Übernahmekandidat Sun

Vom Börsenliebling zum Problemkind

30.03.2009 von Martin Bayer
Die goldenen Zeiten von Sun Microsystems liegen lange zurück. Vom tiefen Fall nach dem Platzen der Dotcom-Blase hat sich der IT-Pionier aus dem Silicon Valley nie richtig erholt.

Zur Jahrtausendwende waren die Zeiten für Sun Microsystems noch in Ordnung: Unzählige Internet-Startups, die zu dieser Zeit wie Pilze aus dem Boden schossen und kaum wussten, wie sie die Millionen Dollar ihrer Investoren ausgeben sollten, kauften die Server mit dem ineinander verschlungenen Sun-Logo. Die Technik des im kalifornischen Santa Clara beheimateten Anbieters war begehrt, der Preis oft Nebensache. Der Kurs des Sun-Papiers kletterte im Herbst 2000 auf sagenhafte 258,75 Dollar. Die Sonne schien, doch schon bald begann der Erfolg zu schmelzen.

Verspätungen beim Ultrasparc III kratzten am Renommee des Server-Herstellers.

2000: Im Oktober bringt Sun mit deutlicher Verspätung den bereits 1997 angekündigten Ultrasparc-III-Chip auf den Markt. Mit der neuen Highend-CPU will man den Hunger der New Economy nach Rechenkapazität stillen. Allerdings mehren sich die Anzeichen eines Konjunktureinbruchs. Viele Internet-Companies stecken in Schwierigkeiten. Die Marketing-Strategie des Sun-Managements, sich als "Dot im Dotcom" zu bezeichnen, wird zu einer schweren Hypothek.

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2001 - die ersten roten Zahlen nach zwölf Jahren

Sun reagiert mit Entlassungen auf die ersten roten Zahlen seit vielen Jahren.
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Angesichts verfehlter Erwartungen sowie rückläufiger Einnahmen und Gewinne verordnet sich Sun im Mai einen Sparkurs und schickt seine Belegschaft in Zwangsurlaub. Zwar wächst der Absatz von Unix-Servern noch, aber der Umsatz geht im Vergleich zum Vorjahr um rund acht Prozent zurück. Im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2000/01 schreibt Sun erstmals seit zwölf Jahren rote Zahlen. Die Verantwortlichen reagieren auf die schwächeren Geschäfte mit Entlassungen: Zunächst heißt es, 300 Mitarbeiter müssten sich einen neuen Job suchen. Nachdem die Umsatzerwartungen weiter einbrechen, sollen dem verschärften Sparkurs fast 4000 Jobs zum Opfer fallen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September wird die ohnehin schon prekäre wirtschaftliche Situation noch schwieriger.

2002: Sun schreibt weiter rote Zahlen. Auch die Server-Bilanz für das vergangene Jahr sieht verheerend aus. Gartner zufolge erleidet Sun Umsatzeinbußen von 30 Prozent. Nachdem der seit 1997 schwelende Rechtsstreit um Java zwischen Microsoft und Sun schon eingeschlafen schien, zerrt der Server-Hersteller den Erzfeind im März vor den Kadi. In einer privaten Kartellklage verlangt Sun von Microsoft mehr als eine Milliarde Dollar Schadenersatz. Nach weiteren Verlusten wächst der wirtschaftliche Druck und Sun muss stärker auf die Kostenbremse treten. Das Sparprogramm kostet weitere 4400 Jobs - das sind elf Prozent der rund 39 000 Köpfe zählenden Belegschaft.

2003 - Milliarden-Verluste schocken das Management

Trotz Sparprogramm beginnt das neue Jahr mit einer Hiobsbotschaft: Für das zweite Fiskalquartal meldet Sun ein Rekorddefizit von fast 2,3 Milliarden Dollar, das allerdings vor allem auf Wertberichtigungen für die übernommenen Firmen Cobalt Networks und Highground Systems sowie Aufwendungen für die Restrukturierung zurückzuführen ist. Der Hersteller ändert daraufhin seine Produktstrategie: Sun bringt als letzter der großen Server-Anbieter eine eigene Blade-Plattform auf den Markt. Experten werfen Sun allerdings vor, den Trend in Richtung Blade-Systeme verschlafen zu haben. Außerdem bemüht sich Sun, im Lowend-Segment Fuß zu fassen. Hier sind allerdings die Konkurrenz härter und die Margen längst nicht so hoch wie im Highend. Darüber hinaus feilt der Server-Spezialist an seiner Softwarestrategie. Im September werden fünf integrierte Java-Pakete angekündigt. Analysten bezweifeln jedoch, ob es gelingt, damit das schwächelnde Hardwaregeschäft aufzufangen. CEO Scott McNealy muss zunehmend Kritik der Analysten einstecken. Sie fordern neue Strategien. Der Sun-Gründer habe zwar das Image des Unternehmens geprägt und entscheidend zu dessen Erfolg beigetragen. Inzwischen sei aber nicht mehr erkennbar, wie Sun dauerhaft auf Wachstumskurs zurückkehren wolle.

