Test

VoIP als SaaS

16.11.2009 von Jürgen Hill
Weg mit der TK-Anlage und bis zu 40 Prozent sparen, das verspricht etwa Nfon als Anbieter einer Hosted-VoIP-Lösung. Wir testeten das Angebot.
Mit ausgelagerter TK-Anlage brauchen Unternehmen nur noch ein IP-Telefon am Arbeitsplatz, die restliche Hardware entfällt.
Foto: Snom/Hill

"Schmeißen Sie Ihre alte TK-Anlage raus und sparen Sie 30 bis 40 Prozent der Kosten": Mit dieser Aussage provozierte Jens Blomeyer, Vorstand der Münchner Nfon AG, während eines Redaktionsbesuchs die Gesprächsrunde. Die versprochenen Einsparungen will der Manager dadurch realisieren, dass er Telefonie und andere Kommunikationsdienste wie Software als gehosteten Service unter dem Namen "nvoice" anbietet und der Anwender kein eigenes Equipment mehr benötigt. So berechnet Nfon pro Telefonarbeitsplatz (Nebenstelle) 6,80 Euro pro Monat. Hinzu kommt dann eventuell noch eine Flatrate ins Festnetz für 3,90 Euro. Zudem seien Fax- oder Voice-Mail-Integration und Mobilfunkanbindung sowie Collaboration und eine spätere Videoerweiterung kein Problem.

VoIP als SaaS: Pro und Kontra.

Und das Ganze, behauptete Blomeyer voller Inbrunst weiter, sei für den Endanwender einfach und transparent per Web-Browser zu konfigurieren. Damit seien die Zeiten vorbei, in denen Anwender mysteriöse Siemens-Hicom-Befehlsfolgen aus Raute und Stern auswendig lernen mussten und bei jeder kleinen Änderung an der TK-Anlage der kostspielige Besuch eines Servicetechnikers erforderlich war.

Die Konfiguration der Anlage erfolgt über ein Web-Portal.
Foto: Snom/Hill

Diese Funktionsliste und Blomeyers Versprechen weckten unsere Neugierde: "Wenn es so einfach ist, schicken Sie uns doch eine Teststellung." Eine Herausforderung, die man bei Nfon prompt annahm: Zwei Tage später traf das Paket im Büro ein. Sein Inhalt war eher unspektakulär: ein IP-Telefon von Snom, Modell 360, eine CD-Rom mit einem Softphone sowie schriftliche Unterlagen mit den Zugangsdaten. Mancher Leser wird sich jetzt sicher fragen, ob das alles sein soll, um die alte TK-Anlage abzulösen. Die Antwort hierauf lautet schlicht und einfach: Ja. Denn die Intelligenz der Nfon-Anlage steckt im Netz beziehungsweise genauer in zwei deutschen Rechenzentren von British Telecom und Telefonica, wo der Münchner Dienstleister seine TK-Anlagen hostet.

Im Web-Portal kann der User selbst die TK-Anlage bis ins Detail konfigurieren.
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Hinter der Idee der Münchner, VoIP als Service zu offerieren, steckt nichts anderes als das alte Prinzip der Hosted VoIP-PBX beziehungsweise IP-Centrex. Ein Ansatz, der allerdings hierzulande bislang wenig Freunde finden konnte, da es gegenüber dem Outsourcing von TK-Anlagen viele Vorbehalte gab. In Zeiten der Wirtschaftskrise und angesichts einer restriktiven Kreditvergabe der Banken könnte sich dies jetzt ändern: Für den Bezug von VoIP als SaaS spricht unter anderem, dass der Anwender weder mehrjährige Verpflichtungen in Form von Leasingverträgen noch eine langfristige Kapitalbindung eingehen muss.

Dafür erhalte der User aber, so Blomeyer weiter, eine Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit, wie er sie aus der klassischen TK-Welt kenne.

