Nicht zuletzt der aktuelle Tablets- und Smartphone-Boom dokumentiert den natürlichen Drang des Menschen, Dinge anfassen, ja sie buchstäblich begreifen zu wollen. Während Microsoft bei diesen Produktgruppen dem iPad- und iPhone-Hersteller Apple abgeschlagen hinterherhinkt, könnte das Unternehmen mit seinen Surface-Geräten nun ein heißes Eisen im Feuer haben. Der Multitouch-fähige Tisch reagiert wie ein riesiges Tablet auf Gesten und Berührungen. Nimmt man dazu noch speziell erstellte oder modifizierte Anwendungen, können Unternehmen und Institutionen ihre Kunden und Besucher besser informieren und beraten.
Ein erstes Modell - damals noch mit 30-Zoll-Bildschirm und integrierten Kameras - hatte die Company bereits 2007 vorgestellt. Das Gerät war allerdings in der Praxis nur bedingt einsatzfähig, da es nicht nur groß und schwer, sowie mit knapp 13.000 Dollar auch recht teuer war. In diesem Jahr startet der Softwareriese mit dem Samsung SUR40 für Microsoft Surface 2.0 nun einen neuen Anlauf. Kernstück des 30 Kilogramm leichten Geräts ist ein zehn Zentimeter dünnes 40-Zoll-Panel von Samsung mit Full-HD-Auflösung (1920 mal 1080 Pixel) und integrierter Pixelsense-Technologie von Microsoft. Bei dieser nehmen winzige Sensoren bei den einzelnen Bildpunkten des Panels das von der Hintergrundbeleuchtung abgestrahlte und von den Objekten gespiegelte Infrarotlicht auf und bilden es detailgenau ab.
Außerdem erkennt das Gerät so neben Fingern und Händen auch Gegenstände, QR-Codes oder Tags. Zusätzlich kann das Panel bis zu 50 Berührungspunkte gleichzeitig wahrnehmen und somit von mehreren Nutzern parallel bedient werden. Zum Anschluss von Peripheriegeräten wie Notebook-PCs, Druckern, Videokameras, Kartenleser oder Barcode-Scannern besitzt das System vier integrierte USB-Ports, hinzu kommt ein HDMI-Anschluss zur Übertragung hochauflösender Videobilder sowie eine Ethernet- und WLAN-Schnittstelle (WLAN n mit bis zu 300 Mbit/s Bandbreite). Last, but not least kann der SUR40 dank Gorilla-Glas auch tatsächlich als Tisch und Abstellfläche genutzt werden, verschütteten Flüssigkeiten sollen laut Hersteller bis zu einer Stunde lang nicht in das Gerät eindringen.
Damit ist es aber schon Schluss mit den Besonderheiten: Herzstück des Ganzen ist nämlich ein einfacher Rechner mit AMD Athlon XII Dual-Core-Prozessor mit 2,9 Gigahertz Taktung, Radeon-HD6750M-Grafikkarte, 4GB RAM und 320GB Festplattenspeicher. Als Betriebssystem dient Windows 7 Professional Embedded 64 Bit, das eine Vielzahl spezieller Surface-Anwendungen ermöglichen soll.
Mit einer Verkaufsempfehlung von rund 9000 Euro - 600 Euro für die optionalen Tischbeine noch nicht mit eingerechnet - ist das SUR40 zwar günstiger als sein Vorgänger. Zumindest private Nutzer werden sich den Traum von einem interaktiven Wohnzimmertisch erst einmal aus dem Kopf schlagen - wenngleich es laut Samsung durchaus Anfragen gibt.
Anwendungen - maßgeschneidert und von der Stange
Im Business-Umfeld hängt es sicher von Branche und geplanten Nutzungsszenario ab, ob sich die Investition lohnt. Die Einsatzmöglichkeiten sind dabei vielfältig: Im Retail-Sektor kann der Surface-Tisch, direkt im Verkaufsraum aufgestellt, die Kunden über Produkte und Preise aufklären und so das Verkaufspersonal bei der Beratung unterstützen. Beispiel dafür ist eine entsprechende Lösung, die Samsung bei der französischen Softwareschmiede After-Mouse .com in Auftrag gegeben hat: Im Mittelpunkt der für Handy-Shops, Showrooms etc. gedachten Anwendung stehen Karten, auf denen Handys, Smartphones oder Zubehör des Herstellers abgebildet sind - optional lassen sich auch Geräte-Dummies verwenden. Anhand des rückseitig angebrachten Tags erkennt das System das jeweilige Produkt und stellt dazu Informationen bereit. Besucher eines Handy-Shops können so bereits einfach und nahezu spielerisch eine Vorauswahl treffen und sich informieren, noch bevor ein Kundenberater verfügbar ist.
