Von der IBM-Midrange zu offenen Systemen AS/400-Softwarefirma probt Objekt-Aufstand

08.07.1994

MUENCHEN (gfh) - Keine langfristigen Perspektiven sieht das Softwarehaus BIW im AS/400-Softwaremarkt. Im Gegensatz zu anderen IBM-Partnern, die sich beim Einstieg in die Open-Systems-Welt eng an die Vorstellungen von Mother Blue halten, setzt BIW auf eine Kombination aus objektorientierter Nextstep-Technik und Unix- Hardware von HP.

"Mit der herkoemmlichen Technik hatten wir das Ende der Fahnenstange erreicht", begruendet BIW-Geschaeftsfuehrer Helmut Polzer seine Entscheidung fuer die Objekttechniken von Next. Natuerlich kann es sich BIW nicht leisten, aus dem AS/400-Geschaeft auszusteigen, will aber auch nicht auf die Produktions- und Kostenvorteile durch wiederverwendbare Objekte verzichten. Nur im Einsatz dieser modernen Technik sieht das Unternehmen noch Wachstumspotential.

Anders als SAP will BIW ihre vor allem im Fertigungsbereich eingesetztes Standardpaket "Brain" so gestalten, dass die Anpassung der Software an die Geschaeftsprozesse beim Kunden einfach und rasch zu bewerkstelligen ist. Das wesentliche Argument fuer Nextstep war daher weniger die anwenderfreundliche Ablaufumgebung als die Vorzuege der objektorientierten Entwicklungsplattform.

Die Aufsplittung der Anwendung in Objekte, so der BIW-Techniker Guenter Depke, schaffe die Flexibilitaet, jedem Kunden ein massgeschneidertes System ohne grossen Anpassungsaufwand liefern zu koennen. Viele mit dem R/3-Einsatz verbundenen Anpassungsnotwendigkeiten wuerden aufgrund der Nextstep- Entwicklungsmoeglichkeiten erst gar nicht auftreten.

Einen sanften Einstieg der bisherigen AS/400-Kunden in die objektorientierte Welt sollen neben einer Terminalemulation BIW- eigene Remote Procedure Calls garantieren, mit der sich andere Plattformen wie OS/2, Windows oder OS/400 einbinden lassen. Fuer Schnittstellen zu den wichtigsten Datenbanksystemen ist laut BIW ebenfalls gesorgt.

Allerdings wird es sich nicht vermeiden lassen, dass sich die Cobol- und RPG-Entwickler im Anwenderunternehmen auf objektorientierte Entwicklung umstellen. Nur dann koennen die Kunden die Moeglichkeiten des "Enterprise Object Frameworks" und der "Distributed Objects" von Next selbst nutzen, um etwa einzelne Funktionen je nach Bedarf auf Client- oder Server-Seite einzusetzen.

Fuer den Anbieter hat die Next-Plattform zudem den Vorteil, dass sie leicht portierbar ist, unter anderem weil sie von Haus aus mit einem Unix-Kernel arbeitet. So hat sich neben HP und Sun kuerzlich auch Digital Equipment fuer diese Systemumgebung entschieden. Das Engagement der IBM, die Nextstep bereits vor Jahren fuer ihre RS/6000-Systeme verwendete, ist dagegen wieder eingeschlafen.

BIW kuendigt die HP-Unix-Variante der PPS-Software Brain 5 fuer Ende dieses Jahres an, das vollstaendig objektorientierte Brain 6 mit dem Nextstep-Runtime-System soll auf der CeBIT 1995 in Hannover mit den Funktionen fuer die Materialwirtschaft debuetieren. Als Server-Betriebssystem kommen sowohl das HP-Unix als auch OS/400 in Frage. Lediglich die Client-Systeme laufen vollstaendig unter Nextstep. Anpassungen an weitere Unix-Plattformen sowie die Unterstuetzung des Power-PCs sind geplant.