Update: IBM und Sun schmieden Vertriebsabkommen

17.08.2007
IBM und Sun haben ein Vertriebsabkommen geschlossen, demzufolge IBM auf seinen BladeCenter-und System-x-Systemen sowie in Zukunft auch auf seinen Mainframes das Sun-Betriebssystem Solaris 10 einsetzen und auch unterstützen wird.

Zunächst einmal ist es zwar nicht neu, dass Suns Solaris-Betriebssystem auf x86-Systemen mit Intel- oder AMD-Prozessoren läuft. Eine entsprechende Hardware Compatibility List (HCL) kann auf der Sun-Homepage eingesehen werden. Praktisch alle bekannten PC-und Serveranbieter sind hier vertreten. Nicht zuletzt unterstützt Big Blue auf ausgewählten BladeCenter-Servern bereits jetzt Solaris.
Was aber die Kompatibilitätszusicherungen der Dells, HPs, Acers dieser Welt unterscheidet von dem Deal zwischen IBM und Sun, ist die Tatsache, dass IBM sich hiermit verpflichtet - und auch das Recht dazu hat -, Solaris auf seinen eigenen Systemen zu vertreiben. Damit aber gibt Big Blue auch die Zusicherung, dass alle Treibersoftware – der Kit zwischen Betriebssystem einerseits und Hard- und Softwarekomponenten eines Rechners andererseits – auch tatsächlich funktioniert und läuft. Für solch eine Verpflichtung bedarf es dann schon eines Abkommens sowie einiger Ingenieurs- also Entwicklungsleistungen. Genau solch eine Vereinbarung haben IBM und Sun jetzt geschlossen.

Das Abkommen sieht im Detail vor, dass IBM Solaris 10 offiziell auf den System-x-3650-Maschinen (Zwei-Sockel-Xeon-CPUs von Intel), den x3755-Systemen (Vier-Sockel-Opteron-CPUs von AMD) und den x3850-Rack-Mount-Servern (Industriegehäuse) mit Vier-Sockel-Xeon-Chips unterstützen wird. Zudem wird IBM Solaris 10 auch auf den BladeCenter-Servern der HS21-Linie mit Intel-Xeon-CPUs sowie den Opteron-basierten LS41-Servern anbieten.
Auf seiner Homepage gibt Sun an, es habe Solaris 10 für 820 verschiedene X86- und X64-Plattfomen zertifiziert. X86-Anwendungen wie etwa Websphere, Tivoli, DB2 oder Rational laufen auf Solaris.
Suns President und Chief Executive Officer (CEO) Jonathan Schwartz ist schon seit längerem darum bemüht, die Serveranbieter der ersten Garde dazu zu bewegen, neben den hauseigenen Betriebssystemen und neben Linux-Varianten von Novell und Red Hat sowie den diversen Windows-Spielarten auch Solaris 10 ins Angebotsportfolio aufzunehmen. IBM ist nun das erste dieser Schwergewichte (neben HP, Dell, Fujitsu, NEC etc.) aus dem Serverzirkel, der eine vergleichsweise umfassende Verpflichtung eingegangen ist. Interessanterweise hat nicht einmal Suns Sparc-Prozessorpartner Fujitsu-Siemens solch ein Abkommen unterzeichnet.

Mit dem Deal hat sich IBM das Recht erkauft, auf seinen Servern sowohl Standardlizenzen von Solaris zu verkaufen, als auch Lizenzen unter Sonderkonditionen zu vertreiben. Bei solchen Deals verdient dann nicht nur Sun als Solariseigner. Vielmehr hält sich auch IBM bei solcherlei Verkäufen schadlos. Allerdings wollten beide Parteien nicht sagen, wie viel Geld IBM an solchen Aktionen verdienen kann. Bill Zeitler, der IBMs Geschäftseinheit System and Technology leitet, sagte lediglich, Big Blue seien für Solaris-Support-Verträge "normale wirtschaftliche Bedingungen" eingeräumt worden.

Gegner liegen sich in den Armen

Der jetzt geschlossene Deal zwischen IBM und Sun mag auf den ersten Blick irritierend sein. Immerhin hatte Big Blue in der Vergangenheit im Unix-Umfeld keine Gelegenheit verstreichen lassen, Sun mit seinen eigenen Power-Prozessor-basierten Servern und seinem eigenen Unix-Derivat AIX das Leben schwer zu machen. Konnte IBM Sun-Kunden mit dem Power/AIX-Angebot nicht von der Sun-Plattform weglocken, versuchte es das Spiel mit seinen Servern, auf denen dann Linux lief.
Nicht nur IBM, sondern auch Dell, HP und andere versuchten seit der Jahrtausendwende, Sun Kunden abspenstig zu machen. Sun hat bittere Jahre hinter sich, die bis zu Gerüchten über eine Übernahme der ehemaligen Scott-McNealy-Company führten. Heute steht Sun wieder gesünder da. Mittlerweile dürfte es noch viel schwerer geworden sein, Sun-Kunden von der Sparc-Solaris-Plattform wegzulocken. Insofern gibt es Sinn, wenn IBM sich sagt, Verkäufe der eigenen Hardware mit Solaris sind immer noch besser, als überhaupt keinen Verkauf getätigt zu haben oder ihn samt Support-Optionen ganz an Sun oder einen anderen Wettbewerber zu verlieren.