Viele Branchenbeobachter rieben sich erstaunt die Augen: Scott McNealy (li.) und Microsoft-Boss Steve Ballmer sitzen scherzend nebeneinander.

2004: McNealy reagiert: Im April begraben Sun und Microsoft überraschend das Kriegsbeil. Microsoft zahlt fast zwei Milliarden Dollar, um die Streitigkeiten rund um Kartellverfahren und Patentkonflikte aus der Welt zu schaffen. Ein auf zehn Jahre befristeter technischer Kooperationsvertrag hat in erster Linie eine verbesserte Interoperabilität zwischen den Produkten beider Unternehmen zum Ziel. Dem Server-Spezialisten kommt die Finanzspritze nicht ungelegen, hatten die Sun-Verantwortlichen doch wieder rote Zahlen erwartet. Um die Kosten zu drücken, sollen weltweit weitere 3300 Mitarbeiter ihren Job verlieren. Hinter McNealy wird Jonathan Schwartz, frisch gebackener President und Chief Operating Officer (COO), als neuer starker Mann aufgebaut. Er will das Geschäftsmodell von Sun radikal umkrempeln. Kontinuierliche Einnahmen für Software und Services sollen die Abhängigkeit vom Hardwaregeschäft verringern. Die Rechnung scheint aufzugehen: Die Umsätze wachsen und die Verluste werden kleiner.

2005 - Storage und Open-Source sollen Sun retten

Im Juni kauft Sun überraschend den Bandspeicherhersteller Storagetek für 4,1 Milliarden Dollar. Damit will der Anbieter sein Standing im Rechenzentrum verbessern. Experten kritisierten die Übernahme als überteuert und bezeichnen sie "Schritt zurück". Ende des Jahres startet Sun mit dem "Solaris Enterprise System" eine Open-Source-Initiative. Der überwiegende Teil des Software-Stacks soll künftig frei verfügbar sein, um mehr Kunden und Partner auf die Sun-Plattform zu locken. Im nächsten Schritt will Sun mit Services daraus Kapital schlagen.

Sun-Gründer Scott McNealy (re.) legt das weitere Schicksal seiner Comapny in die Hände von Jonathan Schwartz (li.).

2006: Im Mai kommt es zur Wachablösung an der Konzernspitze. Nach 22 Jahren übergibt Scott McNealy das Ruder an Jonathan Schwartz. Branchenbeobachter kreideten McNealy wiederholt an, es nicht geschafft zu haben, den Niedergang des Unternehmens aufzuhalten. Seinem Nachfolger empfehlen sie, vor allem die Kosten stärker als bisher zu senken. Schwartz reagiert schnell: Bereits einen Monat später verkündete der frisch gebackene Sun-Chef ein breit angelegtes Sparprogramm, dem zwischen 4000 und 5000 Jobs geopfert werden sollen.

2007 - Sun hofft, bis zur Finanzkrise

Suns Bemühungen im Lowend-Server- und Blade-Segment tragen erste Früchte. Die Marktanteile steigen wieder. Um diese Strategie zu forcieren, schließt Sun im Januar ein Bündnis mit Intel und plant x86-Server mit Xeon-Prozessoren herauszubringen. Im Gegenzug will Intel Solaris auf der eigenen CPU-Plattform besser unterstützen. Auch finanziell läuft es wieder: Es stehen Gewinne und steigende Umsätze zu Buche. Außerdem kauft der Investor Kohlberg Kravis Roberts eine Wandelschuldverschreibung im Wert von 700 Millionen Dollar. Mit dem Geld wolle man strategische Wachstumschancen verfolgen, heißt es.

2008: Sun setzt auf die Softwarekarte und übernimmt für rund eine Milliarde Dollar den Anbieter der quelloffenen Datenbank MySQL. Der neue Kurs des Managements scheint zu greifen. Doch im Laufe des Jahres macht die Finanzkrise alle Hoffnungen auf eine Sanierung zunichte. Nach einem schweren Einbruch im ersten Fiskalquartal 2008/09 mit einem Defizit von 1,68 Milliarden Dollar kündigt Schwartz im November weitere Restrukturierungen an. Wieder werden Stellen gestrichen, diemal zwischen 5000 und 6000. "Das wird kein Zuckerschlecken", sagt der Sun-Chef.

Scott McNealy - die besten Sprüche

Vor Scott McNealy war in der Branche niemand sicher. Den langjährigen Erzrivalen Microsoft bezeichnete der Mitgründer als "Bestie aus Redmond" oder "das Reich des Bösen". Intels konkurrierenden Itanium-Chip taufte er in Anspielung auf die Titanic in "Itanic" um. Über Big Blue sagte McNealy: "IBM braucht extra eine Systemintegrations-Company, die sich nur um die eigene Preisliste kümmert." Hewlett-Packard lobte er süffisant: "Ich glaube, das ist ein großartiges Druckerunternehmen."