TK-Anlage als Software-Service

Alternativ zu klassischen IP-Telefonen kann der Anwender auch ein Softphone verwenden und so unterwegs per Notebook in den TK-Workflow eingebunden werden.
Foto: Snom/Hill

Den Spagat zwischen Zuverlässigkeit und günstigem Preis bewältigt Nfon mit einem Kniff: Das Unternehmen nutzt als VoIP-Lösung kein Angebot klassischer Player wie Cisco oder Avaya, sondern setzt auf die Open-Source-Lösung Asterisk, die dazu mit zusätzlichen Modulen erweitert wird. Das sei, so betonen die Münchner, nicht nur günstiger als eine Lösung von den etablierten VoIP-Anbietern, sondern der Anwender profitiere auch von der Innovationskraft und -freude der Open-Source-Entwicklergemeinschaft.

Features der TK-Anlage

Die gehostete IP-TK-Anlage unterstützt von Haus aus folgende Endgeräte:

  • IP-Telefone;

  • Dect-basierte Endgeräte;

  • Softphone für Windows, Linux und Mac OS X;

  • mobile Endgeräte (Smartphones) mit Symbian, Blackberry, Windows Mobile 3;

  • analoge IP-Adapter (ATA) für Fax, Türöffner etc.

Auch in Sachen Funktionsumfang muss sich die gehostete Lösung nicht vor einer klassischen PBX verstecken:

  • Roaming der Endgeräte zwischen verschiedenen Standorten;

  • Anruf-Management;

  • CLIP/CLIR, anonyme Anrufe;

  • Rufweiterleitung /Do not Disturb (DND);

  • Anrufbeantworter/Voice-Mail;

  • Anrufgruppen;

  • Warteschlangen;

  • automatische Vermittlung (IVR Interactive Voice Response, Sprachdialoge);

  • Telefonkonferenzen;

  • zeitgesteuertes Anruf-Routing;

  • Faxfunktionen;

  • Adressbuch (Import von CSV-Format möglich).

Zusatzfunktionen gegen Aufpreis:

  • Call-Center-Monitoring.

So weit die Theorie. Die erste Inbetriebnahme des Telefons erfolgte ohne Schwierigkeiten. Lediglich das Ethernet-Kabel sowie das Stromkabel waren einzustecken. Das Telefon bootete automatisch und prüfte die Verbindung. Damit stand einem ersten Telefonat nichts mehr im Wege, denn Nfon liefert alle Telefone vorkonfiguriert aus.

Wer Probleme bei der ersten Inbetriebnahme hat oder eigene Telefone verwendet, sollte auf alle Fälle seine Port-Weiterleitungen überprüfen. Nvoice benötigt hier die TCP-Ports 80, 83 und 443 (Provisionierung, Portalzugriff) sowie 123 (Zeitsynchronisierung). Ferner werden die UDP-Ports 3478 (Ermittlung der externen IP-Adresse) sowie 5000 bis 65535 (Austausch von Signalisierungs- und RTP-Daten) genutzt.

Einfache Inbetriebnahme

Per CTI-Client können die Telefone vom Desktop ferngesteuert werden.
Foto: Snom/Hill

Mit der von Nfon gelieferten Grundkonfiguration lässt sich zwar schon telefonieren, doch wer das Potenzial der virtuellen TK-Anlage wie Fax, Einbindung des Mobiltelefons und Softclient ausschöpfen will, kommt nicht umhin, tiefer in die Materie einzusteigen. Eine gute Anlaufstelle hierzu ist das Nfon-Portal unter https://portal.nfon.net. Dort administriert der User nicht nur seine TK-Anlage, sondern findet auch PDF-Anleitungen zum Download sowie ergänzende Software. Als zusätzliche Programme sind hier das Softphone NPhone, Fax-Clients für XP und Vista sowie eine CTI-Ergänzung und ein Tool zur Fernwartung durch Nfon zu finden.