Einen Schritt weiter geht die Surface-Anwendung, die Syzygy für den Kunden Fujifilm entwickelt hat und schon bald zusammen mit den Tischen im großen Rahmen in Australien und später weltweit ausgerollt wird. Mit ihr haben Kunden die Möglichkeit, direkt am Point of Sale mit einfachen Gesten Fotos von ihre Speicherkarten zu ziehen, diese zu bearbeiten oder Ausdrucke zu erstellen. Selbst professionelle Fotobücher lassen sich so gestalten. Die Anbindung des Backends an Drucklabore und Kassensysteme sorgt für eine schnelle Abwicklung der Aufträge.
Ebenfalls denkbar ist die Platzierung von Surface-Tischen in der Eingangshalle eines Hotels. In Sitzgruppen integriert, können sich Gäste anhand interaktiver Karten vor ihrem Stadtbesuch über mögliche Ziele und Sehenswürdigkeiten informieren. Gleichzeitig erkennt das Multitouch-Display beispielsweise über einen Tag auf der Zimmerkarte die Buchungsdaten des Anwenders und kann seiner Aufenthaltsdauer und möglichen Buchungspaketen entsprechend gezielt Vorschläge für die Tagesgestaltung machen.
Auch für den Einsatz in der Banken- und Versicherungsbranche ist der Surface-Tisch gut geeignet: Hier ist es bislang üblich, dass der Berater, hinter seinem PC oder Notebook verschanzt, Finanzierungsvorschläge und Ähnliches ausarbeitet und dem Kunden im Anschluss eine Broschüre in die Hand drückt. Stattdessen - so das von Samsung und Microsoft angedachte Szenario - könnten künftig beide Parteien gemeinsam vor dem SUR40 sitzen und interaktiv das individuelle Paket gestalten. Ein ähnliches Szenario kann man sich auch für die Immobilienbranche vorstellen…
Abwechslung für den Messestand
Generell bietet der Surface-Tisch Anwendern eine elegante Möglichkeit, einfachen Präsentationen im Powerpoint-Stil oder Demos auf einer Messe einen interaktiven Touch zu geben. Um dabei nicht jedes Mal eine neue Anwendung programmieren zu müssen, hat die T-System Multimedia Solutions die „Event Box" geschaffen. Von der ICT AG gibt es mit „Smartperform EasyMT" eine ähnliche, abgespeckte Lösung, die von der Siemens AG und anderen Großkunden genutzt wird und auch in Live-TV-Formaten wie „ZDF Morgenmagazin", „ZDF Login" oder „The Voice of Germany" im Einsatz ist. Beiden Anwendungen ist gemein, dass man das Präsentationsmaterial, also Videos, Bilder, Dokumente, Präsentationen oder sogar Websites, per Drag & Drop in einen Ordner packt, konfiguriert und dann auf dem Tisch anzeigen und nutzen kann. Die Event Box enthält zusätzliche Features wie optische Tags oder Visitenkarten-Scan mit anschließendem CSV-Export. Eine weitere Lösung ist IntuiFace Presentation von IntuiLab.
Was man letztendlich mit dem Surface-Tisch anfangen kann, hängt von der Phantasie der Anwender, beziehungsweise deren Geldbeutel ab: So werden bereits für die Standardlösungen mehrere tausend Euro aufgerufen, die Preise für maßgeschneiderte Surface-Anwendungen liegen je nach Komplexität deutlich darüber. Optional gibt es natürlich auch die Möglichkeit, selbst Applikationen zu erstellen. Software-Entwickler können dazu über das Surface Developer Center kostenlos auf das Surface 2.0 Software Developer Kit inklusive dem Input Simulator zuzugreifen. Dort finden sich bereits zahlreiche Code-Beispiele, etwa für die Integration eines Social-Media-Streams, Bluetooth-Verbindung oder für eine Anwendung für Finanzdienstleister.