich zudem bewusst sein, dass die Einrichtung einer Unified-Communications-Lösung auch neue Schwachstellen in der Netzwerkinfrastruktur bringt. Dadurch, dass Mitarbeiter praktisch von jedem Ort der Welt auf das Corporate Network zugreifen können, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass vertrauliche Informationen schnell nach außen gelangen und Hacker zusätzliche Einbruchsmöglichkeiten ins Unternehmensnetzwerk erhalten. Wegen der Änderungen und Neuerungen im Data-Center-Umfeld sollte die Sicherheitsstrategie – selbst wenn sie bislang den Anforderungen genügte - zumindest überprüft werden. Hochwertige Sicherheitsfunktionen können bereits auf der Ebene der UC-Loadbalancing-Plattformen aktiviert werden. Die Paketanalyse, die für die Lastverteilung benötigt wird, bietet die optimale Schutzebene, um gefährliche Datenpakete bereits vor dem Eintritt in den Data-Center-Bereich zu blockieren. Ebenso werden hier Verbindungskontrollen eingeführt, damit der Einsatz von neuen Kommunikationsmethoden wie beispielsweise Instant Messaging im erlaubten Rahmen bleibt.

Neben der Sicherung des Data Centers benötigt auch der Access-Bereich einen erhöhten Zugangsschutz. Je mehr die Kommunikation mit der Applikationswelt verbunden ist, desto weniger ist eine Differenzierung zwischen Sprachapparat und Rechner möglich. Ein Sicherheitskonzept mit integrierten Zugangskontrollen, etwa im Etagenbereich, bietet die Möglichkeit, den Netzwerkzugang auf Nutzerebene zu kontrollieren, den Sicherheitsstand des Endsystems zu überwachen und applikationsorientierte Regeln zu hinterlegen. Als Resultat erhält Unified Communications eine gesicherte Verbindung, die nicht abgehört werden kann.

Zudem führen gesetzliche Anforderungen, die sich beispielsweise aus Sarbanes-Oxley Act (SOX) und Basel 2 ergeben, dazu, dass die IT sehr stark entralisiert wird und extrem viel Speicherplatz benötigt, da wichtige Geschäftsdaten für lange Zeit aufgezeichnet und festgehalten werden müssen. Ein solches Netzwerk kann sich keinerlei Ausfall leisten. Aus diesen Gründen ist ein umfassendes Policy- und Risk-Management notwendig. Und nicht zuletzt müssen sich auch die Mitarbeiter an die neue Art der Kommunikation gewöhnen und sich an sie anpassen. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, klare Kommunikationsregeln einzuführen, damit auch wirklich das gesamte Unternehmen von Unified Communications profitiert. (hi)

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