Die Betaversion des CTI-Clients stürzte in unserem Test häufig ab.
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Auch bei der Installation des Softphones überraschte Nfon durch seine Einfachheit. Nach der Installation waren lediglich Kundennummer und Kennwort in den Client einzugeben, der sich daraufhin an der TK-Anlage anmeldete. Damit war die Konfigurationsarbeit fast getan. Fast, weil das Softphone jetzt nach einer freien Nebenstelle fragte. Spätestens jetzt kommt der User nicht umhin, sich im Nfon-Portal mit der Konfiguration der TK-Anlage zu beschäftigen. Einsteigern kann dazu nur wärmstens die Lektüre der PDF-Datei "Serviceportal Handbuch" nahegelegt werden. Denn hier wird auf Seite 5 das grundlegende Konzept der Anlage erklärt. Wer dies verinnerlicht, hat auch später keine Schwierigkeiten, Änderungen vorzunehmen oder neue Aktionen, Nebenstellen oder Ähnliches anzulegen. Weniger hilfreich fanden wir dagegen den "Quickstart guide". Er führt zwar schneller zum Erfolg - also dem ersten Telefonat -, erläutert aber nicht das Prinzip der Anlage. Ein Manko, das sich spätestens dann rächt, wenn der Benutzer etwa ein zeitabhängig gesteuertes Sprachdialogsystem einrichten will. Eine Grundregel bei der Konfiguration ist, dass immer erst das Objekt (Telefon, virtuelles Fax oder Dienst) definiert werden muss, bevor auf dieses in anderen Aktionen verwiesen wird.

Soll also eine Zeitsteuerung etwa außerhalb der Geschäftszeiten auf einen Ansagetext verweisen, so muss dieser zuerst definiert werden. Wird dieser Grundsatz nicht beherzigt, sind Fehler bei der Konfiguration programmiert. Ein Umstand, den Nfon in unseren Augen in den Unterlagen stärker hervorheben sollte. Allerdings ist hier Besserung in Sicht, denn das nächste Release der Konfigurationssoftware soll hier toleranter reagieren.

Anlagenkonfiguration

Insgesamt hinterließ die Arbeit mit dem Nfon-Portal einen zwiespältigen Eindruck: Einerseits faszinierte, wie per Mausklick selbst komplizierte TK-Szenarien mit zeitabhängiger Calling Distribution realisiert werden können, andererseits nervte die Komplexität, wenn nur einmal kurz per Web-Portal eine Weiterleitung auf das Handy geändert werden sollte. Schön wäre hier, wenn der Anbieter in Zukunft einen zweigleisigen Ansatz fahren könnte: einen Expertenmodus für die komplexe Einrichtung und ein schlankes Web-Frontend, das auch auf das Display eines Handys passt, um einfache Aufgaben per Mausklick zu erledigen. Zur Ehrenrettung bleibt aber anzumerken, dass solche Aufgaben auch direkt per Telefon, Softphone oder CTI-Client zu bewältigen sind.

Sprachqualität

Wählen per Outlook: Mit Hilfe des CTI-Clients können Telefonnummern direkt aus der E-Mail angewählt werden.
Foto: Snom/Hill

Über jeden Zweifel erhaben war dagegen die Sprachqualität der PBX. Selbst das abenteuerliche Konstrukt, das Softphone auf einem Netbook zu installieren und mit diesem dann per WLAN online zu gehen und über das eingebaute Mikrofon sowie die eingebauten Lautsprecher zu telefonieren, war noch von akzeptabler Qualität. Um eine gute Sprachqualität zu gewährleisten, fordert Nfon pro IP-Telefonat eine Bandbreite von 100 Kbit/s. Ferner sollte die Latency zum DE-CIX als zentralem deutschem Peering-Knoten unter 100 Millisekunden liegen und der Paketverlust nicht mehr als ein Prozent betragen. Inhouse sollte die Verkabelung CAT5 entsprechen. Der Anwender sollte vollduplexfähige 100-Mbit/s-Switches verwenden und das Netz nicht an der Auslastungsgrenze fahren.

Gemischte Gefühle hinterließ die von Nfon bereitgestellte Software. Über jeden Zweifel erhaben ist dabei das Softphone Nphone. Es ist einfach zu installieren, funktioniert auf Anhieb intuitiv, und die Sprachqualität bietet keinen Anlass zur Kritik. Dank der Integration in Outlook - hier erscheint ein kleiner Telefonhörer als Symbol - lassen sich Nummern aus der Kontaktliste mit einem Mausklick für ein VoIP-Telefonat anwählen.

Fax-Client

Faxen per IP-TK-Anlage: Ein Druckertreiber übernimmt die Aufgabe.
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Rein funktional ist auch an dem Fax-Client wenig zu bemängeln, denn er bindet sich - wie aus Modem- und ISDN-Zeiten gewohnt - einfach als Druckertreiber in das System ein. Zur Verzweiflung kann einen dagegen die Tatsache treiben, dass bei der Abfrage von Benutzernamen und Kennwort nicht die Zugangsdaten für die VoIP-Nebenstellenanlage gefordert sind, sondern andere Werte, die sich etwa aus Kundennummer und Faxkennung zusammensetzen. Zwar erklärt dies Nfon auch im Handbuch eFax, doch wer berücksichtigt schon das alte IT-Motto "RTFM"?