Vielleicht hat IBM auch nur aus der Vergangenheit gelernt. Vor sieben Jahren, als Big Blue sich das Thema Linux auf die Fahnen schrieb und auch auf seine Mainframe-Plattform brachte, habe es, sagte Zeitler, innerhalb und außerhalb der IBM genügend Warner gegeben, die meinte, nun würden die Großrechnerverkäufe in den Keller gehen. Genau das Gegenteil passierte de facto in den folgenden Jahren.
Aktivitäten, die Power-Prozessor-Plattform mit dem Solaris-Betriebssystem anzufreunden, gab es schon früher. Im Zuge des Open-Solaris-Projekts wurde auch ein Kernel für die Power-Architektur entwickelt. Dieser war seit Januar 2006 fertig. Weitere Anstrengungen im Zuge des so genannten Polaris-Projekts – um nämlich Solaris 10 auf Power-CPU-basierte Server zu portieren – schlummern seit dieser Zeit allerdings vor sich hin.

Solaris auf dem Mainframe –

Sowohl Zeitler als auch Schwartz können sich sehr mit dem Gedanken anfreunden, Solaris 10 auch auf IBMs System-z-Mainframes zu portieren. Die Beratungsfirma Sine Nomine Associates, die in den späten 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch schon Linux auf den Mainframe gehoben hatte, arbeitet seit Juli 2006 an einer Portierung von Solaris auf die System-z-Umgebung. Ursprünglich für den Herbst 2006 zur Markteinführung geplant, ist das Produkt aber bis heute nicht verfügbar. Unklar ist bislang, in welcher Form IBM und Sun dieses Projekt unterstützen. Unsicher ist ferner, wann die Solarisportierung auf den Markt kommen wird. Über definitive Absichtserklärungen beider Partner hinaus ist diesbezüglich noch nichts zu vermelden.
IBM dürfte sich analog seinen Erfahrungen mit Linux auf Großrechnern erhoffen, dass auch die Solaris-Offerte auf den System-z-Mainframes die Verkäufe der großen Maschinen anregt. Sun andererseits könnte einigermaßen enthusiasmiert sein von den Erfolgserlebnissen, die Red Hat und Novell mit Linux machen. Die beiden Linux-Anbieter kassieren nämlich pro verkaufte Lizenz für einen Großrechner zwischen 15.000 und 18.000 Dollar. Diese Aussichten dürfte Sun bei dem jetzt abgeschlossenen Deal im Auge haben. Dies auch auf die Gefahr hin, dabei den einen oder anderen oder auch eine ganze Reihe von Hardware-Deals an IBM zu verlieren. Allerdings riskiert Sun ferner, dass IBM-Kunden auf die Idee kommen könnten, ihre x86-Serverlandschaft im Zuge von Konsolidierungsstrategien möglicherweise auf einen IBM-Großrechner zu verschmelzen. Dann dürfte Schluss mit lustig sein, weil dann Linux die bessere Unix-Alternative auf dem Großrechner sein könnte.
Finanzielle Details zu der Abmachung zwischen Sun und IBM wurden nicht bekannt gegeben. Zeitler sagte lediglich, dass die Arbeiten für die Treiberanpassungen, die Systemoptimierungen und die Zertifizierungen in ungefähr drei Monaten erledigt sein werden. Der IBM-Vertriebskanal werde dann Solaris 10 direkt für jeweils bestimmte Maschinen verkaufen können.

Auf Armlänge entfernt

Die Konkurrenten Dell und HP unterhalten mit Sun bei weitem keine so weit reichende Beziehung wie sie jetzt IBM geschlossen hat. Dell hat überhaupt kein Vertriebsabkommen mit Sun. HPs Beziehung mit Sun, sagt Schwartz, sei "auf Armlänge". Das bedeutet, dass Solaris 10 auf einigen "Proliant"-Servern angeboten wird. Die Zertifizierung vollführen ausschließlich Sun und dessen Partner. HP hat nicht das Recht, Solaris-Lizenzen vorzuinstallieren oder zu verkaufen. HP muss sich zudem an Sun wenden, um Support für Solaris zu bekommen. (jm)