Softwareabstürze beim Client

Störrischer zeigte sich der CTI-Client. Auf unserem Testrechner stürzte er bei der Konfiguration mehrmals mit schweren Fehlermeldungen ab, und der CTI-Client übernahm anfangs nicht die Kontaktdaten aus Outlook. Dies gelang jedoch im zweiten Versuch. Auch später überzeugte der CTI-Client nicht durch einen stabilen Betrieb. Ob dies an unserer Konfiguration, einem Netbook mit Windows XP Professional SP3, lokalem Outlook 2007 (das aber per Konnektor Funambol mit dem Open-Source-Groupware-Server Egroupware verbunden war) lag oder daran, dass sich die Software noch im Betastadium befindet, mag dahingestellt bleiben.

Hat die Installation geklappt, sind noch die IP-Adressen zu konfigurieren. Etwas ungewohnt ist anfangs, dass das ursprünglich vom Softclient Nphone angelegte Icon "VoIP Telefonat führen" hinsichtlich des CTI-Clients keine Bedeutung hat. Um mit seiner Hilfe zu telefonieren, ist das Wählen-Symbol von Outlook zu verwenden. Sein wahres Potenzial offenbart der CTI-Client jedoch erst, wenn seine Symbolleiste in Outlook aktiviert wird: Liest der Benutzer etwa eine Mail von Karl Mustermann, dann scannt der Client die elektronische Post im Hintergrund nach Telefonnummern im Text und durchsucht gleichzeitig die Outlook-Kontakte. Klickt der User dann auf das Hörer-Symbol des CTI-Clients, werden ihm diese Nummern zum Wählen angeboten. Ebenso ist die Anbindung an Notes oder ODBC-Datenbanken möglich. Dabei fungiert der Client weniger als eigenständiges Telefon, sondern als Fernsteuerung für das im Test verwendete SNOM-IP-Telefon. Auf diese Weise können vom PC Funktionen wie Makeln und Konferenz gesteuert werden.

Fazit

Während unseres Tests überzeugte die Nfon-PBX vor allem durch ihre klare Sprachqualität. Egal ob am Firmenanschluss oder am heimischen DSL per Softphone - immer waren wir erreichbar und konnten telefonieren. Gerade der letzte Aspekt dürfte für Unternehmen mit vielen Teleworkern oder Außendienstlern von Interesse sein. Ohne großen Konfigurationsaufwand sind auch diese Mitarbeiter transparent in den TK-Workflow eingebunden. Ebenso waren alle Funktionen einer klassischen TK-Anlage vorhanden, so dass auf die eigene PBX verzichtet werden kann. Das spart nicht nur Geld, sondern entlastet auch die ITK-Abteilung, denn zum Beispiel bei Umzügen muss der Mitarbeiter sein Telefon nur noch in den nächsten LAN-Port stöpseln. Aus Sicht des einzelnen Anwenders verhält sich die gehostete PBX dabei wie eine klassische TK-Anlage. Sieht man einmal davon ab, dass die PC-Software in unserem Test teilweise zickte, zeigt die Lösung, wohin die Reise in Richtung Unified Communications geht. Werden dann noch andere Systeme (etwa Microsofts Office Communication Server), wie von Nfon geplant, angebunden, dann steht auch der Integration etwa von Videofunktionen nichts mehr im Weg. Dass die Konfigurationsoberfläche des Nfon-Portals nicht optimal ist, weiß auch Vorstand Blomeyer. Seinen Worten zufolge arbeitet das Unternehmen mit Nachdruck an einem neuen Portal, das Ende August online gehen soll. Dann wird es neben dem Admin-Account auch einen User-Login geben, damit der Anwender Funktionen wie die Rufweiterleitung einfach konfigurieren kann. Zum Jahresende ist dann eine grafische Variante geplant, bei der der User die TK-Anlage per Drag and Drop konfiguriert.